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Nazis raus aus dem Internet

 

02.06.04

"Die Mörder sind unter uns - Gegen die Tradition der Gebirgsjäger"

Kundgebung und Pressespiegel zu den Aktionen gegen die Gebirgsjäger/Mittenwald

Rede von Ulrich Sander (Landessprecher der VVN-BdA NRW) am 29.5.04 in Mittenwald auf der Kundgebung unter obigem Thema - des weiteren Pressespiegel zum Thema

Alljährlich zu Pfingsten findet in Mittenwald das große Traditionstreffen der Gebirgsjäger-Kameradschaft statt. Wehrmachtsveteranen und Aktive der Bundeswehr versammeln sich dort auch in diesem Jahr wieder. Aber es gibt auch eine Tradition dagegen! Arbeitskreis Angreifbare Traditionspflege und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/BdA stellen nun schon zum dritten Mal dieser militaristischen „Traditionspflege“ öffentliche Informationen über die ungesühnten Verbrechen der Truppe in ganz Europa entgegensetzen – denn kein einziger Täter aus der Gebirgstruppe der Nazis wurde bisher zur Rechenschaft gezogen, und die überlebenden Opfer warten noch immer auf Entschädigung.

In den sechziger Jahren trafen sich die Gebirgsjäger aus Bundeswehr und Wehrmacht, um (SZ 13. 6. 66) daran zu erinnern, wie man „damals für ein vereintes Europa gekämpft“ hat. Damit wer der Krieg der Nazis zur Unterjochung der Völker Europas gemeint. Und jetzt treffen sich die alten und jungen Militaristen, um wieder mal die Tradition zu beschwören. Und wieder sind Europa-Phrasen dabei. In diesem Jahr sind es dann auch Phrasen, die aus dem EU-Verfassungsentwurf stammen, und die gemeinsame Rüstung und gemeinsame Kriege bedeuten. Haben die Völker Europas nichts gelernt? Schon lesen wir in einem Dokument der höchsten deutschen Generäle: „Ein politisch geeintes Europa“ mache „den nationalen Parlamenten verpflichtete Streitkräfte entbehrlich“ ... und auch Deutschland müsse endlich an „Atomwaffenpotentialen einiger EU-Staaten beteiligt“ werden. (SZ 29.4.03) Das Militär gerät außer Rand und Band – und das auch noch atomar.

Wir bekennen uns hingegen heute erneut zu dem Schwur von 1945: Nie wieder Krieg – nie wieder Faschismus.

Mit Entsetzen haben wir erfahren, wohin Kriege heute führen können. Über die Folterbilder aus dem Irak hat die US-Regierung zunächst lapidar gesagt, (SZ 4. Mai 04) „solche Dinge passieren eben in einem Krieg“. Zynisch und ignorant sei das, schrieben die Zeitungen bei uns. Sie haben nur übersehen, daß in unserem Land ebenfalls gesagt wird – und zwar von Seiten der Regierung: Solche Dinge sind „Maßnahmen im Rahmen der Kriegsführung“ 1) Das sagt die Regierung, wenn die furchtbaren Wehrmachtsverbrechen zur Sprache kommen, solche wie wir sie hier beim Namen genannt haben. Mit diesem zynischen Satz weist man in deutschen Gerichtssälen die Opfer aus den griechischen Dörfern zurück, die endlich für die Massaker der Gebirgsjäger in ihrem Land eine Entschädigung verlangen. Wir stehen an der Seite dieser Menschen, sie haben unbedingt eine Entschädigung zu verlangen und zu bekommen. Die Haltung der Regierung, die dies verweigert, verurteilen wir.

Es sage auch niemand, solche Dinge wie heute im Irak, wären bei uns undenkbar. Über die Ausbildung der Gebirgstruppler zum Beispiel an der Infanterieschule von Hammelburg wurde berichtet: „Die Soldaten werden in der Infanterieschule auf Extremsituationen vorbereitet, in denen sie Gewalt ausüben oder Gewalt erleiden müssen... Ereignisse wie schwere Verwundungen oder, mit Blick auf Bosnien, eine nachgestellte Vergewaltigung müssen durch psychologische Gespräche vertieft werden.“ („Kriegsnähe ist jetzt Realität – Gestellte Vergewaltigungen und der Lehrplan der Bundeswehr“, Radio NDR 4, 19.4.96) Der neonazistische Videoskandal von Schneeberg und Hammelburg, der ist nicht vergessen – ein Skandal, an dem Gebirgsjäger führend beteiligt waren, die von jenem Reinhard Günzel angeführt wurden, der sich jetzt als Antisemit outete. Die Folterszenen aus dem Video waren keine Neonazi-Erfindung, sondern eine Widerspiegelung der Ausbildungspraxis der Bundeswehr, vornehmlich der Elitetruppe wie der Gebirgstruppe.

Dem militärpolitisch einflussreichen Kameradenkreis der Gebirgsjäger, der heute wieder auf dem Hohen Brendten versammelt ist, gehören Tausende Wehrmachts- und SS-Veteranen sowie Bundeswehrsoldaten und Reservisten an. Der bis kürzlich oberste Gebirgsjäger Generalmajor a.D. Rainer Jung, der sich bis zuletzt gegen Umbenennungen von nach NS-Größen benannten Kasernen in Bayern wehrte, hat zu seinen aktiven Zeiten den Kameradenkreis als "die Verbindung zwischen den aktiven und nichtaktiven Angehörigen der Gebirgstruppe" bezeichnet. In seiner Rede vor der Gebirgstruppe und dem Kameradenkreis im Mai 1997 beim Pfingsttreffen auf dem Hohen Brendten bei Mittenwald würdigte General Jung die Gebirgsjäger, die heute "als unsere Truppe“ auf dem Balkan „an erster Stelle" ihren Auftrag erfüllen und im Zweiten Weltkrieg sich "für das Vaterland geopfert" hätten. Die "Niederlage" von 1945 sei "demütigend" gewesen, die Soldaten hätten jedoch nur ihre Pflicht getan. Wir fodern: Schluß mit dieser Tradition der Pflichterfüllung.

Heute kann es nur eine Pflichterfüllung geben: Die Einhaltung der Verfassung, des Grundgesetzes, das Militär allenfalls zur Verteidigung zuläßt und Angriffskriege und die Verletzung des Völkerrechts unter Strafe stell. Auch die Vorbereitung eines Angriffskrieges ist strafbar.

Seit wir zuletzt zusammenkommen sind, hat sich aber auch einiges zum Positiven gewandelt. Es wurden rund 30 Gebirgsveteranen mit staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren überzogen. Einige Anklagen stehen kurz bevor, heißt es in der Frankfurter Rundschau vom 27. Mai 2004. Und einer Reihe von Wehrmachtsverbrechern, so teilte uns das Simon Wiesenthal Center mit, sind die Kriegsopferrenten entzogen worden, weil sie nachweislich an Kriegsverbrechen teilgenommen haben. Außerdem startete das Simon Wiesenthal Center die Aktion „Die Mörder sind unter uns“, um noch unerkannte Kriegsverbrecher zu entlarven und vor Gericht zu bringen. Diese Aktion unterstützen wir.

Anderseits wehrten sich militarismusfreundliche Staatsanwälte und Politiker, indem sie unter Vorwänden unsere Unterlagen über unsere Recherchen gegen die Gebirgstruppen-Täter beschlagnahmen und das Büro der VVN-BdA in Wuppertal mit per Hausdurchsuchung ausspähten. Viele von uns sind Opfer von Telefonüberwachung geworden. Gegen mich wird ermittelt, weil ich die Zeitschrift „Die Gebirgstruppe“ gelesen hätte und sie zu Lasten des Traditionsvereins ausgewertet und diese Gebirgsveteranen beleidigt hätte. Zu verurteilen ist auch, dass das Bundesministerium der Verteidigung nach anfänglichem Zögern wieder hundertprozentig die Traditionspflege und das Traditionstreffen der Gebirgstruppe unterstützt und auch eine Militärkapelle zu dem angeblich so stillen Gedenken und Gottesdienst auf dem Hohen Brendten entsendet.

Unsere Archive haben wir noch, das sei hier gesagt, man nahm uns aber die Kopien davon. Und wir fragen: Wann geht man wirklich gegen die Täter vor und nicht gegen uns, die wir die Verbrechen Verbrechen genannt haben? Wann werden die Archive des Kameradenkreises Gebirgstruppe beschlagnahmt? Dann würden weitere Belege für den Satz gefunden werden, den ich ausgesprochen habe, als wir der Staatsanwaltschaft unsere Beweise vorlegten: Die Bundeswehr ist nach wie vor ein Verein zur Strafvereitelung zu Gunsten von Mördern. Für diese Äußerung wurde ich vom Innenministerium verfassungsfeindlicher Extremist genannt und im neusten Verfassungsschutzbericht von Herrn Schily angeprangert. Wir stellen dazu fest: Wir lassen uns nicht einschüchtern. Nicht durch Geheimdienste und reaktionäre Juristen, nicht durch die Hetze der Militaristen, die hier in Oberbayern nun schon seit Wochen ihre Kritiker verteufeln und am liebsten in die Terroristenecke stellen wollen, die unsere Demonstrantinnen und Demonstranten behindern und schikanieren, die hier her kommen wollen.

Wir fühlen uns ermutigt dadurch, daß auch in Italien nun höchste Gerichte Urteile gefällt haben, nach denen Deutschland endlich Wiedergutmachung zahlen muß. Es ist doch andererseits eine Schande, daß solche Urteile in Italien wie vorher in Griechenland überhaupt notwendig sind. Wann kommen die Regierenden endlich von sich aus zur Einsicht? Vermutlich nie, wenn wir nicht unseren Protest fortsetzen und noch verstärken.

Wir haben deshalb den staatsanwaltschaftlichen Zentralstellen für die Bearbeitung von NS-Massenverbrechen die Namen von Personen und die Angaben über ihre frühere Zugehörigkeiten zu Wehrmachtseinheiten, die an schweren Verbrechen beteiligt waren, zugeleitet. Wir fordern die Zentralstellen und auch die Staatsanwaltschaft in München auf, unsere Unterlagen und Dokumentationen in ihre wichtigen Ermittlungen einzubeziehen, diese Ermittlungen zu beschleunigen – und die Landesregierungen fordern wir auf, die Zentralstellen personell zu verstärken, damit endlich die Täter ihrer Strafe zugeführt werden können.

