15.02.05
„Der 8. Mai 1945 mahnt:
Stoppt die Neonazis und ihrer Förderer – Für ein antifaschistisches soziales Nordrhein-Westfalen“
Schriftlicher Bericht
an die Landesdelegiertenkonferenz der VVN-BdA NRW am 12. Februar 2005 in Düsseldorf
„Der 8. Mai 1945 mahnt:
Stoppt die Neonazis und ihrer Förderer – Für ein antifaschistisches soziales Nordrhein-Westfalen“.
(Motto der Landesdelegiertenkonferenz 2005)
Vorbemerkung
Im Jahr der nordrhein-westfälischen Landtagswahl, der 60. Wiederkehr des Befreiungstages
8. Mai und der Auseinandersetzungen um die EU-Verfassung greift die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten verstärkt in die öffentlichen Auseinandersetzungen ein. Wir begrüßen es, dass die antifaschistischen Kräfte den Auschwitzgedenktag 27. Januar wieder zu wirkungsvollen Aktionen nutzten und sich auf weitere Aktivitäten zum Jahrestag des Kriegsendes auf dem Gebiet des heutigen Nordrhein-Westfalens sowie zum Tag der Befreiung einstellen. Ferner auf den
Ostermarsch an Rhein und Ruhr.
In vielen Städten werden Veranstaltungen zur Erinnerung an die Kriegsendphasenverbrechen, besonders im Ruhrkessel 1945, vorbereitet. Weiter geht es um die Auseinandersetzung mit dem sich verstärkenden und in den Landtag drängenden Neofaschismus und um die Bekräftigung der antifaschistischen und antimilitaristischen Grundpositionen und des gesellschaftlichen Konsenses von 1945, und zwar auch in der Verfassungsdiskussion in der EU und anlässlich des 8. Mai.
Auf Landesausschusstagungen wurde von uns hervorgehoben, es gelte in Nordrhein-Westfalen das Prinzip durchzusetzen, das von höchsten Richtern des Bundeslandes formuliert wurde: "Eine rechtsextremistische Ideologie lässt sich auch nicht mit den Mitteln des Demonstrationsrechts legitimieren" (Beschluss des OVG NRW, Az 5 B B 585/01) Damit würde zur
Wiederherstellung des Verfassungsprinzips des Artikel 139 GG beigetragen, das die 1945/46 geschaffenen Bestimmungen zur Zerschlagung von NS-Organisationen auch für das Heute verbindlich regelt. Höchste NRW-Richter haben sich mit ihren Urteilen gegen die Neonazis gewandt. Ihre Rechtssprechung sollte endlich für das Land NRW und für alle Städte und Gemeinden volle Gültigkeit erhalten, auch wenn sich die Nazis immer wieder auf das Bundesverfassungsgericht berufen.
Außerdem strebt die VVN-BdA an: Wiederherstellung des Konsens' in der Gesellschaft unter der Losung
"Nie wieder Krieg und Faschismus" entsprechend dem Vermächtnis des deutschen Widerstandes. Dies ist die richtige Antwort auf eine Schlussstrichpraxis, die allenfalls die Losung "Nie wieder Auschwitz" gelten lassen will und zugleich Angriffskriege auf die Tagesordnung setzte und setzt - und dies auch mittels der Neufassung der EU-Verfassungsgrundsätze für die Außenpolitik.
Mit Besorgnis stellen wir die immer stärker zu beobachtende Verwischung und Übernahme reaktionärer, ausländerfeindlicher und rassistischer Positionen
durch „die politische Mitte“ fest. Das vor allem aus den Erfahrungen im Faschismus geborene Asylrecht für politisch Verfolgte wird - gerade im Zusammenhang mit den sog. Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung - immer weiter untergraben.
Im Jahre 2000 lagen der damaligen Landesdelegiertenkonferenz Satzungsänderungsvorschläge vor. Sie wurden vertagt, bis die Organisation sich gesamtdeutsch vereinigte. Der Landesausschuss hat im Herbst 2004 einen Entwurf zur Veränderung der Landessatzung erarbeitet, der auf dieser Landesdelegiertenkonferenz nun zur Beschlussfassung vorliegt. Der Entwurf sieht u.a. vor, dass die LDK künftig alle drei Jahre stattfinden kann und nicht alle zwei Jahre stattfinden muss. (Wir bleiben damit im Rhythmus der Bundesvereinigung.) Nach der alten Landessatzung hätte die anstehende Landesdelegiertenkonferenz schon im Herbst 2004 stattfinden müssen. Alle Mitglieder wurden daher befragt, ob sie damit einverstanden sind, im Vorgriff auf die neue Landessatzung, die LDK diesmal erst zweieinhalb Jahre nach der letzten LDK, also im Februar 2005 zu veranstalten. Es gab keine Einwände auf die Befragung.
***
Unsere Konferenz 2002: Für eine neue Welt des Friedens und der Freiheit
Die Landesdelegiertenkonferenz vom 7. September 2002 in Bochum tagte unter dem Motto: „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung, der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren gemordeten Kameraden, ihren Angehörigen schuldig.“ (Aus dem Schwur von Buchenwald vom 19. 4. 1945)
Auf der Landeskonferenz vertraten 77 Delegierte, darunter sieben, die noch am Widerstand gegen das NS-Regime teilgenommen haben, die seinerzeit rund 1.250 Mitglieder der größten und sehr traditionsreichen Vereinigung der Naziopfer und ihrer Hinterbliebenen sowie jüngere Mitkämpferinnen und Mitkämpfer, die in rund 20 Kreisvereinigungen arbeiteten. Es war die letzte VVN-Landeskonferenz im Bundesmaßstab vor dem Vereinigungskongress aller Landesverbände und anderer antifaschistischer Gruppen aus Ost und West Anfang Oktober 2002 in Berlin. Das Gründungsdokument der antifaschistischen Bewegung von 1945, der Schwur von Buchenwald, der von den Häftlingen vieler europäischer Länder verabschiedet worden war, wurde von uns als Tagungsmotto und auch als Richtschnur für ein angestrebtes antifaschistischer Europa ausgewählt. „Europa - bitte antifaschistisch“ lautete das Thema einer Arbeitsgruppe, in der die Diskussion über europapolitische und antifaschistische Perspektiven unter besonderer Berücksichtigung der Zuwanderungsdiskussionen und der rechtspopulistischen Entwicklung in vielen Ländern fortgesetzt wurde, die mit einem Antrag an den Bundeskongress der VVN-BdA und mit einem Dokument aus NRW zur europäischen Verfassungsdiskussion schon im Jahr 2000 begonnen hatte.
Gegen rechte kulturelle Hegemonie ging es in der Arbeitsgruppe „Kultur des Antifaschismus“. Junge Rapper, Künstler aus Polen und Kulturarbeiter mehrerer Städte nahmen teil. „Her mit dem Geld für die Sklaven des NS-Regimes“, darum ging es in einer weiteren Arbeitsgruppe, die den Erfahrungsaustausch über die Fortsetzung der Arbeit zu Gunsten der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter führte.
Ein Antrag zu Fragen des Nahostkonfliktes und der Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus wurde von der Kreisorganisation Münster ausdrücklich als Diskussionsbeitrag eingebracht und gewertet. Eine knappe Mehrheit der Delegierten befand, er solle als Antrag nicht befasst werden. Der Antrag, bzw. der Diskussionsbeitrag stand und steht nun auf den Internetseiten der VVN-BdA NRW und VVN-BdA Münster zur Diskussion. Dort ist er unter
www.nrw.vvn-bda.de nachzulesen. Die Nichtbefassung der LDK mit dem Antrag hat auch zu problematischen Auseinandersetzungen, in einem Fall sogar zu einem Austritt geführt. Am Schluss stand grundsätzlich eine Klärung auf der Grundlage der Aussage des Bundesausschusses vom 15. April 2002 und eines angenommenen
Antrags Nr. 4 der LDK, die lautet: „Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes / Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) teilt die Beunruhigung in der internationalen Öffentlichkeit über den eskalierenden Konflikt zwischen Israel und Palästinensern. Sie unterstützt alle Bemühungen um die sofortige Beendigung des Krieges als Voraussetzung für eine friedliche Lösung. ‚Als deutsche Antifaschisten wenden wir uns mit Entschiedenheit gegen die regierungsoffizielle Erwägung, deutsche Soldaten nunmehr auch im Nahen Osten einzusetzen,’ heißt es in der Stellungnahme des Bundesausschusses der VVN-BdA. ‚Die Verbrechen des deutschen Faschismus und der Holocaust sind schließlich eine wesentliche Ursache für die Entstehung des Konflikts überhaupt. Es ist deshalb geradezu zynisch, den Einsatz deutscher Soldaten dort mit der besonderen deutschen Verantwortung begründen zu wollen’, erklärt der Bundesausschuss der VVN-BdA. Wir fordern, dass die Bundesregierung nicht militärische, sondern friedenspolitische Anstrengungen unternimmt, den Konflikt zu entschärfen, insbesondere durch die sofortige Einstellung aller Waffenlieferungen in die Region und durch nachdrückliche Einflussnahmen auf die politisch Verantwortlichen, die terroristische, militärische und strukturelle Gewalt zu beenden.’ Die VVN-BdA tritt „ebenso für das Existenzrecht des Staates Israel ein wie auch für das des palästinensischen Staates.“ Sie verlangt die Verwirklichung der Nahostresolutionen und -forderungen der Vereinten Nationen.“ Diese Aussage wurde ergänzt durch eine Absage an den Terror sowohl der Hamas o.ä. als auch Scharons.
Auf einer erweiterten Landesausschusstagung am 30. November 2002 wurde das Papier erneut mit vielen Vertretern aus den Kreisorganisationen erörtert. Betont wurde einvernehmlich, dass es die Hauptsache sei, gegen den Antisemitismus im Lande zu wirken (wiederholt kam es im Berichtszeitraum zu antisemitischen Attacken von Nazis, so gegen die Besucher der Synagoge in Hagen und auf dem jüdischen Friedhof in Dortmund-Wickede). Die Diskussion müsse so geführt werden, dass die Versuche, die Deutschen zu „den Opfern“ und alle möglichen ausländischen Politiker zu „Hitlers“ zu erklären, durchkreuzt werden. Denn dies diene der Entlastung des deutschen Faschismus. Der Hauptaufgabenfeld sei das eigene Land. Deshalb müsse dorthin gesehen werden. Dies könne aber nicht im Sinne der sog. Antideutschen erfolgen. Zu Kriegen gegen „Deutsche“, zu Hass auf „die Deutschen“ eines Stadtteils und auch sonst werden wir niemals aufrufen, das war Konsens.
Seit unserer Landesdelegiertenkonferenz 2002 gab es einen erschreckenden Auftrieb für die Neonazis – besonders bei
Wahlen. Dazu hier nur zwei Zitate:
Während Industrieellen-Präsident Michael Rogowski (BDI) meinte, die NPD sei nicht so beunruhigend wie die PDS - er warnte in der „Freien Presse“ (Chemnitz) davor, »das Phänomen Rechtsextremismus über zu bewerten«; es gebe immer wieder ein paar Rechte, die in die Parlamente einzögen; er glaube nicht, dass Investoren nicht mehr in den Osten kämen, »nur weil NPD und DVU in den Landesparlamenten sitzen«; überhaupt bereite ihm die PDS größere Sorgen als die NPD - kam unser Staatsoberhaupt zur Schlussfolgerung:
„Das starke Abschneiden der rechtsextremen Parteien NPD und DVU bei den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg ist nach Ansicht von Bundespräsident Horst Köhler kein Anlass zur Panik. ‚Eher ist es ein Signal der Bürger in einer lebhaften, lebendigen Demokratie’, sagte Köhler am Montag im hessischen Landtag in Wiesbaden. Die Rechtsextremen werden wieder aus den Landtagen verschwinden, sagte Köhler im Gespräch mit Schülern...“ ( dpa 20.9.04)
Dazu schrieb unser Freund Martin Dietzsch sein „Experten-Statement“: „Die sind völlig unbedeutend und bei Wahlen chancenlos. - Das sind Protestwähler, beim nächsten Mal bleiben die wieder unter 5 Prozent. - Die haben zwar ihren Stimmenanteil verdoppelt, aber solange sie nicht an der Regierung beteiligt sind, sind die ungefährlich. - Die stellen jetzt den Bundes...,
ähem, Reichskanzler, also werden sie bald abwirtschaften und dann ist endlich der Spuk vorbei. ... Komm’ ich jetzt als Extremismus-Experte ins Fernsehen?“
(aus „Archiv-Notizen, Oktober 2004, Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung) |
Wahlen und Gremien
Die Konferenz entschied sich einstimmig, satzungsgemäß einen Sprecherrat zu wählen.
Gewählt wurden: Jupp Angenfort, Ulrich Sander und Jochen Vogler.
Gewählt wurden weiter in den Geschäftsführenden Landesausschuss:
Volker Adam, Bruno Bachler, Karlheinz Berger-Frerich, Cornel Ehrentraut (nahm die Wahl nicht an), Peter Huntenburg und Eva
Nimmert.
Die Gewählten bildeten den geschäftsführenden Landesausschuss gemeinsam mit der gewählten Landeskassiererin Traute Sander und dem gewählten Schriftführer Horst
Vermöhlen.
Wahl der Vertreter im Bundesausschuss
Vorgeschlagen und gewählt wurden: Jupp Angenfort, Gerd Deumlich, Ulrich Sander und als Stellvertreter Horst Vermöhlen (Einer der Gewählten, Gerd Deumlich, hat den Förderkreis Emslandlagergemeinschaft im BA vertreten).
Wahl der Revisoren und Revisorinnen
Gewählt wurden: Daniel Lack, Ingrid Lange-Sari, Hans-Peter Speer.
Wahl der Beschwerdekommission
Gewählt wurden Walter Malzkorn, Rosel Vadehra-Jonas und Claudia
Wöhrmann-Adam.
Was wurde aus den Beschlüssen der Landeskonferenz 2002?
Zu den weiteren Beschlüssen gab es nachstehende Entwicklungen
1. Ehrungen für Rossaint, Weisenborn und Melzer
Wann ehrt NRW seine Vorbilder der Jugend Dr. Rossaint, Günther Weisenborn und Johanna Melzer? So wurde gefragt, und es wurden Bürgeranträge in den Städten und Gemeinden angeregt. Erreicht wurde dass eine Straße in Oberhausen nach Kaplan Dr. Joseph Rossaint benannt wurde, ferner gibt es nun eine Straße, die nach Günther Weisenborn (Leverkusen, Opladen) benannt ist. Weitere Anträge laufen.
In Bochum wurde der Park hinterm Rathaus Park "Appolonia-Pfaus-Park" benannt, nach einer alten Romafrau, die mit ihren Kindern und Enkelkindern ins Gas ging. In Duisburg gibt es nun eine nach Johanna Niederhellmann, einer Widerstandskämpferin, benannte Straße, in Essen wurde ein Platz nach Heinz Renner benannt.
2. Resolution an den Landtag von NRW gegen ungestörte Naziaktionen
Die Resolution mit den Forderungen, die Organisationsverbote gegen ANS, FAP, NO aus den 90er Jahren auf die Nazikameradschaften als Nachfolgeorganisationen anzuwenden, die Duldung der Naziaufmärsche einzustellen und die Bürger vor Anti-Antifa-Terror zu schützen und das polizeiliche und juristische Vorgehen gegen Antifaschisten (mittels Kesseln und Prozessen) zu unterbinden, wurde dem Landtag, dem Ministerpräsidenten, Justiz- und Innenminister übermittelt. Insbesondere in Zusammenhang mit der Wehrmachtsausstellung (19.9. bis 2.11.03) in Dortmund im Herbst 2003 wurden die Forderungen wiederholt. Ministerpräsident und Minister antworteten ausweichend. Der Landtag konnte sich nicht entschließen, sich die Versicherung des Petitionsausschusses des Landtages von 2001 - ausgesprochen in einem Brief an die VVN-BdA NRW - zu eigen zu machen, die besagt: „Eine rechtsextremistische Ideologie lässt sich auch nicht mit den Mitteln des Demonstrationsrechts legitimieren“ (Beschluss des OVG NRW, Az 5 B B 585/01)
Mit der Weigerung des Bundesverfassungsgerichtes, die NPD zu verbieten und auch Naziaufmärsche zu unterbinden, verschärfte sich die Situation für Demokraten und Demokratie im Lande erheblich. Zudem gelangten DVU und NPD 2003 in die Landtage von Brandenburg bzw. Sachsen, was eine weitere scharfe Rechtsentwicklung und eine allgemeine Ermutigung der Rechten auslöste. Jupp Angenfort erklärte auf einer Landesausschusstagung; „Eine Grundsatzentscheidung in dieser Gesellschaft gegen die Nazis ist ausgeblieben; nun sähen sich viele Rechte wieder als mögliches Auffangbecken bei kommenden Konflikten.“ Wir reagierten.
- Die VVN-BdA Aachen gab Plakate gegen Nazis für den Kommunalwahlkampf in NRW heraus, die in vielen Städten von VVN-BdA und Bündnispartnern geklebt wurden.
- Die VVN-BdA Köln bearbeitete das Kommunalpolitische Antifa-Programm neu, und es wurde ebenfalls im Lande verbreitet.
- Die VVN-BdA Dortmund unterstützte in Dortmund-Hörde Aufklärungs- und Protestaktionen gegen eine rassistische Anti-Moschee-Kampagne der Rechten; allein in diesem Stadtteil blieben die Rechten ohne Wahlerfolg, obwohl die CDU zuletzt ihre Hauptforderung unterstützte.
Doch da der Widerstand gegen den NPD-Wahlkampf und den der anderen Rechten insgesamt zu schwach war, weil er insbesondere vom „bürgerlichen Lager“ nicht unterstützt wurde, kam es zu beunruhigenden Wahlerfolgen der Neonazis bei diesen Kommunalwahlen 2004.
Im Zusammenhang mit dem 26. Juni in Bochum, da erstmals seit 1945 ein antisemitischer Naziaufmarsch gegen Synagogen vom höchsten Gericht erlaubt und von NRW-Behörden nicht behindert wurde, verabschiedete die VVN-BdA NRW eine Erklärung zum nunmehr notwendigen Widerstandsrecht gemäß der Verfassung, und sie rief auf, am 20. Juli ein Zeichen zum antifaschistischen Widerstand heute zu setzen. So geschah es, die VVN-BdA rief zu einer Kundgebung am 20. Juli 2004 nach Bochum, vor dem Polizeipräsidium auf, und zwar gemeinsam mit Überlebenden des Holocausts, von denen einer, Peter Gingold, vor dem Polizeigebäude das Wort ergriff. Es wurde das Polizeipräsidium in Bochum verbal attackiert, das nichts gegen die Straftaten der Nazis unternommen hätte, wozu - trotz der Skandalentscheidung aus Karlsruhe Möglichkeiten bestanden hätten. Polizisten sollten im Geiste des 20. Juli Befehle verweigern, wenn sie sich gegen das Grundgesetz richten. Die Bemühungen der VVN-BdA NRW und anderer Antifaschisten erstmals hatte sich eine Richterinitiative in Bochum gegen rechts zu Wort gemeldet - hatte dahingehend Erfolg, dass gegen mehrere Akteure der Nazis vom 26. Juni inzwischen Anklage erhoben wurde. - Nach dem 26. Juni 04 in Bochum geschah am 9. November 04, ausgerechnet am Jahrestag der Reichspogromnacht, ein weiterer Tabubruch: Nazis durften sich in Leverkusen, Stadt der IG Farben, zusammenrotten.
Mit unserem antifaschistischen Kommunalprogramm haben der Kommunalpolitiker Hans Bienert (Wattenscheid), Uwe Koopmann (Düsseldorf) und andere VVN-Mitglieder, wie Manni Demmer (Leverkusen) inzwischen öffentliche Aktionen und Ratsinitiativen gestartet.
Unsere Erklärung, die aus dem Beschluss unserer 2002er Landeskonferenz abgeleitet wurde und den Titel trägt „Die Nazioffensive nach dem NPD-Freispruch stoppen“ wurde inzwischen von der Bundesorganisation der VVN-BdA übernommen. Sie wurde am 8. Mai 2004 - von zahlreichen Demokraten unterzeichnet - in den Zeitungen „Frankfurter Rundschau“ und „Neues Deutschland“ als Anzeige veröffentlich und soll im Herbst 2005 in Nürnberg in ein Tribunal gegen den Neonazismus einmünden - zum 60. Jahrestag des Beginns der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse.
Es ist auch ein Sieg zu vermelden: Am 9.10.04 wollten die Neonazis, denen derzeit fast jede Provokation in NRW erlaubt wird, auch in Essen-Steele aufmarschieren. Der Aufmarsch wurde von Polizei und Justiz verboten, und er blieb verboten. Unsere Kameradin Alice Czyborra hielt auf einer Antifaschistischen Gegenkundgebung eine stark beachtete Rede. (Siehe
www.nrw.vvn-bda.de)
3. Zusammenarbeit mit dem Förderverein Emslandlagergemeinschaft - Gedenken an Moorsoldaten und Carl von Ossietzky
Mit dem Beschluss der letzten LDK, dass sich unser Landesverband künftig der Verbindung zu dem Förderverein der ehemaligen deutschen Gefangenen der Emsland-Moorlager annehmen werde, begann das Bemühen, die längere Zeit nur noch lose existierende Verbindung unter den ehemaligen Moorsoldaten weiterzuführen. Dies geschah in Abstimmung mit dem VVN-BdA-Landesverband Niedersachsen, der sich bisher um diese Kontakte bemüht hatte, sowie in Absprache mit dem gewählten Vorsitzenden des Fördervereins, Kameraden Georg Gumpert, Bremen. Der letzte Bundeskongress (Vereinigungskongress) hat dementsprechend den Förderverein als eine der VVN-BdA-Bundesvereinigung kooperativ angeschlossene Lagergemeinschaften bestätigt, vertreten im Bundesausschuss durch den Kameraden Gerd Deumlich. In einem Rundbrief an die Mitglieder des Fördervereins haben Jupp Angenfort und Gerd Deumlich informiert und für die politische Notwendigkeit der Fortführung des Erbes der Moorsoldaten argumentiert. Es wurde auf die Gelegenheit verwiesen, bei dem 2005 fälligen (zweijährlichen) Treffen in Papenburg (organisiert vom DIZ-Dokumentations-und-Informationszentrum mit internationaler Beteiligung) eine Zusammenkunft der dann anwesenden Mitglieder des Fördervereins durchzuführen.
In einem erneuten Rundbrief zu Anfang dieses Jahres wird erneut darauf hingewiesen, wie notwendig ein Ratschlag unter den ehemaligen deutschen Moorsoldaten über die Fortführung ihres Erbes im Hinblick auf den 60. Jahrestag der Befreiung Deutschlands und Europas vom Faschismus ist. Wir bemühen es um einvernehmliche Abstimmung mit dem DIZ, denn bei dem für Anfang Mai 2005 eingeladenen Treffen in Papenburg wird es die regelmäßige Tagung des Trägervereins des DIZ - nicht identisch mit dem Förderverein - sowie Aktivitäten von internationaler Seite (Niederlande, Polen), Besuche und Kundgebungen in den einzelnen Moorlagern geben - ein Hintergrund, vor dem sich die Frage nach der Präsenz der nur noch geringen Kräfte der ehem. deutschen Moorsoldaten stellt. In den Zusammenhang ist es ein ermunterndes Zeichen, dass das DIZ unseren Kameraden Peter Gingold als einen Hauptredner eingeladen hat.
Ergänzend ist zum Berichtszeitraum zu betonen, dass die Kameraden Gerd Deumlich und Horst Vermöhlen ins Emsland gefahren sind, um sich der Bewahrung der Gedenksteine für die Moorsoldaten und für Carl von Ossietzky in Esterwegen anzunehmen und in dieser Sache Kontakt zu halten. Ferner konnte eine Gedenkstättenfahrt nach Papenburg in Zusammenarbeit mit der DKP im Mai 2003 organisiert werden. (Gerd
Deumlich)
4. Gegen den Einsatz deutscher Soldaten in Nahost – Frieden für Israel und Palästina (Antrag des Geschäftsführenden Landesausschusses)
5. „Damit Gestern nicht zum Morgen wird“ (Antrag aus Münster)
Die Arbeit mit diesen beiden Anträgen wird auf Seite 2 und 3, Kapitel „Unsere Konferenz 2002“, geschildert.
Initiativantrag - Brief an den Innenminister gegen Bestrafung von Michael Gerber
Kamerad Michael Gerber hatte sich als Versammlungsleiter bei einer Antinazidemonstration geweigert, Transparente zu zensieren. Der Antrag wurde an den Innenminister gesandt. Es kam zu keiner Bestrafung von Michael Gerber.
Initiativantrag - Solidarität mit den Roma in Düsseldorf
Die Landesdelegiertenkonferenz der VVN-BdA NRW solidarisierte sich mit den Aktionen der von Abschiebung bedrohten Roma in Düsseldorf und protestierte gegen die romafeindliche Politik des Oberbürgermeisters. Wir forderten den Innenminister des Landes, Herrn Behrens, auf, sich für das Bleiberechte der Roma einzusetzen. Die VVN Düsseldorf half bei den Aktionen gegen die Abschiebung, die dort 2002/2003 stattfanden. In Bochum konnte die VVN-BdA eine Straßenbenennung nach einem NS-Opfer der Roma erreichen, besondere Veranstaltungen dort waren der Solidarität mit Sinti und Roma gewidmet.
