05.10.08
Kommunistenverfolgung nach den Nazis auch unter Adenauer
Opfer
des Kalten Krieges
Von Peter Kleinert
Mit einer Festveranstaltung hat die Deutsche Kommunistische
Partei (DKP) am Samstag an ihre Gründung vor 40 Jahren am 25.
September 1968 in Recklinghausen erinnert. Die DKP war vor allem von
ehemaligen Mitgliedern der 1956 unter Adenauer verbotenen KPD
gegründet worden, die im Nationalsozialismus ebenfalls 12 Jahre
lang verboten und verfolgt wurde. Ehemalige politische Häftlinge,
die als KPD-Mitglieder Opfer des Kalten Krieges wurden, treffen sich
am 25. Oktober in Dortmund, um an die rund 10.000 Menschen zu
erinnern, die als Antifaschisten und Linke in den 50er und 60er
Jahren in Untersuchungshaft gerieten oder zu Gefängnisstrafen
verurteilt wurden.
Allein vor Dortmunder Gerichten fanden in diesem Zusammenhang
rund 60 politische Prozesse statt. Haftstrafen wurden in der Regel
für die „Betätigung im Sinne der verbotenen Kommunistischen
Partei Deutschlands oder ihrer Jugendorganisation FDJ“
ausgsprochen. Fünf Verurteilte waren bereits als antifaschistische
Widerstandskämpfer in der NS-Zeit in KZs und Zuchthäusern gequält
worden. Ihnen wurde gleichzeitig die Entschädigung als NS-Opfer
aberkannt, weil sie erneut für die KPD gearbeitet hatten.
Empört ist die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund
der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) vor allem
darüber, dass der Bundestag ausgerechnet am 8. Mai 2008 beschloss,
den kommunistischen Widerstandskämpfern, die sowohl unter Hitler
wie auch unter Adenauer verfolgt wurden, weiterhin die
Entschädigung nach dem Bundesentschädigungsgesetz zu verweigern.
Darunter leiden oft auch Hinterbliebene der Opfer. Eine davon, Klara
Tuchscherer geborene Schabrod erinnert sich:
„Mein Vater war kein Verbrecher“
„Ich verwahre mich entschieden dagegen, dass mein Vater, Karl
Schabrod, als Verbrecher bezeichnet wird. Er hatte genug darunter zu
leiden, oft in seinem Leben als solcher behandelt zu werden. Fast
die gesamten 12 Jahre des Faschismus in Deutschland verbrachte er im
KZ und im Zuchthaus, weil er Antifaschist und Kommunist war. Und
dieses Wort „verbrachte“ ist viel zu harmlos. Nach Berichten von
Mitgefangenen im Börgermoor saß er als Stubenältester fast mehr
im Arrest, als dass er in der Baracke war. In der Steinwache
Dortmund wurde er, wie viele andere, gefoltert, der Staatsanwalt
verlangte die Todesstrafe, die dann in lebenslängliche
Zuchthausstrafe umgewandelt wurde. Alles, weil er sich auch dort
für seine Mitmenschen einsetzte und keine Genossen verraten wollte.
Treu seinem Wahlspruch: „Tue Recht und scheue niemand!“
arbeitete er politisch nach 1945 trotz Herz- und Rheumakrankheit
weiter. Er arbeitete für den nordrheinwestfälischen Landtag, in
dem er 1947 zum Vorsitzenden der KPD-Fraktion gewählt wurde, an der
Landesverfassung mit. Er war Schriftführer des
Verfassungsausschusses, sein Entwurf wurde Grundlage der
parlamentarischen Beratung. Dieter Posser beschreibt dies in seinem
Buch „Anwalt im Kalten Krieg“… Deswegen empört es mich
besonders, wenn bei der Bundestagssitzung vom 8.Mai 2008 von dem
Herrn Baumann, CDU/CSU, aufgrund eines Zwischenrufs betreffend der
Mitarbeit von Kommunisten am Grundgesetz, behauptet wird: Ein
großer Teil der KPD-Mitglieder hätte Entschädigungen erhalten,
aber nicht diejenigen, die gegen den Staat gearbeitet haben…“
Karl Schabrod: „Tue Recht und scheue niemand!“ Quelle:
NRhZ-Archiv
|
Nach dem KPD-Verbot kandidierte Karl Schabrod für eine
Kommunistische Wählervereinigung und gab die Zeitung „Die freie
Meinung“ heraus, die über Remilitarisierung, Atombewaffnung, die
Wiedereinstellung von Nazis in hohen Ämtern und soziale Themen
aufzuklären versuchte. Dies brachte ihm nach einem Monat U-Haft
beim ersten Prozess 9 Monate auf Bewährung und beim zweiten Prozess
(1962) zwei Jahre Gefängnishaft ein, dazu Berufsverbot für 5 Jahre
und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte und Streichung der
Verfolgtenrente.