Es handelt sich konkret um 198 noch lebende mutmaßliche Täter der Massenverbrechen der Wehrmacht in Italien und Griechenland. Weitere Fakten zu Frankreich folgen. Wir fordern, Alois Eisl, Anton Ziegler und 196 weitere endlich zu verurteilen.

Wir haben diese Personen in eineinhalbjähriger Arbeit ermittelt – wir, das sind der Arbeitskreis Angreifbare Traditionspflege und die VVN-BdA.

Dem zuständigen Oberstaatsanwalt Ulrich Maaß in Dortmund können wir auf seine in Zeitungsinterviews geäußerte Klage eine Antwort geben. Er stößt als Ermittler immer wieder auf die Tatsache, dass von den vermutlich noch lebenden 800 Tätern beim Massenmord von Kephalonia mit 5000 Opfern nichts herauszubekommen ist, weil sie sich „absprechen“.

Wir haben herausgefunden:

Diese Absprachen zur Strafvereitelung erfolgen regelmäßig unter der Schirmherrschaft der Bundeswehr wie hier am Hohen Brendten. Sie erfolgen im Kameradenkreis Gebirgstruppe, wo alte und junge Soldaten und Reservisten zusammenwirken. Und sie erfolgen in anderen Traditionsverbänden, so der Fallschirmjäger und der Ritterkreuzträger.

1950 sagten die führenden Nazigeneräle um Heusinger und Speidel dem Bundeskanzler Adenauer, der sie zum Aufbau deutscher Streitkräfte aufforderte: Wir machen nur mit, wenn die als Kriegsverbrecher verurteilten Soldaten aus dem Gefängnis entlassen werden und wenn es künftig keine Strafen für Wehrmachtangehörige gibt – auch wenn sie an Verbrechen gegen die Menschheit beteiligt waren.

Das, was die Generäle forderten, wurde gemacht 2). Und daran hält sich auch die heutige Regierung.

Eine andere Lösung zur Strafvereitelung war die, dass man in die Zentralstellen zur Bearbeitung der NS-Massenverbrechen lange Zeit nur ehemalige Nazijuristen setzte.

Die Neonazis wie auch die hier versammelten Aktiven und Reservisten verbreiten die Lüge von der „sauberen Wehrmacht“, und der Spruch der Neonazis: „Unsere Opas waren in Ordnung“ wird gern verbreitet.

Ja, ihre Opas fanden in Ordnung, dass Wehrmachtsstäbe mit Meldungen wie diese beliefert wurden: „Bei Säuberungsmaßnahmen gegen Bandengruppen vernichtet: 120 Feindtote“.

So geschehen im November 1943 in Voskopoje/Montenegro.

Die „Feindtoten“ waren Zivilisten, Frauen, Kinder.

Solche Meldungen trugen die Unterschrift von Karl Wilhelm Thilo, der die Mordaktionen der Gebirgsjäger koordinierte und nach dem Krieg kommandierender Bundeswehrgeneral bei den Gebirgsjägern wurde.

Solche Leute hatte die Bundeswehr. Und sie werden noch heute in der Truppe hoch geehrt. Und was für Soldaten werden wir morgen haben?

Neue, bisher nicht veröffentlichte Daten bestätigen den Verdacht, daß Offiziersstudenten, künftige Bundeswehrführer, weiter nach rechts rücken, nationalistische und fremdenfeindliche Positionen vertreten und sich zum Ziel „Abwehr von kultureller Überfremdung“ bekennen. Die Studie, die ich in der Bundeswehrpublikation Information für die Truppe und in Die Zeit (vom 20.11.2003) fand, besagt: Die Einstellungen dieser künftigen Truppenführer tendieren zum rechten Rand. Angesichts der Umorientierung der Bundeswehr zur „Landesverteidigung am Hindukusch“ und der steten Vermehrung der Auslandseinsätze seit 1993 sollte dieser Befund die Alarmglocken klingeln lassen. Aber in der Truppe sind die Rechten erwünscht. Sie sind kriegsbereit wie 1914 und 1939.

Damit die heutigen und künftigen Truppenführer nicht machen können, was sie wollen, müssen die Verteidiger des Grundgesetzes hervortreten. Wenn es gelingt, die Artikel 25 (Gültigkeit des Völkerrechts), 26 (Verbot des Angriffskriegs) und 87a (Streitkräfte nur für Zwecke der Verteidigung) zur Geltung zu bringen, kann eine brandgefährliche Entwicklung der Truppe verhindert werden.

Soldaten und Offiziere sind gehalten, alle Befehle zu verweigern, mit deren Befolgung sie eine Straftat begehen würden, so heißt es in „Innere Führung von A – Z“, Lexikon für militärische Führer (1999, Seite 14). Schon jetzt, angesichts der permanenten Verletzung des Grundgesetzes durch die Truppe, halten Teile der Friedensbewegung die Aufforderung zur Desertion für gerechtfertigt. Befehlsverweigerung bei gesetz- und verfassungswidrigen Handlungen sei das Gebot der Stunde, heißt es in vielen Reden auf Friedenskundgebungen. Noch wichtiger aber, als solche Appelle an die Soldaten zu richten, ist es, in der ganzen Gesellschaft zur Einhaltung der Verfassungsartikel 25, 26 und 87a zu mahnen – auch angesichts der klammheimlichen Bemühungen, mittels einer militärfrommen EU-Verfassung das Grundgesetz auszuhebeln. Entscheidend dafür, ob sich die deutsche Politik mehr und mehr auf weltweite Kriegseinsätze orientieren kann oder nicht, könnte die Auseinandersetzung über den Rüstungshaushalt sein, also darüber, wofür unsere Steuergelder ausgegeben werden. Struck selber hat den Zusammenhang deutlich benannt, als er auf die Frage der Süddeutschen Zeitung (4.2.04), ob er die Steigerung des Rüstungsetats bezahlen könne, sagte: „Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sprechen dafür. Die Agenda 2010 wird ihre Früchte tragen und auch dem Haushalt mehr Spielraum verschaffen.“ Der Abbau des Sozialstaats durch die „Agenda 2010“ bedeutet nicht nur Verelendung und Verarmung für Millionen Menschen in Deutschland, sondern auch erhöhte Kriegsgefahr für andere Völker.

Und so spannt sich ein Bogen von der Erinnerungsarbeit, der Solidarität mit den Opfern und der Forderung nach Bestrafung der Täter – bis in die aktuellen Aufgaben des Kampfes um Frieden und Wohlergehen der Völker. Indem wir einen antimilitaristischen und antifaschistischen Umgang mit Geschichte und ebensolche Konsequenzen für heute verlangen, machen wir aus dem Wunschtraum „Nie wieder Krieg“ und „Eine andere Welt ist möglich“ die Realität eines stabilen Friedens, einer wirklichen Demokratie, eines Lebens in Solidarität und Gerechtigkeit.

Anmerkungen

1) Stellungnahme der deutschen Botschaft im Falle Distomo vom 23. Januar 1995 – sinngemäß wiederholt von den Regierungen Kohl wie Schröder (2003 im Distomo-Prozeß vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe): “Nach Auffassung der Bundesregierung sind Vergeltungsaktionen wie gegen das Dorf Distomo, nicht als NS-Tat zu definieren, deren Opfer wegen Rasse, ihrer Religion oder ausdrückliche Antihaltung geschädigt worden sind , sondern als Maßnahmen im Rahmen der Kriegsführung, denn sie stellten Reaktionen auf Partisanenangriffe dar.“

2) siehe „Himmeroder Denkschrift“ in Geschichte der Bundesrepublik/Beiträge, 1979 bei Pahl Rugenstein Köln, S. 335 ff

Pressespiegel zu den Aktionen gegen die Gebirgstraditionalisten in Mittenwald

Süddeutsche Zeitung (Lokalteil Weilheim) vom 01.06.2004

Aufmarsch bei der Gebirgstruppe
Zwei Hundertschaften der Weilheimer Polizei sichern Pfingsttreffen

Von Roland Lory

Mittenwald Zwei Hundertschaften der Polizeidirektion Weilheim sind am Pfingstwochenende nach Mittenwald ausgerückt. Denn zahlreiche Demonstranten waren wie im Vorjahr zum 47. Pfingsttreffen der Gebirgstruppe angereist, um gegen die Gedenkfeier zu protestieren. Es gab laut Polizeisprecher Klaus Schürgers insgesamt acht Festnahmen, mehr als hundert Menschen wurden vorübergehend in Gewahrsam genommen.

An der Demonstration nahmen am Samstag laut Polizei rund 400, laut Stephan Stracke vom AK ¸¸Angreifbare Traditionspflege", Mitveranstalter der Proteste, etwa 600 Menschen teil. Dabei wurden mehrere Demonstranten wegen Verunglimpfung des Staates vorübergehend festgenommen. Ein Gegner des Pfingsttreffens wurde dem Polizeibericht zufolge festgesetzt, da er ein Plakat gezeigt hatte, dessen Inhalt den Straftatbestand der Verunglimpfung Verstorbener erfüllte. Weitere 174 Plakate wurden sichergestellt. Ein Mittenwalder wurde angezeigt, da er an seinem Hut ein Hakenkreuz-Abzeichen trug. Auch 13 Skinheads tauchten laut Polizei in der Karwendelgemeinde auf und versuchten die Demo-Teilnehmer zu provozieren. Die Gruppe wurde in Gewahrsam genommen.

Das Treffen der Gebirgstruppe ging am Sonntagvormittag am Ehrenmal auf dem Hohen Brendten über die Bühne - störungsfrei, so die Polizei. Dabei wurden die Teilnehmer der Gedenkfeier mit Transparenten konfrontiert: ¸¸Täter bleiben Täter - Stoppt das Pfingsttreffen der Gebirgstruppe", ¸¸Kein Ja und Amen zu den Kriegsverbrechen", ¸¸Stramm stehen heißt untergehen" - nur drei von vielen Plakaten. Dazu wurden Parolen skandiert wie ¸¸Gebirgsjägerdivision - mörderische Tradition". Die Gegner wollten auch heuer wieder auf ungesühnte Kriegsverbrechen deutscher Gebirgsjäger während des II. Weltkriegs aufmerksam machen.