Initiativantrag - Den Krieg verhindern
Die VVN-BdA NRW hatte die Erklärung des Kanzlers vernommen, Deutschland werde sich nicht am Krieg der USA gegen den Irak beteiligen und auch kein Geld dafür ausgeben. Es gehe der Friedensbewegung und den Antifaschistinnen und Antifaschisten aber nicht nur darum, die deutsche Kriegsbeteiligung zu verhindern, sondern den ganzen Krieg: „Wenn die Regierung den Krieg ein Abenteuer nennt, dann muss sie alles tun, um dieses Abenteuer zu verhindern.“ Dazu gehört: „Die Nutzung der militärischen Infrastruktur in Deutschland einschließlich der US-Basen wie Spangdahlem, Ramstein und Frankfurt Airport durch die USA zu verweigern.“ Im Sinne dieses Beschlusses hat sich die VVN-BdA an zahlreichen Aktionen der Friedensbewegung beteiligt.
Tagungen des Landesausschusses
Tagungen des Landesausschusses der VVN-BdA fanden achtmal statt und Tagungen des Geschäftsführenden Landesausschusses zehnmal. Die Tagungen erwiesen sich erneut auch Bildungsveranstaltungen. Der Geschäftsführende Landesausschuss tagte am
01.11.2002
Landesbüro Wuppertal
- Referat: Ulla Jelpke (Berlin / Dortmund)
„Unsere weitere Arbeit gegen Rechtsextremismus und Rassismus, für den Frieden, nach der Bundestagswahl.“
- Berichte aus den Kreisen und dem Landesbüro, Kassierung
- Einschätzung zur Landesdelegiertenkonferenz
05. Februar 2003
Landesbüro Wuppertal
- Resümee der Neofa-Landeskonferenz vom 01.02.2003 in Dortmund
- Aktivitäten gegen den Irak-Krieg der USA
- Fahrt nach Mittenwald zur Demonstration gegen das Gebirgsjägertreffen,
Pfingsten 07. /08.Juni 2003
- Weiteres Vorgehen in Sachen Emslandlager
- Berichte aus den Kreisen und dem Landesbüro
28. März 2003
Landesbüro Wuppertal
- Ostermarsch-Vorbereitung
- Teilnahme an Gedenkstättenarbeit
- Weiteres Vorgehen gegen die Neonazis in NRW
- Verabschiedung einer Verlautbarung zur Forderung nach antifaschistischen und antimilitaristischen Aussagen der EU-Verfassung
- Berichte aus den Kreisen und dem Landesbüro, Kassierung
19. September 2003
Landesbüro Wuppertal
- Wehrmachtsausstellung in Dortmund und die Bemühungen von VVN-BdA Bündniskräften um inhaltsvolle Nebenveranstaltungen
- Die Entwicklung vom Bündnis „Soziale Bewegung“ (Initiator Gewerkschaft
ver.di)
- Beschlussfassung: Jochen und Horst nehmen am NRW Landesjugendtreffen der Gewerkschaft ver.di teil
- Berichte aus den Kreisen und dem Landesbüro, Kassierung
17. Oktober 2003
Arbeitstagung im Landesbüro
- Zustimmung zum Zusammenschluss der Kreise Köln und Bonn
- Beschlüsse: Zuschuss zur VVN-Arbeit bei der Wehrmachtsausstellung in Dortmund
Schreiben an den Petitionsausschuss Düsseldorf bzgl. Münsteraner Rechtsprechung gegen Neonazis
Zuschuss für die neue Herausgabe des „Weissbuches 1960“ der VVN.
Zuschuss Herbstsammlung der Ostermarsch-Bewegung
Zuschuss Jugendkonferenz der VVN-BdA 2004
06. Februar 2004
Landesbüro Wuppertal
- Entwurf des Haushaltsplanes 2004
- Zu den Veranstaltungen in der Wenzelnbergschlucht, Tagung des Rombergparkkomitees in Dortmund
- Unterzeichnung: Ostermarschaufruf für die Aktionen vom 10. bis 12. April 2004
- Beteiligung an der Aktion in Mittenwald
- Informationen über die Aktionskonferenz des Bündnisses „Soziale Bewegung NRW“mit Blick auf die Demonstration am 03. April 2004 in Köln (Jupp Angenfort vertritt uns im Bündnis)
- Information von Ulli bzgl. der Hausdurchsuchung der Staatsanwaltschaft Dortmund (03.12.2003) wegen „Amtsanmaßung“ und der gleichzeitigen Durchsuchung des Landesbüros des Wuppertaler Staatsschutzes.
- Berichte aus den Kreisen und dem Landesbüro, Kassierung
04. Juni 2004
Landesbüro Wuppertal
- Bericht über die Demonstration in Mittenwald
- Vorstellung Ursula Albel, sie hilft beim archivieren
- Berichte aus den Kreisen und dem Landesbüro, Kassierung
24. September 2004
Landesbüro Wuppertal
- Vorbereitung der Landesdelegiertenkonferenz am 12. Februar 2005 in Düsseldorf
- Berichte aus den Kreisen und dem Landesbüro
26. November 2004
Landesbüro Wuppertal
- Vorbereitung und Stand zur Landesdelegiertenkonferenz
- Berichte aus den Kreisen und dem Landesbüro
Tagungen des Landesausschusses:
30. November 2002
Landesbüro Wuppertal
- Informationen aus den Kreisen und dem Landesbüro, Kassierung
- Referat: Ulla Jelpke (Berlin / Dortmund):
„Eintreten für Frieden, demokratische Rechte - Gegen Militarismus und Rechtsextremismus unter Berücksichtigung der Entwicklung seit der Bundestagswahl“
- Fortsetzung der Diskussion zur Frage unserer Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus auf der Grundlage des Papiers der VVN-BdA Münster (wurde auf der Landesdelegiertenkonferenz nicht zu Ende diskutiert)
- Vorbereitung der antifaschistischen Landeskonferenz 2003 in Dortmund
10. Mai 2003
Landesbüro Wuppertal
- Informationen aus den Kreisen und dem Landesbüro, Kassierung
- Referat Jupp:
„Zur politischen Lage nach dem Irak-Krieg und nach dem Nicht-Verbot der NPD“
- Informationen zum Hearing und zur Demonstration in Mittenwald
19. Juli 2003
Landesbüro Wuppertal
- Informationen aus den Kreisen und dem Landesbüro, Kassierung
- Bericht von Gerd Deumlich von mehreren Fahrten nach Papenburg
(DIZ)
- Beschlossen wurde:
Der bundesweite Appell „Abrüstung statt Sozialabbau“
Prüfung Rest-Kassierung des Jahres 2002
Ein Aufruf an die Landesregierung und den Landtag, an alle Demokraten im Lande:
„Die Nazioffensive nach dem NPD Freispruch stoppen!“
29. November 2003
Landesbüro Wuppertal
- Informationen aus den Kreisen und dem Landesbüro, Kassierung
- Referat: Ortwin Bickhove-Swiderski (Gewerkschaftssekretär des Verdi-Landesverbandes)
„Für die Entwicklung des Bündnisses soziale Bewegung in NRW“
- Start einer Kampagne zur Schaffung eines Bündnisses gegen Rechts in NRW
20. März 2004
Landesbüro Wuppertal
- Informationen aus den Kreisen und dem Landebüro, Kassierung
- Die Aufgaben der VVN-BdA im Wahljahr 2004
- Stand der Vorbereitung der Landeskonferenz antifaschistischer Initiativen und Organisationen 2004 in Köln
- Bericht von der Gedenkstätten-Konferenz
03. Juli 2004
Landesbüro Wuppertal
- Informationen aus den Kreisen und dem Landesbüro
- Verteidigung der Grundrechte und der Demokratie
- Zur Entwicklung von Faschismus und Antifaschismus nach den Europawahlen
09. Oktober 2004
Oberhausen-Eisenheim
- Berichte aus den Kreisen und dem Landesbüro, Kassierung
- Referat: Prof. Dr. Gerhard Fischer (Bundessprecher der VVN-BdA, Berlin)
„Verteidigung der Grundrechte und der Demokratie - Zur Auseinandersetzung um die EU-Verfassung und das Grundgesetz“
- Erläuterungen von Ulli Sander über die Kriegsendphasenmorde, Jahrestage 2005
- Beschlossen wurde die Arbeitsplanung zur Landesdelegiertenkonferenz 2005
18. Dezember 2004
Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal
- Informationen aus den Kreisen und dem Landesbüro, Kassierung
- Die VVN-BdA NRW im Jahre des 60. Jahrestages der Befreiung von Krieg und Faschismus
- Vorbereitung und Stand zur Landesdelegiertenkonferenz
- Treffen zu Karfreitag 2005 in Dortmund:
Das Internationale Rombergparkomitee ruft auf zur Zusammenarbeit der Hinterbliebenen des Nazi-Terrors vor 1945 und Ihrer Freunde und Mitstreiter
Die Tagungen des Landesausschusses wurden gemeinsam mit dem Geschäftsführenden Landesauschusses durchgeführt. Berichte von den Tagungen des Bundesausschusses der VVN-BdA wurden dem Geschäftsführenden Landesausschuss und dem Landesausschuss von Jupp Angenfort, Gerd Deumlich und Ulli Sander erstattet.
Die Arbeitsfelder der VVN-BdA NRW
Mehr Antifa ins Grundgesetz (Antrag des Landesausschusses an den Bund)
„Die Verfassung und das von den Organen der Union (...) gesetzte Recht haben Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten.“ Europäisches Recht geht vor nationales Recht, sagt der Artikel I-6 des „Vertrages über eine Verfassung für Europa.“ (FR 3.11.04)
Diese drohenden Festlegungen bestätigen unsere Warnungen seit 2000. Damals hatte die VVN-BdA NRW ein Papier vorgelegt, das auch vom damaligen Bundeskongress bestätigt wurde; die Überschrift lautete: „Europas Verfassung - aber bitte nur eine antifaschistische“ Es ging uns um die Sicherung und Wiederherstellung aller antifaschistischen und demokratischen sowie antimilitaristischen Positionen des Grundgesetzes wie der Länderverfassungen. In diesem Sinne haben wir im Herbst 2002 auch dem Vereinigungskongress der VVN-BdA einen Antrag vorlegt, der mit großer Mehrheit angenommen wurde. Auf der Grundlage des Beschlusses richtete die Bundesorganisation mehrere Briefe an den Bundestag, den EU-Verfassungskonvent und die Gremien der EU für den EU-Grundrechtekatalog.
Sämtliche genannten Dokumente hat der VVN-Bundesausschuss in einer Broschüre „Antifaschistisches Europa - Vermächtnis und Ziel“ im Herbst 2004 veröffentlicht. (Kann aus dem Internet heruntergeladen werden.) Darin geht es um die Wiederherstellung und Sicherung aller antifaschistischen und demokratischen sowie Friedenspositionen des Grundgesetzes, der Länderverfassungen sowie ihre Verankerung in Europa. Auf einer Landesausschusstagung beschäftigten wir uns auf der Grundlage eines Referats des Kameraden Prof. Gerhard Fischer mit der Problematik. Sehr bedenklich sei die Entwicklung der EU-Verfassung. Auf einiges könne man sich berufen, vieles - besonders zum Thema Frieden oder Krieg - müsse abgelehnt werden. In der Diskussion wurde erörtert, ob man im Zusammenhang mit der EU-Verfassung schon bei der Max-Reimann-Position angelangt sei (ablehnen, aber sich auf das Verteidigenswerte berufen) oder ob noch der Kampf gegen die gesamte EU-Verfassung vordringlich sei. Es wird der Gedanke der Volksabstimmung thematisiert. Es wird betont, es sei die Geschichte des Grundgesetzes nicht nur eine Geschichte der Niederlagen gewesen, allerdings hätten diese überwogen. Erinnert wurde an den einzigen Generalstreikbeschluss der Gewerkschaften in der bundesdeutschen Geschichte, dem ein erfolgreicher Proteststreik von 30.000 Metall- und Bergarbeitern vorausging. Damit wurde 1955 die Mitbestimmung verteidigt. Einige Diskussionsteilnehmer erinnerten an den Widerstandsrechtsartikel im Grundgesetz, der im Zuge der Notstandsdiskussion in die Verfassung eingearbeitet wurde, und zwar 1968. Eine Niederlage im Ringen um die Bewahrung des Grundgesetzes sei der Krieg gegen Jugoslawien 1999 gewesen, der gegen Verfassung und Völkerrecht gerichtet gewesen sei.
Solidarität mit Zwangsarbeitern - Antrag des LV NRW an den Bundeskongress
Im Jahre 2000 hatten wir die Schaffung eines Mahnmals für Zwangsarbeiter in NRW angeregt. Wir sind nicht ausreichend an dieser Forderung drangeblieben. Entschieden unterstützten wir die Forderung, auf dem Gelände des ehemaligen Auffanglagers in Dortmund-Hörde eine Gedenkeinrichtung für die Menschen zu schaffen, die dort gelitten haben. Diese Forderung durchzusetzen, ist dringlich, weil die Flutung des Geländes zum „Phönix-See“ droht. In Dortmund wurde der entsprechende Antrag gestellt.
