Logo VVN/BdA NRW

Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

 

 

 

 

 

 

Nazis raus aus dem Internet

 

28.03.05

Erklärung von Dortmund

Vom Treffen der Hinterbliebenen von Kriegsendmorden der Nazis des Internationalen Rombergparkkomitees

I.

Kurz vor der Befreiung von Krieg und Faschismus wurden im Frühjahr 1945 Tausende Antifaschistinnen und Antifaschisten von den Nazis "ausgeschaltet" und ermordet. Während seit Herbst 1944 zahlreiche geheime Bemühungen von Nazioberen um eine Wende des Krieges - eine Wende zu einer Einigung mit dem Westen zur Fortsetzung des Krieges gegen den Osten, die Sowjetunion - unternommen wurden, ist gleichzeitig ein Mordfeldzug gegen deutsche und ausländische Antifaschisten und gegen deutsche Soldaten, die dem Wahnsinn ein Ende bereiten wollten, in Gang gesetzt worden. Die Nazis befürchteten, diese Kräfte, vor allem Arbeiterinnen und Arbeiter, könnten sich die Früchte des Sieges über den Faschismus durch gemeinsames Handeln für eine Zukunft in Frieden und Demokratie sichern wollen. So sollte ihr Mitgestalten an einer grundlegenden Wende und an einer Nachkriegszeit ohne Nazis und Militaristen verhindert werden.

Diese Massenmorde wie auch die Massaker in den Konzentrationslagern und auf den Todesmärschen von den KZ nach Westen entsprachen dem Nachkriegs- und Überlebenskonzept des deutschen Faschismus. Gestapochef Müller hatte versichert: "Wir werden nicht den gleichen Fehler machen, der 1918 begangen wurde; wir werden unsere innerdeutschen Feinde nicht am Leben lassen."

Welche Zukunftsvorstellungen verband die Opfer dieser Massenmorde kurz vor Kriegsende? Dieser Frage widmeten sich kurz vor Ostern 2005 in Dortmund deutsche und ausländische Antifaschisten auf einem internationalen Treffen, zu dem das Internationale Rombergparkkomitee eingeladen hatte. Teilgenommen haben auch die Internationale Föderation der Widerstandskämpfer FIR und die Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten und örtliche antifaschistische Initiativen und Historikerinnen und Historiker. 

II.

Bei dem Treffen im Dortmunder Rathaus wurden über 60 Tatorte von Kriegsendmorden in Deutschland benannt. Hinterbliebene der Opfer der Verbrechen und diejenigen, die heute in ihrem Sinne handeln, haben diese grauenvolle Bilanz zusammengetragen.

Sie möchten nun von Dortmund aus mit den regionalen Hinterbliebenengruppen oder antifaschistischen Geschichtsarbeitern in Kontakt treten. Das Internationale Rombergparkkomitee, unterstützt von der VVN-BdA in NRW, setzt die Kontaktaufnahme zu Gruppen aus möglichst vielen Orten fort, an denen kurz vor der Befreiung noch Massenerschießungen stattfanden und Hitlergegner ermordet wurden. Diese Kontakte und Vernetzung soll gegen das Vergessen gerichtet sein und dem Erfahrungsaustausch dienen, wie Erinnerungsarbeit vor allem mit der Jugend erfolgen kann.

III.

Notwendig ist auch, die Zusammenarbeit auch international fortzusetzen, denn die Kriegsendverbrechen wurden vor allem an ausländischen Arbeiterinnen und Arbeitern verübt. Es geht um die Verwirklichung des Vermächtnisses des antifaschistischen Widerstands in Europa, um die Wiederherstellung und Anwendung des antifaschistischen Konsenses "Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus".

Die internationale Zusammenarbeit muss auch deshalb verstärkt werden, weil leider auch ein Europa des Friedens, ein Europa, das die Lehren von 1945 zieht, noch in weiter Ferne liegt. Die Pläne, eine EU-Verfassung zu schaffen, welche die antifaschistischen Grundpositionen aus deutschen Verfassungstexten ablösen und abschaffen soll - (Verbot des Angriffskrieges und seiner Vorbereitung, Armeen nur zur Verteidigung, Sozialpflichtigkeit des Eigentums, Recht auf Arbeit, Verbot des Nazismus und Neonazismus, Bekräftigung der 1945er Befreiungsbestimmungen von Militarismus und NS-Regime) - müssen auf den Widerstand der Antifaschisten stoßen. Das Anwachsen von Antisemitismus, Neofaschismus und Rassismus in ganz Europa, vor allem aber in Deutschland, ist alarmierend. Das Vermächtnis von 1945 gebietet, dem entschlossen entgegen zu wirken.

IV.