Stracke sagte der SZ, dass sich die Polizeibeamten diesmal weniger zurückgehalten hätten als bei den Protesten 2003, als internationale Presse nach Mittenwald gekommen sei. ¸¸Dies ist nicht richtig", sagte Schürgers dagegen auf SZ-Nachfrage. Man habe angemessen reagiert. Das Einschreiten der Beamten sei konsequent, aber richtig gewesen. Stracke klagte zudem, dass es seitens der Polizei zu Überreaktionen gekommen sei.

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Frankfurter Rundschau - 01.06.2004

Gebirgsjägertreffen in Oberbayern
Mit dem Hakenkreuz zum Gedenken an die toten Soldaten
Trotz Proteste ehren Gebirgsjäger von Wehrmacht und Bundeswehr weiter gemeinsam ihre toten Kameraden - darunter auch einige Kriegsverbrecher.

von J. Tornau (Mittenwald)

"Mörder" - in meterhohen Lettern haben Unbekannte dieses Wort auf die monumentalen Steinstelen des Ehrenmals der Gebirgstruppe im bayerischen Mittenwald gesprüht. Als Beleidigung und Provokation dürften dies die meisten Teilnehmer des alljährlichen Totengedenkens des Kameradenkreises der Gebirgstruppe empfunden haben. Am Pfingstsonntag kamen mehr als 2000 Wehrmachtsveteranen, Bundeswehrsoldaten und ihre Angehörigen nach Mittenwald.

Für Historiker ist die Sache hingegen klar: Gebirgsjäger der nationalsozialistischen Wehrmacht haben im Zweiten Weltkrieg dutzende Massaker begangen, tausende unschuldige Zivilisten und Kriegsgefangene ermordet und sich an der Deportation von Juden in Konzentrationslager beteiligt.

Jahrzehntelang ist davon bei den Pfingsttreffen der Gebirgssoldaten in Mittenwald nicht ein Wort zu hören gewesen. In diesem Jahr aber sah sich der Präsident des Kameradenkreises, Ernst Coqui, angesichts der zunehmenden Proteste gegen die größte soldatische Feier in Deutschland erstmals zu einer Stellungnahme genötigt: "Der Kameradenkreis ist sich in gleicher Weise der großen Leistungen der Gebirgstruppe im Zweiten Weltkrieg bewusst wie der leider auch von Gebirgsjägern begangenen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit", sagte der Brigadegeneral a. D. in seiner Begrüßungsansprache.

Konsequenzen zeitigt dieses Eingeständnis nicht. Kriegsverbrecher würden vom ehrenden Totengedenken nicht ausgeschlossen, sagte Coqui der FR. "Wir gedenken Toter und Menschen, nicht ihrer Handlungen." Und: Die Traditionskameradschaften der nachweislich an Massakern beteiligten Einheiten blieben selbstverständlich weiter im Kameradenkreis der Gebirgstruppe vertreten.

In der Organisation, der rund 6400 Wehrmachtsveteranen und Bundeswehr-Gebirgsjäger angehören, gebe es nicht einen einzigen Kriegsverbrecher, denn es sei bislang noch niemand gerichtlich verurteilt worden, sagte Coqui.

Gegen den Schulterschluss von alten und jungen Kameraden protestierten in diesem Jahr erneut etwa 600 Menschen, die einem Aufruf des Arbeitskreises "Angreifbare Traditionspflege" und der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes (VVN) folgten.

Dabei sahen sich die Aktivisten nicht nur einer rüde vorgehenden Polizei gegenüber, die mehrere Demonstranten wegen kleinerer Delikte festnahm und zum Teil über Nacht festhielt. Mit ihren Forderungen nach Bestrafung der Täter und Entschädigung der Opfer trafen sie bei der einheimischen Bevölkerung auf Feindseligkeit. Eine mitgebrachte Gedenktafel für die von deutschen Gebirgsjägern Ermordeten war schon nach wenigen Minuten wieder abgerissen und zerstört. Ein 59-jähriger Mittenwalder präsentierte demonstrativ einen Anstecker mit dem Hakenkreuz. Und Ernst Grube, jüdischer Überlebender des KZ Theresienstadt und Landessprecher der VVN in Bayern, musste sich von einem Ladenbesitzer gar übelst beleidigen lassen: "Euch haben sie vergessen zu vergasen", schleuderte ihm der Mann entgegen - und erhielt von Umstehenden Zuspruch.
Unterstützung für das Anliegen der Demonstranten war dagegen nur hinter vorgehaltener Hand zu hören. In Mittenwald, seit jeher Kasernenstandort, ist das Militär sakrosankt. "Ich würde ja was sagen", so ein Mann. "Aber dann müsste ich hier wegziehen."

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Münchner Merkur, Tölzer Kurier, Dachauer Nachrichten, Dorfener Anzeiger, Ebersberger Zeitung, Erdinger Anzeiger, Freisinger Tagblatt, Fürstenfeldbrucker Tagblatt, Garmisch-Partenkirchner Tagblatt, Murnauer Tagblatt, Isar-Loisachbote, Geretsrieder Merkur, Miesbacher Merkur, Holzkirchner Merkur, Tegernseer Zeitung, Penzberger Merkur, Schongauer Nachrichten, Starnberger Merkur, Weilheimer Tagblatt, und Das Würmtal 01.06.2004:

Gedenken voller Hass und Zorn Heftiger Protest gegen Gebirgsschützen-Treffen - 20 Festnahmen

VON VERONIKA SCHANDL, CHRISTOF SCHNÜRER UND WOLFGANG KAISER

Mittenwald - Der Widerstand gegen das Pfingsttreffen des Kameradschaftskreises auf dem Hohen Brendten bei Mittenwald, bei dem Gebirgssoldaten der Gefallenen und Vermissten gedenken, wird immer heftiger: Ein Großaufgebot von rund 200 Polizisten hielt über 400 Demonstranten vornehmlich der linken Szene in Schach. Erstmals versuchten aber auch Skinheads, die Demonstranten zu provozieren. Über 20 Personen wurden verhaftet.

Hitzige Diskussionen über die Rolle der Gebirgsjäger bei Kriegsverbrechen und provozierende Hasstiraden ewig Gestriger sorgten für eine aufgeheizte Stimmung im beschaulichen Mittenwald (Kreis Garmisch-Partenkirchen) während des 47. Pfingsttreffens des Kameradenkreises der Gebirgstruppe. Die Polizei hatte vorsorglich mit einem Großaufgebot an Sicherheitskräften auf die seit 2002 steigende Zahl an Protestlern gegen Deutschlands größte Soldatenfeier.

"Hitler hat vergessen, Euch zu vergasen", zischte ein Passant dem Demonstranten Ernst Grube entgegen. Der Jude, ein Überlebender des Konzentrationslager Theresienstadt, war zutiefst erschüttert. Grube, der von den Russen vor dem Tod gerettet worden war, gehörte zu den 400 Demonstranten gegen das Pfingsttreffen der Gebirgsjäger. Als sich der Protestzug am Samstag in Richtung Bahnhof in Bewegung setzte, wurden die Teilnehmer von Polizisten, die mit Schlagstöcken ausgerüstet waren, abgeschirmt. Aus den Reihen der Protestler erschallten immer wieder Parolen wie: "Mörder unterm Edelweiß".

In Höhe der Pfarrkirche kam es zu heftigeren Auseinandersetzungen: Sieben Brendten-Gegner kamen wegen "Verunglimpfung des Staates" für eine Nacht hinter Gitter, drei wurden mit Drogen erwischt. Aber auch eine 13-köpfige Skinhead-Gruppe wurde zeitweise festgesetzt. Zudem ging ein 59-jähriger Mittenwalder ins Netz, der ungeniert einen Hakenkreuz-Anstecker am Hut trug.

Unbeeindruckt von den Protesten im Tal begingen rund 800 Gebirgssoldaten und ihre Angehörigen das Gedenken auf dem Hohen Brendten. Bemerkenswert war, dass der Präsident des Kameradenkreises in seiner Ansprache auch auf Verbrechen von Gebirgssoldaten im Zweiten Weltkrieg einging. "Wir sind uns in gleicher Weise der großen Leistungen der Gebirgstruppe im Krieg bewusst wie leider auch von Gebirgssoldaten begangener Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit", sagte Brigadegeneral a.D. Ernst Coqui.

Heute wisse man um so manches moralische Versagen militärischer Führer. Teils sei die Truppe schuldhaft verkettet, teils schuldlos im Glauben an Rechtmäßigkeit schändlich missbraucht worden. Es dürfe keine Tabus in der Aufarbeitung der eigenen Geschichte geben. Unredlich sei es aber, nicht zu differenzieren und pauschal Urteile zu fällen", so Coqui.

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Garmisch-Partenkirchener Tageblatt 01.06.2004:

Keine Pauschalurteile und Tabus in der Geschichts-Aufarbeitung
Selbstkritische Worte von Kameradenkreis-Präsidenten Coqui

Wolfgang Kaiser

Mittenwald - Knapp 800 Gebirgssoldaten und ihre Angehörigen werden es, laut Polizeiangaben, gewesen sein, die zur Pfingstfeier der Gefallenen und Vermissten auf den Hohen Brendten zum Ehrenmal gekommen waren - sicher weniger als noch vor zehn, zwanzig Jahren. Von den Demonstrationen weiter unten war droben, beim Gottesdienst, nichts zu hören, nur die Polizeipräsenz war stärker, sehr viel stärker als einst.

