30.01.2016
Auftakt in Solingen! Es gibt viel zu beraten!
Rede von Falk
Mikosch, Landessprecher der VVN-BdA NRW, zur Einleitung der 31.
Landeskonferenz von antifaschistischen Initiativen und Organisationen
in NRW am 30. Januar 2016 in Solingen
Mit über 100 Teilnehmern aus ganz NRW
hat heute Vormittag in Solingen eine Landeskonferenz von
antifaschistischen Initiativen und Organisationen begonnen. Die
Initiative dazu hatte die Vereinigung der Verfolgten des
Naziregimes/Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) ergriffen. Die letzte Konferenz dieser Art liegt vier Jahre zurück.
Liebe Freundinnen und Freunde,
es gibt viel zu besprechen. Zum Thema "'Es ist
deutsch in Kaltland - Oder?" haben wir eingeladen. Wir starten die 31.
landesweite Konferenz antifaschistischer Initiativen und Organisationen
in NRW.
Die letzte Konferenz fand vor vier Jahren statt.
Das sind unsere Themen, zu denen seit Jahren Gesprächsbedarf besteht:
- Wie Nazis und Rassisten sich heute vernetzen.
- Die Rolle der Sprache – diese Frage stellt sich heute noch mehr als damals.
- Antifaschismus und soziale Frage – die Nazis nutzen die Krise zu ihrer Hetze.
- Fluchtursachen und Antimilitarismus –
Flüchtlinge werden durch Kriege auf den Weg gebracht, - Kriege,
die nicht sie zu verantworten haben. Mehr denn je gehören
Antifaschismus, Antirassismus und Antifaschismus zusammen.
- Recht auf Demo und Aktion – hier geht es um konkrete Hilfen
- Eine neue Zeitzeugengeneration meldet sich zu Wort.
Sie nennen sich Kinder des Widerstandes oder 2. und 3.
Generation. Hier geht es um Gedenk- und Erinnerungsarbeit unter
völlig veränderten Bedingungen.
Die Kanzlerin Angela Merkel sagte jetzt anlässlich
der Einweihung einer Ausstellung mit Bildern aus Vernichtungslagern
„Das, was geschehen ist, für immer im Gedächtnis
behalten, das Andenken an die Opfer zu bewahren und uns mit ganzer
Kraft für das Nie wieder! einzusetzen.“ Leider setzt Merkel
dieses Nie wieder! nicht auch der Kriegsbeteiligung entgegen. Über
130 Milliarden Euro will die Bundesregierung in den nächsten 15
Jahren ausgeben, um noch mehr Krieg zu führen. Dem setzen wir
unser Nie wieder! entgegen.
Am Mittwoch hörten wir eine weitere eindrucksvolle
Rede aus dem Bundestag. Die 84jährige Auschwitzüberlebende
Ruth Klüger sagte: Der Satz „Wir schaffen das“ der
Kanzlerin sei heroisch und historisch. Deutschland habe Millionen Juden
ermordet und nun könne man sehr beeindruckt sein von der
Aufnahmebereitschaft Deutschlands für Flüchtlinge.
Ich meine das „Wir schaffen das“ ist leider
nicht mehr das Motto der Regierung. Zu sehr wird daraus: Wir wollen das
gar nicht, wir wollen die Flüchtlinge fernhalten.
Doch weiter suchen Millionen Menschen Zuflucht bei uns.
Sie fliehen vor den Islamisten des IS von heute und deren saudischen
sowie auch US-amerikanischen Helfern. Sie fliehen vor jenen, die von
skrupellosen Rüstungsindustriellen, auch von deutschen, mit Waffen
versorgt wurden.
Wir haben allen Grund, diesen Menschen zu helfen. Und
viele machen es ja auch immer noch, was Willkommenskultur genannt
wurde. Ungeachtet der prorassistischen Bemühungen von Seehofer bis
zu Teilen der SPD wird diese Kultur bewahrt. Es ist der Mitte wie der
Rechten noch nicht gelungen, die Stimmung im Lande vollständig
umzukippen. Sie hätten gern einen Rechtsruck erreicht, aber
gelungen ist ihnen bisher nur die Polarisierung.
Deutschland muss sich weiter auf viele hunderttausende
Flüchtlinge einstellen. Die Gegner der Flüchtlingshilfe
schreien auf: „Wir können diese Massen nicht
bewältigen!“
Kein Aufschrei war zu hören, als die Grundlagen
für die neue Völkerwanderung gelegt wurden. Als NATO-Staaten
die Region zwischen Afghanistan, Somalia und Libyen angeblich zur
Demokratie bomben wollten und Krieg säten und Flüchtlinge
ernteten.
Ebenfalls am Mittwoch wurde als Antwort auf
„Köln“ die schnelle Abschiebung von Asylsuchenden
beschlossen. Mit den widerlichen Attacken an Silvester vor dem Dom und
dem Hauptbahnhof von Köln wird alles Mögliche an Abbau von
Grundrechten begründet – auch wenn es damit nichts zu tun
hat.
Die deutsche Justiz ist immer auf ihre eigene Art mit
dem Mittel der Abschiebung von ausländischen Kriminellen
umgegangen. So wurde der Ausländer Adolf Hitler nicht ausgewiesen,
obgleich er einen Putsch mit vier Morden (wurden allerdings im Prozess
nicht erwähnt) angeführt hatte. So sah das Gericht im Urteil
vom 1. April 1924 davon ab, gegen Hitler den § 9 Abs. II des
Republikschutzgesetzes anzuwenden, der die Abschiebung zwingend vorsah.
