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Nazis raus aus dem Internet

 

21.08.03

Leserbrief an das Garmisch-Partenkirchener Tagblatt

"Wann wird diese Haltung, die dahinter steckt, endlich diskutiert und überwunden?"

Folgenden Leserbrief hat Landessprecher Ulrich Sander an das Garmisch-Partenkirchener Tagblatt in Reaktion auf die unten dokumentierten Artikel vom 18. August 2003 geschrieben. Er ist noch nicht veröffentlicht:

Betr. Ihre Zeitung vom letzten Montag.

Sehr geehrte Redaktion!

Der Kameradenkreis "Gebirgstruppe" will also aussöhnen. Nach dem Motto: Wir sind euch nicht mehr böse dafür, daß wir Euer Land überfielen und eure Ortschaften vernichteten und ihre Bewohner umbrachten - hier ist unsere Hand und unser Kranz? Versöhnen können sich doch nur gleichermaßen Verfeindete. Diese Menschen in Kommeno hatten Deutschland nichts angetan, aber die deutschen Soldaten taten ihnen Schreckliches an. Hätten diese Soldaten also nicht allen Grund zu bereuen, um Verzeihung zu bitten, für Bestrafung der Täter zu sorgen und für Entschädigung der Opfer einzutreten?

Davon ist aber nichts zu vernehmen. Und davon war auch nichts zu vernehmen, als Vertreter der Opfergemeinden zu Pfingsten in Mittenwald weilten. Eine Gelegenheit wurde vertan. Es wurde kein Schritt auf die Überlebenden zu getan. Sie wurden gar im GPTblatt von Kameradenkreissprechern als Leute abgetan, die sich vor den Karren der Extremisten spannen lassen.

Mit Extremisten waren die Überlebenden und Hinterbliebenen des Widerstandes und der Verfolgung durch die Nazis in Deutschland gemeint, die Leute von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes. Einer der VVN-Vertreter zu Pfingsten in Mittenwald war Peter Gingold. Fast seine gesamte Familie hat er in Auschwitz verloren. Er emigrierte als Kommunist und Jude nach anfänglichem Widerstand aus Deutschland. Er wurde von der Gestapo in Paris gefoltert, konnte entfliehen und kämpfte in der französischen Widerstandsbewegung und in der italienischen Partisanenbewegung gegen die deutschen Faschisten. Warum nennen Sie, liebe GPTbl-Redaktion, Herrn Gingold einen Extremisten? Weil's im Verfassungsschutzbericht so steht? Haben Sie keinen eigenen Kopf zum Denken? Warum bringen Sie Peter Gingold in die Nähe von Leuten, die "Ausschreitungen provozieren"? Merken Sie nicht, was Sie da schreiben? Die Ausschreitungen wurden von Ewiggestrigen in Mittenwald provoziert. Als im vergangenen Jahr junge Leute in den Kameradschaftsabend im Mittenwalder "Postkeller" hineingingen und sich auf Stühle stellten, um zu rufen "Jetzt legen wir eine Gedenkminute für Eure Opfer ein", als sie auf Flugblättern die Tatsachen über die 1. GB-Division verbreiteten, da wurden sie von den alten und jungen Militärs und ihren Freunden angegriffen, verprügelt, von der Polizei in einer Jugendherberge interniert. Die Gewalt ging nicht von den Jugendlichen aus.

Und als wir in diesem Jahr in Mittenwald gegen das Treffen auf dem Hohen Brendten demonstrierten, da erlebten wir viele nachdenkliche Mittenwalder - und zu den Nachdenklichen zählte auch Ihre Zeitung, und dafür danken wir ihnen - aber wir hörten auch ganz eindeutige Morddrohungen. Ein Veteran sagte ins TV-Mikrofon: Diese Leute gehören entsorgt. Ja, wie Ungeziefer hätten einige uns gerne vernichtet.

Wann wird diese Haltung, die dahinter steckt, endlich öffentlich diskutiert und hoffentlich überwunden? Und könnte nicht ihre Zeitung dabei helfen?

Mit freundlichen Grüßen

Ulrich Sander

Landessprecher der VVN-BdA

Dokumentation:

Aus: Garmisch-Partenkirchner Tagblatt, 18. August 2003

Gebirgsjäger gedenken der Kriegsopfer

Kameradenkreis will aussöhnen

Von Rafael Sala

Mittenwald - Der Kameradenkreis der Gebirgstruppe hat am vergangenen Samstag mit einer Kranzniederlegung in zwei griechischen Ortschaften der Opfer von deutschen Kriegsverbrechen gedacht. Genau an diesem Tag von 60 Jahren, am 16. August 1943, waren deutsche Gebirgsjäger im nordgriechischen Kommeno eingefallen und hatten dort über 300 Zivilisten ermordet. Man wolle mit der zweistündigen Gedenkfeier ein Zeichen für Versöhnung und Völkerverständigung setzen, heißt es in einer Stellungnahme.

Ins Fadenkreuz der Kritik geraten waren die Gebirgsjäger wegen ihres alljährlich stattfindenden Pfingsttreffens am Hohen Brendten (wir berichteten). Politische Gegner und die - vom Verfassungsschutz als linksextremistisch eingestufte - "Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes" (VVN) hatten dem Kameradenkreis vorgeworfen, mit der seit 46 Jahren stattfindenden Soldatenfeier die Taten der Gebirgsjäger in Nordgriechenland während des zweiten Weltkrieges zu verharmlosen und nationalsozialistisches Gedankengut zu pflegen. Nur mit einem massiven Aufgebot konnte die Polizei dieses Jahr verhindern, dass es zu einer Konfrontation zwischen Teilnehmern und Gegnern der Brendten-Feier kam.

