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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

15.06.2017

Gesellschaftskritik unter Extremismusverdacht

Totalitarismustheorien und Extremismuskonzepte helfen den Rechten und diffamieren die Linken

Eine Konferenz „Nicht zu fassen. Das Extremismuskonzept und neue rechte Bewegungen“ wurde im Juni von einer Gruppe Stipendiat/innen der Hans-Böckler-Stiftung organisiert. Diese Überlegungen lagen der Konferenz zugrunde: Während rassistischen und nationalistischen Bewegungen mit der Entschuldigung, lediglich “besorgt” zu sein, begegnet wird, geraten Akteur/innen aus der kritischen Zivilgesellschaft zunehmend ins Visier staatlicher Behörden. Durch den Verdacht “linksextrem” zu sein, oder sich nicht von “Linksextremismus” abzugrenzen, werden sie als eine Bedrohung der Demokratie kategorisiert. Die Veranstalter: „Wir möchten der Fassungslosigkeit gegenüber dem Aufstieg neuer rechter Bewegungen wie AfD, PEGIDA und Co. in den letzten Jahren Reflexion und Motivation zur Aktion entgegensetzen.“

Weiter führten sie aus: „Während im öffentlichen Diskurs das Extremismuskonzept  nach wie vor als Deutungsraster für rechte Bewegungen genutzt wird, halten wir diese Gegenüberstellung von guten Demokrat/innen und bösen Extremist/innen für einen Teil des Problems und nicht der Lösung: Die Einteilung kann weder den Aufstieg rechter Bewegungen erklären, noch alltägliche Diskriminierungsformen oder Ausgrenzungsideologien aus der gesellschaftlichen Mitte fassen.“

Best friends forever - die AfD und das Extremismuskonzept

Die Arbeitsgruppe zu diesem Thema fasste die hauptsächlichen Probleme zusammen. Maximilian Fuhrmann berichtete über eine wenig beachtete Veranstaltung. Am 18. März 2017 führte die Alternative für Deutschland einen Extremismus-Kongress unter dem Titel "Deutschland im Fadenkreuz" durch. Vertreter/innen von Sicherheitsbehörden und der Extremismusforschung diskutierten über die Gefahren für die bundesdeutsche Demokratie. Dass die AfD selbst keine solche Gefahr darstellt, sondern ein "Alternativangebot innerhalb des Systems" (Werner Patzelt) ist, darüber ist sich die Partei mit der Extremismusforschung und dem Verfassungsschutz einig. Folglich hindern deren Analysen die AfD nicht daran, das Sagbarkeitsfeld für menschenfeindliche Parolen auszuweiten.

Auch im Umgang mit dem politischen Gegner kommt der AfD das Extremismuskonzept sehr gelegen. Der Vorwurf des "Linksextremismus" verfängt nach wie vor relativ gut, auch weil es die so Bezeichneten meist unsouverän mit diesem Vorwurf umgehen. Die skizzierten Strategien sind nicht neu, finden aber erheblichen Resonanzraum: Der "Durchmarsch von rechts" ist in vollem Gange und die AfD sitzt bald im Bundestag. Müssen die Instrumente gegen die Strategien des Extremismuskonzepts neu justiert werden?

Zu den eng mit der AfD verbundenen Bewegungen wurde festgestellt: Pegida wird gegen „antidemokratische Extremist/innen“ abgegrenzt und als „normale demokratische Mitte“ definiert. Tatsächlich erfüllt solches Reden über Pegida die Funktion, rassistische und nationalistische Inhalte zu verharmlosen, zu normalisieren und damit unkritisch in das Feld des demokratischen Diskurses und des legitimen Handelns zu integrieren.

