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Nazis raus aus dem Internet

 

29.07.05

Kameradenkreis der Gebirgstruppe muss sich nach Enthüllungen von der SS trennen

Verteidigungsministerium widerlegt

An das
Bundesministerium der Verteidigung
Oberstleutnant Dr. Burkhard Köster
Postfach 1328
53003 Bonn

Referat Fü S 1 4
Hausanschrift Fontainengraben 150 53123 Bonn
.......


Sehr geehrte Damen und Herren,

Wir danken für Ihr Schreiben. Wir haben es zusammen mit unserem Brief an Minister Dr. Struck auf unsere Web Site gestellt. Siehe: www.nrw.vvn-bda.de/texte/0169_bmvg.htm.

Wir stellen zu Ihrem Schreiben fest:

Die Elitetruppe der Gebirgsjäger hat im zweiten Weltkrieg schwere Verbrechen begangen, sie hat sogar Judendeportationen durchgeführt. Allein 1.700 Athener Juden wurden am 24. März 1944 von ihr abtransportiert. Kaum jemand kam zurück. Doch wer auf diese geschichtlichen Tatsachen hinweist, wie die Gegendemonstranten von der Gruppe Angreifbare Traditionspflege oder der Opferorganisation VVN-Bund der Antifaschisten beim Mittenwalder Pfingstreffen der Gebirgsjäger von einst und jetzt, der wird von der Bundeswehr zurückgewiesen: „Wir brauchen keinen Nachhilfeunterricht“ (Generalmajor Manfred Engelhardt) und beschimpft: „Polizeibekannte Randalierer“, die „Hetzkampagnen“ starten und „Amok laufen“ (Redakteur der „Gebirgstruppe“ Hans Lindinger). Auch Ihr Brief stellt uns als Lügner dar.

An die Kriegsverbrechen, die auch die Truppe der Gebirgsjäger der Wehrmacht begangen haben, an die erinnern sie nicht, die Veteranen und Aktiven unterm Edelweiß. Sie kennen allenfalls an, dass gelegentlich „das Individuum versagt hat“. Aber, so sagte der Gebirgstruppen-Präsident und Oberst a.D. Manfred Benkel am Pfingstsonntag 15. Mai noch sehr vollmundig: „Kein Mitglied unseres Kameradenkreises ist wegen Kriegsverbrechen angeklagt oder verurteilt.“ Leider möchte man sagen, obgleich jetzt endlich ermittelt wird, allerdings wie stets sehr zögerlich.

Und bereits zwei Wochen später ließ Benkel von seinem Vorstand auf einer eiligst einberufenen Sondersitzung einen einstimmigen Beschluss fassen: Es wird die Traditionsgemeinschaft „Polizeigebirgsjägerregiment 18“ mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Der Vorstand sei jetzt „erstmals“ davon in Kenntnis gesetzt worden, „dass das Polizeijägerregiment 18 im Juli 1943 den Zusatz ‚SS’ erhielt und offenbar zum gleichen Zeitpunkt der ‚SS’ unterstellt wurde.“ („Die Gebirgstruppe“ Nr. 3, Juni 2005)

In Kenntnis gesetzt hatten die Gebirgstruppler die „polizeibekannten Randalierer“. Die hatten zu Pfingsten sowohl in Mittenwald als auch in Garmisch-Partenkirchen dafür demonstriert, die Täter aus der Gebirgstruppe zu bestrafen und die Opfer zu entschädigen.

Derer sind viele. In der Zeit der Besatzung allein Griechenlands kamen dort pro Woche zwei Massaker in der Größenordnung Lidices vor. Benkel hätte natürlich sagen müssen: Viele Mitglieder des Kameradenkreises sind Kriegsverbrecher gewesen, viele verstorbene nämlich und viele, die unbehelligt im Kameradenkreis und als Bundeswehrveteran wirken sowie in Gemeinschaften von völkerrechtlich als verbrecherisch eingestuften Verbänden mordeten und die sowohl die SS-Rune als auch das Edelweiß am Helm trugen.

Nun also wurde die „Traditionsgemeinschaft Polizeigebirgsregiment 18“ aufgelöst. Deren Vorsitzender Karl Staudacher war noch in der April-05-Ausgabe der „Gebirgstruppe“ mit den Worten gewürdigt worden: „Mitglieder der Ortskameradschaft Garmisch-Partenkirchen überraschten ihren Kameraden Karl Staudacher mit einer Abordnung von fünfzehn Soldaten [Soldaten der Bundeswehr! US] des Gebirgsmusikkorps, die zu einer ‚Ehrenserenade’ angetreten waren und mit schneidigen Märschen aufspielten. Angesichts einer herrlich verschneiten Bergwelt feierte der ehemalige Gebirgsjäger, frühere Polizeibeamte, Gründungsmitglied der Ortskameradschaft und seit 37 Jahren Leiter der Kameradschaft des ehemaligen Polizeigebirgsjägerregiments 18 diesen besonderen Ehrentag. Zu seiner körperlichen wie geistigen Fitness befragt, äußerte sich der rüstige Jubilar mit den Worten: ‚Das habe ich nur erreicht, weil mein Leben vom Sport geprägt war.“

