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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

 

 

 

 

 

 

Nazis raus aus dem Internet

 

02.06.04

Brief an die Bundesregierung

Zur Unterstützung des Treffens des völkisch-reaktionären "Kameradenkreis Gebirgstruppe" durch die Bundesregierung und bayerische Staatsregierung

Sehr geehrte Damen und Herren Minister!

Alljährlich zu Pfingsten findet in Mittenwald auf dem Hohen Brendten das größte deutsche Soldatentreffen aller Generationen, das Traditionstreffen der Gebirgsjäger-Kameradschaft statt. Wehrmachtsveteranen, darunter mutmaßlich Mörder an Zivilisten vieler Länder Europas, sowie Aktive der Bundeswehr versammelten sich dort auch in diesem Jahr wieder. Und wieder gab es auch die Tradition des demokratischen Protestes dagegen. Arbeitskreis Angreifbare Traditionspflege und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/BdA stellten nun schon zum dritten Mal der militaristischen, das NS-Regime würdigenden "Traditionspflege" öffentliche Informationen über die ungesühnten Verbrechen der Truppe in ganz Europa entgegen - denn kein einziger Täter aus der Gebirgstruppe der Nazis wurde bisher zur Rechenschaft gezogen, und die überlebenden Opfer warten noch immer auf Entschädigung. Die dem Traditionserlaß des Bundesverteidigungsministers zuwiderlaufende Traditionspflege der Veteranen und Reservisten wird zugleich beibehalten.

Mit Zustimmung haben wir daher die Absatzbewegungen des Bundesverteidigungsministeriums von dem diesjährigen Brendtentreffen verfolgt, die sich in der Weigerung äußerten, diesmal einen der hohen Generäle zu entsenden, der den Kranz zu Ehren auch der Kriegsverbrecher niederlegt, und das Gebirgsjägermusikkorps aus Garmisch-Partenkirchen aufspielen zu lassen.

Doch dann kam es zu einer demonstrativen Zustimmung aus Berlin zu dem Treffen, die Bisheriges noch in den Schatten stellte. Da war am Pfingstsonntag dann plötzlich die Militärmusik da, und der Chef aller Gebirgsjäger, der Generalmajor und Kommandeur der 10. Panzerdivision Manfred Engelhardt legte den Kranz des Bundesministers der Verteidigung nieder. Im Verfassungsschutzbericht des Ministers Schily wurden die Protestierer gegen das Treffen als Linksextremisten bezeichnet und es war in dem Bericht vom "traditionellen jährlichen Treffen der Gebirgstruppe der Bundeswehr in Mittenwald (Bayern)" die Rede. Der zutreffende Satz: "Die Bundeswehr erweist sich auch fast 50 Jahre nach ihrer Gründung als Verein zur Strafvereitelung zu Gunsten von Mördern", wurde unter Verfassungsfeindlichkeit einrangiert. Dies obwohl der Kameradenkreispräsident sich dazu bekannte, dass die Teilnehmer an Massakern Mitglied des Kameradenkreises blieben und verstorbene Täter mit ins ehrende Todengedenken einbezogen sind.

Dabei hatte die Bundeswehr in letzter Zeit mehrfach darauf hingewiesen, nicht sie, sondern der Kameradenkreis sei der Veranstalter des Brendten-Treffens. Jetzt also ein Treffen der Bundeswehr und damit des Ministers?

Offenbar abgestimmt mit Berlin waren die Reden des Generals a.D. Ernst Coqui und des evangelischen Militärgeistlichen Wolfgang Scheel, die erstmals deutsche Kriegsverbrechen einräumten, was offenbar Vorbedingung für ministerielles Mittun war. Das Garmisch-Partenkirchner Tagblatt vom 1.6.04 vermerkte, dass der Präsident des Kameradenkreises auch auf Verbrechen von Gebirgssoldaten im Zweiten Weltkrieg einging. Zugleich sprach er von "großen Leistungen der Gebirgstruppe im Krieg", die bisweilen "schändlich missbraucht worden" sei. Coqui stellte nicht nur Opfer und Täter auf eine Stufe, sondern er machte den antifaschistischen Widerstandskampf der Völker für die Massenmorde der NS-Wehrmacht an der Zivilbevölkerung verantwortlich: "Es darf keine Tabus in der Aufarbeitung der eigenen Geschichte geben. Dies trifft im Besonderen auf den Partisanenkampf zu, der zu allen Zeiten grausam und unritterlich ist und mehr Opfer in der Zivilbevölkerung fordert als jeder reguläre Kampf."

Wir verurteilen die Gleichsetzung der Verbrechen der Wehrmacht mit dem Widerstand der Antifaschisten. Dieser Widerstand wurde dann auch noch verantwortlich gemacht für das Leid der Zivilbevölkerung. Doch es war die deutsche Gebirgstruppe, die Tausende Zivilisten ermordete und die Judendeportationen aus dem Balkan vornahm.