Während die Arbeit zur Beschaffung von Nachweisung, die der Bewilligung von Geldern für die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter dienen, bis 2002 im Vordergrund stand und das Eintreten für mehr Geld für die Betroffenen auch im Mittelpunkt unseres Antrages an den Bundeskongress stand, war der Berichtszeitraum seitdem eher angefüllt mit Aktionen vor allem in den Städten und Gemeinden für die Erinnerungsarbeit und für Begegnungen mit Zwangsarbeitern. Solche Aktionen wurden besonders in Dortmund, Dülmen, Oberhausen, Wuppertal und Bochum von der VVN-BdA unterstützt.
- Eine Zwangsarbeiterinitiative schuf in Köln-Nippes eine Gedenktafel für die Ford-Zwangsarbeiter; im LD-Haus folgte eine Ausstellung dazu.
- In Bochum war die VVN-BdA beteiligt an der Herausgabe einer CD-Rom der „Initiative ‚Entschädigung jetzt’“. Ihr Titel: „Zwangsarbeit in Bochum - Der lange Prozess der Entschädigung für die Betroffenen“; enthalten sind Vorträge von Experten, Interviews mit Betroffenen und Zeitzeugen und Ausführungen von Journalisten. Außerdem arbeitete die VVN-BdA mit an einem Buch „Und die Erinnerung trugen wir im Herzen“ - Briefe ehemaliger Zwangsarbeiter aus Bochum 1942-1945. Dieses Buch erhielt einen Preis des Geschichtsforums Ruhr.
- Wie steht es um die Entschädigung der Betroffenen nach dem Stiftungsgesetz? Von der Tagung des Bundesverbandes Information und Beratung für NS-Verfolgte wurde vom
VVN-BdA-Delegierten berichtet:
„Das Kuratorium der Stiftung ‚Erinnerung, Verantwortung und Zukunft’ (EVZ) beschloss in seiner Sitzung vom 23. /24. Juni 04, die bei der Stiftung aufgelaufenen Zinsen auf ihre russische Partnerorganisation, die IOM (für Nichtjuden im ‚Rest der Welt’) und die Jewish Claims Conference (JCC) aufzuteilen. Reduziert werden die Beträge für ZwangsarbeiterInnen in Industrie und Landwirtschaft sowie für Erben.
Im Zuge der Zwangsarbeiterentschädigung hatte das Bundesarchiv in einem Projekt ‚Nachweisbeschaffung’, an dem der Bundesverband beteiligt war, 413.427 Anfragen zu bearbeiten, von denen
- 288.295 von den Partnerorganisationen und 43.103 durch Recherchen in Deutschland
(Internationaler Suchdienst sowie regionale, überregionale und Firmenarchive positiv erledigt werden konnten.
- 48.044 nachbearbeitet werden, während bei
- 36.985 die Bemühungen ergebnislos blieben.
Nach wie vor unterstützt der Bundesverband das Bestreben der italienischen Militärinternierten (‚IMI’), für ihre Zwangsarbeit entschädigt zu werden (Kontakt mit Rechtsanwalt Lau, der jetzt für sie beim Europ. Gerichtshof prozessiert). Ein Unterstützertreffen soll demnächst stattfinden.“ (Bericht von Prof. Gerhard Fischer, VVN-Vertreter beim BV)
Fast 37.000 Antragsteller und die IMIs sollen leer ausgehen, wenn nichts geschieht. Die VVN-BdA will daher einen Kongress unterstützen, mit dem gefordert wird: „NS-Opfer entschädigen - Täter bestrafen“. Internationale Konferenz am 9. -10. April in Berlin. Geplant vom "Arbeitskreis Distomo" (Hamburg) gemeinsam mit dem "Arbeitskreis Angreifbare Traditionspflege" (NRW) und anderen. Im Aufruf heißt es: „Aus Anlass des 60. Jahrestages der Befreiung vom Nationalsozialismus wollen wir den Forderungen nach Entschädigung aller NS-Opfer und Verfolgung der Täter Nachdruck verleihen, die im regierungsoffiziellen Gedenken keine Rolle spielen werden.“
(Anschrift: AK-Distomo, c/o Anwaltsbüro Martin Klingner, Budapester Str. 49, 20359 Hamburg.)
Die VVN-BdA NRW und die Friedensbewegung
Immer wieder hat sich der Landesausschuss mit dem Stand der Friedensbewegung befasst. Es wurde beschlossen, an den Ostermarschvorbereitungen 2003, 2004 und 2005 teilzunehmen und auch an den Tagungen des Ostermarsches Rhein/Ruhr. Manchmal wäre mehr Sichtbarkeit der VVN-BdA auf den Straßen mittels Fahnen und Transparenten zu wünschen gewesen.
Unsere Position in der Friedensbewegung ist vor allem auf die Verhinderung weiterer Kriege und auf die Verhinderung der Kriegsteilnahme Deutschlands - allein schon aus seiner Geschichte heraus - gerichtet. Krieg kann verhindert werden durch Abrüstung, konsequenten Antimilitarismus - entsprechend den Artikeln 83 und 26 des Grundgesetzes - und durch Antifaschismus, denn die Geschichte verbietet den Deutschen das Kriegführen außerhalb der vom Grundgesetz gesetzten Grenzen. Vor allem müssen die Friedens- und die gewerkschaftliche sowie Sozialbewegung zusammengeführt werden. Gelingt es, den Rüstungshaushalt zu verringern, könnten die aggressiven Interventionskriege Deutschlands in aller Welt nicht geführt werden. Der Kampf gegen Sozialabbau muss mit dem Kampf um Rüstungsverringerung und Frieden verbunden werden. Zugleich erweist sich die Friedensbewegung als demokratiestiftend und Demokratie bewahrend, wenn sie die neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien bekämpft, die eine starke innenpolitisch reaktionäre Komponente enthalten und die alten 92er Verteidigungspolitischen Richtlinien der Militärs und der CDU fortschreiben.
Große Gefahren für die Demokratie und den Frieden gehen von der neuen EU-Militärdoktrin - auch verankert im Entwurf der EU-Verfassung - aus. Sie schafft die Rolle der Parlamente in der Frage von Krieg oder Frieden faktisch ab und zwingt die Mitgliedsländer zur Hochrüstung. Wir stellten fest, auf dem Gebiet der Rüstung und langfristigen Kriegsvorbereitung wollen sich Deutschland und die EU die gleichen oder ähnliche Optionen und Möglichkeiten wie die USA verschaffen. Auch deshalb erfolge der Sozialabbau: Um Deutschland außenpolitisch mächtig zu machen.
Die Arbeit der Neofa-Kommission NRW der VVN-BdA
Bericht der Kommission „Neofaschismus“ beim Landesausschuss der VVN-BdA NRW: Die Kommission hat sich im Berichtszeitraum regelmäßig alle acht Wochen getroffen. Die Mitglieder der Kommission arbeiten teilweise seit 15 Jahren zusammen. Durch die Kooperation mit dem Hartmut Meyer Archiv und dem regelmäßigen Erfahrungsaustausch ist in der Kommission über Jahre ein großer Wissens- und Erfahrungsschatz versammelt.
Die Kommission führt jährlich Wochenendseminare zu aktuellen Fragen der Auseinandersetzung mit dem Neofaschismus durch. Die Ergebnisse der Seminare werden in Form von Berichten und/oder Broschüren zur Verfügung gestellt.
Auf sehr gute und breite Resonanz stieß die Broschüre zum Thema „Der deutsche Militarismus ist nicht tot- er riecht nur streng“. Auch bei unseren Bündnispartnern in der Friedensbewegung wurde diese Argumentation als eine Bereicherung der eigenen Arbeit angesehen. Als zweite Broschüre ist „Grenzen auf für Deutschland? Aktuelle Analysen zu Pan-Germanismus, Revanchismus, Ostexpansion“ erschienen. Sie ist das Ergebnis des gleichnamigen Wochenendseminars und versucht, die Modernisierung des Revanchismus nachzuzeichnen, Argumente gegen diese friedensgefährdenden Kräfte zu sammeln und der antifaschistischen Bewegung für die praktische Auseinandersetzung zur Verfügung zu stellen.
Auch nach dem Wochenendseminar „Biopolitik, Gentechnik und faschistisches Menschenbild“ erschien eine Broschüre zum gleichen Thema. Es galt, die Zusammenarbeit mit fortschrittlichen PublizistInnen und WissenschaftlerInnen zu suchen, Kompetenz auf diesem unseren Alltag prägenden Thema zu erlangen und die Ergebnisse antifaschistischer Kämpfe in den Diskurs einfließen zu lassen. Da das Thema für viele außerhalb der eigenen täglichen Auseinandersetzungen lag, fand die Veröffentlichung nicht die gewünschte breite Aufnahme.
Zurzeit ist in Vorbereitung eine Sondernummer der antifaschistischen Zeitung in NRW „Lotta“. Im Bündnis mit den Kräften um die Zeitschrift arbeitet die Neofa- Kommission an diesem Beitrag im Landtagswahlkampf. Grundlage der Sonderausgabe war ein gemeinsamer Workshop in Leverkusen. Die neue Publikation erscheint im April 2005.
Die Kommission beteiligt sich regelmäßig an den Vorbereitungen und der Durchführung der landesweiten Konferenzen antifaschistischer Initiativen und Organisationen in NRW. Sie hält Verbindung zur Bundeskommission „Neofaschismus“ und zum bundesweiten Treffen der Archive.
Die Kommission wünscht sich weitere Unterstützung aus den Kreisvereinigungen. Der Anspruch, flächendeckend für NRW zu arbeiten kann natürlich nicht erhoben werden, aber jeder Schritt in diese Richtung erhöht die Qualität der Arbeit der Kommission.
Qualifizierte Auseinandersetzung mit den neofaschistischen Kräften in NRW muss alle Kräfte einbeziehen, die den Faschismus mit seinen Wurzeln vernichten wollen. Leider finden sich innerhalb der VVN-BdA immer weniger Menschen bereit, diese Arbeit zu leisten. Umso wichtiger ist die Bündnisarbeit mit jungen Menschen, die der VVN-BdA noch distanziert aber freundlich gegenüberstehen. (Kurt Heiler)
Leider schwieg die Justiz seit eineinhalb Jahren zu einem Schreiben unseres Landessprechers Jupp Angenfort, mit dem er Anzeige erstattete, um die
Band der Nazis namens OIDOXIE strafrechtlich zu verfolgen. Jupp Angenfort hat im Herbst 2004 in einer Vortragsveranstaltung in Dortmund die Schritte der VVN-BdA gegen die Oidoxie-Band erläutert. Und er hat unsere Anzeige gegen sie bekräftigt. (Ende Januar 2005 wurde bekannt, dass gegen Bandmitglieder von OIDOXIE Anklage erhoben wird, nicht wegen ihrer Mitwirkung dort, sonder bei einer anderen Band.) Auch wenn gegen diese Veranstaltung mit Jupp Angenfort Nazis vor dem Versammlungsraum im Dortmunder „Z“ aufmarschierten - und dabei von der Polizei geschützt wurden - werden wir auf Maßnahmen gegen die Naziband bestehen.
Die Hohmann-Affäre hat auch unser Bundesland NRW erreicht. Der antisemitisch sich
atikulierende Ex-CDU-MdB Martin Hohmann ist nämlich zweiter Vorsitzender des Landesverbandes NRW des Bundes der Selbständigen; diesen Landesverband prägen er und andere Rechte auf ihre Weise.
(Siehe den Anhang. Rede vor dem Westfälischen Industrieclub in Dortmund 31.1.04)
Die Konferenzen antifaschistischer Organisationen und Initiativen in NRW fanden statt
- am 1. Februar 2003 in Dortmund und
- am 15. Mai 2004 in Köln.
Mit jeweils 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmern war wieder ein leichter Aufschwung in der Entwicklung dieser Konferenzen spürbar. Für die VVN-BdA war das ein Fortschritt im Bemühen, auf Landesebene wieder stärker im Bündnis gegen rechts zu wirken. Die Mitwirkung von Zeitzeugen wie Heinz Junge, Henny Dreifuss, Valentin Frank, Lore Junge, von Experten wie Ulla Jelpke, Alfred Schobert und von befreundeten Juristen an den Landeskonferenzen trug erheblich zu deren Erfolg bei. Im Wahljahr 2004 konnten Aktionen der VVN-BdA und anderer Antifaschisten gegen rechts bei der Antifaschistischen Landeskonferenz koordiniert und der Gedanken- und Erfahrungsaustausch gepflegt werden. Die Themen „Eingreifen in den Kommunalwahlkampf“ und „Kampf gegen Repression“, die die Kölner Konferenz prägten, erwiesen sich als voller Erfolg.
Solidarisch mit den griechischen und italienischen Antifaschisten
Seitdem wir im November 1998 unser erstes deutsch-griechisches Solidaritätstreffen in den Räumen der Gemeinde der Griechen in Dortmund durchführten, gehört das Eintreten für die Bestrafung der Täter der Massaker im Krieg in Griechenland und ganz Südeuropa und für die Entschädigung der Opfer zu einem wichtigen Teil unserer Arbeit.
Zu Pfingsten 2002 unterstützte die VVN-BdA NRW die Aktion von über 50 nordrhein-westfälischen jungen Antifaschistinnen und Antifaschisten, die beim Gebirgsjägertreffen alter und jüngerer Reservisten in Mittenwald auf die Verbrechen der Gebirgsjäger der Wehrmacht in Griechenland und anderswo aufsehenerregend hinwiesen. Hier bewährte sich das
Antimilitaristische Bundeswehrarchiv der VVN-BdA NRW (im Aufbau). Denn mit ihm konnte die Recherche vorangetrieben werden und es konnten 196 mögliche Täter identifiziert und beim Staatsanwalt angezeigt werden. Immer wieder befassten wir uns mit den Bemühungen um die Verurteilung der Mörder der griechischen und - bald auch - der italienischen Antifaschisten und Naziopfer. Dazu beschloss im Herbst 2002 der Bundesausschuss:
Betr. Hearing zur Bestrafung der Täter aus der 1. Gebirgsdivision: Der Bundesausschuss unterstützt Pläne, zur Solidarität mit den griechischen Opfergemeinden und den Opfern des Naziterrors im gesamten Südeuropa eine Protestveranstaltung sowie ein Hearing mit Zeitzeugen zu Pfingsten 2003 in Mittenwald und München zu veranstalten. Die Bemühungen um die Bestrafung der Täter aus der 1. Gebirgsdivision, schuldig des Massenmordes im Vernichtungskrieg der Wehrmacht, werden von der VVN-BdA als dringlich angesehen. Die Enthüllungsarbeiten zu diesem Verbrechenskomplex werden fortgeführt.
Entsprechend wurde Pfingsten 2003 und 2004 verfahren, und nun laufen wieder die Vorbereitungen für Pfingsten 2005. Die Zusammenarbeit mit dem Landesverband Bayern der VVN-BdA und mit dem Arbeitskreis „Angreifbare Traditionspflege“ wird dabei vertieft.
Gute Ergebnisse bringt dieser Teil unserer Tätigkeit auch für die Öffentlichkeitsarbeit. So konnten wir mit dafür sorgen, dass „Monitor“ im Dezember 2002 einen Beitrag über die Untaten der Nazi-Wehrmacht in Griechenland ausstrahlte. Am 20. 9. 03 demonstrierten wir vor der „Zentralstelle im Lande NRW für die Bearbeitung von NS-Massenverbrechen“ in Dortmund. Griechische Freunde, Geistliche wie Arnold Haumann, Zeitzeugen wie Ludwig Baumann sprachen zu den Anwesenden, die gekommen waren, um neue Beweise für die Untaten der Gebirgsjäger der Staatsanwaltschaft demonstrativ zu übergeben. Kontakte konnten zum Simon-Wiesenthal-Center hergestellt werden, besonders hinsichtlich der Aktion „Die letzte Chance“, mit der noch lebende NS-Verbrecher gefasst werden sollen.
Die Aktionen bei der Staatsanwaltschaft Dortmund - die erste fand im April 2003 mit der Übergabe und Veröffentlichung von Anzeigen statt - trugen der VVN-BdA NRW und ihrem Landesprecher, dem Journalisten Ulrich Sander, aber auch sehr bedrückende, empörende Verfolgungsmaßnahmen ein. Darüber wird im nächsten Abschnitt berichtet, den eine Journalistin und Kollegin beisteuerte:
Die verlorene Ehre des Rechercheurs
Recht haben und Recht bekommen ist bekanntlich zweierlei. Auch im demokratischen Rechtsstaat. Unser Fall zeigt, wie schnell juristische Möglichkeiten erschöpft sind, wenn ein Beschuldigter sich wehren und seine Rehabilitation betreiben will. Und wie lange Staatsanwälte ermitteln dürfen.
Die Vorgeschichte. Die Gebirgsjäger, eine noch heute in der Bundeswehr hochangesehene und bei Auslandseinsätzen bewährte Truppe, haben einen aktiven Traditionsverband mit 8000 Mitgliedern. Zu dessen regelmäßigen Treffen erscheint - in Erinnerung an seinen eigenen Grundwehrdienst – gern der bayerische Ministerpräsident oder schickt Grußbotschaften. Ein Stück der bis ins bayerische Königreich zurück reichenden Traditionslinie hüllen die Veteranen offiziell lieber in Schweigen. Im Zweiten Weltkrieg hat die “Truppe unterm Edelweiß” als Hitler-Elite blutige Spuren vor allem in der UdSSR und auf dem Balkan hinterlassen. Sie verübte Kriegsverbrechen auch in Griechenland, wo etwa die 12. Kompanie des Gebirgsjägerregiments 98 im August 1943 in der Ortschaft Kommeno 317 Zivilisten niedermetzelte. Truppen der 1. Gebirgsdivision ermordeten am 13. September 1943 auf der Insel Kephalonia mindestens 4000 italienische Kriegsgefangene. Diese und andere Verbrechen sind bis heute ungesühnt. Ermittlungen gegen mögliche Tatbeteiligte wurden zumeist Ende der 1960er Jahre eingestellt. Die Opfer der Massaker erhielten keinerlei Entschädigung und müssen - sofern sie dazu noch in der Lage sind - einen langwierigen Weg über internationale Gerichte beschreiten.
Der Journalist und Landessprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN-BdA), Landesverband Nordrhein-Westfalen, Ulrich Sander recherchiert seit langem zu diesen Gräueltaten. Er übersandte im April 2003 eine Liste mit fast 200 Namen von möglichen Tätern an die Staatsanwaltschaft in Dortmund. Das belastende Material war von ihm selbst und von einer Arbeitsgruppe der Universität Wuppertal zusammengetragen worden. Zeitungsberichten zufolge sind auf Grundlage dieser Dokumente bisher ganze fünf Ermittlungsverfahren gegen mutmaßliche Kriegsverbrecher eröffnet worden.
Schatten der Vergangenheit. Um einiges schneller reagierte die Justiz, als ehemalige Gebirgsjäger mit gefälschten Schreiben vorstellig wurden. Ihnen war auf Kopfbögen der Staatsanwaltschaft vermeintlich amtlich mitgeteilt worden, dass gegen sie neuerlich ermittelt werde. Da die Fälschungen inhaltlich und in der Diktion dem authentischen Schreiben eines Oberstaatsanwaltes an die VVN-BdA in Wuppertal ähnelten, wurde der Verdacht geäußert, dass Ulrich Sander sie gefertigt haben könnte. Seit Mai 2003 wird deshalb gegen den Journalisten ermittelt. Auf Grundlage zweier Durchsuchungsbeschlüsse vom Juli und Oktober 2003 wurde am Anfang Dezember 2003 in seiner Wohnung eine Hausdurchsuchung vorgenommen. Ein entlastendes Schreiben eines Kriminalhauptkommissars des Staatsschutzes, der nicht einmal einen Anfangsverdacht sah, war vorher aus den Ermittlungsakten verschwunden und tauchte erst Monate später wieder auf. Bei der Durchsuchung wurde Sander der “Amtsanmaßung” beschuldigt, er wurde nicht angehört und sein Computer beschlagnahmt.
Die dju protestierte seinerzeit gegen die Verletzung des Zeugnisverweigerungsrechtes und bewertete das Vorgehen als “illegale Ausforschung von Rechercheergebnissen unter einem strafrechtlichen Vorwand”. Nach Bekunden von Oberstaatsanwältin Dr. Ina Holznagel war “damals die Festplatte kopiert und das Gerät zügig wieder zurückgegeben” worden. Die Auswertung habe keinerlei belastendes Material erbracht. Allerdings waren in der Folge Sanders Privatanschluss und das Telefon des VVN-Landesbüros monatelang manipuliert und teilweise durch eine dritte Leitung blockiert, die erst nach mehrfacher Intervention von der Telekom gekappt wurde.
Moderne Farce. Sander erklärt nicht nur permanent, mit den gefälschten Schreiben nichts zu tun zu haben, sondern betreibt aktiv seine Rehabilitation. So wollte er freiwillig einen Abgleich mit möglichen DNA-Spuren an den verwendeten Briefmarken ermöglichen. Ob das Sinn macht, ist noch immer unklar, da sich die aufwändige und als “nicht prioritär” eingestufte Suche nach DNA-Spuren an den Briefumschlägen beim Landeskriminalamt bis Anfang 2005 hingezogen hat und die Staatsanwaltschaft, so die Pressesprecherin, bisher das Ergebnis nicht kennt.
Der von Sander angerufene Landesdatenschutzbeauftragte blieb weitgehend untätig, ein Landtagsausschuss sah “keinen Anlass”, tätig zu werden. Auch der Rechtsweg, den der Beschuldigte mit ver.di-Unterstützung antrat, führte in die Sackgasse: Das Landgericht Dortmund verwarf die Durchsuchungsbeschwerde Sanders im April 2004 unwiderruflich und erweiterte die Vorwürfe sogar noch um den Tatbestand der “Beleidigung” an den ehemaligen Gebirgsjägern. Eine Verfassungsbeschwerde des Journalisten wegen Verletzung von Grundrechten wurde in Karlsruhe nicht angenommen, weil, so die Begründung vom September vergangenen Jahres, die Entscheidungen der Fachgerichte “keinen Fehler” enthielten. So dauern fruchtlose Ermittlungen an, die bestenfalls geeignet sind, den Journalisten und die VVN-BdA “zu stören, zu behindern und zu verängstigen”. Sie haben keinen Schritt näher zu den wirklichen Fälschern geführt, lenken aber gleichzeitig davon ab, dass die Untersuchungsbehörden im Fall der Gebirgsjäger, so Sander, beinahe “zum Jagen getragen” werden müssten. Nach Meinung von Sanders‘ Anwalt hat die Angelegenheit “längst den Bereich der Farce” überschritten.
Der Beschuldigte muss jetzt das Strafverfahren abwarten. Er könnte sich noch an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wenden. Oder an das Parlamentarische Gremium des Bundestages zur Kontrolle der Geheimdienste. Das würde vielleicht wenig helfen, doch da gehörte die Sache womöglich hin. Wenn - wie Sander vermutet - die Ermittlungsbehörden seine Computerdaten “im Rahmen von Quasi-Amtshilfe nach § 18 Bundesverfassungsschutzgesetz an die Geheimdienste” weitergegeben haben, könnten sie ihm schlechterdings nicht mehr zurückerstattet werden. Dass – wer auch immer - beim Datenklau an das gesamte Archiv Sanders und darüber hinaus an die Namen von 1100 Mitgliedern der VVN-BdA in Nordrhein-Westfalen gekommen ist, darf als nicht unbedeutender Nebeneffekt gewertet werden, solange der Verfassungsschutz die Vereinigung noch immer observiert. Die Tatsache, dass Festplattenkopien eine “angemessene rechtsstaatliche Begrenzung der Durchsuchung” eigentlich ausschließen, will offenbar auch niemand wahrnehmen. Schließlich: Es ist wohl, wie nach der Novellierung des § 100h der Strafprozessordnung von Kritikern befürchtet wurde: Man muss einen Journalisten nur mit einer Straftat in Verbindung bringen, schon sind auch rechtsstaatliche Errungenschaften wie das Zeugnisverweigerungsrecht nicht einmal mehr Papiertiger. (Bericht einer Journalistin aus der Deutschen Journalisten Union)
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Wir und die Entschädigung
Vergessene Opfer aus Griechenland und Italien - für die setzten und setzen wir uns ein. Doch es gibt sie auch noch in Deutschland. 1951 wurde ein Strafrechtsänderungsgesetz, von ehemaligen NS-Juristen konzipiert, im Bundestag durchgesetzt, das viele NS-Opfer, so sie kommunistischer Gesinnung waren und sich politisch links betätigten, von der Entschädigung ausschloss und sie kriminalisierte; zudem wurden - besonders nach dem KPD-Verbot von 1956 - viele Antifaschisten politisch verfolgt. Festgegossen wurde diese Regelung später im § 6 des Bundesentschädigungsgesetzes, der nie aufgehoben wurde. Doch nicht nur Kommunisten wurden während des Kalten Krieges politisch verfolgt: 1968 bilanzierten Juristen für die Jahre von 1951 bis 1968 an die 250 000 Ermittlungsverfahren, in die etwa 500 000 Personen einbezogen wurden. Rund 10.000 Verurteilungen durch die Sonderstrafkammern waren das Ergebnis der „extensiven Kommunistenverfolgung“, dieses „Gesinnungsstrafrechts“, wie es Dr. Rolf Gössner formulierte. Immer wieder, zuletzt am 28. Oktober 2004 unter Drucksache Nr. 15/3961 lehnte der Bundestag die Rehabilitierung der Opfer des Kalten Krieges, auch der doppelt verurteilten und verfolgten (vor und nach 1945) Antifaschisten ab. (nach ND vom 14.12.04) Unser Kamerad Gerd Deumlich, Mitglied des Landes- und Bundesausschusses, arbeitet sehr intensiv in der „Initiativgruppe für die Rehabilitierung der Opfer des Kalten Krieges“ mit, der wir partnerschaftlich verbunden sind.