Derartig rüstig dürfte es ihm nun auch nicht schwer fallen, auf einer Anklagebank Platz zu nehmen, meinen VVN-BdA und Angreifbare Traditionspflege, die im Laufe der letzten zweieinhalb Jahre rund 200 mutmaßliche Kriegsverbrecher aus der Gebirgstruppe bei Staatsanwaltschaften zur Anzeige gebracht haben – weitere 35 Anzeigen gegen Angehörige der mörderischen Truppe des Karl Staudacher sind in Aussicht gestellt. Dabei geht es um den Mord z.B. an 1700 griechischen Juden.

Neben Staudacher bewegen sich noch sehr rüstig durch Bayern, die mutmaßlichen Kriegsverbrecher: Alois Eisl und Alfred Artmann. Über den 92jährigen Eisl, der noch mit dem Daimler durch München braust, heißt es in einer Dokumentation der VVN-BdA: Aus Rache für den Tod des Oberstleutnants Josef Salminger – er war am 1. 10. 43 mit seinem PKW gegen ein von den Partisanen errichtetes Hindernis gefahren und ums Leben gekommen – hat Major Alois Eisl mit seinen Leuten zwischen dem 1. und 4. Oktober 1943 18 Dörfer in Griechenland zerstört, wer nicht floh, wurde umgebracht. Auf flüchtende Zivilisten wurde mit Geschützen gefeuert; Eisl meldete stolz „Volltreffer“; es war Mord an über 100 Zivilisten.

Über Dr. Alfred Artmann (er war Offizier bei der Wehrmacht und der Bundeswehr) ist bekannt: Er ist der älteste Delegierte auf der letzten Jahrestagung des Kameradenkreises gewesen und wurde von der Bundeswehr als Heeresbergführer hoch geehrt. Über ihn heißt es in der Dokumentation: Wegen Zerstörung von Periwoli und der Tötung von 53 Menschen am 25.10.43 werden gesucht die Angehörigen der 13. Kompanie unter der Befehlsgewalt von Alfred Artmann. (Aufgeführt werden zahlreiche Namen aus der Kompanie.)

Falls die Bundeswehr wirklich einmal ihre schwarz-braune Geschichte aufarbeiten will, so findet sie im Haus von Georg Schmid, Etzelbachstr. 50 in Balingen, und zwar in der Garage ein kleines Museum mit Militaria und Nazi-Utensilien. Dort liegen auch die Unterlagen der 12. Kompanie-Kameradschaft der Gebirgstruppe – sie haben im Dorf Kommeno und in anderen Ortschaften gewütet - mit Mitgliederlisten und Briefwechseln, die Beweismaterial enthalten. Das fanden die Antifaschisten von Angreifbare Traditionspflege und VVN-BdA heraus und sie fordern: Das Material ist zu beschlagnahmen und daraufhin zu untersuchen, welche Angehörigen der 12. Kompanie der Staatsanwaltschaft München 1967-1972 noch nicht bekannt waren. Auf dass nun Anklage erhoben wird.

Damals fanden die Ermittlungen statt, bei denen in skandalöser Weise die belastenden Tatsachen missachtet wurden.

Weiteres fanden die antifaschistischen Ermittler jetzt heraus: Ein Werner Funke aus Bielefeld hat sich in der Zeitung „Gebirgstruppe“ Ausgabe 2/02; als Angehöriger der 12. Kompanie zu erkennen gegeben und hat in einem Aufsatz die Kriegsverbrechen in Kefalonia weitgehend geleugnet, wo mindestens 5000 wehrlose italienische Kriegsgefangene niedergemacht wurden. Er und andere Angehörige waren der Staatsanwaltschaft München I 1968-1972 noch nicht bekannt. Inzwischen hat sich Funke zu den Vorwürfen geäußert und in der Juni-Ausgabe 2005 der „Gebirgstruppe“ versichert, von dem Massenmord nichts mitbekommen zu haben und schon gar nicht beteiligt gewesen zu sein. Vor zwei Jahren hatte er noch geschrieben, in Kefalonia sei „einiges daneben“ gegangen. Jetzt schreibt der Dr. Werner Funke mahnend: „Will der Kameradenkreis nicht zu einer Einrichtung vom Charakter eines banalen selbstgefälligen Kaffeekränzchens verkommen, muss er jetzt reagieren, um weiteren Schaden von seinen Mitgliedern abzuwenden, sonst verliert er all seine Glaubwürdigkeit. Grundsätzlich wäre es töricht, überhaupt Erschießungen auf Kefalonia zu bestreiten, da tatsächlich einige stattgefunden haben. Aber dann muss man die wahren Schuldigen bzw. Befehlenden finden und vor deutschen Gerichten zur Verantwortung ziehen und nicht wahllos und bösartig mit derlei Anschuldigungen ganze Einheiten diskriminieren.“ Letztere Worte sind gezielt auf die Darstellung des Kameradenkreises, der neuerdings das Wort „Vergebung“ nebulös nach Griechenland richtete. Aber auch die Bundeswehr ist gefordert. Unter den Mördern von der Insel Kefalonia sind auch einige, die später bei der Bundeswehr dienten. Die Bundeswehr betätigte sich jedoch als Institution zur Strafbefreiung von Kriegsverbrechern. Gegen über 1.000 Bundeswehrangehörige, die zuvor an Massenverbrechen der Wehrmacht und SS beteiligt waren, wurde ermittelt; niemand wurde bestraft.

