28.02.03
Angreifbare Traditionspflege
Hearing zu den
Kriegsverbrechen der Gebirgsjäger und den
Entschädigungsforderungen der Opfer
Seit 1952 treffen sich jährlich zu
Pfingsten ehemalige Gebirgsjäger der Wehrmacht. Das Treffen
findet seit vielen Jahren am Hohen Brendten in Mittenwald statt.
Dort organisiert der "Kameradenkreis der Gebirgstruppe",
ein Zusammenschluss von Wehrmachtsveteranen und
Bundeswehrsoldaten, jeden Pfingstsonntag eine Gedenkfeier mit
Militärgottesdienst für die im Zweiten Weltkrieg gefallenen
Gebirgsjäger.
Das Mittenwalder Treffen mit bis zu 5000
Teilnehmern ist das größte Treffen deutscher
Wehrmachts-Veteranen. Die in Mittenwald zelebrierte
Traditionspflege steht im Widerspruch zu den von Historikern
nachgewiesenen Kriegsverbrechen. Auf ihren Veranstaltungen und in
ihren Publikationen werden die Kriegsverbrechen teilweise offensiv
geleugnet und über die Opfer der Gebirgsdivisionen fällt kein
Wort.
Als es ab 1968 Ermittlungsverfahren wegen
Kriegsverbrechen gegen ehemalige Angehörige der Gebirgstruppen
gab, nutzten die Betroffenen die Pfingsttreffen, um ihre Aussagen
und ihre Verteidigungsstrategie untereinander abzusprechen. Mit
großem Erfolg. Nicht ein einziger Gebirgsjäger wurde von der
deutschen Justiz zur Rechenschaft gezogen. Zu unrecht: Historiker
konnten den Gebirgstruppen zahllose Massaker nachweisen.
Zu nennen sind u. a. Kephallonia (6.000
ermordete Kriegsgefangene), Kommeno (317 Frauen, Männer und
Kinder), Lyngiades (80 Menschen), Skines (146 Männer und 2
Frauen), Camerino (98 ZivilistInnen) und viele mehr.
Pfingsten 2003 veranstalten der Arbeitskreis
"Angreifbare Traditionspflege" und die "Vereinigung
der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten"
(VVN/BdA) am traditionellen Stationierungsort der 1.
Gebirgsdivision in Mittenwald ein Hearing zu den Kriegsverbrechen
der Gebirgsjäger und zu den Entschädigungsforderungen der Opfer.
Dabei steht Griechenland im Mittelpunkt. Die Referenten sprechen
zu folgenden Themen:
-
Verbrechen der Gebirgsjäger in
Griechenland (zugesagt: Prof. Schminck-Gustavus, Universität
Bremen, angefragt: Bürgermeister von Kommeno, Marco Pazzini,
Mailand, Überlebender von Kephallonia)
-
Traditionsverständnis der Bundeswehr
(AK Angreifbare Traditionspflege)
-
Entschädigungsforderungen griechischer
NS-Opfer (zugesagt: N. N., Nationalrat für die
Entschädigungsforderungen Griechenlands gegenüber
Deutschland (Athen) und Argyris N. Sfountouris, Überlebender
von Distomo, Hochschullehrer, Zürich/Athen)
-
Juristische (Nicht-)Verfolgung der
Täter (angefragt: Beate Klarsfeld, Paris, Manfred
Steinkühler, Berlin, ehemaliger deutscher Generalkonsul in
Mailand); zugesagt: Prof. Dr. Ludwig
Elm, Jena (Thema: "'Geiselnahme und -tötung war
rechtens!' Rechtswissenschaftler der
Ära Adenauer und Strauß über NS-Verbrechen)
-
Soldat und Kriegsverbrechen:
Möglichkeiten individuellen Verhaltens (zugesagt: Ludwig
Baumann, Vorsitzender der Bundesvereinigung Opfer der
NS-Militärjustiz, und Peter Gingold, Auschwitz-Komitee und
VVN-BdA); Vertreter der 999er und ehem. Soldaten in
Griechenland
Die Moderation übernimmt Karola Fings ,
Historikerin aus Köln.
