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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes Landesvereinigung NRW |
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21.12.03 Hausdurchsuchung bei Ulrich Sander Gespräch mit einem Ankläger, der von der Justiz angeklagt wurde Erschienen in "Unsere Zeit", 12.12.2003 UZ: Am 3. Dezember 2003 durchsuchte die Polizei deine Wohnung und die Büroräume des Landesausschusses der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) in Wuppertal. Weshalb? Was wird dir vorgeworfen? Was geschah da konkret in deiner Wohnung und im Landesbüro? Ulrich Sander: Mir wird Amtsanmaßung vorgeworfen, ein vergleichsweise nicht so schweres Verbrechen. Aber der Vorwurf erweist sich als Vorwand. Vorwand, um mein Archiv zu beschlagnahmen. Die Amtsanmaßung bestand nicht etwa darin, dass ich im Karneval eine Polizeimütze trug, sondern ich soll einen Brief mit dem Briefkopf des Leiters der Zentralstelle in Dortmund für die Bearbeitung von NS-Massenverbrechen an des Massenmordes Verdächtige gesandt haben. Ein solcher Brief wäre eine Fälschung, und ich finde es unsinnig, einen solchen Brief zu schreiben und zu versenden. Es geht mir nicht darum, ein paar alte Männer in alpinen Gebirgsdörfern zu erschrecken, sondern um die Aufklärung der Verbrechen der Gebirgsjäger und des Systems, das dahinter steckt. Hätte man mich aber mal gefragt, dann hätte ich antworten können, dass der Inhalt der Fälschung nicht etwa aus einem nur uns zugänglichen Briefwechsel zwischen der VVN-BdA und dem NRW-Justizminister sowie einem Staatsanwalt abgeleitet war - und das behaupten die gegen die VVN-BdA und mich vorgehenden Stellen. Der Briefwechsel war im Internet unter www.nrw.vvn-bda.de zu lesen und ist es noch. Wir haben unser Material immer der Öffentlichkeit vorgelegt und die UZ hat des öfteren darüber berichtet. Man wollte aber nicht mich als Zeugen befragen, sondern aus mir einen Beschuldigten machen. Ein Zeuge, wenn er Journalist, Rechtsanwalt, Arzt oder ähnliches ist, hat ein Zeugnisverweigerungsrecht. Ein beschuldigter Normalbürger nicht. Und so konnte man ganz geheim gegen die VVN-BdA und mich ermitteln, um dann plötzlich meinen Computer und anderes Material zu beschlagnahmen und gründlich auszuwerten. UZ: Seit vielen Jahren beschäftigst du dich mit Verbrechen der Wehrmacht, vor allem auch mit der heutigen Tätigkeit daran Beteiligter. Unsere Zeitung hat dazu verschiedentlich Beiträge veröffentlicht. Was hat die Täter derartig aufgebracht, dass jetzt ausgerechnet der eigentliche Ankläger ins Visier genommen wird? Ulrich Sander: Es gibt verschiedene Gründe und Anlässe. In dem Beschluss zur Hausdurchsuchung und Sicherstellung von Material wird darauf hingewiesen, dass ich seit Jahren die Mitgliedszeitung der Wehrmachtsveteranen "Gebirgstruppe" ausgewertet habe, um Namen, Einheiten, Einsatzorte und Tatorte von Verbrechen abzugleichen. Wer diese Zeitung liest, ist offenbar höchst verdächtig. Auf diese Weise haben VVN-BdA und Arbeitsgemeinschaft "Angreifbare Traditionspflege" über 200 Namen und Anschriften von möglichen Tätern gefunden und die Verdächtigen bei den zuständigen Staatsanwaltschaften in München, Dortmund und Ludwigsburg zur Anzeige gebracht. Die verdächtigen Veteranen und ihr Kameradenkreis, prominentestes Mitglied ist Edmund Stoiber, sind nun ungeheuer sauer, weil sie dreißig Jahre nach Einstellung der damaligen Untersuchungen so ungezwungen ihr Verbandsleben als Gebirgsjäger gelebt und sich darüber ausgebreitet haben. Sie haben nicht damit gerechnet, dass noch einmal jemand kommt und vergleicht, wer wann wo mit wem gewesen ist - und was er da machte. Und so fanden wir den Anton Ziegler, der erst jetzt wieder sagte, es sei "wie Grasmähen gewesen", was er mit dem MG machte, dessen Lauf er beim Schießen auf die Frauen und Kinder von Kommeno hin und her schwenkte. Oder wir trafen auf Major a. D. Alois Eisl, den nach unserer Entdeckung Monitor fragte, was damals gewesen sei, als er die nordgriechischen Dörfer von der Bevölkerung entleerte, um dann mit Artillerie auf die