Der Staat und sein einseitiges Vorgehen gegen die Linke

Redner/innen im Podium der Auftaktveranstaltung hatten zunächst berichtet, wie sie zum Label “Extremist/in” gekommen sind und was dies für ihr politisches Handeln bedeutet:

Katharina König (MdL, Die Linke, Thüringen) ist Landtagsabgeordnete der Partei Die LINKE in Thüringen. Sie war Mitglied des Thüringer NSU-Untersuchungsauschusses und beschäftigt sich mit Antifaschismus und der Arbeit der deutschen Geheimdienste. 2012 versuchte der Verfassungsschutz einen ihrer Mitarbeiter als V-Mann anzuwerben. Ihre Partei ist bis heute Extremismusvorwürfen und geheimdienstlicher Maßnahmen ausgesetzt.

Cécile Stephanie Lecomte, eine Umweltaktivistin engagiert sich als Umweltaktivistin gegen Atomkraft und Gentechnik in den sozialen Bewegungen. Bekannt geworden ist sie für spektakuläre Kletteraktionen, die ihr den Spitznamen Eichhörnchen eingebracht haben. Ihr Aktivismus hat sie auch ins Visier von Staatsschutz und Geheimdiensten gebracht.

Michael Csaszkóczy ist Lehrer und Mitglied der GEW. Wegen seinem antifaschistischen Engagement war er jahrelang von einem Berufsverbot betroffen. Michael muss sich lange juristisch gegen das anhaltende Berufsverbot wehren und war letztendlich erfolgreich. Heute arbeitet er als Realschullehrer.

Andrea Hübler (Alternatives Kultur- und Bildungszentrum Pirna)

Das AKBZ in  Pirna organisiert politische Bildung, kulturelle Projekte mit Jugendlichen und setzt sich gegen Diskriminierung ein. Es geriet 2010 in die Schlagzeilen als der Verein den Sächsischen Förderpreis für Demokratie ablehnten und somit ein Preisgeld von 10.000 Euro ausschlug. Grund für die Verweigerung des Preises war die Extremismusklausel der sächsischen Landesregierung gegen welche das AKUBIZ auch juristisch vorging.

Susanne Feustel (Moderation) ist Politikwissenschaftlerin, Mitherausgeberin des Buches „Verfassungsfeinde? Wie die Hüter von Denk- und Gewaltmonopolen mit dem »Linksextremismus« umgehen“ und führte durch den Abend.

Ulrich Sander, Bundessprecher der VVN-BdA, ergänzte die Berichte aus dem Podium durch die Darstellung über das Vorgehen eines Verfassungsschutzverbundes der Inlandgeheimdienste von Bund und Ländern, in dem die Bespitzelung der Antifaschisten und das Vorgehen gegen die VVN-BdA koordiniert und sogar der Schwur von Buchenwald als verfassungsfeindlich denunziert wird. Siehe dazu:

http://www.vvn-bda.de/beschluesse-des-6-bundeskongresses/ 

http://nrw.vvn-bda.de/texte/1749_vvn_gegen_geheimdienste.htm

http://nrw.vvn-bda.de/texte/1775_schwur.htm

Panel - Begriffliche Grundlagen des Extremismuskonzeptes: Rechts und Links

Jan Rettig fürhte aus: Seit über zwei Jahrhunderten hat sich das Rechts-Links-Schema fest in die europäische Politik eingeschrieben. Die ursprünglich pragmatischen Bezeichnungen für die Verteidiger und die Herausforderer der alten Ordnung in der ersten französischen Nationalversammlung nach dem Revolutionsereignis von 1789 ff. haben sich zu ideologischen Markern entwickelt. Es sind seitdem entscheidende Referenzen für die normative und politische Selbst- und Fremdidentifikation, für Freund- und Feindbestimmung geworden. Sie wecken in jedem Alltagsverstand bestimmte Bilder und Zuordnungen. Jede politische Partei lässt sich in das Schema einordnen und sich wissenschaftlich an entsprechenden Skalen messen. Parallel zu seiner sozial-historischen Verfestigung wurde es aber immer wieder auch herausgefordert. Die Postulate Weder-Noch, Darüberhinaus, Alles-Dasselbe tauchen in theoretischen und praktischen Kontexten verschiedenster Art auf: in faschistischer Propaganda, in dritten Positionen, in der Totalitarismus/Extremismus-Diskussion, in Querfronten... Anhand kurzer, exemplarischer Darstellungen wurde aufgezeigt, wie das Schema in Politik, Wissenschaft und Medien aktuell angewendet wird. Mithilfe einiger theoretischer Überlegungen wurden Nutzen und Grenzen diskutiert: Warum ist diese Reduktion politischen Denkens und Handelns so attraktiv und beständig? Was sagt sie aus und welche semantischen Verschiebungen haben stattgefunden? Gibt es einen stabilen, überzeitlichen Kern? Was kann damit (v)erklärt werden? Welchen Sinn macht sie (noch)? Und gibt es gute Alternativen?

