05.05.2015
Ungesühnten Verbrechen dem Vergessen entrissen - Sklavenschicksale neben uns
So könnte das Buch auch überschrieben werden. Wir nannten es: „Der Iwan kam bis Lüdenscheid“
Der Autor hatte das Glück,
rund 7500 Personalien zu erkunden und damit
vermutlich 1500 überlebenden Zwangsarbeiterinnen und
Zwangsarbeitern
aus dem Raum Lüdenscheid zu einer Entschädigung verhelfen zu
können, als Mitarbeiter des „Heimatvereins
Lüdenscheid e.V.“ und mit Hilfe des
Stadtarchivs. In der Provinz, in einer Industriestadt konnte der
Autor
pars pro toto - der Teil fürs Ganze - repräsentative Fakten
über ein
besonders schweres Verbrechen des deutschen Faschismus erarbeiten.
Er
wirkte in der entscheidenden Phase des Ringens um
Zwangsarbeiterentschädigung, als US-Konzerne sich anschickten, mit
juristischen Mitteln deutsche Konzerne wegen ihrer Marktvorteile zu
Zeiten der NS-Zwangsarbeiterausbeutung vom Markt zu verdrängen. Da
wurde es möglich, die 55 Jahre erfolglos aufgestellte
Forderung der Opferverbände nach Entschädigung von 13
Millionen Opfern auf die Agenda zu setzen – bis dann 2001 ein
entsprechendes Gesetz angenommen wurde. Die Nachweiserbringung wurde
auch in Lüdenscheid den Archivaren nicht leicht gemacht. Von
Versuchen der Verhinderung des Projekts durch örtliche Wirtschaft
und konservative Politik bis zum Einbruch und Datenklau im Rathaus, in
den Räumen des Stadtarchiv, falschen Auskünften bis
Verweigerungen der Mitarbeit, etwas des größten
KFZ-Herstellers (in Spielzeugform), der Fa. Sieper, reichte die
Einflussnahme. Der Mord an einer unbekannten Zahl von Montenegrinern
auf Befehl des Gauleiters wie an Insassen des Arbeitserziehungslagers
Hunswinkel gehört zu den düstersten
Enthüllungsgeschichten des Arbeitsjournals, das hier
vorgelegt wird und das bisweilen zu einem sehr persönlichen,
ungewöhnlichen Tagebuch gerät. Die darin erzählte
Geschichte findet auch heute noch keinen Abschluß.
Entschädigungsforderungen für sowjetische Zwangsarbeiter mit
Kriegsgefangenenschicksal, Forderungen an die Bahn, die Verbrechen der
Reichsbahn betreffend und an die ganze deutsche Republik, den
griechischen und italienischen Opfern zu helfen, geraten wieder auf die
Tagesordnung. Die Erfahrungen aus diesem Buch aus der Zeit, da Iwan und
all die anderen Sklaven bis nach Lüdenscheid kamen, bleiben
aktuell.
Ulrich Sander, Der Iwan kam bis Lüdenscheid - Protokoll einer Recherche zur Zwangsarbeit, papyrossa, Köln, Mai 2015, ISBN 978-3-89438-582-8, 15,90 Euro.
Unter dieser Adresse kann das Buch schon jetzt bestellt werden: nrw[at]vvn-bda[dot]de.
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