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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
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Nazis raus aus dem Internet

 

20.06.05

Die saubere Wehrmacht - Durch Bundeswehr ins Reich der Legenden verwiesen?

Ein Briefwechsel zwischen der VVN/BdA und dem Bundesverteidigungsministerium

Verteidigungsminister Dr. Peter Struck lehnt es ebenso wie Innenminister Otto Schily ab, in seinem Ministerium die NS-Personalgeschichte wissenschaftlich aufzuarbeiten. Diese Maßnahme bleibt nun offenbar auf das Auswärtige Amt und das Landwirtschaftsministerium beschränkt. In einem Brief an die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten VVN-BdA ließ Minister Struck mitteilen, die aus der Wehrmacht kommenden Offiziere der Bundeswehr seien in der Anfangszeit von einem Personalgutachterausschuß politisch und hinsichtlich ihrer Eignung überprüft worden; "kein anderer Personenkreis des öffentlichen Dienstes wurde in vergleichbarerm Umfang geprüft." Auch die Auffassung, es läge bei dem vom Verteidigungsministerium geförderten umstrittenen "Kameradenkreis Gebirgstruppe", der alljährlich zu Pfingsten in Mittenwald die Soldaten aller Kriege und Generationen ehrt, eine "Reinwaschung und Verharmlosung von Verbrechen der Wehrmacht" vor, wie es die VVN-BdA dargelegt hatte, wird vom Verteidigungsministerium zurückgewiesen. Ohne auf die noch immer zahlreichen Namensgebungen von Bundeswehrkasernen - benannt nach Wehrmachtsgrößen - und anderen Belegen einzugehen, behauptet der Ministeriumssprecher, es sei gerade die Bundeswehr gewesen, die das Bild von der "sauberen Wehrmacht" schon vor vielen Jahren korrigiert habe.

Ulrich Sander
Bundessprecher der VVN-BdA 

Anhang 1: Brief des Bundesministeriums der Verteidigung

Bundesministerium der Verteidigung
Postfach 1328, 53003 Bonn

Abschrift von U.S.

Oberstleutnant Dr. Burkhard Köster
Referat Fü S 1 4
Hausanschrift Fontainengraben 150 53123 Bonn
.......


Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten
- Landessprecher NRW –
Herrn Ulrich Sander
.......

Bonn, 08. Juni 2005

Sehr geehrter Herr Sander,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 20. April 2005 an den Bundesminister der Verteidigung, in dem Sie sich gegen das alljährliche Pfingsttreffen des Kameradenkreises der Gebirgstruppe auf dem Hohen Brendten bei Mittenwald wenden. ich bin mit der Beantwortung beauftragt.

Am 15. Mai 2005 fand am Ehrenmal der Gebirgstruppe auf dem Hohen Brendten bei Mittenwald die diesjährige Gedenkfeier des „Kameradenkreises der Gebirgstruppe e.V.“ statt. Mittelpunkt der Veranstaltung war ein Feldgottesdienst zum Gedenken der Gefallenen der Weltkriege und Opfer der Gewaltherrschaft mit anschließender Kranzniederlegung. Der „Kameradenkreis der Gebirgstruppe“ ist ein eingetragener Verein mit ca. 8.000 Mitgliedern und besteht zur Zeit überwiegend aus ehemaligen und aktiven Angehörigen der Gebirgstruppe der Bundeswehr und aus interessierten Bürgern.

Die Bundeswehr nahm in Gegenwart ausländischer Delegationen an der Gedenkfeier mit einer Abordnung teil und legte im Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft einen Kranz nieder. Diesen Gedanken rückte der Vertreter der Bundeswehr in seiner Ansprache deutlich in den Vordergrund, indem er formulierte: Das Gedenken „umfasst ausdrücklich auch die Kriegstoten der anderen Seite und die Opfer von Verfolgung und Verbrechen, die von deutschen und im deutschen Namen begangen wurden. Sie alle sind eingeschlossen in unser Gedenken, das gemeinsam mit unseren ausländischen Kameraden ein Gedenken der Versöhnung über den Gräbern ist, gerichtet auf einen gemeinsamen Weg in eine geordnete und friedvolle Zukunft.“

Totenehrungen im Rahmen von Gedenkfeiern für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft stehen ausdrücklich in der Traditionspflege der Bundeswehr. Hiermit drückt die Bundeswehr die Verbundenheit mit Verstorbenen und ihr Mitgefühl mit den Hinterbliebenen aus.