Gute Mitte, gefährliche Ränder, graue Zonen. Die Extremismustheorie und ihre toten Winkel

Dr. Anne Dölemeyer und Frank Schubert referierten: Bestimmte Formen politischer Abweichungen werden regelmäßig für „extremistisch“ erklärt. Was damit gemeint ist, scheint intuitiv einleuchtend und wird in der „Extremismustheorie“ auch wissenschaftlich bestimmt. Verschiedene Kritiken an der Konzeption zeigen jedoch, dass das Extremismusmodell erhebliche analytische Schwächen aufweist und zugleich politisch folgenreich ist. Es suggeriert klare Grenzen einer demokratischen „Mitte“, mit einem „extremistischen“ Außen, wobei diese Grenzziehungen inhaltlich schwach bestimmt und der politischen Auseinandersetzung entzogen sind. Die scheinbar klare Abgrenzung zwischen demokratischer Mitte und extremistischen Rändern gerät angesichts von Phänomenen wie der Pegida-Bewegung und ihren Ablegern, den „Identitären“ und der AfD jedoch in Bedrängnis; hier zeigt sich deutlich, dass das binäre Bild extremistisch/nicht-extremistisch ungeeignet ist, autoritäre, rassistische und identitäre Bewegungen zu erfassen, die nicht als verfassungsfeindlich markierbar sind. Um dem beizukommen, wird vermehrt auf Bezeichnungen wie „(rechts-)populistisch“ zurückgegriffen, womit häufig eine Art Graubereich zwischen „extremistisch“ und „demokratische Mitte“ markiert werden soll, so dass das alte Schema der Struktur nach erhalten bleibt. Alternativen wie die Bezeichnung „extreme Rechte“ verharren im Rechts-Links-Raster, lassen aber ein Kontinuum zu und sind stärker inhaltlich bestimmt. Andere Alternativen lösen sich vom binären Extremismus-Schema, indem sie entweder das Feld der extremen Rechten inhaltlich strukturell ausdifferenzieren (in „nationalkonservative Kräfte“, „Neue Rechte“ usw.) oder (wie im Konzept der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit) auf bestimmte Aspekte wie Rassismus, Islamfeindlichkeit, Homophobie, Herabminderung Anderer usw. eingehen. Hier stellt sich die Frage, welche Probleme der Extremismustheorie sie lösen, welche sie weiterführen, und welche neuen Schwierigkeiten unter Umständen entstehen.

Bist du noch besorgter Bürger oder schon Faschist? - Über die Rückkehr des Verdrängten und die (notwendige) Ohnmacht der Theorie

Markus Böner führte aus: AfD, Pegida und die Neue Rechte konfrontieren die politische Linke und alle an Aufklärung Interessierten mit einem Problem: Einerseits denkt man, dass man schon wüsste, womit man es da zu tun habe. Andererseits fehlen oft die Worte, um abseits allgemeiner Floskeln eine präzise Analyse davon geben zu können, was sich da seit einiger Zeit in der deutschen Gesellschaft zum Aggregat verdichtet. Das verweist sowohl auf die in der politischen Theorie weitgehend aufgegebene Beschäftigung mit Nationalsozialismus und Faschismus als auch die außerakademische Fetischisierung der Praxis. Die heutige Beschäftigung mit Rechtspopulismus zieht also notgedrungen ihre theoretischen Grundlagen aus alten Beständen, Begriffen und Konzepten. Es bleibt aber somit auch nichts anders übrig, als bei den bereits erarbeiteten Analysen anzusetzen. Weil aber der Wunsch nach einer Theorie zum Faschismus immer schon dessen Rationalisierung mitdenkt und wünscht, ist die theoretische Arbeit am Gegenstand nicht unproblematisch.

