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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
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Landesvereinigung NRW

 

21.07.2015

Werbung für ein anderes Gedenken

„Lüdenscheider Nachrichten“ über den Iwan, der als Zwangsarbeiter bis Lüdenscheid kam

Er habe den Stoff für mehrere Kriminalromane ausgebreitet, sagte Ulrich Sander (VVN-BdA) über sein Buch „Der Iwan kam bis Lüdenscheid“. Jedoch sei seine Wiedergabe seines Arbeitsjournals weder eine Fiktion noch Unterhaltungsstoff. „Allerdings spannend wie ein Krimi zu lesen,“ wurde ihm von Lesern bedeutet, die sich am 16. Juli 2015 in Lüdenscheids „Linkem Zentrum“ zu einer Lesung versammelt hatten. Die „Lüdenscheider Nachrichten“ fassen zusammen, Lüdenscheid sei durch das Zusammenspiel von Medien, Teilen der Bevölkerung und Heimatverein sowie Stadtarchivar Dieter Saal und Rechercheur Ulrich Sander besonders erfolgreich bei der Forschung zugunsten der Überlebenden der Zwangsarbeit gewesen. Ein Ziel von Sanders aktuellen Veröffentlichung sei es, für eine neue, weitere Erinnerungskultur zu werben  und zwar dort, wo sich Täter befanden. „Mahntafeln an Firmen, die Zwangsarbeiter beschäftigten, sind eine Idee, in Lüdenscheid zum Beispiel bei Busch-Jaeger, damals mit dem Quandt-Konzern verwoben.“ Hier der Wortlaut des Artikels von Bettina Görlitzer unter der Überschrift „Werbung für ein anderes Gedenken“: 

Werbung für ein anderes Gedenken

Ulrich Sander erinnert an Zwangsarbeiter

Von Bettina Görlitzer

LÜDENSCHEID ■ Er bedauere, dass er kein Talent habe, um Krimis zu schreiben, sagte Ulrich Sander bei der Vorstellung seines Buches „Der Iwan kam bis Lüdenscheid“ am Donnerstagabend im Linken Zentrum (LiZ). Denn dann hätte er aus den Ereignissen rund um seine Forschungsarbeit in Lüdenscheid vielleicht genau das gemacht. So hat er sich, wie bereits berichtet, für die Tagebuchform entschieden. Vorangestellt hat er eine Liste der „handelnden“ Personen, ganz so, wie es in alten Krimis üblich war.

Aber Fiktion und vor allem Unterhaltung, ist das, was Sander in seinem Buch und bei der Präsentation berichtete, nicht. Seine Ausführungen untermauerte er mit Zeitungsartikeln  unter anderem aus den Lüdenscheider Nachrichten, die während seiner Forschungsarbeit zur Zwangsarbeit in Lüdenscheid erschienen sind. Den damaligen Bürgermeister Friedrich Karl Schmidt nannte er als einen entschiedenen Gegner seiner Arbeit, was schließlich auch zu Veränderungen im Vorstand des damaligen Heimatvereins gefühlt hatte. Die Hinweise, dass seine Arbeit nicht jedem genehm gewesen zu sein schien, reichten bis zu einem dubiosen Einbruch ins Rathaus, bei dem, wie Sander feststellen ließ, abgesehen vom Sachschaden lediglich die Daten von seinem Computer kopiert worden waren. Der frühere Stadtarchivar Dieter Saal dagegen habe Sander so gut er konnte unterstützt. Seltsam sei es gewesen, dass kaum eine angeschriebene Firma Unterlagen vorlegen konnte, weil es angeblich keine gab. Die AOK habe Unterstützung aus ihren Archiven zugesagt, die nie erfolgt sei.

Einen Brief der früheren Firma Enders aus der Rahmede aus dem Jahr 1942 legte Sander als erschreckendes Beispiel vor. Darin wurde die Einrichtung eines Konzentrationslagers gefordert, um den Arbeitskräftebedarf decken zu können.

Allen Widrigkeiten zum Trotz zog Sander deutlicher als in seinem Buch ein positives Fazit seiner Arbeit. Die Daten von weit mehr als 7000 Zwangsarbeitern konnte er erfassen, dank einer einst gut geführten Einwohnermeldekartei mit Wohnort, und Arbeitsstätte. Hochgerechnet müssten das rund 90 Prozent der Lüdenscheider Zwangsarbeiter sein. 17 Prozent der Lüdenscheider Betriebe  weit mehr als der Bundesdurchschnitt  hätten sich an der Stiftungsinitiative zur Entschädigung der Zwangsarbeiter beteiligt. Dies führt Sander auf die breite Unterstützung seiner Forschung durch die Bevölkerung, verschiedene Institutionen und die Medien zurück.

Ein bis zwei Promille des Jahresumsatzes waren die übliche Beteiligung. „Mehr nicht? Und da machen die so ein Theater drum?“, habe es bei einer Firma geheißen  die Geschäftsführung hatte ohne Drängen nachgeprüft, ob es Zwangsarbeiter gegeben hatte, und in den Fonds eingezahlt. Andere dagegen hätten selbst auf mehrfache Anschreiben nicht reagiert.

Ein Ziel seiner aktuellen Veröffentlichung ist es, für eine neue, weitere Erinnerungskultur zu werben  und zwar dort, wo sich Täter befanden. Mahntafeln an Firmen, die Zwangsarbeiter beschäftigten, sind eine Idee, in Lüdenscheid zum Beispiel bei Busch-Jaeger, damals mit dem Quandt-Konzern verwoben. Im Herbst wird Ulrich Sander wieder nach Lüdenscheid kommen  auf Einladung des Gedenkzellen-Vereins.

Das Buch „Der Iwan kam bis Lüdenscheid. Protokoll einer Recherche zur Zwangsarbeit" von Ulrich Sander, ISBN 9783 894385828, ist beim PapyRossa Verlag erschienen und kostet 15,90 Euro. Aktuell sind Exemplare am Büchertisch im Linken Zentrum, Knapper Straße, erhältlich.