Der Kameradenkreis der Gebirgstruppe bekennt sich in seiner politischen Grundeinstellung zu den Werten und Zielvorstellungen unserer verfassungsmäßigen Ordnung. Er distanzierte sich schon in den vergangenen Jahren von durch Gebirgsjäger im Zweiten Weltkrieg begangenen Kriegsverbrechen. In seiner diesjährigen Ansprache bat der Vorsitzende des Kameradenkreises „im Namen aller Mitglieder die Opfer [von Verbrechen durch Gebirgsjäger im Zweiten Weltkrieg] um Vergebung.“ Er schloss seine Rede mit den Worten: „Denn Erinnerung, Mahnung und Versöhnung sind ein immerwährender Prozess. Wo er abbricht, hat die Würde der toten Kameraden ihren Wert verloren und das Böse die Oberhand gewonnen.“

Die von Ihnen unterstellte „Reinwaschung und Verharmlosung von Verbrechen der Wehrmacht“ entbehrt nicht nur einer Grundlage, sondern ist als Behauptung objektiv nicht gegeben.

Lassen Sie mich abschließend noch als Historiker auf Ihren Appell eingehen, das Bundesministerium der Verteidigung solle seine eigene Geschichte aufarbeiten. Der Primat der Politik und die parlamentarische Kontrolle haben sich in 50 Jahren Bundeswehr überzeugend bewährt. Schon die Personalauswahl der jungen Bundeswehr stand von vornherein im Focus von Öffentlichkeit und Parlament. Der in einem Bundesgesetz geregelte Personalgutachterausschuss hatte weitreichende Vollmachten bei der Überprüfung derjenigen ehemaligen Offiziere der Wehrmacht, die in der Anfangszeit der Bundeswehr für eine Einstellung ab dem Dienstgrad Oberst in Betracht kamen. Sie wurden sowohl auf ihre persönliche als auch ihre politische Eignung überprüft. Die Mitglieder des Ausschusses kamen aus allen politischen und gesellschaftlichen Gruppen. Die Überprüfung der Bewerber war geheim, Ablehnungen brauchten nicht begründet zu werden, eine Einspruchs Möglichkeit bestand nicht. Kein anderer Personenkreis des öffentlichen Dienstes wurde in vergleichbarem Umfang geprüft.

Die aus der Wehrmacht kommenden Gründerväter haben aber auch im Hinblick auf die Aufarbeitung der Geschichte eine herausragende Aufbauarbeit geleistet. Sie haben sogar mehr als jede andere Berufsgruppe zugelassen und gefördert, dass die Geschichte des eigenen Berufsstandes kritisch aufgearbeitet wird. Das Bild von der sauberen Wehrmacht war gerade auch durch die Militärhistoriker der Bundeswehr schon beinahe 20 Jahre in das Reich der Legende verwiesen worden, bevor das Thema als „neu“ mit der sogenannten „Wehrmachtsausstellung“ in die Öffentlichkeit gelangte. Das internationale Standardwerk „Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg“ aus dem Militärgeschichtlichen Forschungsamt (MGFA) der Bundeswehr ist die kritische Grundlagenforschung zum Zweiten Weltkrieg. Eine Fülle weiterer Veröffentlichungen – zumeist aus der Feder von Wissenschaftlern des MGFA – widmet sich der Fragestellung von Personalauswahl und Kontinuitäten in der Bundeswehrgeschichte.

Mit freundlichen Grüßen

Im Auftrag

gez. Dr. Köster

Anhang 2: Brief der VVN/BdA an den Bundesverteidigungsminister 

Am 20. 04. 05 hatte die VVN-BdA dem Bundesverteidigungsminister folgendes geschrieben:

Herrn Minister
Dr. Peter Struck
Bendlerblock
Stauffenbergstr.
10785 Berlin

Sehr geehrter Herr Minister,

auch dieses Jahr schickt sich der Kameradenkreis Gebirgstruppe aus Veteranen der NS-Wehrmacht und SS, aus Reservisten und Aktiven der Bundeswehr an, ein Pfingsttreffen zu Ehren von Kriegsverbrechern durchzuführen. Am Hohen Brendten bei Mittenwald, Gelände, das von Bundeswehrterritorium umschlossen ist, sollen erneut mit Hilfe der Bundeswehr die Verbrechen der Wehrmacht verharmlost und reingewaschen werden und es soll dazu beigetragen werden, die überlebenden mutmaßlichen Täter ihrer gerechten Strafverfolgung zu entziehen. Die Opfer der Verbrechen werden somit weiterhin verhöhnt und in ihrer Würde verletzt.

