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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

04.05.2011

Veranstaltung zum KPD-Verbot und zur Verfolgung von Antifaschist/innen im Kalten Krieg

Er ist einer von denen, die schon bald nach 1945 politisch klare Kante zeigten. Dabei war Günter Bennhardt damals noch ein halbes Kind. Er kämpfte - zunächst in der „Freien Deutschen Jugend“ (FDJ), dann als Mitglied der KPD - für einen demokratischen Neubeginn und gegen die Remilitarisierung in Deutschland. Weder Verbot und Verfolgung durch die Adenauer-Regierung, noch Gefängnishaft konnten ihn schrecken. Auch nicht die maßlose antikommunistische Hetze, die sich durch die ganze Zeit des kalten Krieges zog. Bis heute ist er aktives Mitglied der DKP und der VVN-BdA. 

Veranstaltung der VVN-BDA und des Bündnisses Dortmund gegen Rechts mit Günter Bennhardt und Gerd Deumlich am Sonntag 29.05.2010 um 14:00 Uhr, in der Gedenkstätte Steinwache, Steinstraße, Dortmund, am Nordausgang des Hauptbahnhofs.

Günter Bennhardt trotzte den politischen Verfolgungen / Sie konnten ihn nicht beugen

Er ist einer von denen, die schon bald nach 1945 politisch klare Kante zeigten. Dabei war Günter Bennhardt damals noch ein halbes Kind. Er kämpfte - zunächst in der „Freien Deutschen Jugend“ (FDJ), dann als Mitglied der KPD - für einen demokratischen Neubeginn und gegen die Remilitarisierung in Deutschland. Weder Verbot und Verfolgung durch die Adenauer-Regierung, noch Gefängnishaft konnten ihn schrecken. Auch nicht die maßlose antikommunistische Hetze, die sich durch die ganze Zeit des kalten Krieges zog. Bis heute ist er aktives Mitglied der DKP und der VVN-BdA. Auch die welthistorische Niederlage des Sozialismus im Jahr 1989 ließ ihn nicht verzweifeln.

Günter Bennhardt 2. von links, 3. von Links ist Gisa Marschewski

Gebürtig 1932 in Hagen, wuchs Günter in einem politisch engagierten Elternhaus auf. Der Vater, Ingenieur von Beruf, war Mitglied der SPD und wurde 1935 wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt. Sein „Vergehen“: er hatte für Angehörige inhaftierter Nazigegner, die bittere materielle Not litten, Geld gesammelt. Nach 1945 zog Vater Bennhardt die Konsequenz aus seinen politischen Erfahrungen und setzte sich für die Vereinigung von SPD und KPD ein (wie sie ja im Osten Deutschlands, d. h. in der sowjetisch besetzten Zone und späteren DDR, in der Tat vollzogen wurde). Wegen dieses Engagements wurde er 1948 aus der SPD ausgeschlossen. Konsequenterweise trat er nun der KPD bei.

Das, was seinem Vater vor und nach 1945 zustieß, aber auch eigene kindliche Eindrücke von Faschismus und Krieg, waren für den Sohn eine Art politischer Elementarunterricht. Noch heute hat Günter Erinnerungen an die fürchterliche Angst, die er als Elfjähriger in den Bombennächten empfand. Und er hat nicht vergessen, dass er die unmenschliche Behandlung russischer Gefangener mit ansehen musste. So kann das frühe Erwachen seines politischen Bewußtseins nicht verwundern.

An Pfingsten 1950 fuhr der damals 18-jährige mit der FDJ zum Deutschlandtreffen der Jugend nach Ostberlin. Aus der BRD zog es Zehntausende Jugendliche zu diesem Festival, das für Günter ein begeisterndes Erlebnis wurde. Bei der Rückkehr in die BRD wurden die jungen Westdeutschen dann von der "eigenen" Polizei übel schikaniert. So mußten sie am Grenzübergang Herrenhausen bei Lübeck wegen angeblicher Seuchengefahr an Ärzten vorbei defilieren. Noch übler war es im August 1951 im Anschluss an das Weltjugendtreffen in Ostberlin, an dem Günter ebenfalls teilnahm. Diesmal wurden die Jugendlichen nach dem Grenzübertritt in ein Fußballstadion gesperrt, wo sie gezwungen wurden, ihre Bücher und Broschüren abzugeben. Das Schriftgut wurde von der Polizei dann vor den Augen der jungen Leute in unheilvoller Tradition verbrannt.

Günter Bennhardt 3. von links mit Glas.

1950, im Anschluss an das Pfingsttreffen in Ostberlin, trat Günter in die FDJ ein. Bald wurde er Gruppenleiter und stellvertretender Vorsitzender der Dortmunder Kreisorganisation. Noch heute kann er sich an dem "tollen Jugendleben“ begeistern, das die Dortmunder FDJ damals organisierte.

Die Kommunist/innen kämpften gegen die restaurative Politik des Adenauerstaats und stemmten sich mit allen Kräften gegen die Remilitarisierung Deutschlands. Gemeinsam mit anderen fortschrittlichen Kräften bereiteten sie eine Volksbefragung gegen die Wiederbewaffnung Deutschlands vor. Nicht zuletzt die FDJ leistete in dieser Kampagne einen großen Beitrag.

Am 24. 4. 51 verbot die Bundesregierung die Volksbefragung per Erlass als verfassungswidrig. Am gleichen Tag erfolgte das Verbot der FDJ in NRW. Am 26. Juni 1951 erging dann das bundesweite Verbot der FDJ. In Dortmund wurden führende Genossen der NRW-FDJ inhaftiert, und zwar ausgerechnet in der Steinwache (der

heutigen Gedenkstätte), die unter den Nazis als Folterhölle berüchtigt war. Dort waren hunderte Nazi-Gegner, darunter viele Kommunisten, grausam gequält worden und nicht wenige waren ums Leben gekommen.

Dass dem Verbot der FDJ über kurz oder lang das Verbot der KPD folgen würde, war abzusehen. Wie es seine Art war, zog Günter daraus seine Konsequenz: am 11. 12. 1951 ließ er sich in die KPD aufnehmen. Er war 19 Jahre alt. Am 17. August 1956 wurde das Verbot der KPD Realität. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Antimilitaristen immerhin Neun Millionen Unterschriften gegen die Wiederbewaffnung gesammelt.

Illegale Arbeit unbeirrt weitergeführt

Aber schon zwei Jahre vorher, am 1. September 1954, wurde der damals 22-jährige wegen Verstoß gegen das FDJ-Verbot verhaftet. Am 8. 3. 1955 verurteilte ihn die große Strafkammer des Landgerichts Dortmund zu einem Jahr und vier Monaten Gefängnis. Nach 11 Monaten Haft wurde er vorläufig entlassen: 5 Monate Reststrafe wurden zur Bewährung ausgesetzt. Trotz allem setzte Günter seine illegale Arbeit fort. In dieser Zeit ging er mit einer Genossin aus Flensburg eine Liebes- und Lebensgemeinschaft ein. Heiraten konnte das Paar aus Gründen der Illegalität erst im August 1961 in Ostberlin. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor.

Im Oktober 1964 stellte sich der inzwischen 33-jährige, weil die Bewährung für seine Reststrafe widerrufen worden war, der Justiz. Noch während er einsaß, klagte der Staatsanwalt ihn wegen Verstoß gegen das KPD-Verbot an. Im Oktober 65 wurde er zu 8 Monaten Gefängnis verurteilt. Gegen dieses Urteil gingen beide Seiten in Revision. Jene des Angeklagten wurde verworfen. Folglich brachte die Revisionsverhandlung im Juli 66 vor dem Landgericht Düsseldorf eine Verschärfung des Urteils: aus 8 Monaten waren jetzt 14 Monate geworden. Auch gegen dieses Urteil legte die Verteidigung Revision ein. Sie wurde im Januar 1967 vom Bundesgerichtshof in letzter Instanz verworfen. Günter Bennhardt blieb die Verbüßung der Strafe dann aber doch erspart. Zwar erhielt er im Frühjahr 1967 noch die Vorladung zum Strafantritt. Inzwischen jedoch formierte sich gegen die rabiate Kommunistenverfolgung zunehmender Widerstand einer breiten demokratischen Bewegung. Im Zusammenwirken mit gewissen politischen Wandlungsprozessen im letzten Drittel der Sechzigerjahre führte dies zu einer Abschwächung der Repression. Nach breiten Protesten wurde Günters Verurteilung außer Vollzug gesetzt.

