20.01.04
Dateien lieferten keinen Beweis
Staatsanwaltschaft erhält
trotzdem Vorwurf der Amtsanmaßung gegen Ulrich Sander aufrecht -
Sander: Beschlagnahme meines Computers war ein Willkürakt
An die Medien
Sehr geehrte Medien-Kollginnen und -Kollegen!
Bitte berichten Sie über folgende Vorgänge.
Zuerst zwei Pressemeldungen: 20.1.04
Ruhrnachrichten, Dortmund 20.1.04
Dateien liefern keine Beweise
Die Staatsanwaltschaft hält den Vorwurf der Amtsanmaßung gegen den Landessprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN), Ulrich Sander, weiterhin aufrecht " obwohl bei der Durchsuchung von Sanders Wohnung vor fast sieben Wochen keine Beweise entdeckt werden konnten, die den Verdacht erhärten. Das erklärte Oberstaatsanwalt Bernd Düllmann gestern auf Anfrage der Ruhr Nachrichten.
Am 3. Dezember hatte die Polizei einen Durchsuchungs-Beschluss des Amtsgerichts vollstreckt (wir berichteten) und dabei u. a. einen Computer beschlagnahmt. Durchsucht wurden auch die VVN-Landesgeschäftsstelle in Wuppertal. "Die Auswertung der Computer-Dateien hat die Anzeige nicht erhärtet", bestätigte der Oberstaatsanwalt. Dennoch dauern die Ermittlungen an. Laut Düllmann gebe es weitere Anhaltspunkte, die den Vorwurf der Amtsanmaßung untermauern könnten. Diese Punkte würden geprüft.
Ulrich Sander hatte die von der Staatsanwaltschaft erhobenen Vorwürfe sofort bestritten. In dem Vorgehen der Polizei sah er einen Fall von "Missachtung des Zeugnisverweigerungsrechtes", von dem er als Journalist betroffen sei.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem VVN-Landessprecher vor, mit dem Briefkopf "Der Leiter der Zentralstelle im Lande Nordrhein-Westfalen für die Bearbeitung von nationalsozialistischen Massenverbrechen bei der Staatsanwaltschaft Dortmund" eine "Vielzahl" von Personen angeschrieben zu haben. Darin soll Sander den Adressaten angekündigt haben, dass gegen sie wegen Mordes ermittelt werde.
Den Vorwurf der Amtsanmaßung weist Ulrich Sander weit von sich: Er habe gegen mehr als 200 ehemalige Mitglieder einer Gebirgsjäger-Division lediglich Strafantrag bei der Staatsanwaltschaft gestellt.
In den vergangenen Wochen hatten mehrere antifaschistische Organisationen gegen das Vorgehen der Dortmunder Staatsanwaltschaft protestiert. ban
Ruhrnachrichten, 20.1.04
Frankfurter Rundschau 20.1.04
KRIEGSVERBRECHEN: 86-Jähriger soll Schuld an NS-Gräueln tragen
München · 19. Januar · ap · Unter dem Verdacht der Ermordung von 164 Zivilisten
Anfang 1945 ist der ehemalige Kommandant einer slowakischen Hilfstruppe von
Wehrmacht und SS in München verhaftet worden. Wie die Staatsanwaltschaft München
am Montag mitteilte, war der heute 86-jährige Ladislav N. wegen der Taten
bereits 1962 von einem tschechoslowakischen Gericht in Abwesenheit zum Tode
verurteilt worden.
Ladislav N. sei Kommandant der Abteilung der Einheit "Edelweiß" gewesen, die zur
Partisanenbekämpfung in der Slowakei gebildet wurde. Im Januar 1945 sei er an
dem Massaker in Ostry Grun und Klak beteiligt gewesen, bei dem 51 Kinder und 95
erwachsene Zivilisten ermordet worden seien. Die Menschen seien ohne Anlass
getötet worden; es habe sich um reine Repression gehandelt, erklärte der
Leitende Oberstaatsanwalt Christian Schmidt-Sommerfeld. Einen Monat später soll
Ladislav N. in Ksina die Erschießung von 18 jüdischen Zivilisten, darunter sechs
Kinder, befohlen haben.
Der mutmaßliche Kriegsverbrecher hatte in München gewohnt und 1996 die deutsche
Staatsangehörigkeit erhalten. Nach einer Anfrage des slowakischen
Justizministeriums ermittelte die Münchner Justiz seit 2001, bekam Einblick in
slowakische und tschechische Gerichtsakten und Archive und war bei der
Vernehmung von Zeugen anwesend.
Copyright © Frankfurter Rundschau online 2004
Erscheinungsdatum 20.01.2004
Dazu meine/unsere Stellungnahme
- Die Beschlagnahme meines Computers war ein Willkürakt. Sie war unverhältnismäßig, widersprach meinem Recht auf rechtliches Gehör und verstieß gegen das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung. Das stellte mein Rechtsanwalt Herbert Lederer (Essen) dazu in einer Beschwerde fest. Weitere rechtliche Schritte behalten wir uns vor.
- Die Beschlagnahme des Computers führte zur illegalen Ausspähung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten. Vertrauliche Unterlagen der Organisation können nun in die Hände der Geheimdienste, ja sogar - per Akteneinsicht der militaristischen "Nebenkläger" - in die Hände der Alt- und Neonazis für ihre AntiAntifa-Aktionen fallen. Die Staatsanwaltschaft macht sich schlimmster Fahrlässigkeiten schuldig.