Fliehenden zu schießen. Den "Erfolg" meldete er an die Wehrmachtsstäbe. So an Major Karl Wilhelm Thilo, der später bei der Bundeswehr stellvertretender Heeresinspekteur und Chef der Gebirgstruppe wurde, die wieder die Bezeichnung GD1 bekam, wie einst unter Adolf Hitler. Nun legen wir die Karten auf den Tisch, und man versucht, es zunächst so zu machen, wie im Kalten Krieg üblich: Die antifaschistischen Aufklärer werden kriminalisiert und die antifaschistische Organisation wird verschärft behindert. Als die VVN 1960 den Bundesminister Theodor Oberländer von der CDU als Wehrmachtsverbrecher entlarvte, da antwortete die Regierung mit dem Versuch, die VVN zu verbieten und Oberländer gelang es, die antifaschistische Zeitung "Die Tat" beschlagnahmen zu lassen. Jetzt haben wir wieder Enthüllungen vorgelegt, und man versucht, den Journalisten, der das macht, und seine Organisation mundtot zu machen. UZ: Offensichtlich ist deine journalistische Tätigkeit durch diese Polizeiaktion und die Beschlagnahmung behindert. Was wirst du weiterhin tun? Ulrich Sander: Zunächst mal steht die Herausgabe dreier Bücher bevor, deren Inhalt man offenbar mit der Computerbeschlagnahmung kennen lernen und dann unterdrücken wollte. Es wird das VVN-Weißbuch von 1960 "In Sachen Demokratie" neu und ergänzt herauskommen, das die NS-Durchdringung von Staat und Gesellschaft der BRD-Nachkriegszeit beleuchtet. Dann kommt ein Buch über das Hearing, das wir zu Pfingsten in Mittenwald durchführten, um die Gebirgsjäger zu entlarven und ihre Opfer, soweit sie überlebten, zu Wort kommen zu lassen, bei PapyRossa heraus und ebenfalls ein Buch im selben Verlag, das ich vorlege, um die Macht der deutschen rechtsextremen Generalität vom Kapp-Putsch bis heute - bis zu ihrem Anteil an der aggressiven Kriegsführungsfähigkeit Deutschlands - zu verdeutlichen. Auch hier: Vieles zu Gebirgs- und Fallschirmjägern. Diese Publikationen wird man nicht verhindern, und sollte man noch so viele Manöver starten. Sodann wollen wir als VVN-BdA eine Aufklärungs- und Protestkampagne starten gegen den unheilvollen Einfluss des Inlandgeheimdienstes Verfassungsschutz. Er hat mit seinem V-Leute-System den NPD-Prozess torpediert und damit einen Aufschwung der Aktivitäten von alten und neuen Nazis erreicht, wie er undenkbar erschien. Die vielen Prozesse gegen Antifaschisten wegen ihrer "Störung" von Nazizusammenrottungen und das Vorgehen im konkreten Fall gegen die VVN-BdA NRW und gegen mich als ihren Landessprecher müssen im Zusammenhang gesehen werden. Selbstverständlich werden wir auch juristisch gegen die Polizei- und Justizaktion vom 3. Dezember vorgehen. Und schließlich bleiben wir dran an der Aufklärung der Wehrmachtsverbrechen. Wir wollen erreichen, dass überlebende Täter noch vor Gericht kommen. Das ist natürlich schwierig bei Staatsanwälten, die lieber gegen Antifaschisten als gegen Faschisten ermitteln und dies auch ganz deutlich zeigen. Aber dennoch gilt: Durch Herstellung von Öffentlichkeit ein Klima schaffen, das auch einmal andere Juristen zum Zuge kommen lässt. Es gibt sie ja. Wir hoffen natürlich auch auf die Hilfe von ver.di, wo die Journalisten organisiert sind, und von der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen. Die Fragen stellte Rolf Priemer
"Nicht das Verhalten von Sander, sondern das von Polizei und Staatsanwaltschaft ist Amtsanmaßung" Müssen "Staatsanwälte bei Ermittlungen gegen NS-Verbrecher wie die 'Hunde zum Jagen getragen werden'"? "Einschüchterungen durch die Justiz werden politischer Alltag" Durchsuchung bei VVN-BdA: Komplott gegen Antifaschisten? Interview mit Landessprecher Ulrich Sander in der Jungen Welt Btr. Vorverurteilung: "Es wäre doch sicher noch Platz gewesen für ein klitzekleines Fragezeichen?" Leserbrief an die Westdeutsche Allgemeine Zeitung bzgl. Hausdurchsuchung bei der VVN/BdA NRW Staatsanwaltschaft durchsucht Räume der VVN/BdA NRW - Vorwürfe haltlos Neues von der Aufarbeitung der NS-Verbrechen durch die deutsche Justiz Ermittlungen aufgenommen! Antwort des Oberstaatsanwalts Maaß, Dortmund, an die VVN-BdA NRW |
