18.01.03
VVN-BdA fordert unverzügliche Strafverfolgung
der Mörder von Kephallonia
Brief an die Landesregierung
– Beschwerde über Dortmunder Staatsanwaltschaft
„Wir erfuhren mit großer
Empörung, dass die Staatsanwaltschaft von Dortmund die
Ermittlungen gegen die Mörder von Kephallonia nicht weiterführen
will, obwohl diese Staatsanwaltschaft über das beigefügte
Material verfügt. Wir bitten, der Sache nachzugehen.“
Das schrieb die VVN-BdA von NRW jetzt an den Herrn
Justizminister von NRW, und sie übergab eine Liste mit den Namen
von 35 Tatverdächtigen. Die VVN-BdA hatte über die Ludwigsburger
Zentralstelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung der
NS-Massenverbrechen der zuständigen Dortmunder Staatsanwaltschaft
neue Erkenntnisse über die Täter aus der Wehrmachtsgebirgstruppe
vorgelegt, die im September 1943 über 6000 italienische
Kriegsgefangene auf der griechischen Insel Kephallonia grausam
ermordeten.
In einer ARD-Sendung vom Mittwochabend, 15. Januar 03, wurde
berichtet, wie Wehrmachtseinheiten auf der Insel Kephallonia (bei
Patras) die italienische Division "Acqui" auslöschten,
die über Nacht zum Feind geworden war. 60 Jahre nach einem der
größten Wehrmachts-Massaker des Zweiten Weltkriegs behaupten die
deutschen Strafverfolgungsbehörden – so die Aussage des
Dortmunder Oberstaatsanwalts Ulrich Maas im ARD-Bericht -
unverändert, sie seien nicht in der Lage, die verantwortlichen
Massenmörder ausfindig zu machen. Das Gemetzel auf Kephallonia
führte im Nachkriegsdeutschland zu keiner gerichtlichen Ahndung.
Auch bei ihren neuen Untersuchungen zeige sich die
Staatsanwaltschaft Dortmund außerstande, die Mörder zu benennen
– ungeachtet der neuen Liste, die die VVN-BdA vorlegte. Zudem
leugnete Oberstaatsanwalt Ulrich Maas einen Zusammenhang von
langjähriger Nazidominanz in der Sonderstaatsanwaltschaft
Dortmund für die Aufklärung von NS-Verbrechen und der
anhaltenden Untätigkeit in Sachen Kephallonia. Die langjährige
Besetzung der Dortmunder Behörde mit NS-Juristen war von der
Landesregierung schon vor einiger Zeit in Zusammenhang mit den
Skandalen um die Fälle Priebke und Malloth bekannt gegeben
worden.
Verantwortlich: Ulrich Sander, Landessprecher der VVN-BdA NRW.
Wir übergeben hiermit den Medien einen Auszug aus unserer
Dokumentation, die sowohl den Justizbehörden als auch der
Landesregierung bekannt ist.
Dokumentation
I. Ermittlungen gegen mörderische
Gebirgstruppler werden wieder möglich
Kommt es noch einmal zu einem
großen Kriegsverbrecherprozess?
Von Ulrich Sander
Für den Experten Frederik Rüter, Professor am Institut für
Strafrecht der Universität Amsterdam, ist eines klar: „Eine
Prozesswelle, die auch die Wehrmacht tangiert hätte, wäre
außenpolitisch höchst unglücklich und innenpolitischer
Selbstmord gewesen.“ Gemeint war das fast vollständige
Ausbleiben juristischer Aufarbeitungen der Verbrechen der
deutschen Wehrmacht. Das könnte sich nun ändern.