Der Vortrag hat einige Aspekte der Neuen Rechten Selbstverständlichkeit beleuchtet und erörterte, was die Faschismustheorie hinsichtlich Höcke, Kubitschek & Co. beizutragen hat. Am Ende wurden

Ansätze zur theoretischen Weiterarbeit vorgeschlagen, ohne eine politische Diskussion damit obsolet machen zu wollen.

Panel: Von der FdGO zu PEGIDA: Die Geschichte des Extremismuskonzeptes

Mit Antiliberalismus für die Demokratie? Diese Frage untersuchte  Sarah Schulz. Angesichts zunehmender rechter Mobilisierungen, rassistischer Gewalt und Erfolgen neuer rechter Parteien in den letzten Jahren fragt sich, was „wehrhafte Demokratie“ eigentlich schützt, wenn nicht vor solchen Entwicklungen. Schließlich ist sie ja die „Lehre aus der Vergangenheit“, also der Versuch die bundesrepublikanische Demokratie vor einer Wiederholung der Geschichte zu bewahren. Blickt man genauer auf Entstehung und Implementierung der wehrhaften Demokratie und die Definition der freiheitlichen demokratischen Grundordnung als ihren ‚Kern’, werden Kontinuitäten eines illiberalen und antidemokratischen Rechts- und Staatsverständnisses deutlich, das die Weimarer Republik gerade zum Scheitern brachte und dem Nationalsozialismus den Weg ebnete.

Rechts, links, scheißegal? Oder wie kommt man von der Totalitarismusforschung zu einer kritischen Geschichtsschreibung der extremen Rechten.

Yves Müller führte aus: Das ‚Dritte Reich‘ war es, die DDR war es auch und die Sowjetunion sowieso. Die Bundesrepublik nicht, Spanien war es ein bisschen. Den Totalitarismus gab es schon immer von links und von rechts, nur die Mitte blieb demokratisch. Totalitarismus-Konzepte ´gefallen, weil sie sich kompliziert anhören und einfach sind. Die selektive Analyse der historischen Totalitarismusforschung führt nicht nur zu einer Wahrnehmungsverengung, sondern zu einer gefährlichen Ignoranz tatsächlicher nationalistischer, rassistischer, antisemitischer oder antifeministischer gesellschaftlicher Entwicklungen. Statt kritische Entwicklungen innerhalb der eigenen Disziplin zu hinterfragen, versteckt sich die Historiographie allzu oft hinter dem Primat wissenschaftlicher Objektivität. Als Akteur mit Diskursmacht nimmt man sich gar nicht wahr und historisch-politische Interventionen sind selten. Tatsächlich hat die Zeitgeschichtsforschung in ihrer Breite um eine wissenschaftliche Erforschung der extremen Rechten nach 1945 einen großen Bogen gemacht und bisher kaum Impulse gegeben.

Der Vortrag zeigte auf, welche Folgen das Totalitarismus-Konzept für die Geschichtswissenschaft hat und warum die Etablierung einer zeitgeschichtlichen ‚Rechtsextremismus‘-Forschung notwendig ist.

Die Metamorphosen des Extremismusbegriffs. Zur Entwicklung einer politischen Grenzsemantik

Jan Ackermann und Philipp Knopp sprachen über die Wandlungen des Extremismusbegriffs zwischen 1968 und den frühen 2000er-Jahre. Aus normalismustheoretischer Perspektive gingen sie den Wechselbeziehungen zwischen Funktionen des Begriffs und jeweils konkreten politischen Umständen nach. Es zeigt sich, dass gerade die terminologische Unbestimmtheit der Extremismussemantik zu einer hohen Anpassungsfähigkeit und funktionalen Verschiebungen beiträgt.