(Foto: Hallmann. Bildtext: Am Hohen Brendten versammeln sich alljährlich Mitglieder der Gebirgsjäger.)

Um dem Ruf der Gebirgstruppe als mögliches Sammelbecken rechtsradikaler Kräfte entgegenzuwirken und um ein Zeichen für Völkerverständigung zu setzen, hat der Kameradenkreis jetzt der Opfer von deutschen Kriegsverbrechen sowohl in Kommeno als auch auf der griechischen Insel Kephallonia mit einer Kranzniederlegung gedacht. Der etwa 7000 Mitglieder starke Zusammenschluss ehemaliger und aktiver Gebirgsjäger arbeite eng, freundschaftlich und erfolgreich mit den Gebirgstruppen in vielen europäischen Ländern und in den USA zusammen, informierte der Sprecher für den Kameradenkreis, Harald Rettelbach. "Ein Schwerpunkt ist dabei die Aussöhnung mit den Angehörigen der ehemals verfeindeten Armeen." Angehörige der italienischen Division "Aqui" seien nach Kämpfen um die Insel zum Teil gegen das Kriegsvölkerrecht von deutschen Gebirgsjägern umgebracht worden. Rettelbach räumt zwar ein, dass es zu Massakern deutscher Einheiten gekommen war, die Kriegsverbrechen, wie in Kommeno oder auf Kephallonia begangen, stellten aber "die absolute Ausnahme in der Geschichte der Gebirgstruppe dar. Sie machen heute noch betroffen." Der Kameradenkreis will sich auch künftig um das "Aufarbeiten solcher Untaten durch wissenschaftliche und historische Arbeiten bemühen", sagte Rettelbach.

Kommentar

Schritt war überfällig

Rafael Sala

Dass der Kameradenkreis der Gebirgstruppe sich entschlossen hat, der Opfer deutscher Kriegsverbrechen in Griechenland zu gedenken, ist ein Schritt, den man sehnsüchtig erwartet hat. Er hätte schon viel früher erfolgen sollen, und das aus drei Gründen:

Erstens wird damit endlich auch von Gebirgsjägerseite offiziell eingestanden, was historisch unumstritten ist -nämlich dass Massaker von Deutschen in Griechenland begangen worden sind und dass auch eigene Einheiten daran beteiligt waren. Das ist Fakt, an dieser Wahrheit gibt es nichts zu rütteln. Je länger der Kameradenkreis aber hierzu schwieg oder Vorwürfen nur ausweichend begegnete, desto mehr musste er den Eindruck erwecken, die Feier auf dem Hohen Brendten von dem geschichtlichen Ballast frei halten zu wollen - unerträglich angesichts des Geschehenen. Zugleich signalisierte er, sich selbst in einen Kokon der Unangreifbarkeit einzunisten - ein optimaler Nährboden, Extremisten auf den Plan zu rufen und Ausschreitungen zu provozieren. Die wirkungsvollste Waffe gegen ideologische Agitation - wie von der "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes" (VVN) betrieben - ist immer noch die historische Wahrheit.

Das Eingeständnis eigenen Fehlverhaltens, wie es jetzt in den Worten des Kameradenkreis-Sprechers Harald Rettelbach zum Ausdruck kommt, hat damit - zweitens - endlich den Extremisten den Wind aus den Segeln genommen. Es dürfte ihnen nun sehr viel schwerer fallen, neue Anlässe für Störversuche zu suchen und zu finden. Vorausgesetzt natürlich, der Kameradenkreis lässt in seinem angekündigten Bemühen nicht nach.

Drittens wird nun auch den Angehörigen der Opfer der Greueltaten endlich eine, wenn auch bescheidene, Genugtuung zuteil. Angesichts des Leids, das sie erfahren haben, ist diese wichtige symbolische Geste noch das Mindeste, was sie erwarten dürfen - das gilt auch 60 Jahre nach dem schrecklichen Ereignis.

siehe auch:

VVN-BdA fordert Verbot des Naziaufmarsches in Dortmund am Tag der Wehrmachtsverbrechen von Kephallonia

 

Corelli's Comrades

Verbrecher unterm Edelweiß endlich vor Gericht stellen

Gespräch mit Ulrich Sander nach dem Pfingstreffen 2003 in Mittenwald und nach dem Karlsruher Urteil

 

Pfingsten 2003 - Gegen die Traditionspflege der Gebirgsjäger

 

"'Real Corelli' gets close to Germans linked to massacre"/"Germany confronts Nazi atrocity: Reunion of war veterans intensifies calls for prosecutions over Cephalonia massacre"

Weitere Literaturhinweise...

 

Wehrmachts-Veteranen wollen nicht an Massaker erinnert werden

Protest gegen Feier der Gebirgstruppe / Opfer berichten von Kriegsverbrechen / Bundeswehr unterstützt Traditionstreffen

(Dokumentation aus der Frankfurter Rundschau vom 10.06.03)

 

Für die Erinnerung an die Opfer ist bei der Soldatenfeier kein Platz

 

Gegen die Traditionspflege der Gebirgsjäger

Btr.: Unverzügliche Strafverfolgung der Mörder von Kephallonia gefordert...

Pressemitteilung der VVN-BdA NRW:

Angreifbare Traditionspflege:

 

VVN/BdA fordert unverzügliche Strafverfolgung der Mörder von Kephallonia:

Mörder unterm Edelweiß – noch immer unter uns: