08.04.03
6. April 2003 Gedenkfeier
Wenzelnberg
Redebeitrag Josef Angenfort, Landessprecher der
VVN-BdA NRW
Verehrte Anwesende,
Liebe Freundinnen und Freunde.
Die Morde, die hier geschahen, waren nicht
einfach ein Willkürakt. Sie waren geplant. Eine Anweisung der
Gestapo-Leitstelle, die vor kurzem veröffentlicht wurde, beweist
das. Es heißt im Gestapobefehl:
"Die gegenwärtige Gesamtlage wird
Elemente unter den ausländischen Arbeitern und auch ehemalige
deutsche Kommunisten veranlassen, sich umstürzlerisch zu
betätigen....Es ist in allen sich zeigenden Fällen sofort und
brutal zuzuschlagen. Die Betreffenden sind zu vernichten..."
So geschah auch hier das Verbrechen.
Aber es gab in jener Zeit auch
Menschlichkeit. Zuchthausdirektor Dr. Engelhardt hat - wie schon
erwähnt - zahlreiche Menschen vor dem Tode bewahrt. Ich möchte
schildern, wie er meinen späteren Freund, Max Schäfer, das Leben
gerettet hat.
Max Schäfer war Kommunist, hatte dem
Naziregime Widerstand entgegengesetzt, war zu Zuchthaus verurteilt
worden. Er stand auf der Liste derer die erschossen werden
sollten. Am Tage vor dem Erschießungstermin gab Direktor
Engelhardt bezüglich Max Schäfer folgende Anweisung:
Der Häftling Max Schäfer, von Beruf
technischer Zeichner, wird unter Aufsicht eines Beamten nach
Remscheid gebracht. Dort soll er beim Haus des
Amtsgerichtspräsidenten, in dem viele Fenster durch Luftangriffe
noch zerstört sind, Maß nehmen. Die neuen Fenster sollen dann im
Zuchthaus hergestellt werden. Für die Nacht ist Schäfer in das
Amtsgerichtsgefängnis Remscheid zu bringen. So geschah es dann
auch. Max Schäfer wurde erst am Mittag des folgendes Tages in das
Zuchthaus Lüttringhausen zurück gebracht. Sein Leben war
gerettet.
Übrigens, auch Kaplan Dr. Josef Rossaint
stand auf der Liste derer, die erschossen werden sollten. Er war
von der Hitlerdiktatur wegen seines Widerstandes zu 11 Jahren
Zuchthaus verurteilt worden. Kaplan Dr. Rossaint wurde im
Brotschneideraum versteckt. Einige Jahre nach dem Krieg wurde er
Präsident der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes.
Ja, wir brauchen Menschlichkeit und
Solidarität gerade in schweren Zeiten. Direktor Engelhardt und
andere haben ein Beispiel dafür gegeben.
Wir brauchen heute Solidarität zum Beispiel
mit den von Neonazis bedrohten ausländischen Mitbürgern. Wie
notwendig das ist hat ganz dramatisch im Jahre 1993 der
Brandanschlag auf das Wohnhaus von Türken in Solingen gezeigt.
Fünf Frauen und Mädchen kamen ums Leben.
Ich finde es gut, dass am 29. Mai, aus
Anlass des 10. Jahrestages dieses Verbrechens, in Solingen eine
Kundgebung und Demonstration stattfindet.
Als die Morde, die hier am Wenzelnberg
verübt wurden, aufgedeckt wurden, und als wenige Tage später der
2. Weltkrieg zu Ende war, da gab es nur einen Gedanken: So etwas
darf sich nie mehr wiederholen! Faschismus und Krieg dürfen nicht
mehr sein!
Diese Forderung schlug sich auch im
Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland nieder.
Der Krieg wurde ausdrücklich geächtet. Es
heißt im Artikel 26 des Grundgesetzes: "Handlungen, die
geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das
friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die
Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind
verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen." Die
Forderung schlug sich auch im Völkerrecht nieder. Die Vereinten
Nationen erklären in ihrer Charta, dass es ihre Hauptaufgabe sei,
den Frieden in der Welt zu bewahren.
Aber im Augenblick, in dem wir hier stehen,
fallen im Irak Bomben und Marschflugkörper. Viele unschuldige
Menschen werden zerfetzt, verbrannt.
Entsetzliches Leid wird über ungezählte
Menschen gebracht. Dazu können wir nicht schweigen.
Ich möchte an ein Gedicht von Bert Brecht
erinnern. Es trägt den Titel "Lob der Dialektik."
In dem Gedicht heißt es: "Wenn die
Herrschenden gesprochen haben, werden die Beherrschten
sprechen".
Ich möchte diesen Gedanken ergänzen:
Wenn diejenigen, die am Krieg verdienen,
gesprochen haben, dann werden die sprechen, die unter dem Krieg
leiden. Es werden die sprechen, die den Krieg verabscheuen. Zu
Millionen haben die Menschen, so in jüngster Zeit, bereits
gesprochen und werden weiter sprechen und fordern:
Macht
Schluss mit dem Krieg!
Sofort!
Wir
wollen Frieden!
Schon in der Zeit, in der hier in der
Wenzelnbergschlucht 71 Menschen ermordet wurden, bereiteten die
Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald ihre
Selbstbefreiung vor. Die Befreiung gelang. Am 19. April 1945 kamen
die Häftlinge auf dem Appellplatz zusammen. Sie legten einen
Schwur ab. Er lautet:
"Wir
schwören deshalb vor aller Welt auf diesem Appellplatz, an dieser
Stätte des faschistischen Grauens:
Wir
stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den
Richtern der Völker steht!
Die
Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung.
Der
Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser
Ziel.
Das
sind wir unseren gemordeten Kameraden, ihren Angehörigen
schuldig."
In diesen Schwur legten die Häftlinge des
Konzentrationslagers all ihre Lebenserfahrungen, all das Leid, das
sie erlitten hatten, all ihre Hoffnungen.
Der Schwur enthält die Kernforderung:
Nie wieder Faschismus! Nie wieder
Krieg!
Danach sollten wir handeln.
Schluß mit dem
Krieg! Keine weitere Unterstützung der USA-Kriegsführung.
Gegen alle
neuen Kriegspläne - auch der EU und der Bundeswehr!
Gegen den Bruch
der im Kampf gegen Nazideutschland geschaffenen UNO-Charta!
VVN-BdA ruft auf zum Ostermarsch
und zu den Gedenkkundgebungen in der Bittermark und der
Wenzelnbergschlucht sowie in Buchenwald
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