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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

07.05.2013

Das Problem heißt Rassismus und Militarismus

Eine Betrachtung nach der Pro-NPD-Entscheidung im Bundestag und vor dem NSU-Prozeß in München

"Die Morde des NSU waren nur möglich, weil Teile des Staatsapparats ihm geholfen haben. Und die gesamte Nazibewegung konnte sich nur deshalb so entwickeln, weil sie sich auf einen manifesten staatlichen und gesellschaftlichen Rassismus stützen konnte und kann. Die gemeinsamen Schnittmengen mit Rechts verhindern das wirkungsvolle Handeln der Mitte gegen Rechts." Das stellt Ulrich Sander von der VVN-BdA am Beginn des NSU-Prozesses fest.

Das Problem heißt Rassismus und Militarismus

Eine Betrachtung nach der Pro-NPD-Entscheidung im Bundestag und vor dem NSU-Prozeß in München

Von Ulrich Sander

Wir stehen vor dem NSU-Prozeß, den die Justiz offenbar zu einem möglichst unpolitischen Zschäpe- und damit Einzeltäter/innenprozess machen will. Das heißt, es müssen ihr persönlich die Mordbeteiligungen nachgewiesen werden, anders als RAF-Tätern, bei denen das „dabei sein ist alles“ galt. So war das immer: Wer an Massakern von SS und Gebirgstruppe beteiligt war, ging straffrei aus, weil er nicht persönlich ertappt wurde. Und auch dies gilt: Wer die NSDAP fortsetzte, durfte und darf es tun. Wer die KPD oder FDJ fortsetzte, kam zwischen 1950 und 1968 in tausenden Fällen ins Gefängnis. Und noch heute in die Terrordatei.

Die Morde des NSU waren nur möglich, weil Teile des Staatsapparats ihm geholfen haben. Und die gesamte Nazibewegung konnte sich nur deshalb so entwickeln, weil sie sich auf einen manifesten staatlichen und gesellschaftlichen Rassismus stützen konnte und kann. Die Asyldebatte Anfang der 90er Jahre führte zum Abbau der Grundrechte für Asylsuchende, für Menschen in Not und direkt zum heutigen Rassismus, -  der sich aus dem Wirken eines Sarrazins nährt, ebenso aus dem allgemeinen Antiislamismus, aber auch aus dem wachsenden Antiziganismus. Wie entsetzt war ich, als ich am Ostersamstag in Dortmund-Dorstfeld mit ansehen mußte, wie Nazis in Polizeibegleitung vor ein von Sinti und Roma bewohntes „Ekelhaus“ (so stand es in der Demo-Anmeldung wörtlich) zogen, um Pogromstimmung zu schüren. Das war zwei Tage vor dem Jahrestag des 1. April 1933, an dem damals die Nazis vor die Judenhäuser zogen und Mordhetze betrieben.

Offiziell sind die Offiziellen über derartiges bestürzt und sie sagen, sie wollten handeln. Aber es gelingt nicht. Warum?

Der Umgang der bürgerlichen Gesellschaft, oder sagen wir besser: der Mitte, mit den Rechten ist davon geprägt, daß sie viele gemeinsame inhaltliche Schnittmengen mit den Nazis hat, um diese wirklich zu bekämpfen. Man setzt zwar Rechts und Links gleich, aber nur Links wird wirklich bekämpft, – es gibt eben zu wenig inhaltliche Gemeinsamkeiten des Konservatismus mit Linken. (Eine Gemeinsamkeit gibt es: Beide müssen atmen, und sie brauchen saubere Luft dazu.) Das Bindeglied zwischen Mitte und Rechts, das ist der Rassismus. Das wird ganz offenkundig werden, wenn ab 2014 die Rumänen und Bulgaren – zu „gut deutsch“: die Zigeuner – kommen.

Man sagt: An der Oberfläche scheinen doch die Rechten eher gegen die Bürgerlichen und ihre Politik zu wirken: „gegen imperialistische Kriege und Kapitalismus“, so rufen sie. Das ist jedoch unseriös. Es geht nur gegen die Kriege der Juden, der Ostküste und es geht gegen das jüdische Kapital und für die deutsche Volksgemeinschaft. „Volksgemeinschaft statt Klassenkampf“ ist die Parole der angeblich antikapitalistischen Rechten.

Die gemeinsamen Schnittmengen mit Rechts verhindern das wirkungsvolle Handeln der Mitte gegen Rechts. Was in Teilen der Mitte allenfalls stört, das sind die Methoden der Rechten, die Gewalt. Würden die sich gewaltloser geben, würde sich das Regierungshandeln gegen die Rechten erübrigen. Das Regierungshandeln sieht – wie das der Nazis – Krieg vor. Innerstaatlich besteht es auf dem Gewaltmonopol, das ihnen von den Nazis streitig gemacht wird.

Mit Verboten haben die Herrschenden derzeit nicht so viel Erfahrung – das KPD-Verbot ist 57 Jahre alt. Aber sie wissen: Man muß an die Inhalte ran, – aber das geht wegen der gemeinsamen Schnittmengen im Falle der Rechten nicht so richtig. Und so verweigern sich Regierung und Parlament dem NPD-Verbotsantrag.

Anders als vor ´33 sind die Rechten heute nicht so sehr auf die Finanzmittel des Kapitals angewiesen, solange sie Staatsgelder bekommen. Und die Kapitalisten sind auch derzeit gar nicht bereit, für die Nazis aus eigener Tasche zu zahlen; sie sind derzeit für sie nicht wirklich wichtig – aber dennoch nützlich: Die protestierenden Antinazis haben weniger Zeit, um Klassenkampf zu machen. Zudem gibt es ehrliche Mitte-Rechte – wie Michael Rogowski und Hans-Joachim Jentsch, – sie sehen in der Linken ganz offen den eigentlichen Feind.

Ex-Industriepräsident Michael Rogowski sagte es offen, und auch der CDU-Politiker und Verfassungsrichter zu Zeiten des ersten NPD-Verbotsversuchs, Jentsch, forderte als thüringischer Justizminister das PDS-Verbot. Das NPD-Verbot verhinderte er als Verfassungsrichter, indem er die V-Leutefrage hochspielte. (Siehe Kasten)

Eine weitere andere Situation als vor ´33 besteht in der Tatsache, daß Deutschland im Krieg ist. Das hätte man sich vor ´33 nicht erlaubt, dazu brauchten das Bürgertum und das Kapital die Nazis, um kriegsfähig zu werden. Heute werden dafür die Grünen, die SPD und der DGB gebraucht. Und benutzt. Die SPD ist seit 1998 Kriegspartei und der DGB soll es nun auch werden, wie wir seit dem Treffen von Michael Sommer mit Thomas de Maiziére wissen.

Wir haben heute nicht nur eine Kriegsführung – die von den Nazis partiell, aber nicht grundsätzlich abgelehnt wird – sondern auch einen Militarismus (Bundeswehr darf mit Kriegswaffen im Innern kämpfen und in Schulen werben, Tendenz zu Staat im Staat, eigene Riten, Hervorhebung gegenüber anderen Berufen, Aufbau des Heimatschutzes, rechte Reservistenverbände, Nazi-Wehrmachtstradition usw.). Der Militarismus wird von den Nazis unterstützt. Der Militarismus könnte den Nazis bald wieder eine Massenbasis verschaffen. Nie vergessen: Bei der Reichstagswahl im September 1930 konnte die bisherige 2,6 Prozent-Partei NSDAP ihren Stimmanteil schlagartig auf 14,3 Prozent steigern.