Bemerkenswert war freilich auch, dass der Präsident des veranstaltenden Kameradenkreises, Brigadegeneral a. D. Ernst Coqui, in seiner Ansprache auch auf Verbrechen von Gebirgssoldaten im Zweiten Weltkrieg einging: "Wir sind uns in gleicher Weise der großen Leistungen der Gebirgstruppe im Krieg bewusst wie leider auch von Gebirgssoldaten begangener Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit", erklärte Coqui. Heute wisse man um so manches moralische Versagen militärischer Führer vor den Zumutungen des Nationalsozialismus und teilweise sei die Truppe schuldhaft verkettet, teils schuldlos im Glauben an Rechtmäßigkeit schändlich missbraucht worden. Coqui: "Es darf keine Tabus in der Aufarbeitung der eigenen Geschichte geben. Dies trifft im Besonderen auf den Partisanenkampf zu, der zu allen Zeiten grausam und unritterlich ist und mehr Opfer in der Zivilbevölkerung fordert als jeder reguläre Kampf." Unredlich sei es dagegen, nicht zu differenzieren und pauschale Urteile zu fällen, denn es gebe nur persönliche Schuld. Am 1190 Meter hohen Brendten waren auch diesmal Delegationen der Gebirgstruppen aus Frankreich, Italien und Österreich anwesend, nicht zuletzt aber auch viele ranghohe Offiziere der Bundeswehr, unter ihnen der Viersterne-General a. D. Dr. Klaus Reinhardt, die früheren Divisionskommandeure Jürgen Schlüter, Franz Werner und Rainer Jung sowie Generalmajor Manfred Engelhardt, Kommandeur der 10. Panzerdivision, der ja auch die jetzige Gebirgstruppe angehört. Ehrengast war Mittenwalds Bürgermeister Hermann Salminger. Zu Beginn der kirchlichen Feier segnete der katholische Militärpfarrer Alfons Hutter, der anschließend zusammen mit Pater Rupert Schillinger die Eucharistie zelebrierte, das neue Holzkreuz zwischen den hohen Steinpylonen. Der evangelische Militärpfarrer Wolfgang Scheel kam in seiner Predigt auf die Widerständler des 20. Juli 1944 zu sprechen, die ebenfalls aus der Wehrmacht hervorgegangen sind: "Hätten sie damals Erfolg gehabt, wären nur halb so viele Menschen im Zweiten Weltkrieg gestorben."

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Garmisch-Partenkirchener Tageblatt 01.06.2004

"... denn die Hölle wartet schon"
Keine Zusammenstöße während der Kundgebung am Luttensee - Sicherheitskräfte haben Lage im Griff

Christof Schnürer

Mittenwald - "Zwölf Polizisten und zwölf blutrünstige Hunde würden`s für die auch tun." Wenig Christliches aus dem Mund eines Mannes aus Trier, der nur eine knappe Stunde später am Hohen Brendten an einer Gedenkmesse teilnehmen wird. Alles andere als friedfertig klingt`s auch von der Gegenseite: "Gottesdienst, das ist der Hohn, denn die Hölle wartet schon."

Es ist Pfingstsonntag, kurz vor 10 Uhr. Der Parkplatz am Luttenseelift füllt sich mit zumeist jungen Demonstranten, vornehmlich aus der linken Szene. Die Autokennzeichen verraten, wo sie herkommen: Frankfurt, Bremen, Köln, Berlin. Aus den Lautsprechern dringt "Bel Ami", während die Bäuerin vom benachbarten Luttenseehof noch schnell am Zaun ihr Schild anbringt: "Heute Schweinebraten mit Knödel und Blaukraut". Derweil kreist oben ein Polizeihubschrauber. Er sendet Livebilder vom Brennpunkt "Luttensee" zum Führungsstab in die Dienststelle Mittenwald, wo Weilheims Polizeidirektor Dietmar Valentin und sein Team den Einsatz der rund 200 Sicherheitskräfte koordinieren. Alles ruhig, keine Vorkommnisse. Dann erklingt über Mikrofon die Stimme von Stephan Stracke. "Es müssen Namen genannt werden", fordert der Sprecher des Arbeitskreises "Angreifbare Traditionspflege". Und er nennt die Namen, auch von Wehrmachtsoffizieren aus dem Werdenfelser Land, die im besetzten Feindesland tagsüber Massaker verübten und abends dann im Blutrausch "Apfelkompott und Pudding verspeisten". "Kein Vergeben, kein Vergessen, Mörder haben Namen und Adressen", skandieren Strackes rund 400 Sympathisanten. "Und was macht die Bundeswehr beim Pfingsttreffen?", fragt sich der wortgewaltige Historiker. Die stifteten solchen Kriegsverbrechern auch noch einen Kranz. 11 Uhr, der Gottesdienst auf dem Hohen Brendten hat mit halbstündiger Verspätung begonnen. Die Lautsprecher der Demonstranten schweigen - müssen schweigen. Nur noch vereinzelt schmettern Demonstranten ihre bekannten Parolen: "Edelweiß - Nazischeiß". Für Aufregung sorgen bei den Brendtengegnern nur noch ein Fahrradfahrer mit erhobenem Mittelfinger und vier kurzgeschorene junge Männer mit Gebirgsjäger-T-Shirts, die aufreizend langsam an Stracke und Co. vorbeischlendern. Doch in keiner Phase gibt es Handgreiflichkeiten mit der Ordnungsmacht. "Mit unserer Kräfteeinschätzung sind wir richtig gelegen", bestätigt auch Polizeisprecher Klaus Schürgers. Also dann: Auf ein Neues im Jahr 2005.

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Garmisch-Partenkirchener Tageblatt 01.06.2004: 

Langer Marsch durch die Vergangenheit
Zahlreiche Festnahmen bei Demonstrationszug der Brendtengegner durch Mittenwald

VON VERONIKA SCHANDL

Mittenwald - Ernst Grube ist fassungslos. Gerade zischte ihm ein Passant entgegen: "Hitler hat vergessen, Euch zu vergasen." Ein Ausspruch, der den Überlebenden des Konzentrationslagers Theresienstadt bis ins Mark getroffen hat. Denn diesem Schicksal ist er nur um wenige Tage entronnen. Die Rote Armee hat Grubes Martyrium nach der Befreiung noch rechtzeitig beendet - für seine beiden Schwestern kam jedoch Stalins Armee zu spät.

Wie bereits im Vorjahr nahm der gebürtige Jude mit rund 400 Gleichgesinnten in Mittenwald an den Kundgebungen gegen das Pfingsttreffen des Kameradenkreises auf dem Hohen Brendten teil; zu sehr seien auch deutsche Gebirgsjäger in Kriegsverbrechen während des Zweiten Weltkriegs verwickelt gewesen, so der Tenor. Hasstiraden wie eingangs erwähnt gibt es am Samstag öfters. Da wird mit dem Kopf geschüttelt und werden abfällige Bemerkungen gemacht. Vereinzelt gibt es am Rande des Demonstrationszuges aufgeheizte Diskussionen. Die Brendtengegner sollten lieber zum Bush gehen, meint einer, dem könne man eher solche Vorwürfe machen. Aber die NS-Zeit und damit einhergehende Verbrechen seien Geschichte. "Warum müsst Ihr diese nach 60 Jahren wieder aufrollen?", fragt ein Einheimischer, der sich kurz darauf mit einigen Demonstranten ein heftiges Wortgefecht liefert. "Für die wäre jetzt der Hitler recht", urteilt ein anderer älterer Mann über die meist jungen Demonstranten, die vornehmlich aus der linken Szene stammen. Sie hätten doch keine Ahnung vom Krieg,kosteten den Staat nur Geld. Der Demonstrationszug setzt sich vom Bahnhof Richtung Zentrum in Bewegung - abgeschirmt von etwa 200 Polizisten, ausgerüstet mit Schlagstock und Helm, alles gebannt auf Video. Der Tross muss immer wieder gestoppt werden, weil bestimmte Auflagen nicht erfüllt seien, so Polizeisprecher Klaus Schürgers. Ansonsten jedoch verläuft die erste Strecke bis ins Gries ziemlich ruhig. Auf Höhe der Pfarrkirche überschlagen sich die Ereignisse: Ein Demonstrant brüllt "Bullenstaat." Die Polizei schreitet ein und nimmt ihn fest. Ein anderer widersetzt sich deren Zugriff, wälzt sich am Boden und wird von mehreren Beamten abgeführt. Insgesamt verbringen sieben Brendtengegner wegen "Verunglimpfung des Staates" die Nacht zum Sonntag in Gefängnis-Zellen. Drei weitere werden wegen Marihuana-Besitzes oder anderer Vergehen festgenommen. Ebenso wie eine 13 Mann starke Skinhead-Gruppe aus dem Landkreis, die mehrmals versucht, die linksgerichteten Demonstranten zu provozieren. Eine Anzeige erhielt auch ein 59-jähriger Mittenwalder, der einen Hakenkreuz-Anhänger am Hut trägt. "Ihr könnt ja nicht lesen, es steht an jeder Wand. Soldaten, das sind Mörder - und zwar in jedem Land", ertönt es immer wieder in den Straßen Mittenwalds. Reihenförmig, im Gleichschritt rufen die Demonstranten Parolen, wie "Stalingrad war wunderbar. Nazi-Opa blieb gleich da". Jugendliche verteilen Flyer, Info-Material oder den "Mittenwalder Landboten". Eine ältere Dame steckt einem Polizisten einen Zettel in die Hand mit den Worten "Vielleicht lernt Ihr noch was". Man wolle damit erreichen, dass die Kriegsverbrecher endlich zur Rechenschaft gezogen werden, betont Ulrich Sander, Sprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN). "Diejenigen sollen aufgerüttelt werden, die Tür an Tür mit den Massenmördern leben."

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Garmisch-Partenkirchener Tageblatt 01.06.2004:

Sein Ausweg war der eigene Tod
Zeitzeugen berichten von Kriegsschicksalen

Mittenwald - Ihm wurde mit einem Messer in den Rücken gestochen. Panagiotis Babouskas war ein 14 Monate altes Kind, als die Soldaten der Wehrmacht das Dorf Lyngiades überfielen und die Einheimischen erschossen, erstachen und anschließend verbrannten. Er lag an der Brust seiner toten Mutter - eineinhalb Tage lang.