Das Hearing soll
-
Die Entschädigungsforderungen
griechischer NS-Opfer gegenüber der Bundesrepublik
Deutschland einer breiteren Öffentlichkeit bekannt machen und
sie wirksam unterstützen,
-
einen Beitrag zur Wiederaufnahme von
Ermittlungsverfahren gegen Gebirgsjäger der Wehrmacht wegen
Kriegsverbrechen leisten und
-
die Öffentlichkeit über das
problematische Traditionsverständnis deutscher Soldaten
informieren und eine gesellschaftliche Debatte dazu anregen.
Es ist beabsichtigt, die Beiträge zu
sammeln und als Buch zu veröffentlichen.
Dem Hearing (Pfingstsamstag) geht eine
Pressekonferenz in München (Freitag vor Pfingsten) voraus und es
folgt ihm ein Mahngang durch Mittenwald. Am Pfingstsonntag findet
eine Kundgebung auf dem Parkplatz am Fuße des Hohen Brendten
statt.
Stand am 15.2.03
Pfingsten 2003 - Gegen die
Traditionspflege der Gebirgsjäger
Bestrafung der Kriegsverbrecher!
Entschädigung aller NS-Opfer!
Nahe der österreichischen Grenze, umgeben
von steilen Bergen und stillen Gewässern, lädt der Ferienort
Mittenwald zu einem Aufenthalt ein. Das regional spezifische
Reizklima ist besonders an den Pfingstfeiertagen deutlich
spürbar, wenn sich die alten Gebirgsjäger-Kameraden der
Wehrmacht gemeinsam mit ihren Bundeswehr-Nachfolgern versammeln,
um althergebrachte Werte und Traditionen zu pflegen. Sie leugnen
noch heute die von ihnen begangenen Massaker und Zerstörungen
während des Zweiten Weltkrieges u. a. in Griechenland (Kommeno,
Kephalonia, Lyngiades, Skines), in Italien (Camerino, Fabriano),
in Frankreich ( im Vercors), in Finnland (Rovaniemi) und in
weiteren Orten Jugoslawiens, Polens, Albaniens, der Sowjetunion
und dem Kaukasus.
In Kommeno (Nordgriechenland) fuhren
Soldaten der 12. Kompanie des Gebirgsjäger-Regiments 98 am 16.
August 1943 zum Morden "feldmarschmäßig" mit
Maultieren und dem Küchenwagen vor und erschossen 317 Frauen
Männer und Kinder. Die unter dem Kommando des späteren
Bundeswehroberstleutnants Reinhold Klebe stehenden Soldaten
ermordeten nicht nur Zivilisten, sondern schändeten Frauenleichen
und gaben das Dorf zum privaten Raubzug frei. Dieses bestialische
Massaker blieb kein Einzelfall. Im September 1943 beteiligten sich
Soldaten der 1. Gebirgsdivision an der Entwaffnung der
italienischen Armee in Griechenland und erschossen ca. 4.000
gefangengenommene Soldaten auf der Insel Kephalonia. Die Mörder
zogen weiter. In Joannina. unterstützte die 1. Gebirgsdivision
die Geheime Feldpolizei bei der Ghettoisierung und Deportation der
griechischen Jüdinnen und Juden. Jüdische Partisanen wurden
hingerichtet. Griechische ZivilistInnen, die die Massaker
überlebten, wurden als Geiseln festgehalten oder nach Deutschland
zur Zwangsarbeit verschleppt. Unter dem Deckmantel der sogenannten
"Bandenbekämpfung" ermordeten Gebirgsjäger-Einheiten
über 1.000 GriechInnen und zerstörten allein im Oktober 1943 im
Epirusgebiet mehr als 100 Dörfer. Auch in Italien wurden im Juni
1944 in den Dörfern Camerino und Fabriano im Zuge der
"Partisanenbekämpfung" über 100 ZivilistInnen von
Angehörigen der 5. Gebirgsjäger-Division ermordet. Für diese
Kriegsverbrechen wurde nicht ein einziger Gebirgsjäger von der
deutschen Justiz zur Rechenschaft gezogen.
Im bayerischen Mittenwald feiern Angehörige
der faschistischen deutschen Wehrmacht und der Bundeswehr noch
heute ihre vergangenen und aktuellen Fronterlebnisse. Voller Stolz
erleben die greisen Wehrmachtssoldaten, dass Bundeswehrsoldaten in
SFOR- und KFOR-Einheiten heute wieder auf dem Balkan kämpfen, wo
sie selbst schon vor 60 Jahren wüteten. Die Soldaten der
Gebirgsjäger-Einheiten beschwören eine Tradition von den
kaiserlichen Truppen des Ersten Weltkrieges über die Wehrmacht
Nazi-Deutschlands bis zur heutigen Bundeswehr.