Zwar sind auch die Kriegsverbrechen von Einheiten der
Gebirgsjäger in Deutschland von der deutschen Justiz nicht
geahndet worden. Stattdessen konnten sich im Kameradenkreis
Gebirgstruppe, eine der größten Traditionsvereinigungen von
Reservisten aus Reichswehr, Wehrmacht und Bundeswehr, die nicht
verurteilten Täter mit ihren von den Alliierten abgeurteilten
Generälen über 50 Jahre ungestört ihrer Traditionspflege
hingeben. Die Verbrechen der Gebirgstruppe werden regelmäßig in
ihrer Verbandszeitung "Gebirgstruppe" verharmlost und
teilweise offensiv geleugnet. Auf ihren jährlichen Pfingsttreffen
am Hohen Brendten treten seit Jahren österreichische Veteranen
mit Hakenkreuz-Orden auf. Unter den Augen der Bundeswehr, der
bayrischen Staatsregierung und des Kameradschaftsmitglieds Edmund
Stoiber hat sich eine Organisation etabliert, die Kriegsverbrecher
in ihren Reihen duldet, schützt und die Täter in Ehren hält.
Stoiber nennt dies „unangreifbare Traditionspflege“, und als
diese Äußerung Proteste auslöste, ließ er die bayerische
Staatskanzlei erklären, er habe damit nur die Vorläufer in
Bayern im 19. Jahrhundert gemeint.
Jetzt kann die Notwendigkeit, bestimmte Veteranen der deutschen
Wehrmacht als Kriegsverbrecher und Mörder zu bezeichnen, als
gegeben angesehen werden. In den letzten Monaten haben junge und
ältere Amateurhistoriker aus der Gruppe „angreifbare
traditionspflege“ – so genannt in Umkehrung der Stoiberschen
Apologetik – und aus der VVN-BdA ehemaligen Soldaten persönlich
Kriegsverbrechen zugeordnet Persönliche Erlebnisberichte, etwa in
der Zeitschrift „Gebirgstruppe“ wurden mit
Fahndungsunterlagen, Ermittlungsakten und Geschichtsbüchern
abgeglichen. Als die Rechercheure dabei gewonnene Erkenntnisse
lautstark auf Kameradschaftstreffen vortragen wollten, da ernteten
sie nicht nur Flüche und Schläge, sondern auch Klagen wegen „Beleidigung“
und „Hausfriedensbruchs“. Zunächst wurde damit umgegangen,
wie seit jeher in der BRD: Die Kritiker wurden unter Anklage
gestellt, die mutmaßlichen Mörder und Täter bekamen den Segen
der Regierenden. Als aber jetzt die Gruppe erklärte: „Das von
Ihnen gegen unsere Reisegruppe angestrengte Verfahren wegen
Beleidigung pp. werden wir dazu nutzen, eine Wiederaufnahme bzw.
Neuaufnahme der Ermittlungen gegen die noch lebenden Täter im
Kameradenkreis anzuregen. Bei den Prozessen werden wir in
Zusammenarbeit mit Historikern und Angehörigen der getöteten
Zivilisten aus Griechenland, Frankreich, Italien und Finnland
reichhaltiges Beweismaterial vorlegen“, da gaben die Behörden
klein bei. Staatsanwälte bekamen den Wink der Staatskanzlei, die
Dokumente nicht einfach zu ignorieren, wie es zuvor jahrzehntelang
geschah.
„Im Epirusgebiet unterstützten sie die Geheime Feldpolizei
bei der Deportation der griechischen Juden in Joannina. Und unter
dem Deckmäntelchen der <Bandenbekämpfung> ermordeten sie
über 1000 Griechen und zerstörten im Epirusgebiet mehr als 100
Dörfer allein im Oktober 1943.“ So hieß es allgemein in einer
der vorgelegten Dokumentation über die noch lebenden Kommandeure
von Kompanien des 98. Regiments der 1. Wehrmachtsgebirgsdivision.
Hier sei eine Auswahl von Verbrechen, die den Gebirgsjägern
eindeutig zuzuordnen sind, und eine Auswahl von Tatverdächtigen
vorgestellt:
- Am 1.10.43 wurden Neochoratti, Megarchi und Tunta zerstört
und 20 Zivilisten erschossen. Die Verantwortung trug Major
Alois Eisl mit zwei Kompanien II./98 und ferner der 1
Geschützzug der II/79 unter Major Schmitt von der 1.