Zur Geschichtsarbeit
Nach wie vor ist von großer Bedeutung das Auftreten von Zeitzeugen wie Maria Wachter, Bruno Bachler (er besonders als Vertreter der VVN-BdA-eigenen Gedenkausstellung in Duisburg) und von Jupp Angenfort, ferner von unserer niederländischen Freundin Celine van der Hoek-de Vries (Amsterdam), die als Holocaustüberlebende in Münster, Dortmund und Lippstadt bei der VVN-BdA sprach und im Januar 05 durch Vermittlung der VVN-BdA und in Verbindung mit unserer befreundeten niederländischen Organisation „Kindermonument“ in Bielefeld, Ahlen, Dortmund - u.a. als Zeitzeugen in Schulen und vor Jugendgruppen sprechen wird.
Die Wehrmachtsausstellung „Vernichtungskrieg der Wehrmacht 1941-1945“ im Sept./Nov. 2003 In Dortmund wurde auch von der VVN-BdA mit einer Reihe von Veranstaltungen unterstützt. Einige davon waren den 60. Jahrestagen von Wehrmachtsverbrechen gewidmet.
Die Reden von Jupp Angenfort und Ulrich Sander in der Wenzelnbergschlucht bei den Gedenkveranstaltungen 2003 und 2004 gehören ebenso zu unseren Beiträgen zur Geschichtsarbeit wie die Reden von VVN-BdA-Kameradin Gisa Marschefski (Internationales Rombergparkkomitee) bei den
Gedenkkundgebungen 2003 und 2004 der Stadt Dortmund für die Opfer der Karfreitagmorde in der Bittermark und im Rombergpark.
In mehreren Städten lief die Aktion Stolpersteine an, so in Düsseldorf, Duisburg, Köln und Bochum, und wir unterstützen sie. In Dortmund ist die Aktion noch in der Planung und soll im Februar 2005 starten.
Klaus Kunold (Bochum) und Heinz Wohlert (Velbert/Wuppertal) sind als Zeitzeugen bei
antifaschistischen Stadtrundgängen unterwegs. Auch in Remscheid gibt es geschichtliche Stadtspiele. In Sprockhövel und Gevelsberg wurden antifaschistische Stadtpläne und Kunstwerke geschaffen. Vorgeschlagen wurde, die Erfahrungen mit Stadtspielen in der ganzen VVN-BdA auszuwerten. In Mülheim hat die VVN-BdA mit anderen Kräften das Wirken für die Schaffung einer Mahn- und Gedenkstätte aufgenommen.
Heinz Wohlert arbeitet für die VVN-BdA an einem Projekt mit, das der Erinnerung an die vor 70 Jahren durchgeführten massenhaften
Gewerkschafterprozesse von Wuppertal gewidmet ist. Geplant sind eine Internetpräsentation und eine Ausstellung.
In Köln ist die Herausgabe der Lebensbeschreibung unseres langjährigen Landesausschussmitglieds
Heinz Humbach geplant. Das von ihm leider nicht mehr zu Ende gebrachte Buch zum
Nationalkomitee freies Deutschland soll fertig gestellt werden; im EL-DE-Haus (Gedenkstätte am Appellhofplatz) soll eine Heinz-Humbach-Stiftung gegründet werden. (lt. Antifa Heute Nr. 2/04)
Verbessert hat die VVN-BdA NRW ihre Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis
„Blumen für Stukenbrock“. Anfang September 2004 beteiligten wir uns mit Referaten und anderen Beiträgen am Jugendcamp Stukenbrock.
Auf Bundesebene nahm die VVN-BdA NRW an der bundesweiten VVN-BdA-Gedenkstättenkonferenz (vertreten durch Gisa Marschefski) und an der
Geschichtskonferenz in Buchenwald teil (unsere Vertreter: Gerd Deumlich, Traute und Ulli Sander).
Zur Arbeit mit unseren Archiven
Unsere Landesvereinigung verfügt über das Hartmut Meyer Archiv zu Fragen des Neofaschismus (siehe Bericht der Neofa-Kommission auf Seite 13), sie baut das Antimilitaristische Bundeswehrarchiv auf (siehe Seite 15) und sie arbeitet an der Nutzbarmachung des Widerstandsarchivs von Rhein und Ruhr. Dazu schreibt unsere Archivarin:
Kurzbericht - Elektronische Erfassung des Bestandes „Archiv des Widerstandes“
Im Mai 2004 übernahm ich das von Traute Sander begonnene Projekt der elektronischen Erfassung des Bestandes „Archiv des Widerstandes NRW 1933 - 1945“. Das Ziel dieses Projektes ist das erleichterte und schnellere Auffinden von Schriftgut im Archiv der VVN-BdA NRW in Wuppertal durch ein elektronisches Findbuch, das auf CD-Rom den Kreisen der VVN-BdA NRW und anderen Interessierten zur Verfügung gestellt werden soll.
Bisher ist der Bestand durch folgende Findmittel erschlossen:
- eine Personenkartei
- eine Prozesskartei
- eine Materialenkartei
Der Bestand
Der Bestand umfasst ca. 15 laufende Meter Sammlungsgut[1], das zumeist in Plastikhüllen in Aktenordnern verwahrt wird. Jedem Ordner ist ein Inventar der Archivalien, genannt „Mappeninhalt“, vorangestellt.
Die Sammlung wurde ca. 1950 mit einer Fragebogenaktion der Kreisvereinigung Düsseldorf begonnen, um das Schicksal der Verfolgten des NS-Regimes zu erforschen und Wiedergutmachungsansprüche der Überlebenden und ihrer Angehörigen zu belegen. Das Sammlungsgut enthält weitere Fragebogenaktionen der Geschichtskommission der VVN NRW aus den folgenden Jahren. Ferner gibt es unvollständig Sammlungen von Akten aus den Kreisvereinigungen der VVN-NRW. Weiter sind in ihr enthalten:
- Teile der Korrespondenz von Karl Schabrod aus den 1960er Jahren
- Handschriftliche Notizen zumeist von Karl Schabrod aus den 1960er Jahren
- Notizen und Informationen über das Schicksal von Kameradinnen und Kameraden sowie von Nazi-Tätern; zusammengetragen 1964/1964 von der NRW-Geschichtskommission der VVN, geleitet von Karl Schabrod.
- Fotographien
- Ablichtungen und Kopien von Teilen der Anklage-, Urteilsschriften, Schriftverkehr der Verfolgungsbehörden
- Originale von Teilen der Anklage-, Urteilsschriften, Schriftverkehr der Verfolgungsbehörde; Zeitungen
- Mikrofilme von Teilen der Anklage-, Urteilsschriften, Schriftverkehr der Verfolgungsbehörde
- Illegale Materialien: Klebezettel, Flugblätter, Tarnschriften
- Lebensläufe
- Selbstzeugnisse, Erinnerungsberichte
- Nachrufe
- Gedichte
- Broschüre
- Tagebücher
Die Elektronische Erschließung des Sammlungsguts
Bei der elektronische Erschließung werden neben der Signatur der Archivalin Namen und Geburtsdaten, Aktenzeichen, Organisationen, Orte, Art und Umfang des Schriftguts erfasst, so dass in diesen Kategorien nach Überlieferungen gesucht werden kann. Bis Januar 2005 sind 3616 Einheiten erfasst.
Konservatorische Probleme im Bestand
Bei der inhaltlichen Erfassung des Schriftgutes wird von mir, wenn nötig, alles Metall -Heft- und Büroklammern - entfernt. Das rostende Metall schädigt das Papier. Es wären aber viel weiterreichende konservatorische Maßnahmen nötig. Die obengenannte Aufbewahrung des Sammlungsgutes ist äußerst problematisch. Manche der Plastikhüllen lösen die Tinte/Druckfarbe des Schriftstücks ab. Kunststoffe sollten aber nicht nur deshalb vermieden werden. Sie verkleben wegen ihres niedrigen Schmelzpunktes im Brandfall und machen die Archivalien unbrauchbar. Die Sammlung im VVN-Archiv müsste aus den Plastikhüllen heraus in alterungsbeständige Archivmappen und -kartons umgebettet werden, um ihrem Zerfall entgegen zu wirken. [2] Allerdings bedeutet dies Kosten für Arbeitskräfte und Material, welche die VVN-BdA nicht tragen kann. Als Notmaßnahme sollten aber zumindest die Originale und Fotographien sachgerecht aufbewahrt werden.
(Ursula Albel, Historikerin, wissenschaftliche Dokumentarin)
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Der Kampf gegen Sozialabbau – VVN-BdA im Bündnis – Bei Montagsdemos dabei
Die Entwicklung von „Bündnis soziale Bewegung“ (Initiator Gewerkschaft ver.di) haben wir von Anfang an begleitet. Am Gründungstreffen in Castrop-Rauxel am 20. Mai 2003 - im Rahmen der Verdi-Landeskonferenz nahmen Jupp Angenfort und Ulrich Sander teil. Jupp Angenfort ist unser Vertreter im landesweiten Bündnisgremium, Stellvertreter: Ulrich Sander. In mehreren Städten, so in Dortmund und Duisburg sowie im Ennepe-Ruhr-Kreis, waren wir an der Gründung von Sozialforen beteiligt.
Jupp Angenfort führte auf dem Gründungstreffen in Castrop-Rauxel aus:
„Es gibt, was den Abbau sozialer Errungenschaften anbetrifft, wie er z. B. in der Agenda 2010 der Regierung Schröder vorgesehen ist, geschichtliche Erfahrungen. Die Älteren unter uns haben noch die Politik mit den Notverordnungen erlebt, die im Jahre 1930 die damalige Regierung Brüning durchgeführt hat. Die Begründung war damals, die Staatsfinanzen müssten in Ordnung gebracht, die Arbeitslosigkeit bekämpft werden. Mit dieser Argumentation wurde Sozialabbau betrieben. Brüning folgte den Forderungen, welche die Großindustrie in einer Denkschrift erhoben hatte. U. a. wurde das Arbeitslosengeld gekürzt, die Altersversorgung verschlechtert, die materielle Belastung der Masse der Bevölkerung erhöht.
Die Folge war, dass die Kaufkraft der Mehrheit der Bevölkerung sank, die Arbeitslosigkeit wurde nicht abgebaut, sie stieg weiter. Die soziale Not wuchs. Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung griffen um sich. Nutznießer war die NSDAP, die Nazipartei, die hemmungslos soziale Demagogie betrieb. Ihr Einfluss wuchs.
Häufig treffen wir auf das Argument, dass heute eine ähnliche Entwicklung nicht zu befürchten sei. Die NPD und andere neonazistische Organisationen schnitten bei Wahlen schlecht ab. Ich glaube das Argument ist oberflächlich.
Die Nazipartei war noch 1928, nach heutigen Begriffen, eine Splitterpartei. Sie hatte ganze sechs Mandate im Reichstag. Vier Jahre später, bei den Reichstagswahlen vom 1. Juni 1932 erhielt sie schon 162 Abgeordnetensitze. Die soziale Not hatte den Nährboden für ihre Demagogie bereitet.
Ich finde, diese geschichtliche Erfahrung muss uns beunruhigen. Weil wir nicht wollen, dass bei uns der Nährboden für soziale Demagogie der Neonazis wächst, unterstützen wir die Forderungen, die in der Castroper Erklärung der Gewerkschaft Verdi enthalten sind. Die Landesorganisation NRW der VVN-BdA, zahlreiche weitere Organisationen und Persönlichkeiten haben zugestimmt. Von ihren antifaschistischen Erfahrungen her tritt die VVN-BdA für die sozialen Menschenrechte ein. Ohne sie können die demokratischen Rechte nicht genutzt werden. Auch wir fordern: Bewährte Schutzrechte wie beispielsweise das Kündigungsschutzrecht dürfen nicht verwässert werden. Arbeitslose und Schwache dürfen nicht an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Das heißt, Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe dürfen nicht noch weiter gekürzt werden. Die Gesundheitskosten dürfen nicht steigen.