Dass sich der Kameradenkreis, mit dem die Bundeswehr eng und partnerschaftlich zusammenarbeitet, im wesentlichen als unbelehrbar zeigt, ist einer Erklärung seines zweiten Vorsitzenden zu entnehmen, die dieser jetzt in der örtlichen Presse von Garmisch-Partenkirchen / Mittenwald verbreiten ließ.

So wird das Massaker vom 16. August 1943 im nordgriechischen Dorf Kommeno als eine nach dem Kriegsvölkerrecht zulässige Vergeltungsmaßnahme infolge der „Ermordung“ des Kommandeurs einer Gebirgs-Kompanie, Josef Salminger sr., ausgegeben. Doch der Ritterkreuzträger und Oberstleutnant Salminger sr. hat die Ermordung an den Dorfbewohnern selbst angeordnet und befehligt; er starb erst sechs Wochen später einen ungeklärten Tod. Ja, zu dem Massaker von Kommeno, hat der Salminger sr. offenbar ebenso beigetragen wie zu anderen Verbrechen, so in Lwow/Lemberg (4.9.39 und 30.6.41) und zu anderen. Bei dem von Salminger wie auch von dem späteren Bundeswehroberstleutnant Dr. R. Klebe befohlenen Vorgehen wurden 317 Menschen getötet. Sie waren unterschiedlichen Alters, es waren Männer wie Frauen. Sie mussten sterben weil Salminger dort Partisanen gesehen zu haben glaubte. Zeuge August S. bei den Ermittlungen nach dem Krieg: "Was mich furchtbar abgestoßen hat, das war, dass einige Angehörige der 12. Kompanie sich in schändlicher Weise an den Leichen zu schaffen machten." Nach Salmingers ungeklärtem Tode wurden als Rache rund 20 Dörfer zerstört und Hunderte Bewohner ermordet.

Der Kameradenkreis behauptet nun fälschlich, der überlebende Kompaniechef des Einsatzes gegen Kommeno sei angeklagt, aber nicht verurteilt worden. Die Untaten der Gebirgsjäger in Südeuropa, wo sie unzählige Dörfer auslöschten und ihre Bewohner umbrachten, seien sogar vom Nürnberger Kriegsverbrechertribunal und nach der Haager Landkriegsordnung als zulässig anerkannt worden. Beides ist falsch. In Nürnberg wurde ein hoher Gebirgsjägergeneral, Hubert Lanz, wegen der genannten Verbrechen von den Alliierten verurteilt. Er ist noch heute in der Bundeswehr hoch geehrt. Als jedoch die Zuständigkeit für die Aburteilung der Wehrmachtsoldaten auf deutsche Gerichte und Staatsanwaltschaften überging, wurde mit vielerlei Tricks die Strafverfolgung von ehemaligen und aktiven Soldaten vereitelt. Vor einigen Monaten sind neue Beweise für die Untaten von rund 200 ehemaligen Soldaten aufgetaucht und den Staatsanwaltschaften in Ludwigsburg, München, Augsburg und Dortmund übergeben worden, und von dort ist durchaus zu vernehmen, dass Anklageschriften erarbeitet werden.

Dennoch behauptet der Kameradenkreis, die „pauschale Verurteilung der Kriegsteilnehmer“ habe zu unterbleiben – die niemand will. Denn bisher sei keine „individuelle Schuld nachgewiesen“ worden, auch das ist falsch. Denn diese Schuld ist nachgewiesen (Lanz usw.), bzw. sie ist nicht für Mord, wohl aber für Beihilfe nachweisbar.

Während der Bundeskanzler in Gedenkstätten und an internationalen Kriegsschauplätzen wie in Warschau und der Normandie der Opfer gedenkt und deutsche Schuld bereut, lassen Sie als Verteidigungsminister die Wehrmachtssoldaten – auch die Kriegsverbrecher – pauschal ehren, lassen Sie Kränze niederlegen, stellen sie die Bundeswehrinfrastruktur und die Bundwehrmusikkorps für das makabre Schauspiel am Hohen Brendten zur Verfügung.

Wir können das faktische Festhalten an der ungerechtfertigten Rehabilitierung und Ehrung der Mörder unterm Edelweiß – so wie es auch die Bundeswehr betreibt – nicht verstehen und nicht hinnehmen. Wir protestieren regelmäßig in Mittenwald dagegen. Doch die Bundeswehr stellt sich auf die andere Seite. Wir fordern Sie auf, damit Schluß zu machen und jede Unterstützung des Treffens auf dem Hohen Brendten einzustellen.