Gebirgsdivision.
- Am 3. Oktober 1943 werden drei Morde in Thereakision als
"Sühnemaßnahme für Mord an Oberstleutnant Salminger",
wie es hieß, gemeldet. Drei Personen, darunter Vassilis
Karamanis, werden getötet.
- Ebenfalls am 3. Oktober 1943 erfolgte die „Säuberungsaktion“
in Akmotopos. "Im Rahmen der Säuberungsaktionen
zahlreiche Ortschaften niedergebrannt und das Vieh
getötet.(...) Gruppe Eisl zerstört Akmotopos als
Sühnemaßnahme völlig. Sämtliche Zivilisten werden
erschossen" (aus dem Kriegstagebuch).
- Am 4.10.43 werden Muliana, Makates, Anoion, Tereion,
Jimnopolos, Akmotopos, Klisura, Lagatora zerstört. „130
Banditen und Zivilisten werden getötet“. Verantwortlich:
Gruppe Eisl.
- Die 1 Gebirgsdivision hat am 6.10.43 beim "Unternehmen
Tiger" 40 Ortschaften abgebrannt, 40 „Feindtote“
werden gezählt. 1GD-Kommandeur war Alois Eisl, Kommandeur von
April 1943 bis August 1944.
Weiter unter Kommando von Major Alois Eisl: Aus Rache für den
Tod des Kommandeurs zahlreicher Einsätze, Oberstleutnant Josef
Salminger – er war mit seinem PKW gegen ein von den Partisanen
errichtetes Hindernis gefahren und ums Leben gekommen –, werden
zwischen dem 1. und 4. Oktober 1943 18 Dörfer in Griechenland
zerstört; wer nicht floh, wurde umgebracht. Auf flüchtende
Zivilisten wurde mit Geschützen gefeuert. Alois Eisl meldete
stolz „Volltreffer“; es war Mord an 100 Zivilisten.
Bei den Untaten waren dabei die 7. Kompanie, die 9. Kompanie,
die 2. Kompanie des Gebirgsjägerregiments 98, das besonders sich
beim Massenmord in Kommeno in Nordgriechenland mit über 300 Toten
hervortat und beim Mord an über 400 italienischen Soldaten auf
Kephalonia. Aus diesen Kompanien und Regimentern werden in der
Dokumentation 66 mutmaßliche Mörder, die heute noch leben und
identifiziert sind, benannt.
Schließlich wird von „angreifbare traditionspflege“ noch
die 13. Kompanie des Gebirgsjägerregiments 98 als Mörderkompanie
identifiziert. Ihr wird die Zerstörung von Periwoli und die
Tötung von 53 Menschen am 25.10.43 zur Last gelegt, und zwar
unter der Befehlsgewalt von Alfred Artmann, und mit ihm waren
fünf jetzt identifizierte Verdächtigen.
Die VVN-BdA von Nordrhein-Westfalen war in der Lage, aus den
Mitgliedslisten des Kameradenvereins (siehe Zeitschrift „Die
Gebirgstruppe“) und den Überlieferungen der an den Verbrechen
beteiligten Wehrmachtseinheiten 71 dringend der Mittäterschaft
verdächtige Personen zu benennen, die zu den Teilnehmern der
alljährlichen Pfingsttreffen von Mittenwald gehören. „Gegen
sie muß dringend ermittelt werden,“ wurde verlangt.
Die Historiker erklärten, an die Adresse der bayerischen
Behörden gerichtet: „Brechen Sie endlich aus der Tradition des
Kalten Krieges aus, die dazu beitrug, dass über 300
Ermittlungsverfahren gegen die Täter aus den Reihen der
Gebirgsjäger der Wehrmacht und SS einfach niedergeschlagen
wurden, weil man die alten Wehrmachtskader für die neue
Bundeswehr brauchte. Zahlreiche Täter gelangten in höchste
Positionen.“ Verwiesen wurde auf Wehrmachtsoberst Karl-Wilhelm
Thilo, der in der Bundeswehr Generalmajor, Kommandeur der 1.