Nicht zugelassen werden darf auch die offene und schleichende Umwidmung der Erinnerungsarbeit und der Gedenkstätten hin zu einem "Gedenken", das auch die Täter als Opfer einschließt. Das EU-Parlament hat Anfang der 90er Jahre, als besonders in den neuen Bundesländern rechte politische Kräfte und auch solche der "Mitte" die Abwicklung und politische Umwidmung der KZ-Gedenkstätten betrieben, in einem einstimmig gefassten Beschluss den Schutz der Gedenkorte, die Bewahrung der Würde der Opfer und die Erinnerung an die Frauen und Männer, die durch den Naziterror ums Leben kamen, gefordert. Diese Erklärung ist zu unterstützen. Wir verlangen nachdrücklich: Für die Entschädigung der Opfer, für die Bestrafung der Täter.

Die Teilnehmer des Treffens von Dortmund bekräftigen 60 Jahre danach den Schwur der Häftlinge von Buchenwald, der auch das Vermächtnis der Opfer der Morde vor Kriegsende ist: "Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige von den Richtern der Völker steht! Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren gemordeten Kameraden, ihren Angehörigen schuldig."

Antifaschistische Gruppen und Initiativen sind aufgerufen, mit dem Internationalen Rombergparkkomitee in Dortmund zusammenarbeiten.

Der Stadt Dortmund und der Stiftung Erinnerung -  Verantwortung - Zukunft wird gedankt für die Unterstützung des Treffens von Dortmund.

* Interessenten können sich melden bei: Gisa Marschefski, Generalsekretärin des Internationalen Rombergparkkomitees, Caesariusstr. 3, 44309 Dortmund, Tel.: 0231/258545, E-Mail: vvn-bdanrw@freenet.de

------------------------

Bitte beachten Sie auch diesen Brief....

Internationales Rombergparkkomitee

An die Landesregierung von NRW

Sehr geehrter Herr Innenminister! Sehr geehrter Herr Justizminister!

Von unserem internationalen Treffen der Hinterbliebenen von nazistischen Morden der Kriegsendphase, das am 24. März 2005 im Dortmunder Rathaus stattfand, richten wir in großer Sorge die dringende Bitte, auf das Vorgehen von Nazis gegen die Gedenkarbeit für die Opfer der Karfreitagmorde entschieden zu reagieren. Die Drohung mit Gewalt gegen Antifaschisten muss zu strafrechtlichen Konsequenzen führen. 

Das ist vor zehn Tagen bei einer Vorbereitungsveranstaltung zu unserem Treffen geschehen:

Am 14. März zog grölend ein Zug von ca. 70 Neonazis vom Dortmunder Hauptbahnhof Richtung Borsigplatz. Ihre provozierende Parole: "Dortmund ist unsere Stadt". Diesmal lautete ihr Zusatz: "Weg mit dem Bündnis Dortmund gegen Rechts!" Anlass war der Bildungs- und Diskussionsabend des Bündnis mit der Zeitzeugin und Autorin Lore Junge zu den Morden in der Bittermark und im Rombergpark vor 60 Jahren. Weder die Bewohner der Nordstadt noch die Veranstalter, auch nicht die Öffentlichkeit wurden vorab von der Polizei über diese Provokation informiert.

Da wird landes- und stadtweit das Anwachsen der Nazi-Szene beklagt; es wird erklärt, dem erstarkenden Rechtsextremismus entschieden entgegen zu treten. Aber es wird geschwiegen und weg geschaut, wenn Nazis auf Dortmunds Straßen marschieren.

Sollten das offizielle Nordrhein-Westfalen, die Stadt Dortmund, die Staatsanwaltschaft und der Polizeipräsident nicht alarmiert sein, wenn Nazis Dortmund als "ihre Stadt" reklamieren, wenn sie ankündigen: "Wir werden nicht zulassen, daß auch nur eine einzige Veranstaltung linker und antifaschistischer Kreise in dieser Stadt unbeobachtet, unkommentiert und ungestraft über die Bühne gehen wird"? Oder wenn Straftaten angekündigt werden mit den Worten: "Antifaschistische Strukturen zerschlagen und am Boden halten."

Wir fordern Sie dringend auf zu handeln.

Mit freundlichen Grüßen

Für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Treffens

i.A. Ulrich Sander, Landessprecher der VVN-BdA NRW

Siehe auch:

Wenn jemand die Opfer und die Täter gleichzeitig ehren will

Streit in Dortmund über die Frage: Ist Joachim Gauck ein geeigneter Gedenkstättenredner? - Folgt dem Skandal von Torgau und Halle nun der von Dortmund?

"...da steht SPD-Grüne-Lokalprominenz auf und schlägt zu"

Reaktionen auf die Veröffentlichung der Frankfurter Rundschau zur Auseinandersetzung um Gauck

Ein Geschichtsrevisionist als Redner in der Bittermark?

VVN-BdA NRW lehnt Gauck als Redner auf der diesjährigen Gedenkveranstaltung in Dortmund ab

Treffen zu Karfreitag 2005 in Dortmund

Das Internationale Rombergparkkomitee und VVN-BdA NRW rufen auf zur Zusammenarbeit der Hinterbliebenen des Nazi-Terrors von 1945 und ihrer Freunde und Mitstreiter