02.11.2013 Nazis hatten stets Vorrang vor ihren Opfern Ein
neues Buch über „Staatsschutz in Westdeutschland“
klärt über Vorrang für Nazis in Westdeutschland auf. Den
„Männern und Frauen der ersten Stunde“ folgte die
Stunde der 49er Nazis. Dominik Rigoll berichtet über die Zeit von
der Entnazifizierung zur „Extremistenabwehr“. Eine
Betrachtung dazu von Ulrich Sander. Demokraten sind stets dagegen
angegangen, daß Nazis Vorrang haben vor ihren Opfern. Doch dies
ist das oberste, wenn auch ungeschriebene Gesetz in dieser Republik
seit ihrer Gründung. Nazis durften und dürfen sich entfalten,
durften mitregieren – Antinazis eher nicht. Am 1. April 1947
kam ich zur Schule. Es war die Schule am Bullenhuser Damm in Hamburg. Es
wurde gemunkelt, hier im Keller hätten die Nazis kurz vor
Kriegsende 20 jüdische Kinder ermordet. Die Lehrer stritten es ab,
meine Eltern, aktive Antifaschisten, bestätigten es, denn sie
hatten davon in der Zeitung gelesen: Die Mörder stünden vor
einem englischen Gericht. Einige wurden hingerichtet, andere blieben
straffrei. So Arnold Strippel, Kommandeur der Mordaktion. Als
genügend Beweise gegen ihn zusammenkamen, wurde erneut ein
Prozeß gegen ihn versucht. Aber nun gab es die englische
Gerichtsbarkeit nicht mehr. Strippel konnte unmittelbar nichts
nachgewiesen werden, hatte nicht selbst Hand angelegt. So wurde er
freigesprochen und bekam für die Untersuchungshaft noch
Entschädigung. Mein Interesse und späteres Engagement
für die Aktivitäten der VVN gegen die Wiederbetätigung
der Nazis und ihre „Weiterverwendung“ begann sehr
früh. Mit den Kameradinnen und Kameraden hielten wir Mahnwachen
vor den Häusern von Blutrichtern ab – so Anfang der
Sechziger in Hamburg-Bergedorf. Die Vereinigung der Verfolgten des
Naziregimes, der wir uns als Geschwister Scholl Jugend verbunden
fühlten, war in den Hochzeiten des Kalten Krieges auf Landesebene
in Hamburg verboten worden. Das war die Zeit, da ein
Ministerialdirektor Roemer im Bundesjustizministerium arbeitete, der
1943 die Vollstreckung des Todesurteils gegen die Geschwister Scholl
geleitet hatte. Das war die Zeit, da der Hamburger Gestapo-Mörder
und Reichssicherheitshauptamtchef Bruno Streckenbach in Hamburg auf
freien Fuß gesetzt wurde und Willi Dusenschön, der
KZ-Kommandant von Fuhlsbüttel wegen "Mangels an Beweisen"
freigesprochen wurde. So gut wir konnten, haben wir über diese
Skandale aufgeklärt, mit Flugblättern und Dokumentationen. Als
ich später vernahm, der Bundesgerichtshof habe die DDR-Richter ins
Gefängnis gesteckt, die einst in den Waldheim-Prozessen
Naziverbrecher zum Tode verurteilten, weil dies Rechtsbeugung gewesen
sei, da dachte ich: Was geschieht, wenn britische Richter, die
Todesurteile gegen Nazis vollstrecken ließen, mal in die
Hände des Bundesgerichtshofes kommen? Todesurteile sind doch
verboten. Und außerdem: Naziblutrichter haben nach Meinung des
Bundesgerichtshof nie das Recht gebeugt, nicht einer wurde verurteilt.