Im Vortrag präsentierten die Referenten die zentralen Ergebnisse des Buches Ackermann, J., Behne, K., Buchta, F., Drobot, M., & Knopp, P. (2015) „Metamorphosen des Extremismusbegriffes“ - Diskursanalytische Untersuchungen zur Dynamik einer funktionalen Unzulänglichkeit. Wiesbaden, Verlag Springer Fachmedien

Workshop - Antifeminismus von Rechts

Die Referentinnen Hannah Schuster und Maren Müller führten aus: Die AfD war schon antifeministisch, bevor sie hemmungslos rassistisch wurde". Damit ist das bestimmende Merkmal einer Neuen Rechten angezeigt. Ob extreme Rechte, die Identitäre Bewegung oder die AfD, sie eint eine Vorstellung von der traditionellen, heterosexuellen Kernfamilie als Keimzelle ihrer nationalen und kulturellen Identität. Feminismus steht dieser Vorstellung entgegen und wird als Feindbild bekämpft.

Workshop "Soziale Ursachen des Rechtspopulismus"

Zu diesem Thema hatten sich Setareh Radmanesh und Franziska Kössler vorbereitet. Aus ihrem Konzept: Zu diesem Thema sprachen Setareh Radmanesch und Franziska Kössler. Der gegenwärtige Aufstieg rechter Bewegungen hat sowohl soziale als auch ideologische Ursachen. Hinsichtlich sozialer Ursachen fallen gegenwärtige Veränderungen in der Arbeitswelt auf, welche die Sozialstruktur der Gesellschaft verändern und Anknüpfungspunkte für die Ideologie der neuen Rechten darstellen. Die soziale Lage vieler Menschen in Deutschland spitzt sich immer weiter zu. Selbst die Mittelschicht hat in Folge von zunehmenden Rationalisierungen in der Arbeitswelt immer häufiger Angst vor dem sozialen Abstieg. Die vorherrschenden gesellschaftlichen Erklärungsmuster für diese Veränderungen bleiben an der Oberfläche haften und haben in der Regel einen chauvinistischen und rassistischen Charakter.

Die Extremismusthese selbst bietet eine Art gesellschaftliche Legitimation zur Entwicklung rassistischer und chauvinistischer Positionen, wie sie in der AfD, aber selbst in den Regierungsparteien vertreten werden. Insofern stellt die Entwicklung rechter Positionen heute kaum noch einen Tabubruch dar, sondern ist eher als eine Form von Anpassung an bereits Vorhandenem zu verstehen. Mit diesen gesellschaftlichen Phänomenen gehen psychologische Mechanismen wie sie die soziale Identitätstheorie beleuchtet, einher. Im Workshop wurde in die sozialen Ursachen des Rechtspopulismus eingeführt und diese wurden gemeinsam diskutieren.

Workshop - § 129a - Herausforderungen der Begriffsbildung

Von Alice Blum wurde ausgeführt: Im vergangen Jahr kam es vermehrt zu Ermittlungen in rechten Milieus aufgrund des Paragraphen 129a StGB "Bildung terroristischer Vereinigungen". Hierbei rücken einzelne Gruppierungen und Personen in der öffentlichen Wahrnehmung in den Vordergrund und der alltägliche "Rechtsextremismus" wird dabei häufig ausgeblendet. Damit perpetuiert sich ein Rechtsextremismuskonzept, welches eine scheinbar unpolitische Masse generiert und Extreme im Außen und bei einzelnen Akteur/innen sieht. Die Grenzen einer Einordnung von Rechten werden so immer weiter verschoben. Das hat möglicherweise zur Folge, dass auch der Raum des Sagbaren und die Handlungsmöglichkeiten für Rechte immer mehr erweitert werden. Der Beitrag beleuchtete die aktuellen Entwicklungen rechter Bestrebungen in Deutschland und ihre Einordnung. Hinterfragt wurde der aktuell von staatlicher Seite häufig genutzten "Terror-Begriff", ohne dabei die Anliegen einer rassismuskritischen Forschung in den Hintergrund treten zu lassen. Der Workshop verstand sich somit als Raum Terminologien zur aktuellen Beschreibung extrem rechter Erscheinungsformen zu diskutieren und Überlegungen dahingehend anzustellen, wie diese aus einer emanzipatorischen Perspektive Anwendung finden könnten.