Heute ist der 78-jährige immer noch politisch aktiv. Im Gespräch mit HEISSE EISEN sagte er: „Dass die Nazis wieder durch die Straßen marschieren und von Justiz und Polizei dabei grünes Licht bekommen, kann ich nicht aushalten“. Er konzentriert sich heute auf die antifaschistische Arbeit im Rahmen der VVN-BdA. Natürlich unterstützt er auch die Bemühungen um die Rehabilitierung der Opfer der Kommunistenverfolgung. In einem offenen Brief zum 50. Jahrestags des KPD-Verbotes schrieb er: „Das KPD-Verbot wurde nach 50 Jahren nicht aufgehoben und die dagegen verstießen, und deren Familien darunter gelitten haben, wurden nicht rehabilitiert. Besteht da nicht Handlungsbedarf?“

Die Hinterbliebenen der NS-Opfer fordern ihr Recht

Die Landesdelegiertenkonferenz NRW und der Bundeskongress der VVN-BdA haben beschlossen diese Erklärung, die u.a. von Günter Bennhardt verfasst wurde:

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 4. November 2009 erklärt: "Angesichts des einzigartigen Unrechts und des Schreckens, die die nationalsozialistische Herrschaft über Europa und weite Teile der Welt gebracht hat", sind das Grundgesetz und die Entstehung der Bundesrepublik Deutschland "geradezu als Gegenentwurf" zum nationalsozialistischen Regime zu verstehen.“ "Das bewusste Absetzen von der Unrechtsherrschaft des Nationalsozialismus war historisch zentrales Anliegen aller an der Entstehung wie Inkraftsetzung des Grundgesetzes beteiligten Kräfte." (Aus den Leitsätzen zum Beschluss des Ersten Senats vom 04.11.2009 - 1 BvR 2150/08).

Die Gegnerschaft zur Naziherrschaft ist demnach Verfassungsgebot und Staatsdoktrin. Dem sieht sich auch die VVN-BdA verpflichtet. Unsere Organisation ist eine Organisation der Opfer und Hinterbliebenen sowie der nachgewachsenen Generationen von Antifaschistinnen und Antifaschisten. Diesen Opfern wurde in der genannten Gerichtsentscheidung das Recht auf besonderen Schutz - ihrer Würde und ihrer Unversehrtheit - zugesprochen:

Eine "Verletzung der Würde der Opfer der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft" wird in besonderem Maße verurteilt. Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes wurde nach 1945 von Überlebenden des Holocaust, von NS-Opfern und Teilnehmern am Antinazi-Widerstandskampf gegründet. Ihre heutigen Mitglieder erklären: Wir, die wir Krieg und Faschismus noch durchlitten haben, aber auch die zweite und dritte Generation und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter, fühlen uns dem Auftrag der Gründer der VVN-BdA und des Grundgesetzes verpflichtet.

Seit jüngster Zeit gibt es eine Reihe von Dokumentationen, die belegen, was die VVN seit den 60er Jahren nachgewiesen hat: In der Bundesrepublik konnten Eliten der Nazizeit aus Wirtschaft, Militär und dem Staats- und Terrorapparat des Naziregimes, darunter Justiz, Gesundheitswesen, Polizei und Geheimdienste wieder tätig werden, Einfluss nehmen und dabei weiterhin gegen Antifaschisten vorgehen.

Gerichte verfolgten Teilnehmer des Arbeiterwiderstandes, vornehmlich des kommunistischen Widerstandes, um sie - auch unter Hinweis auf Vorstrafen aus politischen Prozessen von 1933 bis 1945 - wegen ihrer politischen Tätigkeit erneut einzusperren und ihnen die Rechte auf Entschädigung abzusprechen.

Ärzte aus der NS-Zeit wurden als Gutachter eingesetzt, um die Entschädigungsrechte der oft schwer geschädigten politisch, rassisch und religiös Verfolgten in Zweifel zu ziehen. Ehemalige Gestapobeamte fanden in der Polizei der BRD wieder Verwendung, und man setzte sie auch ein, um die demokratischen Rechte der Verfolgten erneut anzutasten. Organisationsverbote führten zur Bestrafung der Widerstandskämpferinnen und -kämpfer, während Naziorganisationen wie die NPD sich ungehindert entfalten konnten. Berufsverbote wurden gegen die Kinder von Antifaschisten ausgesprochen. Das Versammlungsrecht von Antifaschisten wurde eingeschränkt.

