04.06.04
Prozess über Massaker von Kephalonia steht kurz bevor
Ermittlungsverfahren gegen zwei Wehrmachts-Veteranen fast abgeschlossen / Proteste gegen erneutes Treffen der Gebirgsjäger
Ein Prozess gegen Veteranen der Wehrmachts-Gebirgstruppe rückt näher. Nach mehrjährigen Ermittlungen hält Oberstaatsanwalt Ulrich Maaß die Ermittlungsverfahren gegen zwei mutmaßliche Beteiligte der Massaker auf der griechischen Insel Kephalonia für "abschlussreif".
VON JOACHIM F. TORNAU
Dokumentiert aus: Frankfurter Rundschau vom 27.05.04
Kassel · 26. Mai · Im September 1943 ermordeten deutsche Gebirgsjäger auf Kephalonia mindestens 5000 italienische Kriegsgefangene - eines von mehr als fünfzig Verbrechen während des Zweiten Weltkriegs, die sich der Elitetruppe unter dem Edelweiß nachweisen lassen und die bis heute ungesühnt sind. Die in den 60er Jahren "aus Mangel an Beweisen" eingestellten Ermittlungen nahm Oberstaatsanwalt Maaß, Leiter der nordrhein-westfälischen Zentralstelle zur Verfolgung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen in Dortmund, vor zweieinhalb Jahren wieder auf.
Kameradenkreis der Gebirgstruppe
Das umstrittene Pfingsttreffen der Gebirgsjäger in Mittenwald wird organisiert vom "Kameradenkreis der Gebirgstruppe". Dem 1952 gegründeten Verband gehören Veteranen der nationalsozialistischen Wehrmacht sowie ehemalige und aktive Bundeswehrsoldaten an. Prominentestes der derzeit rund 6400 Mitglieder ist Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU). Wegen Verstrickungen in Kriegsverbrechen wurde bislang noch niemand aus dem Kameradenkreis ausgeschlossen. Im Gegenteil: General Hubert
Lanz, nach dem Zweiten Weltkrieg in den Nürnberger Prozessen als NS-Täter verurteilt, blieb bis zu seinem Tod 1983 Ehrenvorsitzender. jft |
Jetzt kann Maaß erste Ergebnisse präsentieren: Die Verfahren gegen zwei Veteranen aus der Nähe von Augsburg seien abgetrennt und an die zuständige Staatsanwaltschaft in München abgegeben worden, erklärt Maaß. Ob und wann Anklage erhoben wird, müssen nun die bayrischen Kollegen entscheiden. Doch für Maaß ist die Sache "abschlussreif": "Man kann von einer grausamen Tötung sprechen, also von Mord." Täter und Opfer seien eindeutig zuzuordnen, der genaue Tatort stehe fest, die beiden Männer hätten zur Befehlsstruktur gehört.
Nach Informationen der FR geht es um ein Massaker, das Gebirgsjäger am 24. September 1943 auf einer Landzunge der Insel anrichteten: In viereinhalb Stunden wurden dort am "Roten Haus" nach und nach 137 italienische Offiziere kaltblütig erschossen und ihre Leichen im Meer versenkt.
Seine Ermittlungen gegen hunderte weiterer ehemaliger Angehöriger der Wehrmachts-Gebirgstruppe, die auf Kephalonia eingesetzt waren, will Maaß noch mindestens bis zum Ende des Jahres fortsetzen. "Ob es jemals zu einer Anklage kommt, weiß ich aber nicht", sagt der Oberstaatsanwalt. Ebenfalls noch offen ist der Ausgang der Ermittlungen im Fall Kommeno: In dem nordgriechischen Dorf hatte am 16. August 1943 eine Gebirgsjäger-Einheit 317 Menschen brutal ermordet - Männer, Frauen, Greise und Säuglinge, ohne
Unterschied.
Dass sich die Münchner Staatsanwaltschaft mehr als 30 Jahre nach Einstellung des Verfahrens erneut mit dem Massaker beschäftigt, ist das Verdienst des Arbeitskreises "Angreifbare Traditionspflege". Bei einer der Protestaktionen gegen das alljährliche Pfingsttreffen alter und junger Gebirgssoldaten im bayrischen Mittenwald hatten die Aktivisten vor einem Jahr der Polizei eine Liste mit rund 150 Namen noch lebender Angehöriger des verantwortlichen Regiments übergeben.
Und auch in diesem Jahr sollen Wehrmachtsveteranen und Bundeswehr-Gebirgsjäger nicht ungestört bleiben, wenn sie im Schulterschluss auf dem Hohen Brendten gemeinsam ihrer gefallenen Kameraden gedenken - und die Opfer verschweigen. Der Arbeitskreis "Angreifbare Traditionspflege" und die Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes (VVN) rufen für das Pfingstwochenende zu einer Gegendemonstration und einer Mahnwache ebenso auf wie zu einer Veranstaltung mit Überlebenden aus Griechenland und Frankreich. Motto der Proteste: "Die Mörder sind unter uns" - in Anlehnung an eine aktuelle Kampagne des Simon-Wiesenthal-Centers in Jerusalem, das für Hinweise, die zur Ergreifung noch lebender NS-Kriegsverbrecher führen, eine Belohnung von 10 000 Euro ausgesetzt hat.
Brief an die Bundesregierung
Zur Unterstützung des Treffens des völkisch-reaktionären "Kameradenkreis Gebirgstruppe" durch die Bundesregierung und bayerische Staatsregierung
"Die Mörder sind unter uns
- Gegen die Tradition der Gebirgsjäger"
Kundgebung
und Pressespiegel zu den Aktionen gegen die
Gebirgsjäger/Mittenwald
"Was wir mit den Schmierereien am Hohen Brendten zu tun haben soll, ist uns rätselhaft!"
Leserbrief an das Garmisch-Partenkirchener Tagblatt
Staatsanwälte
greifen Anzeigen der VVN-BdA auf
Wieder
antifaschistisches Treffen gegen die Gebirgsjägertraditionalisten
in Oberbayern
Richter
stellt Strafanzeige wegen Verfolgung Unschuldiger
Reaktion
auf die Ermittlungen gegen Landessprecher Ulrich Sander
Bezüglich
Gebirgsjäger/Kephallonia
Dokumente
an Staatsanwaltschaft übergeben
Weitere
Literaturhinweise...
...zu
den Aktionen gegen das Pfingsttreffen der Gebirgsjäger in
Mittenwald Pfingsten 2003
Pfingsten
2003 - Gegen die Traditionspflege der Gebirgsjäger
Resolution
verabschiedet am 7. Juni 2003 durch das Hearing in Mittenwald
Mörder
unterm Edelweiß - noch immer unter uns
Die
Blutspur der Gebirgsjäger reicht bis zu den Auslandseinsätzen
Des
weiteren die Kampagnenseite:
http://www.nadir.org/nadir/kampagnen/mittenwald/
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