Der Grieche war einer der sechs Menschen, die dieses "große Massaker", wie Stephan Stracke von der "Angreifbaren Traditionspflege" es nannte, überlebte. Bei der Veranstaltung "Die Mörder sind unter uns" in der Gaststätte des Mittenwalder Eisstadions versammelte sich eine Vielzahl der Demonstranten, um die Zeitzeugen-Berichte von Babouskas oder eines französischen Partisanen zu verfolgen. Ernst Grube aus München, der nach Theresienstadt deportiert worden war, sagte, dass immer noch der alte Ungeist herrsche. "Hier in Mittenwald sieht man es", dort, wo "man Kriegsverbrecher hochleben lässt." Er sei froh, noch eine Zeit wahrnehmen zu dürfen, in der die Leute nicht nur zuschauen, sondern etwas dagegen unternehmen. Diesen Kampf unterstützt auch Jacob Baruch "Jacquot" Szmulewicz, ein jüdischer Partisan aus Frankreich. Er kämpfte größtenteils in den Städten Lyon oder Grenoble. Nachdem er mitbekommen hatte, was mit Glaubensbrüdern in Deutschland passierte, flüchtete er in den Süden Frankreichs, in die freie, nicht besetzte Zone. "Ich wollte mein Leben leben", sagte der heute 80-Jährige. Er verteilte illegale Flugblätter, stahl sich die Waffen für die ersten Aktionen bei der Polizei, schoss auf Soldaten. Während dieser Zeit verlor er auch seinen besten Freund Antoine. "Er hat sich eine Granate auf die Brust gelegt", erinnert er sich. Antoine wollte nicht den Deutschen lebend in die Hände fallen. Szmulewicz ist erst das zweite Mal nach dem Krieg in Deutschland. Doch er sei nicht wütend auf dieses Volk, sondern nur "auf die, die diese Taten noch heute verteidigen."vro

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30.05.2004 21:00 Uhr, BR-Radionachrichten

Gebirgsjäger-Treffen in Mittenwald

Mittenwald: Ohne größere Störungen ist am Nachmittag das Treffen von rund 800 ehemaligen Wehrmachtsoldaten der Deutschen Gebirgsjäger-Einheiten im oberbayerischen Mittenwald zuende gegangen. Die Veranstaltung war bereits seit gestern von mehreren Gegenkundgebungen begleitet worden. Unter dem Motto "Die Mörder sind unter uns" protestierten mehrere hundert Menschen gegen das Treffen. Gestern hatte die Polizei sieben Personen festgenommen, die Plakate mit strafrechtlich relevanten Parolen trugen. Ein 59jähriger, der ein Hakenkreuz-Abzeichen trug, wurde angezeigt.

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29.05.2004 15:00 Uhr, BR-Radionachrichten

Protest in Mittenwald gegen Gebirgsjägertreffen Mittenwald: In der Gemeinde im Landkreis Garmisch-Partenkirchen haben am Mittag rund 350 Menschen gegen ein bevorstehendes Traditionstreffen von Gebirgsjägern protestiert. Zu der Veranstaltung werden etwa 2.000 ehemalige Soldaten der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg und der Bundeswehr erwartet.

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Süddeutsche Zeitung (lokal Weilheim) 29.05.2004

Großaufgebot der Weilheimer Polizei bei Gebirgsjäger-Feier
Beamte sind für Schutz des umstrittenen Treffens an Pfingsten in Mittenwald zuständig / Gegner drohen spaßhaft mit Kampfelefanten

Von Roland Lory

Weilheim Wie schon an Pfingsten 2003 werden Kräfte der Polizeidirektion Weilheim auch an diesem Wochenende massiv präsent sein, wenn in Mittenwald der Kameradenkreis der Gebirgstruppe sein traditionelles Pfingsttreffen abhält. Denn erneut haben Gegner der Veranstaltung angekündigt, ins Werdenfelser Land zu kommen, um auf Kriegsverbrechen der Gebirgsjäger im Zweiten Weltkrieg aufmerksam zu machen. Man werde ¸¸in ausreichender Stärke" vor Ort sein, sagte Polizeisprecher Klaus Schürgers auf SZ-Anfrage. Über die Zahl der eingesetzten Kräfte wollte er sich nicht äußern. Ziel sei es, so Schürgers, die verschiedenen Veranstaltungen zu schützen und deren ordnungsgemäßen Ablauf zu gewährleisten. So haben die Gegner der Gedenkfeier für den heutigen Samstagvormittag einen Demonstrationszug angemeldet. Später findet eine Infoveranstaltung (¸¸Die Mörder sind unter uns!") statt, zu dem die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten (VVN/BdA) und der Arbeitskreis ¸¸Angreifbare Traditionspflege" unter anderem einen griechischen Überlebenden von Wehrmachtsgräueln und einen ehemaligen jüdischen Partisanen aus Frankreich eingeladen haben.

Am Abend werden die Beamten, die von Kräften der Bereitschaftspolizei unterstützt werden, dann am ¸¸Postkeller" präsent sein, wo die ehemaligen und aktiven Gebirgssoldaten einen Kameradschaftsabend abhalten. Am Pfingstsonntag geht die Gedenkfeier des Kameradenkreises am Ehrenmal auf dem Hohen Brendten über die Bühne, das wie 2003 von Unbekannten kürzlich mit Sprüchen wie ¸¸Mörder unterm Edelweiß" versehen worden ist. Um 9 Uhr treffen sich die aus ganz Deutschland anreisenden Gegner zu einer Kundgebung am Luttensee. Bereits seit Donnerstag ist eine in München gestartete Fahrradkarawane unterwegs, die über Wolfratshausen, Wallgau und Krün nach Mittenwald fährt. 15 Brendten-Gegner beteiligen sich an der Tour, so der Sprecher der Polizeidirektion, die die Kreise Weilheim-Schongau, Tölz-Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen umfasst.

Mangelnden Einfallsreichtum kann man den antifaschistischen Aktivisten nicht vorwerfen: So fanden einige Bewohner der Karwendelgemeinde einen ¸¸Mittenwalder Landboten" in ihrem Postkasten, in dem Verbrechen deutscher Gebirgsjäger im Zweiten Weltkrieg thematisiert werden. Humorig kündigen die Gegner, von denen voraussichtlich einige Hundert anreisen werden, in dem Blatt an, sie würden mit drei Kampfelefanten aus dem Tierpark Hellabrunn in Mittenwald aufkreuzen.

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Garmisch-Partenkirchener Tageblatt 29.05.2004:

Polizei löst Großalarm aus
"Zwischenstopp" der Brendtengegner in Wolfratshausen

Mittenwald/Wolfratshausen - Das Pfingsttreffen der Gebirgstruppe auf dem Hohen Brendten (Sonntag, 10.30 Uhr) verspricht nicht nur wegen der prognostizierten Temperaturen "heiß" zu werden. Der veranstaltende Kameradenkreis und mehrere Hundertschaften der bayerischen Bereitschaftspolizei jedenfalls haben sich die kommenden zwei Tage auf Störaktionen vornehmlich linker Demonstranten in und um Mittenwald eingestellt. Einen ersten Vorgeschmack gab`s am Donnerstagabend in Wolfratshausen.

Mit einem Großeinsatz der Polizei ist dort der Besuch von 31 zumeist jungen "Besuchern" zu Ende gegangen. Friedlich hatten diese am S-Bahnhof gegen das Pfingsttreffen am Hohen Brendten demonstriert. "Wir fahren mit dem Rad von München bis Mittenwald, um damit unseren Unmut zu verkünden", berichtete einer der Teilnehmer, die drei Transparente entrollten und eine Piratenfahne schwenkten. Auf den Stoffbahnen forderten sie: "Mittenwald entwaffnen - Soldaten an den Herd." An Passanten wurden Flugblätter verteilt. Diese ziert eine Fotomontage mit Ministerpräsident Edmund Stoiber in Soldatenkleidung. Die Polizei war rund um den S-Bahnhof in Zivil angetreten, um den "Zwischenstopp" zu überwachen. Weil einige der Radfahrer das Privathaus von Stoiber anvisiert hatten, löste die Polizeidirektion Weilheim Großalarm aus. An der Stadtgrenze in Richtung Geretsried wurde den Radlern der Weg abgeschnitten. Alle wurden durchsucht. Das harte Vorgehen der Polizei begründete Direktionssprecher Klaus Schürgers mit dem besonderen Schutzbedürfnis der Familie Stoiber, aber auch mit den Erfahrungen mit gewaltbereiten Demonstranten bei früheren Pfingsttreffen. Im Zuge der Durchsuchung wurden auch die Flugblätter sichergestellt. "Wir prüfen, ob der Tatbestand der Beleidigung und der Verleumdung erfüllt ist", so Schürgers in Anspielung auf das montierte Foto Stoibers in Soldatenuniform. Derweil gehen in Mittenwald die Vorbereitungen für Deutschlands größte Soldatenfeier - es werden über 2000 Besucher auf dem Hohen Brendten erwartet - weiter. Rechtzeitig zum Pfingsttreffen hat die Ortskameradschaft der Gebirgstruppe das alte und morsch gewordene Holzkreuz vor dem Ehrenmal ersetzen lassen. Das neue 8,50 Meter hohe Kruzifix fertigte Kunstzimmerer Thomas Witting aus Lärchenholz. Nun stellten er und die Mitarbeiter Simon Witting (Zode) und Michael Seitz (Schweb) das mächtige Holzkreuz auf. Dahinter stehen die zwei zwölf Meter hohen Obelisken, die vor drei Wochen von Unbekannten wie schon im Vorjahr beschmiert wurden. In großen Lettern finden sich darauf die Namen griechischer Dörfer, die im Zweiten Weltkrieg von deutschen Gebirgsjägern heimgesucht wurden.ham/ku/cs

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Neues Deutschland 29.05.04

Edelweiß-Ritual in Mittenwald
Traditionstreffen von Hitlers Gebirgsjägern

Von René Heilig

Mittenwald, ein Luftkurort im oberen Isartal, ganzjährig nebelfrei, mit Enzian auf den Buckelwiesen und langer Tradition beim Bau von Streich- und Zupfinstrumenten, lädt Besucher ein. Und - siehe Internetseite - bietet ihnen allerlei, denn: »Nur dort sein ist schöner«.