Gebirgsdivision und stellvertretender Heeresinspekteur wurde. Als
Chef des Stabes von 1. GD unterzeichnete er Massenmordbefehle
gegen Jugoslawen und Griechen; und er schrieb mit an Büchern, die
in der Bundeswehr kursierten, um den Völkermord zu preisen, so
Hubert Lanz (Hg.) „Gebirgsjäger - Die 1. Gebirgsjäger-Division
1935/1945“ Unter „Beute“ führte Thilo in seinen Berichten
an den Divisionsstab auch „tote Banditen“ auf, und dies waren
153 Männer, Frauen, Kinder und Greise im Alter von 1 bis 75
Jahren, die im Dorf Mousiosas/Griechenland am 25. Juli 1943
ermordet wurden.
Nach längerem Zögern hat die bayerische Staatskanzlei die
Dokumente der Antifaschisten kürzlich der Justiz des Landes
übergeben. Auch die Zentrale Stelle der Justizverwaltungen der
Länder in Ludwigsburg schaltete sich ein, die von „nationalsozialistischem
Unrecht“ der 1. GD sprach, das in den Angaben der Rechercheure
erkennbar sei. „Eine Reihe der von Ihnen genannten Aktionen von
Angehörigen der 1. Gebirgsdivision war oder ist bereits
Gegenstand strafrechtlicher Überprüfungen,“ schrieb
Staatsanwalt Dr. Riedel an die VVN-BdA. Es sollen die bisher nicht
bekannten Tatorte und Tatverdächtigen sowie einzelne
Tatgeschehen, die von den antifaschistischen Organisationen
benannt wurden, nunmehr Gegenstand von Ermittlungen werden.
(Aktenzeichen 508 AR 1110/02).
Es kann somit sein, daß sich nach vielen Jahren Stillstand
noch ein neuer großer Prozeß gegen NS-Mörder ergibt, gegen
Wehrmachtsangehörige, die an schwersten Verbrechen, an
Massenmorden und auch an Judendeportationen teilnahmen.
II. Aus Briefwechsel
Staatsanwalt Dr. Riedel von der Zentralen Stelle der
Landesjustizverwaltungen hat unter Aktenzeichen 508 AR 1110/02
Ermittlungen aufgenommen, die aufgrund der Angaben von „angreifbarer
traditionspflege“ und der VVN-BdA angelaufen sind. Bei den
mutmaßlichen Verbrechen handele es sich nicht nur um „deutsche
Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg“, sondern man habe sich mit
schwerem „nationalsozialistischem Unrecht“ zu befassen. Dr.
Riedel schreibt: „Eben dieses könnte aber bei den von Ihnen
aufgezeigten Sachverhalten zumindest teilweise durchaus der Fall
sein.“ Eine Reihe der genannten Aktionen von Angehörigen der 1.
Gebirgsdivision sei Gegenstand strafrechtlicher Überprüfungen.
So ist zum Beispiel die Zentralstelle bei der Staatsanwaltschaft
Dortmund derzeit mit dem Geschehen in Kephalonia befasst. Dort
ermordeten Truppen der 1. Gebirgs-Division, 12. Kompanie, am 13.
September 1943 auf griechischem Territorium mindestens 4000
italienische Kriegsgefangene aus Rache dafür, daß der ehemalige
Verbündete Italien die Seiten gewechselt hatte.