Auf den Widerspruch zu den Waldheim-Richtern hingewiesen, sagten die
Karlsruher Richter, man habe nun die eigenen Fehler wiedergutmachen
wollen. Nazi werden freigesprochen, Antinazis nicht. 1945er vs. 1949er Kürzlich
erschien ein spannendes Buch: „Staatsschutz in
Westdeutschland“ von Dominik Rigoll (Göttingen 2013). Wer
das „Braunbuch“ aus der DDR (1965) [online: http://wayback.archive.org/web/20101119233343id_/http://braunbuch.de/index.shtml] und das
„Weißbuch“ der VVN (1960/neu 2004) nicht mehr hat,
der besorge sich dieses Buch. Meine These: „Nazis haben Vorrang vor
ihren Opfern“ wird darin bestätigt. Der Autor berichtet, wie
die Nazis nach dem 8. Mai 1945 Berufsverbote bekamen, verurteilt
wurden, ausgeschaltet wurden, weil nun die 45er dran waren, - wir
nannten sie „Männer und Frauen der ersten Stunde“. Und
er berichtet, wie diese 45er dann ab Gründung der Bundesrepublik
wieder verfolgt wurden, mit Berufsverboten und Bestrafungen
überzogen wurden. Denn nun waren die 49er dran. Doch die 45er
gaben nicht auf. Das Blitzgesetz von 1951 entschied
antitotalitaristisch: Rechtsextremisten sind gleich Linksextremisten,
aber Rechte sind gleicher. Es wurde schon 1950 von Kanzler Adenauer und
seinem hohen Staatsbeamten in NSDAP- und CDU-Zeiten Hans Globke eine
Liste der Extremisten aufgestellt mit einem Dutzend linken
Organisationen und zwei rechten, und wer ihnen angehörte,
mußte aus dem öffentlichen Dienst ausscheiden. Die linken
Organisationen, so die KPD, aber in einigen Ländern auch die
VVN-BdA und überall die FDJ wurden verboten. Wer dem Verbot
zuwider handelte, wurde eingesperrt. Da hatten es die Nazis besser. Sie
orientierten sich nicht auf die Sozialistische Reichspartei, die auch
verboten wurde. Sie brauchten keine Partei, keine Organisation. Ihre
Organisation war der Staat. Tausende Nazis wurden als Beamte und
Offiziere wieder eingestellt. Und von diesen Positionen aus konnten sie
fortsetzen, womit sie 1945 aufhören mußten. Nein, sie
sperrten ihre Gegner nicht ins KZ und erschlugen sie nicht. Aber sie
betrieben Rufmord, vernichteten Existenzen, sperrten rund 10.000 Linke
ein. Selbst dort, wo die linke Organisation nicht verboten war, wie im
Falle der DKP ab 1969, da wurden die Mitglieder doch oft so behandelt,
als seien sie Mitglied einer verfassungswidrigen Partei, – wo es
ging wurden sie aus den Ämtern entlassen, erhielten Berufsverbot. Doch
der Widerstand dagegen hielt an. Das 131er Gesetz von 1951 bestimmte,
daß Nazis die 1945 zurückgestuft, aus dem Dienst entfernt
wurden, nun wieder „aus sozialen Gründen“ in den
Dienst zurückkehren konnten. Das „soziale“ Argument
wurde sehr unterschiedlich angewendet. Wer ab 1945
Entschädigung für erlittene Verfolgung bekommen hatte, sah
sich bald – wenn er z.B. weiter als Kommunist aktiv blieb –
seiner Entschädigungsrente beraubt; viele mußten sie gar
zurückzahlen. Für Nazis gab es Pensionen, für ihre Opfer
nicht. Wer als Ausländer der SS angehörte, galt laut einer
Hitler-Verordnung als Deutscher und bekam, so er kriegsbeschädigt
war, eine Rente. Wer ein Deserteur war, bekam – vor 1998 - keine
Entschädigung. Seine Witwe war – bis 1991 - keine
Kriegerwitwe, die wie die anderen Geld bekam. Wer im Strafbataillon
war, bekam – bis 1998 - auch nichts. Wer aber z.B. bei den Nazis
Richter war, aber nach dem Kriegsende nicht mehr, der bekam seine
Pension weiterbezahlt, als hätte er die Karriere ungebrochen
fortgesetzt und wäre sogar möglicherweise noch aufgestiegen.