Ich möchte noch auf eine weitere Erfahrung hinweisen. In der Verfassung unseres Landes Nordrhein-Westfalen heißt es in Artikel 24: „Im Mittelpunkt des Wirtschaftslebens steht das Wohl des Menschen. Der Schutz seiner Arbeitskraft hat den Vorrang vor dem Schutz materiellen Besitzes. Jedermann hat ein Recht auf Arbeit.“
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„Im Kommentar zur Verfassung heißt es, die Bedeutung diese Artikels liege darin, dass er die Grundkonzeption einer Wirtschafts- und Sozialordnung enthalte, dass er programmatische Weisungen an den Gesetzgeber gebe. Gäbe es Interessenkonflikte, so sei die Arbeitkraft als das höhere Gut anzusehen.
Nach diesem Verfassungsgrundsatz muss gehandelt werden. Deswegen sollten wir die Bestrebung, ein breites Bündnis für eine soziale Bewegung zu schaffen, unterstützen und an der Basis für ihre Ziele aktiv werden. Auf Landesebene wirkt die VVN-BdA im Bündnis, das von ver.di geschaffen wurde, mit. Auf Kreis- und Ortsebene soll es ähnlich geschehen.
Die Initiative, an die VVN-BdA teilnimmt, orientiert sich an der „Castroper Erklärung“. Diese Bewegung war zum Abschluss der ver.di-Landesbezirkskonferenz in Castrop-Rauxel von Vertretern von Gewerkschaften, Parteien, Institutionen und Verbänden begründet worden. Die Unterzeichner verlangen von der Bundesregierung „eine deutliche Kurskorrektur vorzunehmen“. In Nordrhein-Westfalen wachse die Armut, und viele Kommunen seien pleite. „Schon ein Prozent Vermögensteuer würde 16 Milliarden Euro bringen“, heißt es in der Erklärung. Die nordrhein-westfälischen Bündnispartner hätten sich auf einen langen Kampf eingestellt.
Wie ging es weiter? Das Pressefest der Zeitung „Unsere Zeit“ am 21. /22. Juni 2003, bei dem VVN-BdA NRW (mit Hilfe der VVN-Jugend aus Süddeutschland und des Hartmut Meyer Archivs) wieder die gesamte VVN-BdA vertrat, stand ganz im Zeichen der Opposition gegen den Sozialabbau. Im Anschluss an die Demonstration der 100.000 am 1.11.03 in Berlin begann das Jahr 2004 mit hoffnungsvollen Aktionstreffen, so im Januar in Frankfurt am Main.
Höhepunkte des Jahres waren die Europäischen Aktionstage gegen Sozialkahlschlag am 2./3. April 04 mit mehr als 500.000 Demonstranten am 3. April in Stuttgart, Köln und Berlin, sowie genau ein halbes Jahr später am 2./3. Oktober zwei Demonstrationen gegen Hartz IV in Berlin, mit insgesamt deutlich über 50.000 TeilnehmerInnen, obwohl kein ‚großer Akteur’ dazu aufgerufen hatte.
In NRW wurde zudem am 18.9.04 ein regionales Zeichen mit der landesweiten Demonstration gegen den Sozialkahlschlag und das finanzielle Aushungern der Kommunen gesetzt. 3.500 Menschen demonstrierten in Düsseldorf; sie vertraten ein breites Bündnis aus mehr als 50 regionalen Gruppen, verschiedenen Linksparteien, der kämpferischen Frauenbewegung und der (gewerkschaftlichen) Erwerbslosenbewegung.
Zweifellos haben die Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV die zweite Jahreshälfte 2004 geprägt. Allerdings jetzt ohne allzu viele gewerkschaftliche Unterstützung, was wir bedauern. Vor allem in den neuen Bundesländern erreichten sie zeitweise eindrucksvolle TeilnehmerInnenzahlen. Auch wenn nach einigen Wochen der spontane Protest wieder zurückgegangen ist, war doch auf dem Höhepunkt der Bewegung ein Erzittern der Machteliten in Politik und Wirtschaft sichtbar. Dies hat uns ahnen lassen, was möglich ist, wenn sich die von Politik und Wirtschaft bedrängten Menschen erheben und gemeinsam handeln.
Aber nicht nur dies ist uns von den Montagsbewegungen übrig geblieben. An vielen Orten haben sich Montagsdemonstranten der schon vorher dort aktiven sozialen Widerstandsbewegung angeschlossen, so dass diese nun gestärkt in das Jahr 2005 starten kann. Die VVN-BdA hat von Anfang an die Montagsdemos in NRW unterstützt, z.T. mit getragen. In NRW wurden Nazis und Neonazis von den Montagsdemos ferngehalten.
Im Jahr 2005 stellen sich für die soziale Widerstandsbewegung drei zentrale Aufgaben. Den von Hartz IV Betroffenen muss durch Beratung und Hilfe beigestanden werden. Es müssen zudem politische Lösungen und Kräfte entwickelt werden, die der neoliberalen Sozialkahlschlagsdoktrin Alternativen entgegen setzen. Vor allem aber muss der Widerstand überall sichtbar und hörbar auf die Straße gebracht werden, um so den nötigen Druck auf die Politik zu erzeugen. In der Praxis wird es dabei darauf ankommen, die Anforderungen nicht als sich ausschließende, sondern als sich bedingende und ergänzende zu erkennen und umfassende Lösungen zu erarbeiten. Gemeinsam gilt es im Jahr 2005 den sozialen Widerstand wieder zu verstärken, indem die Gewerkschaften wieder in starkem Maße dabei sind. „Die Gewerkschaftsfeindlichkeit der Mitte ist Ausdruck der Rechtsentwicklung“, sagte Gewerkschaftssekretär Ortwin Bickhove-Swiderski auf einer unserer Landesausschusstagungen (29.11.03).
Öffentlichkeitsarbeit
Jan Große-Nobis (KV Münster) betreut seit November 2002 die Seite der VVN-BdA NRW. Im Durchschnitt werden zwei Meldungen pro Woche auf der Webseite abgelegt. Aus dieser Aktualität und thematischen Vielfalt resultiert, dass monatlich die Website 6.000- bis 7.000-mal besucht wird (10 bis 14.000 Seitenaufrufe). Im Dezember letzten Jahres waren es sogar über 10.000 Besuche (= über 18.000 Seiten, die besucht wurden). Die Seite mit dem NJW-Leserbrief des Vors. Richters am VerfG NW Dr. Michael Bertrams
(http://nrw.vvn-bda.de/texte/0103_njw.htm) erhielt im Dezember allein 341 Anfragen, Der Artikel „Mörder unterm Edelweiß - noch immer unter uns:
Die Blutspur der Gebirgsjäger reicht bis zu den Auslandseinsätzen von heute“
(http://nrw.vvn-bda.de/texte/gebirgsjaeger.htm) erhielt 190 Anfragen, obwohl schon seit Jahren im Netz.
Die Besucher der Website kommen z.B. aus Tschechien, Griechenland, Australien, Israel, Japan, Kanada oder Brasilien. Nicht nur die US-amerikanische Regierung (.gov) und das us-amerikanische Militär (.mil) interessieren sich für unsere Seiten, sondern auch das US-amerikanische Bildungssystem (.edu).
Die Seite ist bei google news gelistet. Google-Such-Anfragen kommen u.a. aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Österreich, der Schweiz, Italien und Großbritannien.
Die Arbeit im Internet ist eine der Hauptformen unserer Öffentlichkeitsarbeit geworden. Auch Presse- und Medienerklärungen werden so verbreitet. (Jan Große-Nobis)
Außerdem der Web Site www.nrw.vvn-bda.de
gehört die Neofa-Ausstellung zu unseren ganz wichtigen Mitteln der Öffentlichkeitsarbeit. Eine neue Ausstellung ist bestellt und wird in wenigen Wochen geliefert.
Von großer Bedeutung ist die Öffentlichkeitsarbeit in den Kreisen der VVN-BdA im
Lande. Dadurch können unzählige Darstellungen der VVN-BdA-Arbeit in den Medien, vor allem in den Printmedien, erreicht werden. So in Bochum, Herten, Dortmund, Duisburg, Oberhausen und anderswo.
In Recklinghausen/Herten hat die VVN-BdA, gemeinsam mit der VHS und dem Bürgerhaus Herten-Süd, die Öffentlichkeit mit authentischem Material aus Frankreich über den Bergarbeiterstreik in Arras/Pas-de-Calais unter faschistischer Besatzung im Mai/Juni 1941 informiert. Außerdem wurden Gedenkplatten für Zwangsarbeiter installiert und die Agnes-Miegel-Straße weiter bekämpft. Die Straße soll umbenannt und nach einer Zwangsarbeiterin benannt werden. All dies spiegelte sich in den Medien der Stadt wider.
Ganz wichtig ist die Arbeit mit den eigenen Medien. Die Zeitung „Antifa“ unserer Organisation wird gern gelesen, es müsste versucht werden, sie noch stärker auch außerhalb unserer Organisation zu verbreiten. Unsere Länderseite NRW könnte etwas mehr Mitarbeit aus den Kreisen - bitte nicht nur Zeitungsausschnitte einsenden! - gebrauchen. Im Berichtszeitraum wurde diese Seite anstelle der Beilage zur Zeitschrift „Antifa. Rundschau“ geschaffen. Dieser Wechsel wurde zustimmend aufgenommen, zumal wir jetzt zweimonatlich und nicht nur vierteljährlich eine Mitgliederzeitschrift bekommen.
Eingegriffen haben wir in den Wahlkampf mit dem Plakat gegen die Wahl von
Neonazis. Doch noch weit mehr Kreise und Ortsgruppen hätten mitmachen sollen! Ein neues Plakat für den Landtagswahlkampf ist in Vorbereitung.
An folgenden Buchveröffentlichungen wirkten Kameradinnen und Kameraden aus unserer Landesvereinigung im Berichtszeitraum mit:
- Antifaschisten aus Bergisch Gladbach berichten. Nachdruck von 2004 einer Broschüre von 1979 mit zahlreichen Zeitzeugenberichten aus dem Widerstand. Vorwort von Karl-Heinz Schröder. Gestaltung: Helmut Sander, 168 Seiten, 5 Euro. Erhältlich im Landesbüro.
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Ulrich Sander „Macht im Hintergrund – Militär und Politik in Deutschland von Seeckt bis Struck“, Neue Kleine Bibliothek 96, Papy
Rossa, Köln, 200 Seiten, EUR 14,00, ISBN 3-89438-287-2
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Weissbuch der VVN „In Sachen Demokratie“ / Verfasser: Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes Redaktion und Einleitung: Ulrich Sander. Gestaltung: Helmut Sander, Erstauflage 1960, zweite Auflage: 2004. ISBN 300 01 3000-4 Herausgegeben vom Bundesausschuß der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, Franz Mehring Platz 1, 10243 Berlin, Tel 030 - 29 78 41 71.
VVN0109@aol.com 220 Seiten, 8,-- Euro
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Ralph Klein/Regina Mentner/Stephan Stracke (Hg.)“Mörder unterm Edelweiß“ / Dokumentation des Hearings zu den Kriegsverbrechen der Gebirgsjäger, mit Beiträgen von Ludwig Baumann, Peter Gingold, Manolis
Glezos, Ulrich Sander u.a., Papy Rossa, Köln Broschur, 152 S., EUR 12,90 [D]/SFR 23,50, ISBN 3-89438-295-3
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Ulrich Sander: Jugendwiderstand im Krieg - Die Helmuth Hübener Gruppe 1941/42,
200 Seiten, 20 Abb., 19 Flugblatt-Texte, gebunden, 14,90 EUR, Pahl Rugenstein 3-89144-336-6, Bonn 2002, "Bibliothek des Widerstandes" der VVN-BdA
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Manfred Demmer: „Spurensuche - Der antifaschistische Schriftsteller Günther Weisenborn“, 160 Seiten, für 10 Euro erhältlich bei Kulturvereinigung Leverkusen, Am Stadtpark 68, 51103
Leverkusen.
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VVN-BdA NRW und Hartmut Meyer Archiv (Hg.) „Der deutsche Militarismus ist nicht tot – er riecht nur streng“ Analysen zur Militarisierung der bundesdeutschen Gesellschaft, Münster 2001, Broschüre, 4 Euro
Weiter sind lieferbar:
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Neofaschismus-Kommission der VVN-BdA NRW: „Faschistisches Menschenbild - Gentechnik und Biopolitik“, Broschüre, 4 Euro.
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Neofaschismus-Kommission der VVN-BdA NRW, Hartmut Meyer- und Georg-Herde-Archiv: „Grenzen auf für Deutschland? Aktuelle Analysen zu Pan-Europa, Revanchismus, Ost-Expansion“, Broschüre, 4 Euro
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Die organisatorische Situation unseres Landesverbandes
Der Landesverband NRW der VVN-BdA hatte per 31.12. 2004 1.017 Mitglieder (rund 230 weniger als im September 2002 bei unserer letzten Landesdelegiertenkonferenz). Sie sind in 22 Kreisvereinigungen organisiert, oder es handelt sich um Einzelmitglieder in Orten ohne VVN-Organisation.