Panel - Wechselwirkung. Das Extremismuskonzept und neue rechte Bewegungen. Weil die Mitte in der Mitte liegt.

Warum Pegida mit dem Extremismus-Paradigma nicht zu erklären ist und es zur Verharmlosung der Bewegung beiträgt, untersuchten Hannah Eitel und Francesca Barp. Die Debatte um die Verortung von Pegida wurde, besonders in Sachsen, vor dem Hintergrund des Extremismus-Paradigmas geführt. „Extremismus“ stellt in Sachsen ein dominantes Deutungsschema für den Umgang mit politischem Dissens dar. Allerdings bleiben Erklärungs- und Deutungsversuche von Pegida auf Basis der Extremismustheorie unzureichend – sie können nur wahlweise Extremismus attestieren oder eine diffuse Mitte beschwören. Diese Funktionen erfüllt das Extremismus-Paradigma in vielfachen politischen Diskussionen. Die Debatte zeigte erneut die Widersprüchlichkeit des Extremismus-Paradigmas sowie dessen staatszentrierten und elitären Demokratiebegriff.

Die Mitte der Nation

Patrick Mayer stellte fest: "Die 'Mitte' ist einer der wichtigsten Begriffe der so genannten 'Extremismustheorie'. Versucht man die Verwendung des Begriff genauer zu fassen stellt man aber schnell fest, dass er im wesentlichen unbestimmt bleibt, oft wahllos und teils widersprüchlich verwendet wird. Während diese begriffliche Unschärfe wissenschaftlich problematisch ist, macht sie in der außerwissenschaftlichen Verwendung der 'Extremismustheorie' gerade deren Stärke aus. Hier kann die Kategorie der 'Mitte' an die psychosozialen Dynamiken des Nationalgefühls anknüpfen und zur Chiffre für die nationale Eigengruppe werden. In einem Kategoriensystem, dessen politische Stoßrichtung sich in der Verteidigung einer so verstandenen 'Mitte' gegen den 'Extremismus' erschöpft, ist kein Platz für die Wahrnehmung von Rassismus als ein reales gesellschaftliches Problem."

Emanzipatorische Praxen gegen Rechts

Was tun? Das wurde ausführlich diskutiert. Zum Beispiel im Panel „Kulturkampf - die Kunst und rechte Bewegungen - Grüße aus Dresden“ Es referierte Theresa Schnell. Die Arbeit „Grüße aus Dresden“ ist eine Intervention im öffentlichen Raum und eine mögliche Reaktionsweise auf die Demonstration von Fremdenhass und Populismus. „Über drei Monate waren wir jeden Montag, als eine Gruppe von Menschen und ihren Begleiter/innen im Stadtbild Dresdens präsent. So suchten wir nach Erzählweisen, welche die Komplexität und die eigene Betroffenheit hinter Aussagen über ‚den Rechtsruck in Sachsen‘ und die ‚besorgten Bürger/innen‘ berücksichtigten: Biografische Bezüge, poetische Narrative, Verweise auf das Unbewusste, Sehnsüchte, eigene Ängste und persönliche Anliegen fanden dabei eine visuelle Form.“ Der Vortrag stellte den von Künstler/innen der HfBK Dresden entwickelten Ansatz vor.

Workshop - Argumentationstraining gegen AfD & Co.

