Logo VVN/BdA NRW

Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

12.11.2013

Es fehlen die Bilder, aber nicht die Worte

Zum Wirtschaftswunder gehörte auch der Wiederaufstieg von alten Nazis

"Auf der Suche nach Fotos der fortwirkenden deutschen Nazivergangenheit zur Illustration meines Beitrages "Nazis hatten stets Vorrang vor ihren Opfern" (erschienen in antifa, Nov.-Dez. 2013 und unter http://www.nrw.vvn-bda.de/texte/1177_nazis_stets_vorrang_vor_opfern.htm) stieß ich auf den Band Jupp Darchinger "Wirtschaftswunder - Deutschland nach dem Kriege", aber dort wurde ich nicht fündig", schreibt Ulrich Sander (Geschichtskommission der VVN-BdA  NRW)  - Zu einem Foto Darchingers aus dem Jahr 1956 (ein armer Mann zählt seine Barschaft; siehe Bild) erschien allerdings dieser Bildtext: "In jahrelanger KZ-Haft als Kommunist hat er Gesundheit und Lebenskraft verloren. Seine Entschädigung: 95 DM Rente im Monat und ein Wohnraum in der Baracke in Bonn. Aber die Kommunistenjagd geht weiter. Zwischen 1951 und 1968 werden 138.000 Ermittlungsverfahren wegen 'kommunistischer Umtriebe' eingeleitet."

"In jahrelanger KZ-Haft als Kommunist hat er Gesundheit und Lebenskraft verloren. Seine Entschädigung: 95 DM Rente im Monat und ein Wohnraum in der Baracke in Bonn. Aber die Kommunistenjagd geht weiter. Zwischen 1951 und 1968 werden 138.000 Ermittlungsverfahren wegen 'kommunistischer Umtriebe' eingeleitet."Jupp Darchinger, legendärer Fotograf aus Bonn, hat Fotos der 50er und 60er Jahre von seinem Sohn Frank Darchinger (Bonn) und von Prof. Klaus Honnef (Kassel) herausgeben und texten lassen. Der Bildband "Wirtschaftswunder - Deutschland nach dem Kriege" aus dem Jahre 2012 (Taschenverlag) enthält eindringliche Bilder aus der Zeit der Restauration, des fortgesetzten "Elends und des beginnenden Überflusses" - aber eine Sorte fehlt: Bilder von Fortwirken der Nazis nach 1945. Dafür geben die Herausgeber diese bemerkenswerte Erklärung ab:

"Der schlimmste Makel der westdeutschen Erfolgsstory von Wiederaufbau, wirtschaftlichem Aufschwung und internationaler Anerkennung entzieht sich fotografischer Evidenz. Kaum hatte die Bundesrepublik ihre Souveränität zumindest im Innern erreicht, erlahmten die Anstrengungen, überlebende Täter des "Dritten Reiches" vor Gericht zu stellen und einer  gerechten Strafe zuzuführen. Ihre unvorstellbaren Verbrechen verloren sich außer Sichtweite. Die bunten Farben des Wirtschaftswunders übertünchten das Grauen der Vergangenheit. Nationalsozialismus und "totaler Krieg" mutierten im öffentlichen Bewusstsein zu unbegreiflichen Schicksalsschlägen. Vielen der maßgeblich Beteiligten gelang die Flucht ins Ausland. Eine größere Menge nistete sich in den staatlichen und privatwirtschaftlichen Institutionen der jungen Bundesrepublik ein. Einer der offiziellen Kommentatoren der berüchtigten Nürnberger Rassengesetze avancierte sogar zum Chef des Bundeskanzleramtes und saß sämtliche Vorwürfe bis zu seiner Pensionierung aus. Aber nicht nur die Schreibtischtäter setzten ihre frühere Arbeit in Verwaltung, Justiz, Medizin, Polizei, Medien und Hochschule ungehindert fort, manche Schergen ebenfalls. "Wir haben nichts gewusst", ließen die tief Verstrickten unisono verlautbaren, als die Generation der 68er ihre bohrenden Fragen stellte. Nichts haben sie gewusst von den Konzentrationslagern und dem planmäßig betriebenen Vernichtungskrieg im Osten. Als wären ihre Mitbürger im Naziland nicht mit gelben Sternen öffentlich gebrandmarkt, aus ihren Häusern vertrieben und am Ende in die Viehwagen der Eisenbahn gepfercht worden; als wären die endlosen Waggons nicht über die Schienen "des Reiches" gerollt und stunden- oder auch tagelang auf offener Strecke oder in Güterbahnhöfen abgestellt worden, um "kriegswichtige" Züge passieren zu lassen. Und die heimkehrenden Soldaten, die von den Massakern wussten, schwiegen wie die Daheimgebliebenen. Vor diesem Ausblenden der Verantwortung für die eigene Geschichte muss die sonst so genaue Fotografie Josef Heinrich Darchingers kapitulieren." (Aus dem Buch / Bildband: Wirtschaftswunder - Deutschland nach dem Krieg, Einleitung, S. 12)

zu einem Porträt Konrad Adenauers aus dem Jahre 1966 lautet der Bildtext: "Konrad Adenauer, erster Bundeskanzler der Bundesrepublik. Seine Politik einer betonten Westbindung mit den Fixpunkten Washington-Paris-Rom prägt die deutsche Politik bis 1989 und verändert das Land gesellschaftlich und kulturell von Grund auf. Im Innern unterbleibt während seiner autoritären Kanzlerdemokratie die notwendige Schlussabrechnung mit dem Nationalsozialismus. Mit 8,5 Millionen NSDAP-Mitgliedern (Stand 1945) waren zu viele verstrickt."

Siehe auch:

Nazis hatten stets Vorrang vor ihren Opfern
http://www.nrw.vvn-bda.de/texte/1177_nazis_stets_vorrang_vor_opfern.htm

Die Ausnahmen für die NS-Verbrecher
http://www.nrw.vvn-bda.de/texte/0401_wallraff.htm