Wir verurteilen zugleich die Geschichtsklitterung durch den evangelischen Militärpfarrer der behauptete: Deutschland sei in den Krieg hineingezogen worden und die Grundlagen der freiheitlich-demokratischen Entwicklung nach 1945 seien von den Angehörigen der Hitler-Wehrmacht gelegt worden, die nie etwas schlechtes über den demokratischen Staat gesagt und die heutigen Bundeswehr erzogen hätten. Alle Bundeswehrskandale um die "Innere Führung", ausgelöst durch die Legionen von Hitleroffizieren in Bundeswehruniform, wurden so hinweggeleugnet. Verleumdet wurden die Friedensdemonstranten, die sich zu Recht gegen die Traditionspflege der Gebirgstruppe wenden. Wie überhaupt die ganze Zeremonie begleitet wurde von einem tausendfachen Polizeiaufgebot und von Sprechererklärungen der Polizei und mancher Offiziere a.D. über die "gewalttätigen" antifaschistischen Demonstranten, die von nichtbayerischen ARD-Sendern für viel Geld nach Mittenwald gebracht worden seien, um das "Gedenken für die Gefallenen und Vermissten" zu stören. Diese Stimmungsmache führte zu ungerechtfertigten Festnahmen, zu Übergriffen überforderter Polizeibeamter und zu Hassattacken aus der Bevölkerung, bis hin zur Äußerung gegenüber einem jüdischen Demonstranten und Theresienstadt-Überlebenden, Hitler habe vergessen, ihn zu vergasen.

Wir verurteilen die "geistige Aufrüstung", mit der gegen das Grundgesetz mit seinem Friedensgebot und Verbot der Vorbereitung und Führung von Angriffskriegen verstoßen wird. Das Treffen auf dem Hohen Brendten galt die Verharmlosung vergangener und Vorbereitung neuer Kriege.

Wir erwarten von der Bundesregierung: Machen Sie Schluß mit der antidemokratischen militaristischen Traditionsarbeit des Militärs. Leisten Sie endlich Beiträge zur Entschädigung der Opfer der Wehrmachtsverbrecher und zur Bestrafung der Täter. Unterstützen Sie die Aktion des Simon Wiesenthal Zentrums "Operation letzte Chance", um die verbliebenen Kriegsverbrecher aufzuspüren. Lassen Sie nicht länger zu, dass Vertreter der Bundesregierung in Prozessen um die Entschädigung der italienischen und griechischen Opfer deutscher Massaker und deutscher Zwangsarbeit behaupten, diese Untaten seien nun einmal Teil des damaligen Kriegsgeschehens gewesen und die Überlebenden seien nicht berechtigt, Entschädigung zu erlangen.

Wir haben Ihnen diesen Brief geschrieben, weil das, was sich zu Pfingsten in Mittenwald ereignete, Ausdruck eines komplexen ressortübergreifenden Herangehens Ihrer Ministerkollegen aus dem Bereich Verteidigung, Äusseres, Justiz und Inneres ist. Dabei übersehen wir nicht die Verantwortung der Bayerischen Staatsregierung. Auf Sie alle fällt zurück, was sich an Skandalösem in Mittenwald ereignete.

Für eine Antwort wären wir Ihnen sehr dankbar.

Mit freundlichen Grüßen

für die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA)

Ernst Antoni, München und Ulrich Sander, Köln/Dortmund

Mitglieder des Bundesausschusses der VVN-BdA

Siehe auch:

"Die Mörder sind unter uns - Gegen die Tradition der Gebirgsjäger"

"Was wir mit den Schmierereien am Hohen Brendten zu tun haben soll, ist uns rätselhaft!"

Leserbrief an das Garmisch-Partenkirchener Tagblatt

Staatsanwälte greifen Anzeigen der VVN-BdA auf

Wieder antifaschistisches Treffen gegen die Gebirgsjägertraditionalisten in Oberbayern

Richter stellt Strafanzeige wegen Verfolgung Unschuldiger

Reaktion auf die Ermittlungen gegen Landessprecher Ulrich Sander 

 

Bezüglich Gebirgsjäger/Kephallonia

Dokumente an Staatsanwaltschaft übergeben

 

Weitere Literaturhinweise...

...zu den Aktionen gegen das Pfingsttreffen der Gebirgsjäger in Mittenwald Pfingsten 2003

 

Pfingsten 2003 - Gegen die Traditionspflege der Gebirgsjäger

Resolution verabschiedet am 7. Juni 2003 durch das Hearing in Mittenwald pdf

 

Mörder unterm Edelweiß - noch immer unter uns

Die Blutspur der Gebirgsjäger reicht bis zu den Auslandseinsätzen

 

Des weiteren die Kampagnenseite:

 

http://www.nadir.org/nadir/kampagnen/mittenwald/