Verwiesen wurde von VVN-BdA und der Historikergruppe Angreifbare Traditionspflege auch auf Wehrmachtsoberst Karl-Wilhelm Thilo, der in der Bundeswehr Generalmajor, Kommandeur der 1. Gebirgsdivision und stellvertretender Heeresinspekteur wurde, und vor einigen Jahren starb. Als Chef des Stabes der 1. GD unterzeichnete er Massenmordbefehle gegen Jugoslawen und Griechen; und er schrieb mit an Büchern, die in der Bundeswehr kursierten, um den Völkermord zu preisen, so Hubert Lanz (Hg.) „Gebirgsjäger - Die 1. Gebirgsjäger-Division 1935/1945“ Unter „Beute“ führte Thilo in seinen Berichten an den Divisionsstab auch „tote Banditen“ auf, und dies waren 153 Männer, Frauen, Kinder und Greise im Alter von 1 bis 75 Jahren, die im Dorf Mousiosas/Griechenland am 25. Juli 1943 ermordet wurden. Bundeswehrgeneral K.W. Thilo: „Widerstand nach Jägerart im schnellen Zupacken gebrochen“. (Der Autor Hubert Lanz war von den US-Alliierten in Nürnberg als Griechenland-Kommandierender verurteilt worden. Bis 1983 war er Ehrenpräsident des Kameradenkreises der Gebirgstruppe, lange Zeit auch militärischer Berater der FDP.)

In „Kontraste“ von der ARD sagte der Bundessprecher der VVN-BdA, Auschwitz-Komitee-Vertreter und antifaschistische Widerstandskämpfer Peter Gingold auf die Frage: „Was sagen Sie denn, dass die Bundeswehr jedes Jahr mit dabei ist und mit feiert mit dem Kameradenkreis?“ folgendes: „Ja, da sehe ich ja die Hauptgefahr. Die Hauptgefahr sind ja nicht diese Veteranen, die kommen oder ihre Angehörigen oder einige Teilnehmer, sondern dass sie auf diese Weise staatlich sozusagen unterstützt werden.“ Von der Bundeswehr nämlich. Sie hat der Gebirgstruppe einen Persilschein ausgestellt.

Von Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, vom Bundesministerium der Verteidigung schrieb im Juni 2005 der Oberstleutnant Dr. Burkhard Köster an die VVN-BdA: „Totenehrungen im Rahmen von Gedenkfeiern für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft stehen ausdrücklich in der Traditionspflege der Bundeswehr. Hiermit drückt die Bundeswehr die Verbundenheit mit Verstorbenen und ihr Mitgefühl mit den Hinterbliebenen aus. Der Kameradenkreis der Gebirgstruppe bekennt sich in seiner politischen Grundeinstellung zu den Werten und Zielvorstellungen unserer verfassungsmäßigen Ordnung.“

Neben dem Kranz von Hitlers einstiger Führungselite, den Ritterkreuzträgern, lag zu Pfingsten am Gebirgsjäger-Ehrenmal am Hohen Brendten der von Verteidigungsminister Peter Struck (SPD). „Kontraste“ dazu: „Hier lebt der Mythos der sauberen Wehrmacht weiter. Obwohl die Staatsanwaltschaft inzwischen wegen des Mordes an den italienischen Kriegsgefangenen ermittelt.“ Und obwohl Sie behaupten, das Verteidigungsministerium und die Bundeswehr hätten schon seit langem die Legenden von der sauberen Wehrmacht überwunden.

Bitte teilen Sie Ihrem Herrn Minister diese unsere Stellungnahme mit.

Mit freundlichen Grüßen

- Ulrich Sander -
- Landes- und Bundessprecher der VVN-BdA -

Siehe auch:Siehe auch:

Nach Enthüllungen muss sich Soldatentraditionsverein der Gebirgsjäger von der SS distanzieren

Traditionskameradschaft SS-„Polizeigebirgsjägerregiment 18“ aufgelöst

Die saubere Wehrmacht - Durch Bundeswehr ins Reich der Legenden verwiesen?

Ein Briefwechsel zwischen der VVN/BdA und dem Bundesverteidigungsministerium