Vorher, am 16. August 1943, geschah dies: In Kommeno in
Nordgriechenland fuhren die Gebirgsjäger mit Maultieren und dem
Küchenwagen vor und erschossen über 300 Frauen, Männer und
Kinder. Die „stolzen Soldaten“ der 12. Kompanie des
Gebirgsjäger-Regiments 98 unter dem späteren
Bundeswehroberstleutnant Dr. Reinhold Klebe ermordeten nicht nur
unschuldige Zivilisten, einzelne Soldaten machten sich noch über
die Frauenleichen her und schändeten sie, wie einer der Täter
später berichtete. Jetzt verlangen die antifaschistischen
Rechercheure, daß die vielen Meter Archivmaterial bei der Witwe
Pauli Klebe gesichtet werden. „Im Haus von Frau Pauli Klebe in
Warngau befindet sich der Nachlaß von Reinold Klebe. Neben
Unterlagen zum 3.Batallion Gebirgsjägerregiment 98, zum
Kameradenkreis, zu den Absprachen für das Ermittlungsverfahren
ist dort ein Tagebuch und ein umfangreicher Briefwechsel aus der
Zeit August bis Oktober 1943 überliefert, der Aufschluß gibt
über das Mordgeschehen in Kommeno.“
Sehr viel Aufschluß ist auch jetzt schon gegeben: Der damalige
„Erste Schütze“ der 12. Kompanie, Anton Ziegler, erinnert
sich in den vorliegenden Akten, wie er mit seinen Kameraden am
Abend des 15. August von seinem Kompanieführer Willy Röser auf
das für den nächsten Morgen angesetzte „Vergeltungsunternehmen“,
eingestimmt wurde: „In dem Dorf ist auf Oberstleutnant Salminger
geschossen worden“, so Ziegler: „Es ist bandenverseucht und
dafür muß es büßen. Alle sind niederzumachen.“ Andere
Ehemalige, wie zum Beispiel der damals 18jährige Otto Goldmann.,
erinnern sich, daß der Befehl lautete, „bei dieser
Vergeltungsaktion [dürfe] niemand das Dorf lebend verlassen“.
Sogar der sonst so „vergessliche“ Linzer Karl Delacher
berichtete, daß Röser die Parole ausgab: „Niemand darf
überleben, und alle sind niederzumachen.“
Am Tag zuvor war in dem Dorf nicht nur das Fest zu „Marias
Grablegung“ begangen, sondern auch eine große Hochzeit gefeiert
worden. Der Pappas Lambros Stamatis wollte im Morgengrauen sein
Festgewand und die Bibel in die Kirche zurückzubringen, als die
Gebirgsjäger gerade aus ihren LKW stiegen. Der Oberleutnant
Röser streckte den Priester mit einer MP-Salve nieder. Daraufhin
wurde die Ortschaft mit Granatwerfern beschossen. Wie fast alle
Ehemaligen bestätigen, erfolgte keinerlei Gegenwehr. Beim
anschließenden Einmarsch „wurden Handgranaten in die Häuser
geworfen und durch die verschlossene Tür mit Karabiner und
Maschinenpistolen geschossen“. Die aus dem Schlaf gerissene
Hochzeitsgesellschaft wurde samt den Kindern vor das MG des Anton
Ziegler getrieben, der sie auf Befehl des hinter ihm stehenden und
ihm mit einem Kriegsgerichtsverfahren drohenden Leutnant, erschoß.
Der Leutnant wurde später Lehrer in Österreich, was ihn nicht
hinderte, Gedächtnisschwund vorzutäuschen. Dieser Schwund
übertrug sich auf seine Untergebenen; keiner will sich an seinen
Namen erinnern, der höchstwahrscheinlich lautet: Karl Derlacher.
Weiter wurde berichtet: Ein Teil der Dorfbewohner konnte über
den Fluß entkommen. Viele ertranken, als die überladenen Kähne
kenterten. 317 Menschen wurden in Kommeno ermordet, 172 Frauen und
145 Männer. 97 waren jünger als 15 Jahre, 14 älter als 65. 13
waren ein Jahr alt. 38 Menschen verbrannten in den Häusern, von
denen 181 zerstört wurden.
