08.10.03
Naziprovokationen: Gescheitert am Protest tausender Dortmunder Bürgerinnen und
Bürger
Erklärung von Ulrich Sander,
einer der Sprecher der VVN-BdA NRW, zu den Naziprovokationen im Zusammenhang mit der Wehrmachtsausstellung in Dortmund
Der Versuch der Neonazis, die Wehrmachtsausstellung in Dortmund mittels Aufmarsch vor dem Ausstellungsgebäude und mit Provokationen in und vor dem Gebäude nachhaltig zu stören, scheiterte am Protest tausender Dortmunder Bürgerinnen und Bürger. Daß es Verwaltung, Polizei und Landesregierung überhaupt zu diesen Zusammenrottungen der mit der Münchner rechten Terrorszene eng vernetzten „Kameradschaften“ kommen ließen, stößt auf unserer heftigen Protest.
Etwas Selbstverständliches, aber dennoch leider inzwischen Ungewöhnliches konnte gewährleistet werden: Die Nazis wurden auf der Straße gestoppt, die Polizei machte vorwiegend einen Dienst, ohne die Nazis so zu begünstigen, wie wir es leider bisher kennen lernen mussten. Offenbar hat Düsseldorf den Oberen der Stadtverwaltung, der Polizei und der Justiz in Dortmund bestimmte Grenzen aufgezeigt.
Daß Neonazis aber dennoch aufmarschieren durften, dass sie sogar die sich als Band ausgebende kriminelle Vereinigung "Oidoxie" auftreten lassen konnten, dass die Stadt Dortmund den Nazis, der DVU, der NPD und der "Ruhrpottkameradschaft" - üblen Schlägern und Provokateuren - gestattete, in den Räumen der Wehrmachtsausstellung und vor dem Gebäude eine Veranstaltung und immer wieder Aktionen durchzuführen, das steht auf der immer noch sehr ausgeprägten negativen Seite der Bilanz der letzten beiden Wochen. Stadt und Landesregierung sollen endlich konsequent dem Spuk ein Ende bereiten. Die Wehrmachtsausstellung muß ohne Nazistörungen zu Ende gebracht werden. Und auch künftig sollten Neonazis in Dortmund - im ganzen Stadtgebiet - Platzverweis erhalten.
Bereits im Juli dieses Jahres hatte die VVN-BdA NRW auf eine Nazioffensive aufmerksam gemacht, die durch den faktischen NPD-Freispruch des Bundesverfassungsgerichts - begünstigt durch den V-Mann-Skandal der Innenminister von Bund und Ländern - ausgelöst wurde. Wir schrieben gerade angesichts der damals bevorstehenden Wehrmachtsausstellung - der letzten dieser Art in NRW - an den NRW-Ministerpräsidenten, den Landesinnen- und den Landesjustizminister: "Wir verlangen von der Landesregierung und vom Landtag wirksame Maßnahme zum Schutze der Verfassung. Diese Maßnahmen müssen vor allem ein Umdenken und ein Umsteuern bei den Landesbehörden bewirken. Der antinazistische Urteilsspruch des höchsten Verwaltungsgerichts von NRW sollte zum Maßstab des Handelns der Regierenden gemacht werden.“ Wir forderten konkret die Regierenden auf:
- Aufzuhören, den störungsfreien Ablauf der Neonazi-Aufmärsche polizeilich abzusichern.
- Die ausufernde Betätigungsfreiheit der Neonazis auf der Grundlage der Verfassung zu unterbinden.
- Die Naziaufmärsche im Lande zu verbieten.
- Nicht zuzulassen, dass das bestehende Verbot der von Neonaziorganisationen durch die Formierung und Entfaltung der "freien Kameradschaften" unterlaufen wird.
- Die antifaschistischen Proteste nicht länger zu kriminalisieren, indem die Störung von Naziaktivitäten als strafbar behandelt wird.
- Die Jugendlichen, die seit 2000 bei Antinazidemonstrationen in Polizeikesseln eingesperrt wurden, zu rehabilitieren.
- Als Landesregierung tätig zu werden und die örtlichen Polizeipräsidenten, die offenbar mit dem gebotenen Umgang mit Nazis überfordert waren, im Sinne der demokratischen Rechtssprechung des obersten NRW-Verwaltungsgerichts zu unterstützen.
Heute ist festzustellen:
Die ersten beiden Wochen der Präsentation der Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht" in Dortmund - Wochen, in denen auch die Neonazis verstärkt in Erscheinung traten - haben gezeigt, dass die Warnungen und Forderungen der Demokraten und Antifaschisten nicht ganz ungehört blieben. Unterhalb der nach wie vor vordringlichen, aber immer noch nicht verwirklichten Forderung nach Verbot der Naziaufmärsche, konnten die Initiatoren der Wehrmachtsausstellung, insbesondere der DGB, eine Begrenzung der Marschroute der Neonazis durchsetzen, was den Ort der Ausstellung am 20.9. vor Neonaziprovokationen bewahrte und zugleich eine entschiedene antifaschistische Konfrontation tausender Antifaschisten gegenüber Hunderten Neonazis ermöglichte. Es konnte durch beherzte Anwohner und antifaschistische Aktivisten der Marsch der Neonazis in der Langen Straße gestört und zeitweilig aufgehalten werden, ohne dass die Justiz und Polizei die "Störer" mit Strafmaßnahmen überzog wie zuvor noch in Wuppertal, Köln-Poll, Aachen und Hagen.
Zudem konnten Antifaschisten ihre Enthüllungen der Verbrecher und Verbrechen der Wehrmacht in Südeuropa mittels einer weiteren Kundgebung und Demonstration an der Zentralstelle für die Bearbeitung von NS-Massenverbrechen an der Dortmunder Staatsanwaltschaft - gemeinsam mit griechischen Opfergruppen, ehemaligen NS-Militärjustizopfern und anderen Zeitzeugen - störungsfrei präsentieren. Diese Aktion erschien der VVN-BdA besonders erforderlich, weil die „gereinigte Wehrmachtsausstellung“ zwar die Verbrechen thematisiert, aber keine Verbrecher benennt, die seit über 50 Jahren begünstigt durch Behörden und Justiz straffrei blieben.
Ulrich Sander
Landessprecher der VVN-BdA, Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten
PF 321, 44388 Dortmund, ulrich@sander.lachen.net
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