Die Witwe des Präsidenten des Volksberichtshofes Freisler bekam
eine Witwenrente in der Höhe der angeblich möglichen
Pensionsprogression ihres verblichenen Mördergatten. Die
Enthüllungen über die hohen Pensionen, derer sich die Nazis
erfreuen durften, standen lange im Mittelpunkt der Aktivitäten der
VVN. Die angegriffenen Beamten und Offiziere und ihre Schutzherren wie
Franz Josef Strauß und Theodor Oberländer schäumten vor
Wut. Sie verboten zeitweise die antifaschistische Zeitung „Die
Tat“ und versuchten, das „Weißbuch – in Sachen
Demokratie“ mit seinen konkreten Enthüllungen in seiner
Verbreitung einzuschränken. Die so bedrängten Antifaschisten
beriefen sich auf die Grundrechte und das Grundgesetz. So kam es vor,
daß dann, wenn bei einem politisch verdächtigen Linken bei
einer Hausdurchsuchung ein Exemplar des Grundgesetzes gefunden wurde,
diese Tatsache bis in Anklageschriften vordrang. Der Militarismus von vor 1945 siegte über den Antimilitarismus von 1945. Aktionen
gegen die Remilitarisierung, für Abrüstung, für die
Aufklärung über Kriegspläne standen im Mittelpunkt der
Tätigkeit der Antifaschisten. Die westlichen Alliierten, vor allem
die USA, wollten seit Beginn der 50er Jahre wieder deutsche
Streitkräfte an ihrer Seite wissen, um sie im „Kampf gegen
den Bolschewismus“ einsetzen zu können. Führende
Nazigeneräle stellten im Kloster Himmerod auf einer Geheimtagung
einen Plan für den Aufbau der Bundeswehr auf. Sie stellten eine
Bedingung: Wir machen nur mit, wenn die Bestrafung von Wehrmachts- und
SS-Leuten aufhört, ihre „Ehre“ wiederhergestellt wird
und ihre Versorgung sichergestellt wird. Und so geschah es. Die Zahl
der mutmaßlichen Massenmörder, die in der Bundeswehr
unterkamen, belief sich auf rund eintausend. Nicht einer von ihnen kam
vor Gericht. Als mit dem Massaker des Obersten Georg Klein am Kundus
der erste Massenmord der „neuen Wehrmacht“, so nannten sie
die Bundeswehr zunächst, zu verzeichnen war, da wurde der
Täter nicht etwa bestraft, sondern zum General befördert.
Sprecher einer großen Soldatenlobby hatten schon vorher dagegen
protestiert, dass wir Antifaschisten noch im letzten Jahrzehnt z.B. die
Mörder aus der Gebirgstruppe mit Demonstrationen entlarvten und
eine Bestrafung forderten. Erklärt wurde, die Soldaten würden
verunsichert, wenn „Überreaktionen“ bestraft
würden, wie sie mal vorkommen könnten und bei den Amis
vorkämen. Verjährung der Morde. Oder doch nicht. Nachdem
die Alliierten den Westdeutschen die Rechtshoheit übertragen
hatten, geschah lange Zeit nichts. Keine Verurteilung von
Naziverbrechern, oder doch nur wenige. Irgendwann hieß es: Morde
sind verjährt. Dagegen richteten sich die Aktionen der Mitglieder
der VVN über eine lange Periode. Sie wurden durch das
antifaschistische Wirken ihrer Kameraden im Ausland unterstützt.
Unzählige Demonstrationen und auch kleinere Aktionen fanden statt.
Dann wurde der Beginn der Verjährungsfrist auf den 8. Mai 1945
festgelegt; bisher hatte man behauptet, die Mordtaten hätten doch
von den Nazirichtern gesühnt werden können. Also: Eichmann
vor den Volksgerichtshof oder so? Als dann die endgültige
Verjährung heranreifte, da steigerten die Antifaschisten in aller
Welt ihren Protest. Die Festlegung „Mord verjährt nie“
aus dem Jahr 1979 war der größte Sieg der Antifaschisten,
der 45er Opfer über die 49er Täter seit Gründung der
Republik. Und dennoch blieb die Sache kompliziert. Todschlag
verjährte weiterhin, Beihilfe zum Mord zwar nicht, aber wenn
jemand Mordgehilfe war, aber ihm die richtige Mittäterschaft nicht
nachgewiesen werden konnte, dann blieb der straffrei. Verbot der KPD Das
Verbotsurteil gegen die KPD von 1956 gilt noch heute. Dass die DKP
entstand und sich hielt, ist eine demokratische Errungenschaft. Gegen
das KPD-Verbotsurteil anzugehen, bleibt bis heute Auftrag, denn die
Betroffenen können alle Demokraten sein. Aus dem Buch
„Staatsschutz in Westdeutschland“ erfahren wir nun
zuverlässig, daß die Bundesregierung 1968 die DKP nur
zuließ, wenn nun auch auf der rechten Seite nichts mehr verboten
würde. Um des Ansehens der BRD willen brauchte es eine KP –
wenn schon die Rechten zugelassen sind – aber man wollte ihr das
Leben so schwer wie möglich machen. Ab 1972 gab es – wie
beschrieben - Berufsverbote gegen die Kommunisten und andere Linke.