„Es wird beantragt eine Personenfeststellung der Angehörigen
der 12. Kompanie durchzuführen,“ heißt es in einem Fax der
Antifaschisten an die Staatsanwaltschaft. „Das Massaker in
Kommeno war vorher laut Zeugenaussagen angekündigt und wurde
kollektiv und arbeitsteilig von der gesamten 12. Kompanie
durchgeführt. Ein Soldat, der sich an der ‚Säuberung’ nicht
beteiligen wollte, wurde nicht zur Aktion mitgenommen. Sowohl die
Umstellung des Dorfes, die Mordphase, die Beraubung und Schändung
der Leichen und die Plünderung der Häuser, das anschließende
gemeinsame Apfelkompott-Essen war eine kollektive Aktion der 12.
Kompanie.“
Weiter im Fax: Im Haus von Georg Schmid, Etzelbachstr. 50 in
Balingen, findet sich in der Garage ein kleines Museum mit
Militaria und Nazi-Utensilien. Dort liegen auch die Unterlagen der
12. Kompanie-Kameradschaft mit Mitgliederlisten und Briefwechseln,
die Beweismaterial enthalten. Das fanden die Antifaschisten heraus
und sie fordern: „Das Material ist zu beschlagnahmen und
daraufhin zu untersuchen, welche Angehörigen der 12. Kompanie der
Staatsanwaltschaft München 1967-1972 noch nicht bekannt waren.“
Damals fanden die Ermittlungen statt, bei denen in skandalöser
Weise die belastenden Tatsachen missachtet wurden.
Weiteres fanden die antifaschistischen Ermittler jetzt heraus:
Ein Werner Funk aus Bielefeld hat in der Zeitung „Gebirgstruppe“,
Ausgabe 2/02, sich als Angehöriger der 12. Kompanie zu erkennen
gegeben und hat in einem Aufsatz die Kriegsverbrechen in
Kephalonia geleugnet. Er und andere Angehörige waren der
Staatsanwaltschaft München I 1968-1972 nicht bekannt.
Eine Wiederaufnahme des Verfahrens hält die VVN-BdA für
unumgänglich. „Die Auswertung der Verbandszeitung ‚Gebirgstruppe’
ergibt zahlreiche neue Tatverdächtige. 1968-1972 konnten aus
naheliegenden Gründen die beschuldigten DDR-Bürger nicht
vernommen werden. Dies ist jetzt nachzuholen.“
Bei dem Ermittlungsverfahren sind seinerzeit keine griechischen
Zeugen gehört worden. Dies soll ebenfalls nachgeholt werden.
Einige wenige Überlebende aus Kommeno stehen zur Verfügung.
Sollte die Staatsanwaltschaft sie nicht hinzuziehen, so erwägt
die VVN-BdA die Durchführung eines Haerings in Bayern mit den
Zeitzeugen.
Und die Gruppe „angreifbare traditionspflege“ fügt hinzu:
Das von dem Kameradenkreis der Gebirgstruppe gegen unsere
Reisegruppe angestrengte Verfahren wegen Beleidigung pp. werden
wir dazu nutzen, eine Wiederaufnahme bzw. Neuaufnahme gegen die
noch lebenden Täter im Kameradenkreis anzuregen. Bei den ersten
Prozessen werden wir in Zusammenarbeit mit HistorikerInnen und
Angehörigen der getöteten Zivilisten aus Griechenland,
Frankreich, Italien und Finnland reichhaltiges Beweismaterial
vorlegen. Wir bitten daher um rechtzeitige Terminierung.“
Bis dahin wird mit weiteren Resultaten antifaschistischer
Recherchen gerechnet. Die Verbrechen der Gebirgstruppe werden
regelmäßig in ihrer Verbandszeitung "Gebirgstruppe"
verharmlost und teilweise offensiv geleugnet. Auf ihren
jährlichen Veranstaltungen am Hohen Brendten treten seit Jahren
österreichische Veteranen mit Hakenkreuz-Orden auf. Unter den
Augen der Bundeswehr, der bayerischen Staatsregierung und des
Kameradschaftsmitglied Edmund Stoiber hat sich eine Organisation
etabliert, die Kriegsverbrecher in ihren Reihen duldet, schützt
und die Täter in Ehren hält. Das bleibt nun nicht mehr
unbeobachtet.