Hitler sei zwar Österreicher, habe sich aber im deutschen Heer
Verdienste erworben. Folgerung: Ein „Mann, der so deutsch denkt
und fühlt“, könne nicht ausgewiesen werden. Da
die Asylsuchenden heute noch nicht so richtig deutsch denken und
fühlen, müssen sie selbstverständlich jetzt sogar dann
ausgewiesen werden, wenn nur eine Bewährungsstrafe vorliegt. Das
verkünden die Politiker.
Frau Ruth Klüger hat im Bundestag an das Schicksal
der Zwangsarbeiter erinnert, Daran erinnern auch wir vor dem
Hintergrund der Flüchtlingsdiskussion. In Deutschland gab es
keinen Aufschrei – so wie jetzt anlässlich der
Flüchtlingszahlen -, als im zweiten Weltkrieg Jahr für Jahr
bis zu 2,5 Millionen Menschen als Sklaven in dieses Land verschleppt
wurden!
Aus den von den deutschen Faschisten besetzten Kolonien
und Ostgebieten wurden nicht nur Güter bezogen und der Boden
geraubt, es wurden Menschen geraubt.
Deutschland ist heute das reichste Land Europas. Das
„Wirtschaftswunder der 50iger Jahre“ beruhte wesentlich auf
Zwangs- und Sklavenarbeit. Diese Schuld wurde nie wirklich beglichen!
Heute suchen Menschen bei uns Schutz. Sie haben keine Wahl.
Lieber in den Tod gehen, als so wie bisher weiterleben.
Kein Seehofer und kein Pegida- und AfD-Hetzer wird erreichen, dass
diese Menschen fern bleiben.
Neben dem gewachsenen Zustrom von Hilfesuchenden haben
wir weitere Phänomene zu beobachten, die es vor vier Jahren bei
unserer letzten Landeskonferenz noch nicht gab. Es gibt rechtsextreme
Massenbewegung gegen die Fremden. Und es gibt eine profaschistische
Massenpartei wie die AfD. Das ist sehr Besorgnis erregend. Aber:
Es gibt auch nach wie vor die Massenstimmung der Menschlichkeit!
In praktischer Solidarität wird notleidenden
Menschen geholfen. Das ist eine starke Zurückweisung von Rassismus
und Rechtsextremismus in geradezu historischer Dimension. Die
Diskussion über Obergrenzen für die Aufnahme von
Flüchtlingen muß aufhören! Wenn es um Leben oder Tod
geht, da ist stets Rettung angesagt.
Die Bewegung der Willkommenskultur, wie auch Friedens-
und Antifa-Bewegungen sollten zusammenwirken, und zwar dafür, dass
Krieg und die Rüstung sowie Ausbeutung als die wahren
Fluchtursachen erkannt werden.
Eine immer noch wirkende Fluchtursache ist der Krieg,
den auch unser Land 1999 gegen Serbien führte. Wir fordern: Die
Roma aus jenem Land und aus Kosovo dürfen nicht
zurückgewiesen werden. Deutschland ist in ihrer Schuld. Eine halbe
Million Sinti und Roma wurden von Hitlerdeutschland ermordet. Daher
haben wir die Pflicht, den Nachkommen dieser Menschen zu helfen.
Lebende Zeitbomben, von Islamisten gesteuert, haben in
Paris hunderte Menschen getötet und verletzt. Das löste
Entsetzen aus. Doch wo ist das Entsetzen über den tausendfachen
Tod mittels gesteuerten US-amerikanischen Zeitbomben, mittels Drohnen,
die ständig von Ramstein und Kalkar aus in die Welt entsendet
werden.
Schluss mit dem Krieg gegen den Terror! Krieg ist Terror.
Neu gegenüber der letzten Landeskonferenz vor vier
Jahren, ist auch die gefährliche Entwicklung in NRW. Vom Krieg von
Kalkar aus, sprach ich schon. Instrument der Kriegsvorbereitung ist das
Vereinte Luftkraft-Kompetenz-Zentrum (JAPCC), ist die
„Speerspitze“ des Heeres in Münster sowie der Ausbau
der Rüstungsindustrie. Letzterem setzen wir die Forderung nach
Rüstungskonversion entgegen.
Zur gefährlichen Entwicklung im Lande gehören
die ungehinderten Aktionen der Nazis und Neonazis. Die Regierung lehnt
es ab, sofort gegen die NS-Nachfolgeorganisation „Die
Rechte“ vorzugehen. Innenminister Ralf Jäger geht
jedoch gegen Asylsuchende aus Nordafrika vor. Nordafrika soll zum
sicheren Herkunftsland werden, aus Rache für
„Köln“. Nordafrikaner würden oftmals in den Tod
abgeschoben. Zudem: Die Übergriffe und Brandstiftungen gegen
Fremde haben sich im vergangenen Jahr in NRW verachtfacht. Das sind
erschreckende Größenordnungen: 214 Gewaltdelikte und
Brandanschläge, davon blieben über 150 unaufgeklärt.
Liebe Freundinnen und Freunde, es gibt sehr viel Stoff
zur Diskussion, sehr viel Anlass zur Aktion. Und es gibt dringenden
Bedarf, unsere Erfahrungen auszutauschen und immer mehr und besser
zusammenzuarbeiten.
Ich wünsche uns und Euch einen erfolgreichen Tag hier in Solingen.
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