Formuliert wurden die entsprechenden Verordnungen durch alte Nazis.
Diese widersetzten sich sogar den Anordnungen von Ministern, wenn diese
vermeintlich nicht rigoros genug gegen jene vorgingen, die Anlaß
zu „Zweifeln an der Verfassungstreue“ boten. Als der
Landesjustizminister von NRW 1973 ein vermeintliches DKP-Mitglied als
Richter zulassen wollte und den Gerichtspräsidenten Dr. Thunsch
(ehem. SA) anwies, dies zu vollziehen, da weigerte der sich. Die
folgende Kritik an dem Oberrichter löste größte
Solidarität der Reaktionären aus. Der SPD-Minister
mußte nachgeben. Der DKP-Mann Volker Götz wurde nicht
ernannt. Sogar die VVN wurde in manchen Bundesländern
jahrelang verboten. Als die Adenauerregierung darauf drängte die
bundesweit existierende VVN zu verbieten, da wehrte diese sich dagegen,
indem sie eine Dokumentation über die Nazivergangenheit der
zuständigen Verwaltungsrichter vorlegte. Aufgrund internationalen
Aufsehens wurde der Prozeß gegen die VVN vertagt – und er
wurde bis heute nicht wieder aufgenommen. Übrigens: Ein
Prozeß gegen die HIAG (Hilfegemeinschaft auf Gegenseitigkeit der
Angehörigen der ehemaligen Waffen-SS) wurde nie erwogen. Sie
stand einige Jahre wie die VVN in den Verfassungsschutzberichten. Dann
wurde sie gestrichen, die VVN lange nicht. Die Adenauererlasse gegen
die VVN, sie sind bis heute als Drohung mit dem Entzug der
Gemeinnützigkeit wirksam. In Bayern steht die VVN noch immer im
Verfassungsschutzbericht. Und schließlich: Berufsverbote gegen
NPD-Leute gab es so gut wie nie. Vielfach haben NPD-Soldaten Karriere
in der Bundeswehr, später in Soldaten- und Reservistenbünden
gemacht. Warum so spät: Neue Verfahren gegen NS-Verbrecher Wofür
wir immer stritten, wird nun doch noch wahr: Jetzt werden neue
Verfahren gegen alte Täter auf der Rechten angestrengt. Das
beseitigt das alte Unrecht nicht. Vor allem werden immer noch nicht
jene belangt, die für Strafbefreiung und hohe Pensionen für
Nazis in all den Jahrzehnten sorgten. Sie schulten eine Generation von
Geheimdienstlern und Polizisten, die sich nicht vorstellen konnten und
wollten, daß es einen terroristischen Nationalsozialistischen
Untergrund NSU gibt. Sie sahen das Übel nur links und ließen
rechts alle Blumen blühen. Und deshalb ist es richtig, die
Prozesse gegen Nazitäter auch heute zu führen. Was wir
dafür leisten konnten, haben wir beigetragen: Dokumentationen
wurden herausgegeben, Zeitzeugen sprachen dafür in
Veranstaltungen. Aufklärung wurde betrieben. Manche Leute
sagen: Parteiverbote gegen rechts führen zur Verfolgung auch gegen
links. Das ist schon ein Einknicken gegenüber dem ungeschriebenen
Gesetz des „Rechts vor links“ in der politischen Kultur. Der
Schwur von Buchenwald für die Ausrottung des Nazismus mit seiner
Wurzel und der Artikel 139 GG über den Fortbestand der
antinazistischen Rechtssprechung von nach 1945, sie gelten weiter.