Unter den genannten Tätern befinden sich auch Alfred Artmann,
einst Kommandeur der 13. Kompanie, die am 25. 10. 43 Periwoli/Griechenland
zerstörte und 53 Bewohner tötete, ferner Major a.D.
Kameradenkreisaktivist Alois Eisl. Aus Rache für den Tod des
Massenmörders Oberstleutnant Josef Salminger – er war mit
seinem PKW gegen ein von den Partisanen errichtetes Hindernis
gefahren und ums Leben gekommen – hat Eisl mit seinen Leuten
zwischen dem 1. und 4. Oktober 1943 18 Dörfer in Griechenland
zerstört, wer nicht floh, wurde umgebracht. Auf flüchtende
Zivilisten wurde mit Geschützen gefeuert; Eisl meldete stolz „Volltreffer“;
es war Mord an 100 Zivilisten. All das und viele weitere
Verbrechen der 1. Gebirgsdivision werden in dem Buch „Kommeno“
von Hermann Frank Meyer (Brüssel) (www.hfmeyer.com)
geschildert, der Eisl in München, wo er rüstig lebt, zur Rede
stellen wollte. Eisl lehnt es ab, wegen der Vergangenheit
angesprochen zu werden. Der 92jährige setzt sich dann in seinen
Daimler und braust davon. Damit wird es nun wohl vorbei sein.
Brief von H. F. Meyer an Ulrich
Sander
Thema: Griechen und Montenegriner und Pfingsten
Datum: 12/20/2002 9:23:40 AM
Lieber Herr Sander, Vielen Dank, daß Sie mich auf dem
laufenden halten. ...... Wenn Sie über Kommeno schreiben, sollten
Sie vielleicht auch Moutsiotitsa und Lyngiadis erwähnen. In
diesen beiden Ortschaften gingen die Gebirgsjäger ähnlich vor
wie in Kommeno: Vom Baby bis zum Greis wurden alle massakriert,
die nicht geflohen waren. Siehe meinen Aufsatz "Mousiotitsa-Kommeno-Lyngiades"
in meiner web-site. Er wird im nächsten Jahr in einem Buch über
Kriegsverbrechen erscheinen. Alles Gute im Neuen Jahr! Ihr HFM
Anhang: Tatverdächtige aus der
12. Kompanie Gebirgsjägerregiment 98 (Kommeno, Kephallonia)
Ammam Johann, Meiningen/ Thüringen
Christlieb, Kurt, Bamberg
Delacher, Karl; Linz
Delacher, Hermann; Straßwalchem
Ebner, Andreas; Elsbethen
Ecker, Johann; Graz
Funke, Werner; Bielefeld
Goldmann, Otto; Wien
Germeroth, Hermann; Mittenwald
Hagel, Paul
Höfer, Herbert
Hofer, Alfred; Dornbirn Austria
Kitzer, Siegfried
Klass, Frank
Kropp, Erich, Steinach/ Thüringen,
Kropp, Albert, Steinach/ Thüringen
Lotz, Robert; Cureggia Schweiz
Neumann, Adolf; Salzburg
Niederegger, Sepp
Pflanzelt, Leo; Lechbruck
Reinhardt
Riedler, Johann; Wiener Herberg
Rohrmoser, Franz, Schwendau,
Sailer, Georg; Bad Heilbronn, Mittenwald
Schmid, Georg, Balingen, Etzelbachstr. 50
Schott, Willi; Rassatt
Schrempp; Mittenwald
Dr. Seibt; Nevada USA
Seitner, Anton
Seitner, August; Bad Ischl
Stenzel, Hindelang
Tomaschitz, Franz; Gruisla Gemeinde Klöch
Wiblishauser, Wilhelm; Egelsee, Steinheim Memmingen
Zlanabitnig, Alfred
Ziegler, Anton; Horn Schäbisch Gmünd
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