Diesem Spruch können sich ehemalige Gebirgsjäger von Wehrmacht und Bundeswehr leider wieder nicht entziehen. Seit 1952 treffen sich die alten Marschierer und ihre Nachfolger alljährlich, um der gefallenen Kameraden zu gedenken. Und natürlich auch, um verlorene Kämpfe nachträglich am Biertisch zu gewinnen. Der Traditionsverband hat um die 8000 Mitglieder und ist eine der rührigsten und entschlossensten Militaristenvereinigungen in Deutschland. Dabei kann man mit mehr als nur der wohlwollenden Unterstützung bayerischer Politiker rechnen. Ministerpräsident und CSU-Chef Edmund Stoiber ist stolz, seinen Grundwehrdienst bei den Gebirgsjägern absolviert und nun die Ehre zu haben, Mitglied im Traditionsverband zu sein.

Unter den Veranstaltungstipps des gastgebenden Ortes sind für den heutigen Samstag ein Kameradschaftsabend im Gasthof Postkeller und für Sonntag eine Gedenkfeier am Ehrenmal »Hoher Brendten« angekündigt. Offenbar vergessen haben die Stadtplaner ein paar Veranstaltungen, die sich ebenfalls mit dem Thema Gebirgsjäger auseinander setzen. Am Sonnabend um 11 Uhr ist eine antifaschistische Demonstration geplant, um 15 Uhr findet eine Veranstaltung »Die Mörder sind unter uns« statt.

Der Titel trifft die pfingstliche Stimmung von Mittenwald exakt. Denn die Edelweiß-Träger, deren militärische Ehre wieder einmal glorifiziert werden soll, haben eine blutige Spur durch Europa gezogen. Gebirgsjäger »kämpften« gegen Frauen, Kinder und wehrlose Männer in Camerino, Fabriano, Rovaniemi, Skines, Lyngiades, Kommeno und Kephallonia. Die Orte liegen in Italien, Finnland und Griechenland. Auch in Frankreich, Jugoslawien, Polen, Albanien und in der Sowjetunion sind Massaker von Hitlers Elite-Truppe belegt.

Dennoch standen die Bundesrepublik und insbesondere deren Militär treu zu den alten Kämpfern. Es dauerte Jahrzehnte, bis man Bundeswehr-Kasernen der Gebirgsjäger - benannt nach deren Nazi-Generalen Dietl und Kübler - umbenannte. Eduard Dietl, der Norwegen überfiel, war als Nationalsozialist der ersten Stunde seinem Führer besonders nah. Ludwig Kübler machte sich einen gefürchteten Namen als »Bandenbekämpfer« auf dem Balkan. Er wurde in Jugoslawien zum Tode verurteilt. Hunderte ihrer Untergebenen mussten in Westdeutschland nicht fürchten, von der Justiz belangt zu werden.

Doch in den vergangenen Jahren wurde der Druck zur Aufklärung bekannter Kriegsverbrechen größer. Journalisten und Antifaschisten trugen die Namen zahlreicher Verdächtiger zusammen. Staatsanwälte mussten ermitteln. Beispielsweise zum 4000fachen Mord an italienischen Soldaten auf der griechischen Insel Kephalonia. Die Staatsanwaltschaft München hat Akten über zwei noch lebende und des Mordes dringend verdächtige Gebirgsjäger auf dem Tisch. Ob und wann Anklage erhoben wird, ist unbekannt.
Inzwischen ist die Bundeswehrführung sensibler geworden, wenn es um alte Kameraden geht. In diesem Jahr wird kein Musikkorps aufgeboten. Jetzt, da auch Bundeswehr-Gebirgsjäger - wie Verteidigungsminister Peter Struck(SPD) sagte - Deutschland am Hindukusch verteidigen, möchte man alle Parallelen zu vergangenen »Auslandseinsätzen« vermeiden.

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Junge Welt, 26.05.2004

Interview: Markus Bernhardt

Gebirgsjägertreffen zu Pfingsten: Kriegsverbrecher in Feierlaune?

jW sprach mit Regina Mentner. Sie ist Mitarbeiterin des Arbeitskreises »Angreifbare Traditionspflege« und Mitherausgeberin des im kommenden Juni erscheinenden Buches »Mörder unterm Edelweiß - Dokumentation des Hearings zu den Kriegsverbrechen der Gebirgsjäger« (Papyrossa Verlag, Köln 2004, 12,90 Euro) 

F: Zu Pfingsten finden wie in den zurückliegenden zwei Jahren Proteste gegen ein Treffen von Gebirgsjägern statt. Welchen historischen Hintergrund hat die Zusammenkunft?

Gebirgsjäger der deutschen Wehrmacht und der Bundeswehr treffen sich seit über 50 Jahren an Pfingsten auf dem Hohen Brendten im bayrischen Mittenwald, um ihrer toten Kameraden zu gedenken und ihre soldatischen Traditionen zu feiern. Die kriegerischen Handlungen der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg werden verherrlicht und die vielen Massaker und Kriegsverbrechen verharmlost, geleugnet oder als notwendige Kriegshandlungen umgedeutet. Die Traditionspflege wird in einer Weise betrieben, die eine Verdrehung des Verhältnisses von Opfern und Tätern verfolgt.

F: Welcher Kriegsverbrechen haben sich die Gebirgsjäger im Zweiten Weltkrieg schuldig gemacht?

Gebirgsjäger waren eine Truppengattung der Wehrmacht, die insgesamt elf Divisionen umfaßte. Die Blutspur dieser Eliteeinheit zog sich durch Finnland, die heutige Ukraine, Jugoslawien, Italien, Frankreich und Griechenland, dort unter anderem durch Kommeno und Kephallonia. Heute organisieren sich ehemalige und aktive Gebirgsjäger im Kameradenkreis der Gebirgstruppe e.V. Gebirgsjäger gehören auch heute zu den Elitetruppen der Bundeswehr und sind seit Mitte der 1990er Jahre an Auslandseinsätzen beteiligt. Als Bestandteil der sogenannten Krisenreaktionskräfte und des Kommandos Spezialkräfte werden sie auch in der geplanten EU-Interventionstruppe zum Einsatz kommen.

F: Wie hat die Mittenwalder Bevölkerung in den Jahren zuvor auf die Proteste von Antifaschisten reagiert? 

Ein Großteil der Bevölkerung und die Mitglieder der Traditionsgemeinschaften begegneten den Demonstranten mit offener Feindseligkeit bis hin zu blankem Haß. Beschimpfungen als »arme Irre« gehörten noch zu den harmlosesten Reaktionen auf die Demonstration in Mittenwald, die Kundgebung am Hohen Brendten und das internationale Hearing zu den von der Gebirgstruppe in Griechenland verübten Kriegsverbrechen. Die Mittenwalder Zivilgesellschaft stellt sich vorbehaltlos hinter die Gebirgsjäger und deren Traditionsfeier. Dies zeigt sich aktuell auch darin, daß der Deutsche Jugendherbergsverband all jenen Mitgliedern, die aus Anlaß der Proteste nach Mittenwald kommen wollen, keine Unterkunft in seinen Häusern bieten will. Auf die politische Provokation des Verbandes werden wir sicherlich eine geeignete Antwort finden.

F: Was sind Ihre Forderungen? Würden Sie sich mit einem Verbot der »Feierlichkeiten« zufriedengeben?

Ein Verbot reicht uns ganz und gar nicht. Wir fordern von der deutschen Regierung nachdrücklich die Entschädigung griechischer Überlebender und der Angehörigen der von Gebirgsjägern Ermordeten. Wir verlangen, daß die zuständigen Staatsanwaltschaften endlich konsequent und entschieden gegen die Kriegsverbrecher unter den Gebirgsjägern vorgehen. Dafür haben wir im vergangenen Jahr reichhaltige Rechercheergebnisse vorgelegt, darunter eine Liste mit 196 Namen ehemaliger Gebirgsjäger, deren Einheiten für Massaker und Gefangenenerschießungen in verschiedenen europäischen Ländern verantwortlich waren. Schließlich fordern wir eine Distanzierung der Bundeswehr sowie der katholischen und evangelischen Kirche, die die Mittenwalder Traditionsveranstaltungen bisher immer unterstützt haben.

* Infos im Internet: www.nadir.org/nadir/kampagnen/mittenwald/

Kontakt: angreifbare.tradition@freenet.de

Spendenkonto: Freie Medien »Traditionspflege«, Postbank Essen, Kontonr. 470834437, BLZ 36010043

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Junge Welt 26.05.2004

Scheinheilige Traditionspflege
Antifa protestiert erneut gegen Pfingsttreffen der Gebirgsjäger von Wehrmacht und Bundeswehr in Bayern

von Ulrich Sander / Jana Frielinghaus

Ein Blick in die Zeitschrift Gebirgstruppe offenbart, wes Geistes Kind dieser Männerbund ist. Er strotzt vor alpiner Sentimentalität, dumpfbackiger Kriegsbereitschaft und mehr oder weniger latentem Rechtsextremismus. In der Februarausgabe werden die Eroberungspläne Hitlers, gerichtet auf Gibraltar, aber nicht verwirklicht, gewürdigt. Auch General Reinhard Günzel, wegen der Hohmann-Affäre entlassener Exchef des Kommandos Spezialkräfte, kommt zu Ehren. Und ein Dr. von Plato von einem Institut »Deutsches Gedächtnis« erbittet in einem Brief Berichte der Zeitzeugen aus der »Erlebnisgeneration« der Gebirgstruppe. Offenbar ist ihm nicht bekannt, daß die das kürzeste Gedächtnis der Welt haben. Als die VVN-BdA und der Arbeitskreis »Angreifbare Traditionspflege« es vor einem Jahr wieder auffrischten, gerieten sie außer Rand und Band. 2002 hatten sie gar junge Historiker verprügelt, die bei einem Kameradschaftsabend Dokumentationen verteilt und gerufen hatten: »Jetzt machen wir eine Gedenkminute für eure Opfer.«

Ebenfalls vor einem Jahr haben VVN-BdA und der AK »Angreifbare Traditionspflege« die Namen von 196 noch lebenden mutmaßlichen Beteiligten an Wehrmachtsmassakern in Griechenland aus der Gebirgstruppe vorgelegt. Doch die Staatsanwaltschaft zögert die Ermittlungen noch immer hinaus. Es soll wohl die biologische Lösung des Problems abgewartet werden.

