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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

07.09.07

VVN-BdA schreibt an die Justizminister der Länder und des Bundes:

Scheungraber und die anderen verurteilten Kriegsverbrecher nach Italien ausliefern oder hier einsperren

Josef Scheungraber 
Foto: Vogler

Obigen finster drein blickenden alten Herrn, Möbelhändler aus Ottobrunn, entdeckten wir auf dem Pfingsttreffen des Kameradenkreises der Gebirgstruppe in Mittenwald auf dem Hohen Brendten. Er steht inmitten der Bundeswehrsoldaten der Gebirgstruppe, die hier die "Helden" des zweiten Weltkrieges ehren. Auch Staatsekretär Christian Schmidt (CSU) feierte mit den Kriegsverbrechern. Ja, darum handelt es sich bei diesem Treffen: Um Kriegsverbrecher und solche Soldaten, die diese ehren.

Über den oben abgebildeten Herrn konnte man auf einem Pappschild, das in Mittenwald von einem Neffen des Josef Scheungraber, so heißt der Herr, gezeigt wurde, erfahren: "Mein Onkel Sepp, Josef S. aus Ottobrunn, ist wegen eines Massakers von Falzano (Tötung von 13 Zivilisten) zu lebenslänglicher Haft in Italien seit September 2006 verurteilt. (SZ vom 30.9.06). Die deutsche Justiz hat diesen Mord an Zivilisten nie bearbeitet. Es gab keine Verurteilung. Es gab keine Verhandlung. Er wurde weder verurteilt, noch freigesprochen. Folglich ist Onkel Sepp ein lebenslänglicher Freigänger."

Unter den mindestens 1500 auf dem Hohen Brendten versammelten waren zahlreiche weitere nicht verurteilte Kriegsverbrecher aus der 1. Gebirgsdivision, die die Massaker u.a. in Komeno und Kephallonia zu verantworten haben.

Scheungraber jedoch ist verurteilt worden. Das italienische Militärgericht in La Spezia hat ihn Ende September 2006 in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt. Seine Einheit hatte als "Vergeltung" gegen Partisanenangriffe 15 Zivilisten in ein Bauerhaus gesperrt und es gesprengt. Alle im Haus bis auf einen 15jährigen Jungen starben.

Stephan Stracke vom AK Angreifbare Traditionspflege erklärte: " Es ist ein Skandal. Trotz der Verurteilung lebt das CSU-Mitglied Josef Scheungraber, 2005 dekoriert mit der Ottobrunner Bürgermedaille, von der Justiz unbehelligt in Ottobrunn."

Während des Feldgottesdienstes auf dem Hohen Brendten entrollten Antifaschistinnen und Antifaschisten Transparente u.a. mit der Aufschrift: "Keine Ruhe für NS-Täter" und riefen Parolen gegen das militaristische Treiben. Die Antifaschisten wurden rabiat von den bayerischen Polizeitruppen des USK festgenommen und in Polizeigewahrsam demütigenden Leibesvisitationen unterzogen. Eine Staatsanwältin leitete die Polizeiaktion. Dass sie stattdessen den Scheungraber hätte festnehmen sollen, der trotz Urteils unbehelligt herumlief, das sagten die Antifaschisten der Staatsanwältin zwar - aber es kümmerte sie nicht.

In Briefen an die Justizminister der Länder hat die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes / Bund der Antifaschisten gefordert, solche verurteilten Kriegsverbrecher wie Josef Scheungraber festzunehmen und der italienischen Justiz zur Strafverbüßung zu übergeben oder diese Strafverbüßung in Deutschland anzuordnen. Neben Scheungrabers Namen gab die VVN-BdA noch die Namen und Anschriften zehn wegen des Massakers von Marzabotto in Italien Verurteilten an die Justizminister und verlangte die Strafverbüßung in Deutschland oder Italien. Ferner wurde diese Liste an die Justizminister gegeben:

In La Spezia wurden 2005 wegen des Massakers in St. Anna di Stazzema zu lebenslanger Haft verurteilt:

  • Werner Bruss Unteroffizier, Jg. 1920 (Wohnort unklar [gerüchteweise wohnhaft in oder bei Hamburg])
  • Alfred Mathias Concina (meist ohne `Mathias') Unterscharführer, Jg. 1919 (wohnt laut ital. Presse in Rechenberg-Bienenmühle)
  • Ludwig Göring (teilweise als `Goring' benannt) SS-Rottenführer, Jg. 1923 wohnt in Baden-Württemberg, zwischen Pforzheim und Karlsruhe (dt. Presse)
  • Karl Gropler, SS-Unterscharführer, Jg. 1923, Wollin/Brandenburg
  • Georg Rauch, Unterleutnant, Jg. 1921 (Wohnort unklar)
  • Horst Richter, Unterscharführer, Jg. 1921, Krefeld
  • Heinrich Schendel, Unteroffizier, Jg. 1922 wohnt an der Vogelbergstraße/Ecke Bachweg (B275) in Lißberg , einem Ortsteil von Ortenberg in der Wetterau/Hessen.
  • Gerhard Sommer (teilweise auch als `Gerard' benannt) SS-Untersturmführer, Jg. 1921 wohnt in Hamburg-Volksdorf, Seniorenwohnheim der Cura AG, Lerchenberg 4
  • Alfred Schöneberg (teilweise auch als `Schoneberg' bzw. `Schönenberg' benannt) SS-Unterscharführer, Jg. 1921 wohnte in Düsseldorf, inzwischen verstorben
  • Ludwig Heinrich Sonntag (auch als `Heinz Ludwig Sonntag' benannt, oder ohne `Heinrich'), SS-Unterscharführer, Jg. 1924 Dortmund, inzwischen verstorben

Wegen Falzano di Cortona wurden 2006 in Italien zu lebenslänglicher Haft verurteilt:

  • Josef Scheungraber, Ottobrunn (siehe oben)
  • Herbert Stommel (Wohnort unbekannt)

Wegen Massakers in Branzolino-San Tome (bei Forli) zu lebenslänglicher Haft verurteilt:

  • Heinrich Nordhorn (wohnte in Greven, mittlerweile unbekannt verzogen)

Wegen Kephallonia nicht verurteilt (weil in Italien dazu kein Verfahren stattfand und weil die bayerische Justiz die Verfahren einstellte): 

  • Othmar Mühlhauser aus Dillingen.

Ferner weitere Personen aus dem Kreis der 196 von der VVN-BdA und Angreifbarer Traditionspflege bei der Staatsanwaltschaft angezeigten mutmaßlichen Täter.

In dem Brief an die Justizsenatoren und -minister heißt es abschließend: "Wir fordern Sie hiermit dringend auf zu handeln. Bitte führen Sie die überlebenden Verurteilten durch Auslieferungen bzw. durch Inhaftierungen in Deutschland ihrer Strafe zu."

Verantwortlich: Ulrich Sander, Bundessprecher