Klara Tuchscherer: „Nein, der „Kalte Krieg“ ist nicht
vorbei. Schlimmer noch: mit Hilfe unserer Bundeswehr ist er an
vielen Ecken der Welt in einen Heißen Krieg verwandelt worden, und
genau davor hat mein Vater zusammen mit Genossen, Naziverfolgten,
Christen, echten Demokraten und vielen Friedensfreunden gewarnt.“
Eine hafterfahrene Familie
Das Jugendmagazin „elan“ berichtete im Dezember 1967 über
den zu 12 Monaten Gefängnis verurteilten damals 28jährigen
Arbeiter Peter Dürrbeck. Ihm hatte die Lüneburger
Staatsanwaltschaft „Verstoß gegen das KPD-Verbot“ und „Rädelsführerschaft“
vorgeworfen. Dürrbeck war als zweiter Landesjugendleiter der
Naturfreundejugend, als Ostermarschierer und aktiver Notstandsgegner
bekannt geworden. Seine Mutter Herta leistete in einer illegalen
Jugendgruppe Widerstand gegen die Nazis. 1934 stand sie als junges
Mädchen wegen Vorbereitung zum Hochverrat vor Gericht. Für
eineinhalb Jahre musste sie ins Gefängnis. Bis 1946 stand sie unter
Polizeiaufsicht. Sein Vater kam aus dem gleichen Grund in ein
Strafbataillon und starb 1953 an den Misshandlungen in dieser
Truppe.
Peter Dürrbeck – Ostermarschierer und Notstandsgegner |
Quelle: www.goettinger-linke.de
|
Auf den Tag genau 20 Jahre nach ihrer Entlassung aus der Nazihaft,
am 10. Mai 1956, musste Herta Dürrbeck wieder ins Gefängnis von
Hannover. Diesmal wegen „Förderung der verbotenen FDJ“. „Ich
hatte“, so erzählt sie, „als Landtagsabgeordnete der KPD gegen
die Beamten protestiert, die junge Leute an der Grenze zur DDR aus
den Zügen holten. Dafür bekam ich drei Monate Gefängnis.“ Ihre
zweite Strafe im Nachfolgestaat des 3. Reiches: zehn Monate
Gefängnis wegen „Verstoß gegen das KPD-Verbot“. Fünf Monate
wurden ihr auf Bewährung erlassen. Als sie sich dann für die
Freilassung ihres Sohnes einsetzte, der in der Haft 35 Pfund Gewicht
verlor und deshalb an Kreislaufstörungen litt, wurde sie wieder
vorgeladen. Man drohte ihr an, die zur Bewährung ausgesetzte Strafe
zu vollstrecken, da sie „sich des in sie gesetzten Vertrauens
nicht als würdig erwiesen hat.“
Jupp Angenfort - vor dem Düsseldorfer Industrieclub Jupp
Angenfort – bei einer Kundgebung vor dem Düsseldorfer
Industrieclub | Quelle: VVN-BdA
|
Jupp Angenfort, geboren 1924 in Düsseldorf, wurde 1951 der
jüngste Landtagsabgeordnete in Nordrhein-Westfalen. Weil er sich
als Vorsitzender der Freien Deutsche Jugend (FDJ) an der
Vorbereitung einer Volksbefragung zur Wiederbewaffnung der
Bundesrepublik beteiligt hatte, konnte auch seine Immunität als
Landtagsabgeordneter der KPD ihn im März 1953 nicht vor der
Festnahme durch die Sicherungsgruppe Bonn des Bundeskriminalamts
bewahren. Er wurde wegen Hochverrats angeklagt und vom
Bundesgerichtshof wegen „Vorbereitung eines hochverräterischen
Unternehmens, wegen Geheimbündelei und Zugehörigkeit als
Rädelsführer zu einer verfassungsfeindlichen Vereinigung“ zu
einer fünfjährigen Zuchthausstrafe verurteilt. Im April 1957 wurde
Angenfort von Bundespräsident Theodor Heuss begnadigt. Später
wurde er Präsidiumsmitglied der DKP, von 1988 bis 2002
NRW-Landesvorsitzender der VVN-BdA; heute ist er einer ihrer
Landessprecher und tritt trotz seines hohen Alters immer noch auf
Demonstrationen auf (siehe NRhZ 79 „Generalangriff des Kapitals“).
Gedenkstätte Steinwache Dortmund
Überlebende der Dortmunder politischen Strafjustiz des Kalten
Krieges treffen sich am Samstag, 25. Oktober, um 10.30 Uhr an der
Gedenkstätte Steinwache (Nahe Hauptbahnhof-Nordausgang) gemeinsam
mit ihren Angehörigen. Das Treffen an der Steinwache wird mit
Infoständen und einer Ausstellung über die Justiz des Kalten
Krieges gestaltet. Es wird um 13 Uhr unterbrochen, um dann um 15 Uhr
im Haus der Evangelischen Kirche Reinoldinum am Schwanenwall 34
fortgesetzt zu werden. Dort stehen Begegnungen und Gespräche im
Vordergrund. Der Bundestagsabgeordnete der Partei DIE LINKE Jan
Korte wird zu den Versammelten sprechen; ebenso Kinder von
ehemaligen Verfolgten. Manfred Demmer von der Kulturvereinigung
Leverkusen tritt als Sänger auf. Veranstalter des Treffens sind mit
Unterstützung der DKP die Initiativgruppe für die Rehabilitierung
der Opfer des Kalten Krieges (Sitz Essen) und die VVN-BdA in NRW. (PK)
Hierzu auch der Filmclip "Ein
Staat sieht ROT"
„Diether
Posser – Anwalt im Kalten Krieg"
Deutsche
Geschichte in politischen Prozessen 1951-1968. Verlag
J. H. W. Dietz Nachfolger,
Bonn 2000, 382 S.
Mehr unter www.luise-berlin.de
|
Mit freundlicher Genehmigung von www.nrhz.de
|