Doch wenn sich die Gebirgsjäger am kommenden Wochenende zu ihrem Pfingsttreffen im bayrischen Mittenwald versammeln, werden Antifaschisten sie wie in den vergangenen zwei Jahren auf Kundgebungen mit ihrer Vergangenheit konfrontieren. Zudem werden auf einer Veranstaltung in der Mittenwalder Eissporthalle Zeitzeugen und Historiker über die Verbrechen der Gebirgsjäger informieren, unter ihnen Panagiotis Babouskas, der als einjähriges Kind das Massaker im griechischen Lyngiades überlebte. Ebenfalls in Mittenwald zu Gast ist Jacob Baruch Szmulewicz, der als jüdischer Partisan in Frankreich gegen Gebirgsjäger, französische Miliz und Gestapo kämpfte.

Unterdessen gibt es bei der Bundeswehr offenbar eine leichte Absetzbewegung gegenüber dem Traditionstreffen. Der Münchner Merkur vermeldete am 28. April in seinem Garmisch-Partenkirchener Lokalteil, das Gebirgsmusikkorps der Bundeswehr habe seinen traditionellen Auftritt beim Gebirgsjägertreffen abgesagt. Auch für die kommenden Jahre will man sich bei den Militärmusikern noch nicht festlegen. Gleichzeitig beteuerte der zuständige Presseoffizier, die Absage habe nichts mit den »Krawallmachern« und einem kritischen Fernsehbericht des WDR über das Treffen im vergangenen Jahr zu tun. »Die Bundeswehr kneift nicht«, betonte er. Vielmehr erfolge die Absage aus »internen Gründen«.

* Samstag, 29. Mai, 11 Uhr ab Bahnhof Mittenwald: antifaschistische Demonstration; 15 bis 18 Uhr, Eissporthalle Mittenwald: Veranstaltung mit Zeitzeugen über Kriegsverbrechen der Gebirgsjäger der Wehrmacht in Frankreich, Italien und Griechenland

* Sonntag, 30. Mai, 9 Uhr, am Hohen Brendten, Straße zur Luttensee-Kaserne Mittenwald: Kundgebung gegen das Pfingsttreffen

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Jungle World 26. Mai 2004 von anke schwarzer

Mörder unter dem Edelweiß

Laufende Ermittlungen und eine neue Kampagne gegen NS-Verbrecher könnten die Stimmung beim Gebirgsjägertreffen in Mittenwald trüben.

Brauchtum wird in Mittenwald groß geschrieben. Sein Erhalt und die »Pflege von Traditionen sind Zeugen von einer noch heilen Umwelt«, heißt es auf der Homepage des bayrischen Luftkurortes. Am Fuße des Karwendels finden allerdings nicht nur Schützen- und Trachtenfeste statt. Seit 1952 treffen sich jedes Jahr an Pfingsten Wehrmachtsveteranen und Gebirgsjäger der Bundeswehr zur größten Soldatenfeier Deutschlands.

In der Verbandszeitschrift des Traditionsverbands Kameradenkreis der Gebirgstruppe heißt es: »Möge der Kameradschaftsabend am Samstag und das Treffen am Sonntag dazu dienen, ein Wiedersehen unter alten Kameraden und ein Kennenlernen neuer zu ermöglichen.« Der Verein lädt zur Gedenkfeier für die Toten der Gebirgstruppe zum Hohen Brendten. Dort schrieben Unbekannte am 8. Mai auf das Ehrenmal die Namen von Orten, in denen die Gebirgsjäger Massaker verübt hatten: »Mörder unterm Edelweiss. Wir trauern um die Opfer der Gebirgstruppe: Kommeno, Lingiades, Kephalonia, Korfu, Vercors, Camerino.« An Pfingsten soll während eines Feldgottesdienstes ein neues Lärchenkreuz vor dem angepinselten Denkmal geweiht werden. Und in der Mittenwalder Karwendelkaserne wird es am Samstag einen Tag der Offenen Tür geben mit Handwaffenschau, Maultieren, Panzerfahrten und Übungen an der Gebirgshaubitze.

Die Gebirgsjäger sind in Mittenwald wie auch an den Standorten Schneeberg im Erzgebirge, Füssen, Bad Reichenhall und Berchtesgaden stationiert. Sie waren für zahlreiche Massaker im Zweiten Weltkrieg verantwortlich. Allein in Griechenland, das fast vier Jahre von faschistischen Truppen besetzt war, wurde nachweislich über ein Dutzend der insgesamt 66 Massaker von den Gebirgsjägern verübt. Heute zählen die Einheiten der Gebirgsjäger zu den Elitetruppen der Bundeswehr, die seit Mitte der neunziger Jahre an Einsätzen der Sfor und Kfor im früheren Jugoslawien und der Isaf in Afghanistan beteiligt sind. Ihre Verbindungen zu den Traditionsgemeinschaften sind im Vergleich zu anderen Truppengattungen der Bundeswehr besonders ausgeprägt.

Der Traditionsverband hat rund 8 000 Mitglieder, zu den prominentesten unter ihnen gehört Edmund Stoiber. Bei einem der letzten Treffen sagte er nach Angaben des Fernsehmagazins »Monitor« in einem Grußwort: »Als bayrischer Ministerpräsident, der seinen Grundwehrdienst bei den Gebirgsjägern abgeleistet hat, bin ich natürlich stolz auf diese spezifisch bayrische Truppe und ihre Leistungen in Vergangenheit und Gegenwart.« 

Unter dem Motto »Die Mörder sind unter uns!« organisieren die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) und der Arbeitskreis »Angreifbare Traditionspflege« wie im vergangenen Jahr eine Gegenveranstaltung mit Beiträgen zu den NS-Kriegsverbrechen der Gebirgsjäger in Frankreich, Italien und Griechenland und zum bewaffneten Widerstand gegen die Deutschen. Eingeladen sind Jacob Baruch »Jacquot« Szmulewicz, ein jüdischer Partisan aus Frankreich, und Panagiotis Babouskas, ein Überlebender des Massakers im griechischen Lyngiades. Außerdem sind eine Demonstration in Mittenwald sowie eine Kundgebung gegen das Pfingsttreffen am Hohen Brendten geplant. Damit soll auch der Kampf der Überlebenden und Angehörigen der Opfer um Entschädigung unterstützt werden. Während die Mörder von einst strafrechtlich nicht verfolgt wurden und von staatlichen Renten leben, haben die meisten Opfer bis heute keine Entschädigung erhalten. Kein deutscher Soldat, Beamter, SS-Mann oder Polizist ist jemals von einem Gericht der Bundesrepublik für Verbrechen in Griechenland verurteilt worden.

Ermittlungsverfahren gegen mehrere Gebirgsjäger wurden vor über 30 Jahren wegen angeblichen Beweismangels eingestellt. Seit einigen Jahren nun werden wieder Befragungen durchgeführt, nachdem Historiker und Journalisten neue Zeugen und historische Belege vorlegten.

»Ich bin eifrig dabei zu ermitteln«, sagt Staatsanwalt Ulrich Maaß, der zuständig ist für den Fall des Massakers an mindestens 4 000 italienischen Kriegsgefangenen auf Kephanolia. Der Leiter der nordrhein-westfälischen Zentralstelle zur Verfolgung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen in Dortmund hat mittlerweile zwei Fälle gegen einen ehemaligen Feldwebel und einen Offizier an die zuständige Staatsanwaltschaft München weitergeleitet, da bei ihnen klare Erschießungsmaßnahmen vorlägen. »Im Auge habe ich auch einen weiteren Fall, bei dem eine Anklage möglich erscheint«, sagt Maaß. Aber es sei schwierig, die Fäden zu knüpfen. »Man trifft auf ein Kartell des Schweigens.« Besonders häufig erklärten die Wehrmachtsveteranen bei den Befragungen, dass sie an dem betreffenden Tag gerade in der Küche Dienst gehabt hätten, dass sie krank oder im Urlaub gewesen seien. »Ich wäre heilfroh, wenn die Sache in München nun endlich durchkommt«, sagt der Staatsanwalt. Doch dort wurde noch keine Anklage erhoben. »Seit Anfang 2004 läuft ein Ermittlungsverfahren gegen zwei Personen wegen Mordes«, sagt Oberstaatanwalt Stephan Reich. Wann und ob es überhaupt zu einer Anklage komme, sei unklar. »Es wird längere Zeit in Anspruch nehmen«, heißt es. Außerdem seien die Beschuldigten sehr alt. »Ob sie noch vernehmungsfähig sind, steht in den Sternen«, sagt Reich. Wegen anderer Massaker, etwa in Kommeno, würden weiterhin Zeugen befragt.

Die Ermittlungen laufen schleppend, die zuständigen Stellen sind unterbesetzt. Außerdem besteht das juristische Problem, dass den Tätern Mord nachgewiesen werden muss, denn Totschlag ist längst verjährt.

Vielleicht hilft den deutschen Behörden das Simon-Wiesenthal-Zentrum auf die Sprünge. Die jüdische Menschenrechtsorganisation will erreichen - wie in 84 Fällen bereits geschehen -, dass weiteren NS-Tätern oder deren Witwen die Kriegsopferrente entzogen wird. Um diese Rente zu streichen, müsse die betreffende Person selbst gestanden haben oder Zeugen müssten dem Täter Verstöße gegen Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit nachweisen können, erklärt ein Mitarbeiter des Simon-Wiesenthal-Zentrums. Eine strafrechtliche Verurteilung sei dafür nicht nötig. In 178 Fällen werde noch ermittelt und immer wieder tauchten neue Namen und bislang unbekanntes Material auf. Die Aberkennung von Kriegsopferrenten wurde 1998 möglich, als ein entsprechendes Gesetz geschaffen wurde. »Ich bin sehr froh, dass diese Möglichkeit existiert«, sagt der Leiter des Jerusalemer Simon-Wiesenthal-Zentrums, Efraim Zuroff. Allerdings erfahre das Zentrum nicht, wem die Rente entzogen wurde, was die weitere Arbeit erschwere, kritisiert er. Die Versorgungsämter weigerten sich aus Datenschutzgründen, die Namen zu nennen.