Für seine Anwendung wie für die des Artikels 26 GG, der
Angriffskriege verbietet, sowie des Asylrechts streiten wir weiter. Dafür
müssen immer neue Mitstreiter nachrücken. „Das sind wir
unseren gemordeten Kameraden und ihren Angehörigen
schuldig“, heißt es im Schwur von Buchenwald. Dominik
Rigoll: Staatsschutz in Westdeutschland - Von der Entnazifizierung zur
Extremistenabwehr. Wallstein Verlag, Göttingen 2013, 524 Seiten,
39,90 Euro Zur weiteren Information über diesen Themenkomplex wird auf http://www.nrw.vvn-bda.de/texte/0730_bgh_vergangenheit.htm und auf diese Texte verwiesen: Hans Canjé rät in Ossietzky 13/2013, die Akte Josef Schafheutle anzuschauen: Der
war ein "verdienter und erfahrener Jurist". Er hatte wesentlichen
Anteil an der Erarbeitung des Ersten Strafrechtsänderungsgesetzes,
das als »Blitzgesetz« in die Nachkriegsgeschichte
eingegangen ist. Das Gesetz war am 9. Juli in Zweiter und am 11. Juli
1951 in Dritter Lesung im Bundestag mit den Stimmen der
Regierungskoalition und der SPD gegen die Stimmen der KPD verabschiedet
worden. Am 30. August trat es in Kraft. Sechs Jahre später,
am 8. Februar 1957, sprach der CDU-Abgeordnete Hassler im Bundestag
Klartext. Das Gesetz sei eine »Waffe, die geschmiedet wurde, um
im Kalten Krieg zu bestehen«. Der Verfassungsrechtler Alexander
von Brünneck wurde konkreter. Zitat: Das Gesetz sei
»eindeutig und ausschließlich gegen die Kommunisten
gerichtet«. Die »fast wörtlich aus der
Strafrechtsnovelle von 1934 übernommenen Landesverratsdelikte
paßten in ihrer Struktur genau in das Konzept des Ersten
Strafrechtsänderungsgesetzes«. Was nicht verwundern
kann. Denn: Federführender »Waffenschmied« bei der
Erarbeitung dieses Gesetzes im Bundesjustizministerium war
Ministerialdirigent Josef Schafheutle. Der vormalige Regierungsrat im
NS-Justizministerium war dort als Sachbearbeiter verantwortlich an der
Schaffung der politischen Sondergesetzgebung des Regimes beteiligt.
Dazu gehören unter anderem die im März 1933 verkündete
»Verordnung zur Beschleunigung des Verfahrens in Hochverrats- und
Landesverratssachen«, die »Verordnung über die Bildung
von Sondergerichten«, das »Gesetz über Verhängung
und Vollzug der Todesstrafe« und das »Gesetz zur Abwehr
politischer Gewalttaten«. Schafheutle kommentierte die
Verordnungen in seiner 1934 erschienenen Schrift mit den Worten:
»Die wichtigste Änderung ist die Verschärfung der
Strafen ...« Genau das war auch die Zielsetzung des Ersten
Strafrechtsänderungsgesetzes von 1951 und die Stunde des alten
Kämpfers Josef Schafheutle. Oder schauen Sie hier: 12.02.2013 VVN-BdA wünscht Gedenkstätte für die Opfer des "paranoiden Antikommunismus" Neues
Deutschland greift den Vorschlag auf Über die Initiative für
eine Gedenkstätte für die Opfer der politischen Justiz im
Kalten Krieg berichtet ausführlich das "Neue Deutschland" am
9.2.13. Der Bundesausschuss der VVN-BdA hatte diese Initiative
unterstützt. Hans Canjé: Das »Blitzgesetz«, dem
das Verbot der Freien Deutschen Jugend (FDJ) und 1956 das Verbot der
Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) sowie etliche Verfahren und
Verurteilungen folgten, bezeichnete (Landesminister) Pfeiffer damals
als »letztlich ein Gesinnungsstrafrecht«. Eingeführt
worden sei es zur Rechtfertigung der Wiederaufrüstung des von
Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) an die Wand gemalten Feinbildes:
die Sowjetunion und der Kommunismus. Die Ähnlichkeiten dieses
Gesetzes mit den Vorschriften zu Hoch- und Landesverrat und dem
Abschnitt »Staatsgefährdung«, seien nicht
zufällig den Strafbestimmungen des NS-Staates ähnlich
gewesen: »Der zuständige Ministerialrat im