Wiebke Eltze leitete das Argumentationstraining. Ob Kolleg/innen, Freund/innen, Familie, Nachbarschaft – wir sind aktuell an unterschiedlichen Orten mit „asylkritischen“ bis hin zu offen rechten und rassistischen Positionen konfrontiert. Die Präsenz der AfD, u.a. in vielen Kommunalparlamenten, macht dabei sichtbar, was Erhebungen seit Jahren belegen: Rechte und rassistische Positionen finden sich in allen Teilen der Gesellschaft wieder sowie eine Zunahme rassistischer Parolen und Mobilisierungen in breiten Teilen der Bevölkerung. Da ist die Rede von einem „Boot“, das „zu voll“ sei, von drohender „Überfremdung“ durch ein „Zuviel“ an geflüchteten Menschen und davon, dass diese unberechtigt Sozialleistungen in Anspruch nehmen würden. Oder aber auch von einem Schutz der "deutschen Familie" vor dem "rückständigen Islam".

In welchen Situationen kann und will ich mich damit argumentativ auseinandersetzen? Wie kann ich bei rassistischen Sprüchen die Schrecksekunde überwinden, wie gelingt es mir ruhig zu bleiben?

Das Seminar möchte dazu beitragen, die eigene inhaltliche Position zu stärken und mehr Souveränität in konkreten Situationen zu gewinnen. Hierfür verbinden wir im Seminar die situative Ebene (Auftreten und Redeverhalten in konkreten Situationen) mit der Ebene der inhaltlichen Auseinandersetzung. Durch eine Vielfalt von interaktiven, wissensvermittelnden und reflektierenden Methoden werden die Teilnehmenden in ihrer unmittelbaren Argumentationssicherheit gestärkt. Intensiv werden eigene Reaktionsmöglichkeiten geübt und die individuelle Handlungsfähigkeit gerade in kritischen Situationen erweitert.

Workshop: Alte Probleme, unerwartete Herausforderungen. Eine Untersuchung zu bildungstheoretischen und pädagogischen Leerstellen des Extremismuskonzeptes sowie Perspektiven und Grenzen der kritischen Bildungsarbeit.

Dazu referierten Deborah Hass und Lucia Bruns. Die Ohnmacht und die zahlreichen Fragezeichen im Hinblick auf Strategien gegenüber dem gesellschaftlichen Rechtsruck und den damit einhergehenden neuen Formationen der (extremen) Rechten ist nicht nur in den Gewerkschaften oder der politischen Linken wahrnehmbar. Auch innerhalb der Pädagogik und der Erziehungswissenschaft kann eine Ratlosigkeit aufgrund der Brisanz und Stärke von AfD, Pegida und Co. konstatiert werden. Es fehlt dabei nicht nur an bildungstheoretischen und pädagogischen Ansätzen um mit dem erweiterten Resonanzraum der völkischen Rechten umzugehen sondern oftmals auch an einer Kritik an bestehenden pädagogischen Konzepten, die seitens der Bundesregierung fokussiert werden. Es gilt, die These zu diskutieren, dass Bildungsansätze gegen die AfD und neuen, rechte Bewegungen immer auch eine Kritik am Extremismuskonzept beinhalten müssen, wenn sie pädagogisch wirken möchten. Dabei soll auch darüber gesprochen werden welche pädagogischen Ansätze in den letzten Jahren von der staatlichen Seite im Hinblick auf „Rechtsextremismus“ fokussiert wurden – und welche nicht. Ziel des Workshops war es, aufbauend auf die von uns erarbeitete Kritik über Alternativen in der Bildungsarbeit gegen Rassismus, Antisemitismus und Neonazismus zu diskutieren. Wenn wir über Alternativen und Möglichkeiten von kritischer Bildung sprechen, sollen jedoch auch die Grenzen der eigenen Arbeit behandelt werden. Um nicht aus dem Auge zu verlieren, welche Funktion rechte und rechtspopulistische Projekte in der Krisenhaftigkeit des Kapitalismus besitzen, wollen wir gleichzeitig vor verkürzten Schlussfolgerungen warnen, die von einer Pädagogisierung des gesellschaftlichen Rechtsrucks ausgehen. Widersprüche einer kritischen Bildungsarbeit sind zu erörtern, die einerseits ernstzunehmende Kritik an rechten Bewegungen wie der AfD üben möchte und andererseits nicht die gesellschaftliche Mitte aus dem Blick verlieren will.