Die VVN-BdA setzt sich dafür ein, dass eine Wiedergutmachung für die so Benachteiligten erfolgen muss. Vor allem geht es um die Rehabilitierung der Opfer. Ende der sechziger Jahre gab es zwar ein Strafrechtsänderungsgesetz, das zahlreichen Verfolgungen ein Ende setzte, eine Rehabilitierung der Betroffenen erfolgte jedoch nicht. Auch die Kinder und Enkel der Betroffenen hatten - infolge der Leiden ihrer Verwandten - mitzuleiden: Denn die Familien der Opfer litten oft materielle Not, die Kinder und Enkel, also die aus der 2. und 3. Generation, waren betroffen von psychischen Schäden und Traumatisierungen, sie waren im Bildungswesen, in Schule und Gesellschaft Diskriminierungen bis hin zu Berufsverboten ausgesetzt. Sie galten als Kinder von "Vorbestraften". Die jetzt bekannt gewordenen personellen Kontinuitäten aus der Zeit vor und nach 1945 müssen zu Konsequenzen führen. Doch die Gelegenheiten, die sich dazu bieten, werden nicht genutzt. Der Umgang des Deutschen Bundestages mit dem Antrag "Widerstand von Kommunistinnen und Kommunisten gegen das NS-Regime" (Drucksache 17/2201), eingebracht von der Fraktion DIE LINKE am 16. 6. 2010, ist ein Skandal, ja ein Schlag ins Gesicht der NS-Opfer. Ohne mündliche Aussprache, nur mit schriftlichen Wortbeiträgen, die seitens der CDU, CSU und FDP, aber auch der SPD den Geist der Restauration und des Kalten Krieges atmeten, wurde der Antrag am 11. November 2010 zu später Stunde beerdigt. Die CDU/CSU-Reaktion ist unfassbar und, ähnlich wie bei den vielen Debatten zum Kriegsverrat, sprachlich und argumentativ stark in der Nähe von rechtsextremen Organisationen.

Auch in der Erinnerungsarbeit der Gedenkstätten für Opfer des NS-Unrechts werden die Vertreter der 2. und 3. Generation oftmals abgewiesen. Man erklärt ihnen ungeschminkt: Euer Anspruch auf Mitsprache in der Gedenkarbeit ist verwirkt. Genugtuung darüber, dass Zeitzeugen sich nicht mehr einmischen können, ist unverkennbar. Doch, wir mischen uns ein.

Die in der VVN-BdA vereinigten Angehörigen der 2. und 3. Generation danken dem Bundesverband Information und Beratung für NS-Verfolgte dafür, dass er sich ihrer Sorgen und Nöte angenommen hat. Sie danken den Vertretern der LINKEN und der GRÜNEN, die sich in der schriftlichen Debatte des Bundestages vom 11. 11. 10 vorbildlich verhalten haben. Diese Bemühungen sollten fortgesetzt werden.

Es wird vorgeschlagen, in diesem Sinne bald ein Treffen von Angehörigen der zweiten und dritten Generation zu organisieren.

Diese Erklärung wurde von Kindern und Enkeln von NS-Verfolgten und Opfern des Kalten Krieges verfasst. Es wird darum gebeten, sich dieser Erklärung anzuschließen.

Ich unterstütze als Betroffene/Betroffener diese Erklärung

Name und Vorname: _______

Alter: _______ Beruf: _______

Verwandt mit oder Hinterbliebene/r von  _______ (muß nicht ausgefüllt werden)

Anschrift/Telefon/E-Mail-Adresse:  ___________________________________

Siehe auch

"Mein Vater war kein Verbrecher"
Ehemalige politische Häftlinge und Opfer des Kalten Krieges treffen sich in Dortmund

Kinder von Widerstandskämpfern erinnern sich
Naziopfer wurden doppelt bestraft - vor und nach 1945

Kommunistenverfolgung nach den Nazis auch unter Adenauer
Opfer des Kalten Krieges

NS-VERFOLGTE - 40 Jahre ausgegrenzt und vergessen 
Dokumentation einer Anhörung vom 18. Februar 1989 in Münster PDF