02.03.08
Erfolg in Sachen Kriegsverbrecherbestrafung
Erstmals Mord-Anklage wegen
eines Massakers der Gebirgsjäger erhoben
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Josef Scheungraber
Foto: Vogler
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Die VVN-BdA und "angreifbare traditionspflege" scheinen
Erfolg zu haben in Sachen Kriegsverbrecherbestrafung. Siehe den
unten dokumentierten Bericht der Süddeutschen Zeitung und vor allem
unseren Briefwechsel mit den Justizministern der Länder:
Gefordert: Bestrafung von NS-Kriegsverbrechern
In Italien verurteilte deutsche
NS-Kriegsverbrecher in Deutschland immer noch in Freiheit
VVN-BdA schreibt an die Justizminister der Länder und des
Bundes
Scheungraber und die anderen
verurteilten Kriegsverbrecher nach Italien ausliefern oder hier
einsperren
VVN-BdA fordert unverzügliche Strafverfolgung der Mörder von
Kephallonia
Brief an die Landesregierung –
Beschwerde über Dortmunder Staatsanwaltschaft
Das Treffen der Kriegsverbrecher findet dennoch wieder statt,
diesmal vor Pfingsten am 2. bis 4. Mai in Mittenwald. Angreifbare
Traditionspflege ruft zu Protesten auf. Die VVN-BdA NRW wird mit
einer VVN-Delegation hinfahren.
Süddeutsche Zeitung:
Deutsches Massaker im Zweiten
Weltkrieg
Blutbad in der Toskana
Erstmals erhebt die Münchner Staatsanwaltschaft Mord-Anklage
wegen eines Massakers der Gebirgsjäger in Italien. Im Visier der
Ermittler steht ein 89 Jahre alter Rentner.
Von Alexander Krug
Die Massaker der Gebirgstruppe im Zweiten Weltkrieg werden
womöglich erstmals ein deutsches Gericht beschäftigen. Die
Staatsanwaltschaft München I hat nach Informationen der
Süddeutschen Zeitung Anklage wegen Mordes gegen den ehemaligen
Leutnant Josef S. erhoben.
Der heute 89-Jährige soll 1944 als Kompanieführer eines
Gebirgs-Pionier-Bataillons die Ermordung von 14 Zivilisten in dem
italienischen Dorf Falzano di Cortona (bei Arezzo) angeordnet haben
soll. Der in Ottobrunn lebende Rentner wurde bereits 2006 in Italien
in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt.
Den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zufolge kommandierte S.
im Sommer 1944 die 1. Kompanie des Gebirgs-Pionier-Bataillons 818,
das in Mittelitalien den deutschen Rückzug sichern sollte. Die
Truppe war nicht an der Front eingesetzt und hatte demzufolge nur
wenige Verluste. Am 26. Juni 1944 wurde eine Streife von Partisanen
überfallen, ein Unteroffizier und ein Gefreiter wurden dabei
getötet. Der Kommandeur des Bataillons, Major Herbert St., soll
gemeinsam mit dem Angeklagten einen Vergeltungsschlag befohlen
haben, der offenbar noch am selben Tag ausgeführt wurde.
Haus in die Luft gesprengt
Zunächst wurden eine 74-jährige Frau und drei Männer
erschossen, die den Soldaten zufällig auf einer Straße über den
Weg liefen. Anschließend wurden elf Männer festgenommen, die man
in dem Dorf Falzano di Cortona im Erdgeschoss eines Bauernhauses
zusammenpferchte.
Der Anklage zufolge wurde das Haus anschließend mit Dynamit in
die Luft gesprengt. Zehn Männer im Alter zwischen 16 und 66 Jahren
starben in den Trümmern. Ein damals 15-jähriger Junge überlebte
das Blutbad. Er wurde später Polizist und steht den Anklägern
heute als Zeuge zur Verfügung.
Die Münchner Staatsanwaltschaft hatte erst kürzlich ein
ähnliches Verfahren um ein Massaker der Gebirgstruppe auf der
griechischen Insel Kephallonia an italienischen Kriegsgefangenen
eingestellt. In dem Beschluss hieß es damals, dass allenfalls ein
Totschlag in Betracht komme, ein solcher sei aber verjährt.
Vorwurf: Mord aus niedrigen
Beweggründen und Grausamkeit
Im Fall S. entschieden die Ankläger diesmal auf Mord aus
niedrigen Beweggründen und Grausamkeit. Damit folgten sie erstmals
ihren italienischen Kollegen, die bislang weniger Bedenken hatten,
ehemalige Wehrmachtsangehörige wegen Kriegsverbrechen anzuklagen.
Ein Militärgericht in La Spezia hat bereits einige deutsche
Soldaten wegen verschiedener Massaker in Italien in Abwesenheit
verurteilt. Josef S. selbst wurde am 28. September 2006 zu
lebenslanger Haft verurteilt. Das Urteil ist noch nicht
rechtskräftig. Da deutsche Staatsbürger ohnehin nicht ausgeliefert
werden, ist der Ottobrunner noch immer auf freiem Fuß.
Auch nach der neuen Anklage wird er vorerst nicht ins Gefängnis
müssen. Die Münchner Ankläger haben auf einen Haftbefehl
verzichtet, da sie weder Verdunklungs- noch Fluchtgefahr sehen. Ob
es zu einem Strafprozess kommt, ist noch offen. Zuständig für den
Fall ist die 1.Strafkammer des Landgerichts München I. Sie muss
zunächst über die Zulassung der Anklage entscheiden. Nach
SZ-Informationen hat S. den Richtern ein Attest vorgelegt,
demzufolge er verhandlungsunfähig ist. Die Kammer will das nun
genau prüfen.
Josef S. hat die Vorwürfe bislang bestritten. In seiner Gemeinde
galt er als honoriger Bürger, er saß 20 Jahre im Gemeinderat, ist
Ehrenkommandant der Feuerwehr und wurde 2005 wegen besonderer
Verdienste mit der "Bürgermedaille" geehrt.
Im vergangenen Jahr scheint er sich beim alljährlichen Treffen
des "Kameradenkreises der Gebirgstruppe" in Mittenwald
noch bester Gesundheit erfreut zu haben. Der 1951 gegründete
"Kameradenkreis" will laut Satzung die "Verantwortung
und das Geschichtsbewusstsein'' fördern. Kritiker wie der
Arbeitskreis "Angreifbare Traditionspflege" sehen indes in
dem Verein eine "Selbsthilfegruppe für NS-Verbrecher",
die sich untereinander auch über strafrechtliche Ermittlungen
austauschen.
Verteidigt wird der 89-Jährige von dem Anwalt Gerhard Klamert,
Jahrgang 1924 und Mitglied des "Kameradenkreises". Dessen
Einstellung verdeutlichen seine Tiraden in Die Gebirgstruppe, dem
Organ des "Kameradenkreises". Hier diffamierte er die
Wehrmachtsausstellung 1997 im Münchner Rathaus als
"Umfälschung" der Geschichte, die nur von "kranken
Hirnen" stammen könne.
An anderer Stelle verharmloste er Verbrechen der Gebirgstruppe
als "Unseligkeiten" oder nannte sie
"Hirngespinste", die immer wieder von "abgrundtief
hassenden Journailletypen in Szene gesetzt" würden. Mitglied
im "Kameradenkreis" ist bis heute der frühere
Ministerpräsident Edmund Stoiber. Ein anderer prominenter
Fürsprecher der Gebirgsjäger war auch Franz Josef Strauß. Er
wurde 1957 zum "Jäger honoris causa" ernannt.
Süddeutsche Zeitung vom
1./2.3.2008/mako
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