Jugendgruppen, Opferverbände wie die VVN-BdA und Historiker haben seit drei Jahren in Mittenwald gegen das Brendten-Treffen protestiert. Sie luden Zeitzeugen aus den betroffenen Orten ein, die unter Schmerzen an der Seele zur Erinnerung beitrugen. Diese hochbetagten Menschen begrüßten es, wenn wir den Gerichten neues Material vorlegten, sie haben aber nie verstanden, warum die Bundesregierung in Ihrer Gestalt, verehrter Herr Minister, an der Würdigung der Soldaten teilnahmen, die ihnen soviel Leid und Unrecht antaten.

Wir fragen Sie, wie lange wollen Sie noch dulden, dass in der schönen Gemeinde Mittenwald Jahr für Jahr die Mörder der unschuldigen Menschen von Kommeno und hunderten anderen Gemeinden seitens Bundeswehr und Wehrmachtsveteranen geehrt werden? Wann werden die Opfer entschädigt und die Täter bestraft?

Ist es nicht an der Zeit, dass Ihr Ministerium es dem Außenministerium gleichtut, das eine Historikerkommission zur Aufarbeitung der Geschichte des Ministeriums - und das würde bedeuten: auch der Bundeswehr - einsetzt? Minister Fischer stoppte die Würdigung der Täter, Sie setzen sie fort. Das kann doch nicht sein!

Mit freundlichen Grüßen

Ulrich Sander
Landessprecher der VVN-BdA NRW
Mitveranstalter der Gedenkveranstaltungen für die Wehrmachtsopfer zu Pfingsten in Mittenwald

Nachtrag vom 25.4.05

Herrn Minister Dr. Peter Struck
Berlin

Erläuterungen zu unserem Brief

Sehr geehrter Herr Minister,

vor einigen Tagen sandte ich Ihnen einen Brief mit der Bitte um Verweigerung jeder Unterstützung durch Ihr Haus für die Ehrung von Kriegsverbrechern, wie sie am kommenden Pfingst-Sonntag wieder im Bereich des Bundeswehrgeländes in Mittenwald zu erwarten ist.

Inzwischen hat – nach dem Bundesaußenminister – auch die Ministerin für Landwirtschaft und Ernährung der Bundesrepublik Deutschland eine Kommission eingesetzt, die die Vergangenheit des Ministeriums prüfen soll und die verhindern soll, dass das Ministerium frühere Mitarbeiter ehrt, die sich in der Nazizeit etwas haben zu Schulden kommen lassen.

Wann werden auch Sie eine solche Kommission in der Bundeswehr und in Ihrem Ministerium einsetzen?

Ich gestatte mir, Ihnen speziell zur Gebirgstruppe, die vom Bundeswehr-Heer auf offiziellen Web Sites auch hinsichtlich der NS-Zeit hoch geehrt wird, einige Fakten zu unterbreiten.

Der Kameradenkreis Gebirgstruppe mit Sitz in München versteht sich als „gesellschaftliche Basis unserer Truppe“. Dem völkisch-nationalistischen Verband gehören rund 5.000 Aktive aus der Bundeswehr und noch einmal 5.000 Bundeswehr-Reservisten und Veteranen der NS-Wehrmacht an. Der Kreis verfügt über starken Einfluß in der Truppe. Hohe und höchste Generale kamen aus seinen Reihen. „Helfen wir der aktiven Gebirgstruppe bei der Gewinnung von geeignetem und motiviertem Nachwuchs,“ wird in der April-Ausgabe 2002 der „Gebirgstruppe“, des Organs des Kameradenkreises, formuliert. „In der Zeit, in der nicht mehr die Heimatverteidigung, sondern friedenssichernde Aufgaben bei Auslandseinsätzen im Vordergrund bei der Bundeswehr stehen, müssen Soldaten aller Truppengattungen auf diesem Gebiet besonders ausgebildet werden.“ (5/04 Oktober) Mit dem Begriff Friedensicherung und Friedensschaffung wird alles umschrieben, was heute die Aufgaben der Bundeswehr darstellt: Interventionen und Angriffskriege zur Durchsetzung „deutscher Interessen“, wobei die ökonomischen Interessen des Kapitals im Vordergrund stehen. Gebirgsjäger-General Klaus Naumann: „Es gibt nur noch zwei Währungen in der Welt: Wirtschaftliche Macht und die militärischen Mittel, sie durchzusetzen.“ (Spiegel, Nr. 3/93)