Diese Kreisvereinigungen sind:
Aachen
Bielefeld (ohne Vorstand und Kassierung)
Bochum
Dortmund und Umgebung
Düsseldorf
Duisburg
Ennepe-Ruhr-Kreis
Essen
Hagen
Herne (ohne Vorstand, mit Kassierung)
Köln - zu Köln gehören auch Bonn, Leverkusen und, Bergisch-Gladbach
Minden
Mönchengladbach (ohne Vorstand und Kassierung)
Mülheim
Münster
Neuss
Oberhausen
Recklinghausen / Herten
Remscheid
Siegen
Solingen
Wuppertal
Stützpunkte gibt es in Bottrop, Gelsenkirchen, Lippstadt, Moers, Siegburg,
Wermelskirchen.
Die 14 Kreise Aachen, Bochum, Dortmund, Düsseldorf, Duisburg, Ennepe-Ruhr, Essen, Hagen, Köln, Mülheim, Oberhausen, Recklinghausen, Remscheid und Wuppertal arbeiten mit je einem Mitglied im Landesausschuß mit - zumeist aber nicht regelmäßig. Die Verbindung zwischen den Kreisen und der Landesorganisation muss verbessert wird. Denn das Arbeitspensum und die Herausforderungen nehmen zu, die Zahl der Aktiven wächst jedoch nicht. Es ist ratsam, zwei Vertreter zu benennen, um eine kontinuierliche Arbeit zu gewährleisten und den Gedankenaustausch zu fördern. Auch die übrigen Kreise sollten Vertreter für den LA benennen. Auch Gäste sind herzlich willkommen.
Leider konnten die Seminare der Neofakommission im Herbst 2003 zu Fragen des Verfassungsschutzes nicht stattfinden und zum Thema „NRW ganz rechts“ im Herbst 2004 nur sehr reduziert. Hier äußerte sich vor allem eine Schwäche unserer Organisation, denn die Mitglieder aus den Gruppen und Kreisen machen kaum Gebrauch von den Seminaren und den profunden Kenntnissen der Neofaschismus-Kommission.
Beunruhigend ist die Abnahme der Mitgliederzahlen. Die leider aus biologischen Gründen ausscheidenden Mitglieder werden noch immer nicht durch Neugewinnung von jungen Leuten für die VVN-BdA ersetzt.
Hinzu kommt, dass weniger Mitglieder mehr Finanzen für die Arbeit unserer Organisation aufbringen müssen. Die „Abgaben“ für die Arbeit der Bundesorganisation haben sich erheblich erhöht. Mit einer strengen Haushaltplanung und Einhaltung der Planung hat der Geschäftsführende Landesausschuss die Probleme bisher lösen können. Zurzeit teilen sich die Beitragsaufkommen in je ein Drittel für den Kreis, das Land und den Bund (incl. Mitgliederzeitschrift „Antifa“. Die Kassiererinnen und Kassieren haben eine große Arbeit geleistet, um die Organisation am Leben zu halten. Dafür sei ihnen herzlich gedankt.
Anerkennung und Dank gilt auch den Kreisen, die internationale Verbindungen der
Antifaschisten aufrechterhalten haben. Zu den Antifaschisten in Arras/Frankreich haben sowohl die Duisburger als auch die Recklinghäuser/Hertener VVN-Kreise Beziehungen aufrechterhalten. Kontakte zu Zwangsarbeitern in Osteuropa wurden auch in diesem Berichtszeitraum von der Bochumer und der Dortmunder Organisation geknüpft. In Herten fand sogar eine Ausstellung der Antifaschisten von Arras über ihr Leid als Zwangsarbeiter im deutschen Kohlenbergbau statt.
Behördenwillkür gegen unsere VVN-BdA
Im Abschnitt „Die verlorene Ehre des Rechercheurs“ wird das Vorgehen gegen uns als Antwort auf unsere Enthüllungen über die NS-Täter der Gebirgstruppe geschildert.
Doch das Vorgehen gegen die Landesorganisation seitens der Behörden gestaltet sich weit skandalöser noch als dort geschildert. Zunächst mal hielt es der Landesinnenminister Dr. Behrens für geraten, unsere Organisation wieder in den Verfassungsschutzbericht des Landes aufzunehmen. Im Bericht für 2002 (im Bericht für 2003 wird die VVN-BdA nicht erwähnt; der Bericht für das Jahr 2004 ist noch nicht erschienen) wird die VVN-BdA als Unterabteilung der DKP einsortiert. Die Schilderung der VVN-Geschichte enthält zahlreiche Fehler. Jupp Angenfort hat diese Darstellung in einem Schreiben an Behrens zurückgewiesen.
Mehr noch als die Erwähnung der VVN-BdA im VS-Bericht sind die konkreten Handlungen dieses Geheimdienstes zugunsten der Neonazis zu gewichten. Unsere Organisation ist zahlreichen Schikanen und Behinderungen durch den Verfassungs- und Staatsschutz sowie durch die politischen Abteilungen der Staatsanwaltschaften ausgesetzt. Dagegen protestierten wir immer wieder.
Hier ein zusammenfassender Bericht
Hausdurchsuchungen beim Landessprecher der VVN-BdA Ulrich Sander in Dortmund sowie zeitgleich im NRW-Landesbüro der VVN-BdA in Wuppertal durch den „Staatsschutz“ lassen den Schluss zu, dass es sich dabei nicht um ein „Versehen“ sondern um eine Methode der Einschüchterung handelt. Staatliche juristische Repressionen gegen AntifaschistInnen nehmen zu. In Wuppertal 70 Geldstrafen wegen „Störung“ nach Paragraph 21 einer Neo-Nazi-Zusammenrottung am Barmer Bahnhof. In Hagen verbietet die Polizeipräsidentin den Einsatz von Trillerpfeifen gegen Neonazi-Aufmärsche. Im Aachener Raum Hausdurchsuchungen wegen „Beleidigung“ des Vaters eines stadtbekannten Neonazis. Auch hier Verfahren wegen Störung der Nazis bei gleichzeitiger Durchsetzung der Teilnahme von Nazis an antifaschistischen Aktionen und Versammlungen durch die Polizei.
In Düsseldorf durften am 28.10.2000 unter Polizeischutz Nazihorden „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“ grölen. Ermittelt wurde gegen zum großen Teil minderjährige Jugendliche, nicht etwa gegen Neonazis. Dem Düsseldorfer Beispiel entsprechend wurden mit Gerichtsentscheidungen bis zum Bundesverfassungsgericht die Straßen für die Neonazis freigemacht, und der „Staatsschutz“ und die Staatsanwaltschaft legten ihren Schwerpunkt nun nicht mehr auf die Überwachung der neofaschistischen Szene, sondern auf die Überwachung der AntifaschistInnen im Lande. NRW wurde zum Vorreiter der Rechtsentwicklung, wie die Fälle in Aachen, Dortmund, Hagen und Wuppertal zeigen.
In diese politische Landschaft passen die Durchsuchungen in Wuppertal und Dortmund. Zu der Auseinandersetzung mit Justiz, Staatsschutz und Wehrmachtsveteranen äußerte der Kamerad Ulli Sander in einem Brief: „Die Wehrmachtsveteranen werden von uns beschuldigt, an Verbrechen gegen die Menschheit, darunter Massenmord an der Zivilbevölkerung in Griechenland, Versklavung von Zwangsarbeitern und Deportation der jüdischen Bevölkerung teilgenommen zu haben. Dazu haben wir Beweise vorgelegt. Doch die Justiz verfolgt nicht oder unzureichend die Täter. Sie verfolgt die antifaschistischen Rechercheure.
Allerdings gab es im Zusammenhang mit den Aktionen des Staatsschutzes auch viel Gutes. Hunderte Organisationen und Persönlichkeiten erklärten sich mit der VVN-BdA und Ulrich Sander solidarisch. Das Simon-Wiesenthal-Center hat sich ebenfalls gemeldet und will die Anzeigen gegen die 200 mutmaßlichen Gebirgsjäger-Kriegsverbrecher unterstützen, vor allem aber 140 von ihnen die Kriegsopferrente wegnehmen lasen. Dies geschieht entsprechend unserer Forderung von 1998 und entsprechend einem Gesetz aus jenem Jahr.
(Jürgen Schuh) |
Dagegen zu bestehen, war nur durch Solidarität möglich.
In einem Brief an Spender und Unterstützer der VVN-BdA schildert Ulrich Sander die Arbeit unserer Organisation und schriebt zur Notwendigkeit, die VVN-BdA zu unterstützen u.a.:
„Heute möchte ich mich im Namen des gesamten Landesverbandes unserer Organisation für Eure Spenden und Hilfen bedanken. Ihr habt uns sehr geholfen, unsere Organisation arbeitsfähig zu erhalten und ihr zu ermöglichen, neue Arbeitsgebiete anzupacken. Vor allem konnten Angriffe uns nicht wohlgesonnener Kräfte auf unsere Organisation weitgehend zurückgewiesen werden. Es gilt, unsere Organisation gegen alle Widerstände zu stärken und ihre wichtige Arbeit fortzusetzen.
Alle, ob sie nun aktiv daran teilnehmen können oder nicht, bitten wir, unsere Arbeit weiter zu unterstützen. Mit Spenden, Zuspruch, Werbung neuer Mitglieder. Und natürlich durch Mitarbeit. Gestärkt in das Jahr des 60. Jahrestags der Befreiung von Krieg und Faschismus zu gehen, das sollten wir uns alle vornehmen. Das ist notwendig angesichts der Erfolge der Nazis bei Wahlen. So sehr unsere antifaschistische Bündniskonferenz und unsere Plakataktion bei der Aufklärung gegen die Wahl der Nazis halfen, so war diese Arbeit nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Sie muss verstärkt werden.
Auf unserer Landesdelegiertenkonferenz wollen wir auch erstmals Bilanz ziehen, wie weit wir gekommen sind bei der Schaffung und Stärkung unserer neuen Archive.
Ich möchte Euch kurz über die weitere Entwicklung in der Angelegenheit „Vorgehen der Behörden gegen die VVN-BdA“ informieren:
Kürzlich berichtete die FRANKFURTER RUNDSCHAU, der Verfassungsschutz beschränke sich bei seinen Opfern nicht auf das Observieren, sondern greife zu Einschüchterungen und zur Bewachung. Dasselbe kann ich im Umgang des VS mit VVN-BdA und meiner Person bestätigen. Wir werden nicht mehr nur abgehört, sondern Telefon und Internetkontakte der VVN-BdA werden gar zeitweilig lahmgelegt. Soll unsere Organisation nicht nur mundtot gemacht werden, sondern überhaupt handlungsunfähig werden? Inzwischen können viele aktive Mitglieder unserer Organisation nicht mehr mit dem Landesbüro der VVN-BdA telefonieren. Wir protestierten bei Telekom und beim Landtag. (Bitte, uns jeweils zweimal kurz hintereinander anzurufen, dann kann es klappen.)
Wir wehren uns. Wir setzen unsere Aufklärungs- und Enthüllungsarbeit gegen die Wehrmachtsverbrecher und ihre Sponsoren in der Bundeswehr fort. In zwei Verfahren gegen die Machenschaften der Justiz hat die Gewerkschaft Verdi, Fachgruppe Deutsche Journalistenunion, deren Mitglied ich bin, Rechtsschutz gewährt. Zahlreiche Organisationen und Persönlichkeiten, darunter antifaschistische Organisationen des In- und Auslandes sowie die Vereinigung Demokratischer Juristen und die Journalistenverbände, haben sich mit der VVN-BdA und mir solidarisch erklärt.“
Diese Solidarität ist auch weiterhin notwendig.
Spendet unter dem Stichwort „Spende gegen das Vergessen - für die Archive“ an die VVN-BdA NRW, Konto Postbank Essen BLZ 360 100 43, Konto Nr. 282 12-435.
Wuppertal, den 25. Januar 2005
Dieser Bericht wurde, wenn nicht anders vermerkt, von den Landessprechern der VVN-BdA NRW verfasst.
Persönliche Bemerkung von Jupp:
Dank und Anerkennung den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landesbüros und der Archive Horst, Traute, Ulla, Ulli und Volkmar.
[1] Sammlungsgut - Archivgut, das ohne Berücksichtigung der Entstehungszusammenhänge unter inhaltlichen Gesichtspunkten zusammengestellt wird und die vorhandenen Bestände im Rahmen der aus der Geschichte des Sprengels entwickelten Dokumentationsziele ergänzt. Reimann, Norbert (Hrsg.), Praktische Archivkunde, Ein Leitfaden für Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste Fachrichtung Archiv, Münster 2004, S. 322
[2] Archivkartons und -mappen sollten der DIN ISO 9706 entsprechen.
Kießling, Rickmer, Archivtechnik in: Reimann, Norbert (Hrsg.), Praktische Archivkunde, Ein Leitfaden für Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste Fachrichtung Archiv, Münster 2004, S. 174ff.
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