Bundesjustizministerium Dr. Josef Schafheutle hatte bereits im
Reichsjustizministerium am politischen Strafrecht des NS-Regimes
mitgearbeitet.« Und an diesen Leserbrief, die Haltung des Bundesgerichtshofes betreffend, wollen wir ebenfalls erinnern: Betr. Dokumentation in der Frankfurter Rundschau Leserbrief 25. Januar 1996 Von „Politischer Justiz“ und der Selbstkritik des BGH Der
Bundesgerichtshof (BGH), 5. Senat in Berlin, hat sich von seinen
Urteilen zugunsten er furchtbaren Juristen des Naziregimes abgewandt,
die als NS-Richter Todesurteile zu verantworten hatten. Diese waren vom
BGH von Strafe verschont worden (Einleitung zur Dokumentation in der
Frankfurter Rundschau vom 5. Januar 1996 „Die Strafe muß in
einem gerechten Verhältnis zur Schuld stehen“). Außerdem
übte der BGH weitere Selbstkritik: Die Rechtsprechung in der
Bundesrepublik Deutschland sei in den 50er Jahren zum Teil
„politische Justiz“ gewesen: in der Periode des
„Kalten Krieges“ sei „auf beiden Seiten“ eine
„politische Justiz mit einer aus heutiger Sicht nicht mehr
nachvollziehbaren Intensität betrieben“ worden. Aus
zwei Gründen kann eine solche Selbstkritik des BGH nur als
Begründung für die faktische Fortsetzung der Justiz zugunsten
alter Nazis und des Kalten Krieges aufgefaßt werden: Es
werden nicht die politischen Urteile des BGH aufgehoben, die
verbindlich waren für das gesamte Rechtswesen in den
fünfziger und sechziger Jahren. Auf der Grundlage dieser Urteile
sind rund zehntausend Kommunistinnen und Kommunisten und solche, die
man dafür hielt, darunter antifaschistische
Widerstandskämpfer, die unter Hitler gelitten hatten, von einer
bundesdeutschen Gesinnungsjustiz zu Haftstrafen bis zu fünf Jahren
Zuchthaus verurteilt worden. Es wurde gegen eine halbe Million
Bürgerinnen und Bürger ermittelt. Arbeitslosigkeit,
Berufsverbote und erhebliche Diskriminierungen für völlig
Unbeteiligte waren zigtausendfach die Folge. Bis heute sind die Opfer
dieser Justiz des Kalten Krieges nicht rehabilitiert worden. Ihre
Renten sind gemindert, ihre Rentenansprüche als Opfer des
Faschismus blieben aberkannt. Es werden offenbar die Todesurteile
in der Nazizeit nur deshalb 50 Jahre zu spät einer Kritik
unterzogen und es wird nun allenfalls ein höchstrichterliches
Stirnrunzeln über die früheren braunen Kollegen mit Blut an
den Händen – die es sogar im BGH gab – verkündet,
weil es ansonsten vollends grotesk wirken würde, nun Todesurteile
in der DDR gegen ausgewiesene Spione zur Grundlage einer Verurteilung
nach Siegermentalität zu machen. Die braunen Kollegen sind
biologisch ausgeschieden oder in Pension. Sie können getrost unter
Aktenzeichen 5 StR 747/94 einer wirkungslosen pauschalen, aber
„besonders kritischen Überprüfung“ unterzogen
werden, „die der Senat als berechtigt erachtet“, wenn damit
nur die Grundlage für die moderne antikommunistische politische
Strafjustiz für alte und neue Nazis gelegt werden kann. Ulrich Sander Pressesprecher
der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten,
Landesvereinigung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf Siehe auch: Es fehlen die Bilder, aber nicht die Worte Zum Wirtschaftswunder gehörte auch der Wiederaufstieg von alten Nazis http://www.nrw.vvn-bda.de/texte/1183_darchinger.htm
Die Ausnahmen für die NS-Verbrecher http://www.nrw.vvn-bda.de/texte/0401_wallraff.htm Radikalenerlass von 1972: Nazis rein, Linke raus Was
steckte hinter dem heftig umkämpften Radikalenerlass von 1972? Ein
junger Historiker hat sich die Debatte noch einmal angeschaut und kommt
zu überraschenden Einsichten http://www.zeit.de/2013/29/berufsverbote-radikalenerlass-1972 |