Kriegsschuldfragen zum Ersten wie Zweiten Weltkrieg werden im Kameradenkreis noch immer lebhaft erörtert, als wäre die strittig! Antifaschismus wird empfunden „als Vehikel kommunistischer Diktaturen“, das „insbesondere in der stalinistischen Zeit, eine üble Rolle spielte“ (S. 14, 4/2004 Aug.) Der Kriegsschuldartikel des Versailler Vertrages, der das „Hineinschlittern“ Deutschlands in den Krieg leugnete, wird wie eh und je als „schwere Hypothek“ beklagt, als „Urgrund für das spätere Phänomen Hitler“. (Okt. 04) Und so wird auch die deutsche Kriegsschuld am Zweiten Weltkrieg geleugnet und zwar anhand des Buchtitels „1939 Der Krieg der viele (!) Väter hatte“ vom rechtsextremen Ex-General Gerd Schultze-Rhonhof. „Das Buch hinterfrägt, erforscht und beschreibt eine Zeitepoche und ihre Akteure so, dass die Aussage und Feststellung im Titel Fragen an die heute allgemein in Deutschland vertretene Sicht dieser Zeit und ihre Exponenten stellt.“ (S. 43/Okt. 04) (Da steht wirklich hinterfrägt.)

Und so ist es auch selbstverständlich, dass die Kriegsverbrechen der Wehrmachts-Gebirgstruppe geleugnet werden und die mutmaßlichen Täter als gleichberechtigte Mitglieder des Kameradenkreises noch immer gern gesehen sind. Der älteste Teilnehmer der Jahresversammlung des Kameradenkreises im Oktober 2004 in der Bayern-Kaserne in München, natürlich tagt man auf Bundeswehrgelände, sei Dr. Artmann gewesen, wird berichtet. (12/04) Er gehört zu den rund 190 von der VVN-BdA und dem Arbeitskreis Angreifbare Traditionspflege angezeigten mutmaßlichen Kriegsverbrechern aus den Reihen der 1. Geb. Division. Die 13. Kompanie des Gebirgsjägerregiments 98 mit Alfred Artmann an der Spitze hatten wir als Mörderkompanie identifiziert. Ihr wird die Zerstörung von Periwoli und die Tötung von 53 Menschen am 25.10.43 zur Last gelegt.

Auch die Veteranen der 12. Kompanie Gebirgsjägerregiment 98 sind noch aktiv. Als ihr Sprecher betätigt sich Dr. Werner Funke aus Bielefeld. Er hatte sich in der Zeitung „Gebirgstruppe“ (2/02) als Angehöriger jener 12. Kompanie zu erkennen gegeben und in einem Aufsatz die Kriegsverbrechen in Kephalonia geleugnet, bei denen 4000 bis 9000 unbewaffnete italienische Kriegsgefangene von deutschen ermordet wurden. Er und andere Angehörige waren der Staatsanwaltschaft München I 1968-1972 noch nicht bekannt, als diese die Verfahren einstellte. Jetzt müssen sie wieder aufgenommen werden, fordern wir. Eingeräumt wird von der Zeitschrift wie vom Autor Funke, dass einiges „gründlich danebenging“. Es sei aber eine „unbewiesene Behauptung“, die „auf der Insel anwesenden Gebirgsjäger (III. GJR 98) hätten nach dem Ende der Kampfhandlungen 4000 bis 5000 Italiener standrechtlich erschossen.“ Sie seien als Erschießungskommandos völlig ungeeignet gewesen. Darüber sei man sich, so Funke, in den Gesprächen, die er mit Kameraden nach dem Krieg führte, einig gewesen. Er spielt damit auf die lange gültige Funktion des Kameradenkreises als Selbsthilfegruppe zur Abwendung von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und gerichtlichen Verurteilungen an. „Vorwürfe und Anschuldigungen“ müßten zurückgewiesen werden; gegen „einseitige Schuldzuweisung“ wende man sich. (S.22, 2/02)