Zu ihrer größten Überraschung wurden die
Feiern der Gebirgstruppe Pfingsten 2002 zum ersten Mal seit 1952
gestört! AntifaschistInnen aus der gesamten Bundesrepublik
folgten der Einladung des Fremdenverkehrsvereins Mittenwald, am
samstäglichen Kameradschaftstreffen teilzunehmen. Sie wollten
eine Gedenkminute zu Ehren der ermordeten Menschen am
Versammlungsort der Täter abhalten und die Anwesenden mit der
mörderischen Geschichte der Gebirgstruppe konfrontieren. Alte und
junge Kameraden reagierten darauf äußerst aggressiv. Die
bayerische Polizei würdigte die antifaschistischen Bemühungen,
indem sie alle BesucherInnen einer Jugendherberge, unter denen sie
TeilnehmerInnen der Gedenkveranstaltung vermutete, festsetzte und
die Herberge selbst zum Ort der Ingewahrsamsnahme erklärte.
Stundenlang wurde das Haus von der Polizei samt Hundestaffeln
umstellt, bevor den inzwischen sehr hungrigen und durstigen
Gästen erlaubt wurde, sich zu versorgen. Zur gleichen Zeit trafen
sich rund 2.000 ehemalige und aktive Gebirgsjäger zur größten
deutschen Soldatenfeier am Ehrenmal "Hoher Brendten" auf
nahe gelegenem Bundeswehrgelände. Der Versuch, am späten
Nachmittag eine spontane Kundgebung in Mittenwald durchzuführen,
um sowohl über das Kameradentreffen als auch über die Festnahme
der AntifaschistInnen zu informieren, wurde durch einen weiteren
Polizeieinsatz vereitelt.
Die "unangreifbare
Traditionspflege" (Zitat Stoiber) alter und junger
Militaristen und Mörder wollen und dulden wir nicht. Wir wollen
keine Zukunft, die irgendwelche Militärs mitgestalten. Das
Militär hat keine Zukunft, es ist Garant einer Gegenwart, die
jeder emanzipatorischen Politik entgegensteht. Wir wollen keine
Entschuldigung für das eine oder andere Massaker, wir wollen dass
die Überlebenden der Massaker endlich von der BRD entschädigt
werden.
Pfingsten 2003, also am 7. und 8. Juni 2003
werden wir die Gemeinde Mittenwald und die Gebirgsjäger-Kameraden
erneut besuchen. Wir wollen in Mittenwald die
Entschädigungsforderungen griechischer NS-Opfer gegenüber der
Bundesrepublik Deutschland einer breiteren Öffentlichkeit bekannt
machen und sie wirksam unterstützen und einen Beitrag zur
Wiederaufnahme von Ermittlungsverfahren gegen Gebirgsjäger der
Wehrmacht wegen Kriegsverbrechen leisten.
Wir rufen AntifaschistInnen und
AntimilitaristInnen dazu auf, an einem Hearing, an Demonstrationen
und Aktionen in Mittenwald und am Hohen Brendten teilzunehmen. Zu
dem Hearing zu den Kriegsverbrechen der deutschen Gebirgsjäger
und zu den Entschädigungsforderungen der Opfer sind u.a.
VertreterInnen des Griechischen Nationalrats der Opferverbände
aus Athen, Überlebende der Massaker aus Griechenland,
MilitärhistorikerInnen und WiderstandskämpferInnen eingeladen.
Nichts ist vergessen!
Bestrafung der Kriegsverbrecher! Entschädigung aller NS-Opfer!
VeranstalterInnen:
AK
Angreifbare Traditionspflege, Vereinigung der Verfolgten des
Naziregimes VVN-BdA , unterstützt vom AK Distomo
Kontakt:
AK
Angreifbare Traditionspflege angreifbare.tradition@freenet.de
Postanschrift:
Antifaschismus-Referat
Bergische Universität Wuppertal Max-Horkheimer-Str. 15 42119
Wuppertal
Spendenkonto:
Freie
Medien "Traditionspflege" Postbank Essen Ktr. 470834437
Blz. 36010043
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