Bisher haben die Sozialpartnerschaft und die rechtssozialdemokratische Verbundenheit den beständigen Masseneinfluß des Kapitals gesichert. Sollten diese Faktoren infolge der Krise wegfallen, wird auch die rechte Sozialdemagogie wieder für das Kapital interessant. Allerdings müßten dafür die Nazis mehr Masseneinfluß haben – und den werden wir zu verhindern haben.

Der Richter und der Industriepräsident als Nazi-Helfer

Der ehemalige Industriellen-Präsident und noch heute einflußreiche Michael Rogowski erklärte, als wolle er den Gesprächsfaden vom Industrie-Club 1932 wieder aufnehmen: 1.) Der Rüstungsetat müsse vergrößert werden. Er forderte "eine Erhöhung der Rüstungsausgaben um drei Mrd. Euro pro Jahr zur Modernisierung der Bundeswehr". Ohne eine starke Rüstungsindustrie werde es "Deutschland schwer haben, seine Stimme zu erheben", wenn es um internationale Entscheidungen gehe", monierte der BDI-Präsident. Und das Bundeswehr-Weißbuch 2006 sieht ja die Erlangung von Rohstoffen und das Freikämpfen von Handelswegen auch als militärisches Ziel vor - ganz wie schon vor 1933 konzipiert. 2.) Die NPD, so Rogowski, sei nicht so beunruhigend wie die Linke, damals die PDS. Das "Phänomen Rechtsextremismus" solle nicht überbewertet werden. ("Freie Presse", Chemnitz, 20.09.2004) 3.) Die Nazi-Losung "Volksgemeinschaft statt Klassenkampf" verinnerlichte auch Rogowski auf seine Weise. Er sagte: "Am 9. November 1989 haben wir mit der Maueröffnung auch die Abrissbirne gegen den Sozialstaat in Stellung gebracht. Hartz V bis VIII werden demnächst folgen. Es ist ein Klassenkampf, und es ist gut so, dass der Gegner auf der anderen Seite kaum noch wahrzunehmen ist." (am 16.12.2004 in TV Phönix lt. Wikipedia)

Es war ein Politiker als Richter namens Hans-Jochim Jentsch (CDU), dem als Justizminister in Thüringen  einst Gründe einfielen, die PDS zu verbieten, als Bundesverfassungsrichter aber an der Nichtverbietbarkeit von Parteien, hier der NPD, herumstrickte. Er kam auf die Idee, Nazis, die zugleich V-Leute des Verfassungsschutzes sind, als Hemmnis für ein Verbotsverfahren gegen die NPD anzusehen. Die Folgen sind eine NPD und ihre Anhänger, die sich mit Karlsruher Segen fast alles erlauben dürfen. Kommt es mal zum Verbot einer geplanten Nazidemo, dann rufen die Rechten beim Bundesverfassungsgericht an und bekommen Recht.        U. S.

Siehe auch:

Das Ende von Weimar und der Untergang der Gewerkschaften
Zum Untergang der Gewerkschaften 1933 und den Aufgaben heute.  Dies ist ein Beitrag zum Jahr 33, er fußt stark auf Eberhard Czychon, Heinz Marohn, Ralph Dobrawa "Thälmann Ein Report" 2010, Berlin, ferner auf Texten von Ulrich Schneider und Günter Judick:
http://www.nrw.vvn-bda.de/texte/1084_ende_weimar_adgb.htm

Das Lehrstück vom 30. Januar 1933 - Von Georg Fülberth
Was hätte man 1933 wissen können und was kann man heute wissen

http://www.nrw.vvn-bda.de/texte/1064_lehrstueck.htm

Verfassungsschutz als Teil des NSU-Falls
Betrachtungen zum braunen Netzwerk aus VS und NSU
Dieser Beitrag steht am 17. Mai in der UZ, andere Blätter und Medien haben nicht zugegriffen. Der Beitrag ist die Zusammenfassung eines Referat von Ulrich Sander, das er kürzlich in München hielt.
http://www.nrw.vvn-bda.de/texte/1082_nsu.htm