In der Ortskameradschaft Aachen unter Leitung von Dr. Klaus Wallner ist man – wie auch anderswo im Kameradenkreis – „stolz“ auf beste Kontakte zur Bundeswehr. „Seit der Errichtung und Einweihung des Gebirgsjäger-Ehrenmals am 19. Mai 1990 besteht eine Partnerschaft, die durch Übergabe und Übernahme des Gedenksteins an den damaligen Chef der XX. Inspektion der technischen Schule des Heeres und Fachschule des Heeres in Aachen und heutigen 2. Obmann, Oberstleutnant Christian Heisig, beurkundet wurde.“ (3/01) Berichtet wird vom Volkstrauertag mit einer eigenen Veranstaltung. Und zwar am Gedenkstein auf dem Gelände der Aachener Gallwitzkaserne. Vermerkt wird: „Starke Resonanz bei der Bundeswehr. Viele Offiziere und Unteroffiziere dabei.“ Man gedachte auch der „Soldaten der damaligen Gegner, die uns als faire Kämpfer gegenübergestanden haben.“ Mahnende Worte: „Hört auf die Toten, die Boten des Lebens. Hört auf die Ahnen, die mahnen aus endlosen Gräbern hernieden (da steht wirklich hernieden) , zur Freiheit, zum Frieden.“ Gemeinsames Vaterunser und Nationalhymne. Die Bundeswehr stellte alles Nötige dem Kameradenkreis zur Verfügung und gestaltete das „Jagereck“ aus.

Die Gebirgstruppe, ob in NRW oder Bayern oder in anderen Bundesländern wie Sachsen, ob aktiv beim Bund oder in Reserve, stellt sich auf neue „Dreißigjährige Kriege“ ein. Harald Rettelbach, Bundesvorstandsmitglied des Kameradenkreises und Oberstleutnant der Reserve, berichtete von Übungen beim SFOR-Hauptquartier in Sarajewo (2/2000). Es koste Milliardenbeträge der Steuerzahler, um beispielsweise Bosnien-Herzegowina bei seiner langen „Vor-sich-hin-Dämmerung“ zu finanzieren. 20.000 NATO-Soldaten, darunter 2000 aus Deutschland, müssten Jahrzehnte bleiben, um das Land „stabil zu halten.“ „Wir erinnern uns: General Klaus Naumann hat in seiner Festansprache anlässlich der Jahresversammlung des Kameradenkreises 1999 deutlich gemacht, dass unser Engagement auf dem Balkan wohl weitere gut dreißig Jahre dauern kann.“ Aber ohne Nato gäbe es sofort wieder Krieg. Die Forderung „Raus da“ sei nicht nur aus humanitären Gründen illusorisch. „Allein die Flüchtlingsströme aus dem Balkan kämen die Deutschen teurer als das derzeitige Engagement.“ Die Flüchtlinge würden dann in Deutschland die Auseinandersetzung fortsetzen: „Die Gefahr dass der Krieg nicht weit von Deutschland entfernt auf die Mitte Europas überschwappen könnte, darf ebenfalls nicht übersehen werden.“

Mit solchen Darstellungen werden völkerrechtwidrige Einsätze der Bundeswehr innerhalb der Truppe propagiert, während gleichzeitig ein revisionistische Geschichtsbild gepflegt wird, nach dem die Wehrmacht allenfalls "mißbraucht" worden sei: Wehrmacht sei gleichzusetzen "mit jener vorzüglichen Truppe, die Unvorstellbares im Kriege zu leisten und zu erleiden hatte." Wehrmacht stehe für "Bewährung in „äußerster Not, für Erinnerung an und Verehrung von vorbildlichen Vorgesetzten, für Kameraden und Opfertod." Das sagte der damalige Generalinspekteur und spätere zweithöchste NATO-General Klaus Naumann laut "Gebirgstruppe" zu Pfingsten 1992 beim Kameradentreffen der Nazi-Gebirgsjäger mit der Bundeswehrgebirgstruppe.

Jahr für Jahr finden die traditionellen Pfingsttreffen der Wehrmachtsgebirgsjäger mit der Bundeswehrgebirgstruppe auf Bundeswehrgelände am Hohen Brendten bei Mittenwald statt, wo regelmäßig Kriegsverbrecher geehrt und Kriegsverbrechen verharmlost werden.

Unter dem Motto „Verfolgung der Täter, Entschädigung der Opfer“ werden wir in diesem Jahr erneut in Mittenwald dagegen protestieren und zwar mit einer Reihe von Veranstaltungen zu Pfingsten. Wir hoffen sehr, dass diesmal nicht erneut die Bundeswehr das Treffen der kriegstreiberischen Völkischen unterstützt. Würde diese Unterstützung entfallen, wäre dieses größte reaktionäre Soldatentreffen nicht mehr durchführbar.

Mit freundlichen Grüßen

Ulrich Sander
Landessprecher der VVN-BdA NRW