- Die Beschlagnahme des Computers hebelte mein Recht auf Zeugnisverweigerung aus. Indem ich nicht als Zeuge gehört, sondern als Beschuldigter vorverurteilt wurde, gelangten Staats- und Verfassungsschutz in den Besitz meiner journalistischen Informationen. Die Behauptung der "Amtsanmaßung" ist lächerlich; die Informationen, die den gefälschten Briefen zu Grunde lagen, waren per schriftliche Dokumentationen und per Internet bekannt, als die Briefe von mir unbekannten Personen geschrieben und versandt wurden.
- Ich verlange die Rückgabe aller Dateien und eine Entschuldigung der Staatsanwaltschaften Dortmund wie München.
- Hunderte Briefe und Solidaritätserklärungen, in denen die VVN-BdA und meine Person bestärkt wurden, ihre Aktionen gegen die mutmaßlichen Täter aus den Reihen der Gebirgstruppe fortzusetzen, haben uns erreicht. Wir danken dafür.
- Wir danken dem Simon Wiesenthal Center, das ebenfalls die Anzeigen, die wir gestellt hatten, an die Behörden weiterleitete. Wir danken dafür, dass das Simon Wiesenthal Center in 140 Fällen auch das Bundessozialministerium und die Ludwigsburger Zentralstelle der Landesjustizverwaltungen eingeschalt hat, um den Entzug der Kriegsopferrenten für die mutmaßlichen NS-Verbrecher zu erreichen.
- Wir danken vor allem auch den gewerkschaftlichen Kollegen, die gegen die Beschlagnahme des Computers protestiert hatten, allen voran der Deutschen Journalistenunion in der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di. Denn die Beschlagnahme eines Computers mit VVN-BdA-Material kann ein Signal sein zu weiteren Willkürakten gegen Gewerkschaften und Bürgerinitiativen, die ebenfalls auf das Zeugnisverweigerungsrecht für ihre solidarische Arbeit angewiesen sind. Die Beschlagnahme kann auch ein Signal sein zu weiteren Begünstigungen von Nazis und Neonazis, die unbehelligt bleiben, während Antifaschisten in ihrer Arbeit behindert werden. Schon kam es in Eschweiler zur Beschlagnahme von Computern bei zwei Gewerkschaftern, denen "Beihilfe zur Beleidigung" eines Vaters eines Neonazis vorgeworfen wurde. Wann kommt die Beschlagnahmung von Computern der Antifaschisten wegen des Verdachts der Beihilfe zum Falschparken?
- Schließlich begrüßen wir das Vorgehen der Staatsanwaltschaft München gegen einen Angehörigen der Wehrmachtseinheit Edelweiß - siehe obige Meldung der Frankfurter Rundschau von heute. Wir fordern die Staatsanwaltschaft München auf, endlich sämtlichen von uns übergebenen Informationen über Verbrecher aus der Gebirgstruppe nachzugehen. Wir fordern der Staatsanwaltschaft auf, nicht unsere Computer zu beschlagnahmen und auszuwerten, sondern die Archive der Gebirgstruppen-Kameradschaften und -Traditionsvereinigungen zu beschlagnahmen und auszuwerten.
- Wir weisen schließlich darauf hin, dass wir an der Aufklärung der Verbrechen der Gebirgstruppen festhalten. Der Arbeitskreis Angreifbare Traditionspflege und die VVN-BdA erklärten: "Der legitime Protest gegen die Traditionspflege der Gebirgsjäger geht weiter. Für Pfingsten 2004 sind in Mittenwald erneut Demonstrationen und eine Tagung mit ZeitzeugInnen und WissenschaftlerInnen mit den Schwerpunkten Kriegsverbrechen der Gebirgsjäger in Frankreich (Vercors), Italien (Camerino) und Griechenland (Lingiades) geplant."
Mit freundlichen Grüßen
- Ulrich Sander -
für die VVN-BdA
Polizeiaktion - Solidarität mit Ulrich Sander
Ziel staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen: Ulrich Sander
181 Unterschriften für die Solidaritätserklärung für die VVN/ BdA NRW und Ulrich Sander
Pressemitteilung
des AK Angreifbare Traditionspflege vom 21. Dezember 03
Hausdurchsuchung bei Ulrich Sander
Gespräch mit einem Ankläger, der von der Justiz angeklagt wurde
(Interview mit Ulrich Sander, erschienen in "Unsere
Zeit")
"Nicht das Verhalten von Sander, sondern das von Polizei und Staatsanwaltschaft ist
Amtsanmaßung"
Pressemitteilung und
Stellungnahme der Deutschen Journalistinnen- und
Journalisten-Union (dju) in ver.di zu den Durchsuchungen
Müssen "Staatsanwälte bei Ermittlungen gegen NS-Verbrecher wie die
'Hunde zum Jagen getragen werden'"?
Stellungnahme der Internationale Föderation des Widerstandes
(FIR) zu den Durchsuchungen bei der VVN-BdA NRW
"Einschüchterungen durch die Justiz werden politischer Alltag"
Offene Briefe der
DFG-VK und des AK "Angreifbare
Traditionspflege" zur Durchsuchung bei der VVN/BdA NRW
Durchsuchung bei VVN-BdA: Komplott gegen Antifaschisten?
Interview mit Landessprecher
Ulrich Sander in der Jungen Welt
Btr. Vorverurteilung: "Es wäre doch sicher noch Platz gewesen für ein
klitzekleines Fragezeichen?"
Leserbrief an die Westdeutsche Allgemeine Zeitung
bzgl. Hausdurchsuchung bei der VVN/BdA NRW
Staatsanwaltschaft durchsucht Räume der VVN/BdA NRW - Vorwürfe haltlos
Neues von der Aufarbeitung der NS-Verbrechen durch die deutsche Justiz
Ermittlungen aufgenommen!
Antwort des Oberstaatsanwalts Maaß, Dortmund, an die VVN-BdA NRW
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