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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

18.06.2015

Wer ermordete rund 100 Gefangene aus Montenegro in den letzten Kriegstagen?

Der Förderverein Steinwache/Internationales Rombergparkkomitee erstattet Strafanzeige - Informationen basieren auf Ulrich Sanders Buch "Der Iwan kam nur bis Lüdenscheid"

Der Nazigauleiter Albert Hoffmann hatte im Hotel Dresel in Hagen-Rummenohl seit März 1945 seinen letzten Ausweichsitz eingerichtet. In dem zusammengeschrumpften Ruhrkessel versuchte er, möglichst viele ausländische Zwangsarbeiter auszuschalten. Es wurde bekannt, dass er kurz vor Eintreffen der US-Truppen über 100 montenegrinische Gefangene aus der Nähe seines Dienstsitzes „abführen“ ließ, und zwar in seiner Eigenschaft als „Reichsverteidigungskommissar“. Von den abgeführten Gefangenen haben nur zehn überlebt. Albert Hoffmann hatte gegen sie als Reichsverteidigungskommissar gehandelt. Ob Hoffmann den Massenmord an den meisten befahl, ist nicht erwiesen – erwiesen ist, dass sie nie wieder aufgetaucht sind. Der vermutliche Mord an den Montenegrinern hat den Förderverein Steinwache/Internationales Rombergparkkomitee veranlasst, Anzeige bei der Staatsanwaltschaft zur Verfolgung nationalsozialistischer Massenverbrechen zu erstatten.

"Ulrich Sander, der Iwan kam nur bis Lüdenscheid"Unterlagen aus dem Stadtarchiv Lüdenscheid belasten Hoffmann, der aber verstorben ist und nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden kann. Die Praxis der deutschen Justiz, Verbrechen alter und neuer Nazis nicht mehr zu verfolgen, wenn der Haupttäter verstorben ist, überhaupt stets von Einzeltätern auszugehen und mörderische Netzwerke etc. auszuschließen, wird neuerdings in Frage gestellt. Daher kommt es zu Verfahren der „last chance“ gegen mutmaßliche Mittäter. Daran anknüpfend schrieb das Komitee an den Leiter der Zentralstelle im Lande NRW für die Bearbeitung von Nationalsozialistischen Massenverbrechen in Dortmund.

Der Sachstand ist dieser: Es fanden sich 126 Karteikarten im Einwohnermelderegister von Lüdenscheid, die nach diesem Muster ausgefüllt waren: Der Gefangene „gekommen aus Stalag 102 433, in Sterbeckerhammer ab 6.3.44 bis 5.4.45, abgeführt 5.5.45 Befehl d. Reichsversicherungskommissars; Ziel unbekannt“.

Gefragt wird: Wohin gerieten die Gefangenen nach dem 5. April 1945? Was geschah in der Woche danach bis zum Eintreffen der US-Truppen? Wurden die Gefangenen ins nahe gelegene Kriegsgefangenenlager Stalag in Hemer gebracht? Bekannt ist: Kurz vor der Befreiung des Lagers Mitte April 1945 müssen noch rund 100 Jugoslawen eingetroffen sein, so berichteten US-Offiziere später. „Starben sie in Hemer,“ fragte das Komitee. Und weiter: „Oder sind sie unter den Opfern der sogenannten Gestapomorde vom Karfreitag in Dortmund, die in den Monaten März und April 1945 verübt wurden?“

Man hofft nun auch, Informationen vom Roten Kreuz, Suchdienst in Bad Arolsen, zu erhalten, der über Stalag-Listen verfügt.

In dem Text der Strafanzeige heißt es: „Wenn auch Albert Hoffmann verstorben ist, so dürften noch an der Verhaftung beteiligte Gestapobeamte und mitschuldige Mitarbeiter der Stahlindustrie am Leben sein.“ Sie sollten nun zur Verantwortung gezogen werden.

Auf der Basis der Neuerscheinung von "Ulrich Sander, Der Iwan kam nur bis Lüdenscheid" wurde diese Strafanzeige erstattet!