Auch die »Operation letzte Chance« des Simon-Wiesenthal-Zentrums, die im Juni in Deutschland beginnen soll, könnte so manchem Gebirgsjäger der Wehrmacht das Leben schwer machen. Nach Angaben Zuroffs sind Zeitungsanzeigen und eine Telefon-Hotline geplant. Für Hinweise, die zur Verurteilung eines Naziverbrechers führen, setzt das Zentrum eine Belohnung von 10 000 Dollar aus.

Wie viele Naziverbrecher in Deutschland noch aufgespürt werden? »Niemand weiß es«, antwortet Zuroff. Er verweist aber auf die erfolgreichen Aktionen in anderen Ländern. So seien allein in den baltischen Staaten Hinweise zu 241 Personen eingegangen und mindestens zwei Ermittlungsverfahren wegen Mordes eingeleitet worden. Die Aktion »letzte Chance« lief bisher in Lettland, Litauen, Estland, Rumänien, Polen und Österreich. »Die Ergebnisse zeigen, dass Gerechtigkeit erreicht werden kann, wenn genügend Ressourcen und innovative Methoden eingesetzt werden«, sagt Zuroff.

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Garmisch Partenkirchener Tageblatt 26.05.2004

Überraschung im Briefkasten
"Mittenwalder Landbote" heizt Stimmung weiter an.

von Christoph Schnürer

Mittenwald - So mancher Isartaler mag am Wochenende verwundert den Kopf geschüttelt haben, als er aus seinem Briefkasten den "Mittenwalder Landboten" gezogen hatte. Darin werden dezidiert die Verbrechen deutscher Gebirgsjäger im Zweiten Weltkrieg in Griechenland aufgezählt. Diese "Sonderausgabe" trägt ganz klar die Handschrift der "Angreifbaren Traditionspflege". Fünf Tage vor dem Pfingsttreffen der Gebirgstruppe auf den Hohen Brendten mobilisiert dieses Aktionsbündnis seine Sympatisanten mit immer unorthodoxeren Mitteln. Der vier Seiten umfassende "Landbote", bei dem ein gewisser "Hans Mittermaier" ein "Grüß Gott miteinand" an seine Leser richtet, liegt auch bei Mittenwalds Polizeichef Alfred Holzer auf dem Schreibtisch. "Die suchen nicht Gewalt, sondern sie wollen stören und Aufmerksamkeit erregen", meint Holzer nach erster Lektüre. Tatsächlich war die Postille schnell Ortsgespräch in Mittenwald. Passanten hatten am Samstagabend beobachtet, wie einige junge Männer etwa in der Bundeswehr-Siedlung in der Gebirgspionierstraße den "Landboten" an Windschutzscheiben befestigten oder diesen in diversen Briefkästen steckten. 

Verstärkung durch "Kampfelefanten"

Wieviele dieser Blätter letzlich verteilt wurden, ist unklar. Ernst Antoni, Geschäftsführer der "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes" (VVN) in Bayern, die gemeinsam mit der "Angreifbaren Traditionspflege" zur Demonstration gegen Kriegsverbrecher nach Mittenwald aufruft, jedenfalls weiß nach eigenem Bekunden gar nichts vom jüngsten Coup der Brendtengegner. Er verweist auf VVN- Bundessprecher Ulrich Sander in Dortmund. Doch der war gestern telefonisch nicht zu erreichen.

Nicht ganz ernst gemeint scheint die Ankündigung im "Landboten" zu sein, mit drei Kampfelefanten anzurücken. Und wenns chon, " ein bayrischer Polizist kommt mit jeder Situation klar", unterstreicht Jachim Loy, Sprecher der Polizei-Direktion Weilheim. Weitaus realistischer scheint da via Internet angekündigte Radltour der Brendtengegner zu sein, die am Donnerstag 27. in München starten und über Wolfratshausen, Wallgau, Krün am Samstag 29.Mai, in Mittenwald ankommen soll. Motto: "Sommer, Sonne Kriegsverbrechen". "Die haben sich auf uns fixiert", so schwant dem Vizepräsidenten des Kameradenkreises, Hans Peter Mayer nichts Gutes. Mit Schriften wie dem "Landboten" werde bewusst versucht, "einen Keil zwischen Kameradenkreis und Bundeswehr zu treiben". Artikel über das Massaker von Lyngiades, über Wehrmachtsveteranen, denen Mordprozesse drohen, über das "Traditionsverständnis der Bundeswehr" oder der Buchtipp "Mörder unterm Edelweiß" jedenfalls heizen das vergiftete Klima weiter an Dabei hatte der Kamerdenkreis, der ehemalige und aktive Soldaten mittlerweile zum 47. Mal zum Gedenkgottesdienst auf den Hohen Brendten ruft, mit einer versöhnlichen Geste versucht, die Wogen zu glätten.

Gedenken an griechische Opfer

Anlässlich des 60. Jahrestages des Massakers in Kommeno, verübt von Angehörigen der Wehrmacht, nahmen im vergangegen Jahr Mayer und Kameradenkreis-Präsident, Brigadegeneral a.D. Ernst G. Coqui am 16. August an einer Gedenkfeier in dem kleinen griechischen Dorf teil (wir berichteten). Mit dabei war auch der deutsche Botschafter Dr. Albert Spiegel und der CDU- Bundestagsabgeordnete Thomas Rachel. Der Kameradenkreis bezeichnete dies in einer Presse-Erklärung als "Eine heiße Reise in eine bedrückende Vergangenheit". Die Gegenseite ficht das offenbar nicht an. Sie wird an Pfingsten die bekannten Parolen rufen, ob die Mittenwalder wollen oder nicht.

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Garmisch Partenkirchener Tageblatt 20.05.2004

Kein Dialog und keine Entschuldigung 
Kameradenkreis behält Linie bei

Von CHRISTOF SCHNÜRER

Mittenwald - Neun Tage noch, dann lädt der Kameradenkreis der Gebirgstruppe zum 47. Pfingsttreffen auf den Hohen Brendten. Schade nur - aus Sicht der Veranstalter -, dass am nächsten Sonntag wie schon in den vergangenen beiden Jahren auch wieder ungebetener Besuch kommt. Die Gegner von Deutschlands größter Soldatenfeier mobilisieren jedenfalls nach Kräften via Internet ihre Sympathisanten.

"Wir gehen von der gleichen Anzahl aus wie im Vorjahr, vielleicht sogar ein bisschen mehr", bestätigt der Sprecher der Polizeidirektion Weilheim, Klaus Schürgers. Mit anderen Worten: Um die 200 Demonstranten, vornehmlich aus dem linken Spektrum, werden aus dem gesamten Bundesgebiet zum Auftakt der Ferienzeit im Oberen Isartal auftauchen.

Schmierereien bleiben

Ein Umstand, der den Kameradenkreis - zumindest nach außen - nicht weiter beunruhigt. "Wir vertrauen da ganz der Polizei", meint dessen Präsident, Brigadegeneral a. D. Ernst G. Coqui, der diese Woche mit seinem Vize Hans Peter Mayer zu Vorgesprächen in Mittenwald weilte. Hinzugeladen ins Standort-Offiziersheim wurde auch Mittenwalds Polizeichef Alfred Holzer. Über Details schweigt man sich aus. Gleichwohl bestätigt Holzer dem Tagblatt, dass es dabei nicht zuletzt um grundsätzliche organisatorische Fragen gegangen sei.

Eine Besonderheit wird es heuer auf dem Hohen Brendten auf jeden Fall geben: Die Schmierereien am Ehrenmal ("Mörder unterm Edelweiß" etc.) werden für den Gedenkgottesdienst am Pfingstsonntag (10.30 Uhr) weder entfernt noch verhüllt. "Das soll der Öffentlichkeit ruhig gezeigt werden", meint Coqui. Im selben Atemzug hält er den unbekannten Tätern entgegen: "Der Maler an der Wand sieht seine eigene Schand." Nicht zuletzt wegen des jüngsten Anschlags glaubt der Ex-General an keinerlei Gesprächsgrundlage mit der Gegenseite, vor allem der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN), die ja ohnehin "fast schon militante Züge" an den Tag lege. "Mit diesen Damen und Herren wollen wir nichts zu tun haben."

Geste der Versöhnung

Zumal man auch in puncto der von diesen Kräften geforderten Entschädigung für griechische Kriegsopfer der falsche Ansprechpartner sei. Trotz allem möchte Coqui Verbrechen deutscher Gebirgsjäger im Zweiten Weltkrieg nicht verhehlen. Das betont der Kameradenkreis auch in seiner jüngsten Presse-Erklärung. Im gleichen Schreiben wird auch auf Coquis und Mayers Teilnahme an einer zentralen Gedenkfeier am 13. August 2003 im griechischen Dorf Kommeno hingewiesen. An diesem Tag jährte sich zum 60. Mal das Massaker deutscher Gebirgsjäger an der heimischen Zivilbevölkerung. Viele Frauen, Kinder und Greise verloren an diesem denkwürdigen Datum ihr Leben. Nach der Kranzniederlegung, so Coqui, sei um Versöhnung gebeten und ein Jugendaustausch angeregt worden.

Siehe auch:

"Was wir mit den Schmierereien am Hohen Brendten zu tun haben soll, ist uns rätselhaft!"

Leserbrief an das Garmisch-Partenkirchener Tagblatt

Staatsanwälte greifen Anzeigen der VVN-BdA auf

Wieder antifaschistisches Treffen gegen die Gebirgsjägertraditionalisten in Oberbayern

Richter stellt Strafanzeige wegen Verfolgung Unschuldiger

Reaktion auf die Ermittlungen gegen Landessprecher Ulrich Sander 

 

Bezüglich Gebirgsjäger/Kephallonia

Dokumente an Staatsanwaltschaft übergeben

 

Weitere Literaturhinweise...

...zu den Aktionen gegen das Pfingsttreffen der Gebirgsjäger in Mittenwald Pfingsten 2003

 

Pfingsten 2003 - Gegen die Traditionspflege der Gebirgsjäger

Resolution verabschiedet am 7. Juni 2003 durch das Hearing in Mittenwald pdf

 

Mörder unterm Edelweiß - noch immer unter uns

Die Blutspur der Gebirgsjäger reicht bis zu den Auslandseinsätzen

 

Des weiteren die Kampagnenseite:

 

http://www.nadir.org/nadir/kampagnen/mittenwald/