11.05.2015
Zum Tag der Befreiung: Von der Befreiung befreit – oder doch die Wiedereroberung eines Tages
In einer Zeitungskolumne schreibt der
Bundessprecher der VVN-BdA Ulrich Sander über seine Eindrücke
vom 8. und 9. Mai, 70. Jahrestag der Befreiung von Krieg und
Faschismus. Angefügt ist die Rede von Horst Schmitthenner vom 9.
Mai in Bochum.
„Ihr aber“, so wandte sich Bert Brecht an
die Überlebenden in den gestorbenen Städten, „gedenkt
unserer mit Nachsicht“. So einfühlsam teilte sich einer aus
der Generation derer mit, die den Faschismus nicht verhindern konnten.
Die Überlebenden in den gestorbenen Städten hatten zumeist
andere Sorgen als solche Nachsicht zu üben. Sie haben sich kaum im
Gedenken geübt, und schon gar nicht gejubelt. In den gestorbenen
Städten war kein Platz für Freudentänze, alles lag voll
Trümmer.
Und heute? An diesem 8. Mai, dem 70. seitdem, gab es
zaghafte Ansätze zur Freude und zum Feiern, und zugleich wurde
derer gedacht, die vor uns da waren. Und dies fast flächendeckend,
und weit mehr als zuvor.
Die da feierten und gedachten waren kleine Leute. Und
die Oberen? Sie beriefen sich gern auf Ex-Bundespräsident
von Weizsäcker, der sich 1985 zum 8. Mai erstmals zu dem Wort
„Wir wurden befreit“ durchgerungen hatte.
So oft es zitiert wurde, so sehr wurde es zerredet. Am
Schluss wurde dann wieder nur vom Tag des Kriegsendes gesprochen, nicht
vom Tag der Befreiung. Man hatte sich von der Befreiung befreit.
Wie sehr hatten wir gehofft, der Bundestag würde
sich zur Forderung nach einem gesetzlichen Feiertag 8. Mai bekennen.
Wie sehr hatten wir gewünscht, der 8. Mai würde dieses Jahr
so begangen werden wie am 8. Mai 1985. Stattdessen bekamen wir einen
Hermann von Treitschke-Verschnitt namens Prof. Heinrich August Winkler
als Bundestagsredner serviert.
Hatten die Minister Scharping und Fischer 1999
zur Begründung des deutschen Angriffskrieges auf Serbien und
Restjugoslawien noch das böse Wort geprägt, zugunsten des
„Nie wieder Auschwitz“ dürfe auf das „Nie wieder
Krieg“ verzichtet werden, so wollte Winkler nun diese Gemeinheit
noch toppen: Wo es Gründe zum Krieg der Deutschen gibt, dürfe
Deutschland nicht mit Verweis auf die Nazi-Vergangenheit beiseite
stehen und „wegsehen“. Über den Kriegsbeginn 1939
verstieg er sich in seiner „Gedenkrede“ zu der
Formulierung: Die ost-mitteleuropäischen Nachbarn seien
„Opfer der deutsch-russischen Doppelaggression“ geworden, -
somit warnte der scharfmacherische Groß-Historiker vor
Verhandlungslösungen mit der russischen Führung.
Doch zum Glück wurde der 8. Mai nicht nur vom
Geschehen im Reichstag bestimmt. Die vielen Gedenkveranstaltungen, aber
auch Befreiungsfeiern, Zeitzeugengespräche, Soli-Aktionen für
Flüchtlinge, Antinazi-Demos und Ausstellungen der Friedensbewegung
waren diesmal einzigartig in Zahl und Vielfalt. Veranstaltet die
VVN-BdA in Berlin schon seit Jahren das Fest „Wer nicht feiert,
der hat verloren“ , so gab es in diesem Jahr solche Feiern
– initiiert von der VVN-BdA - auch in der alten Bundesrepublik,
so z.B. in Dortmund in der Münsterstraße und in Frankfurt
auf dem Römerberg. Eine Besonderheit ragt hervor: In Bochum regten
sich örtliche Gewerkschaften und viele einfache Gewerkschafter und
demonstrierten unter dem Motto „Für ein friedliches,
soziales und demokratisches Europa“.
Es gibt viele Gründe, an die zu Unrecht fast
vergessenen Traditionen der Gewerkschaftsarbeit der ersten Stunde zu
erinnern. So an den 15. April 1945, da auf befreitem Territorium
die erste Betriebsrätekonferenz nach dem Kriege in
Gelsenkirchen-Buer zusammenkam. Es wurde die Gründung einer
Einheitsgewerkschaft beschlossen. Oder an das
Vertrauensmännertreffen auf dem Hoesch-Hüttenwerk in Dortmund
am 27. April 1945. Es wurden „u.a. Fragen der Arbeitszeit, der
Einstellung zu den bisherigen Vertretern der Nazis sowie Bestrafung
derjenigen PG, die sich Mißhandlungen an Kriegsgefangenen usw.
haben zuschulden kommen lassen“ behandelt.
In Bochum gab es zu diesem 8. Mai die
Wiederannäherung der Gewerkschafts- und der Friedensbewegung. Wenn
sich Gewerkschaften in den letzten Jahren zur Friedensfrage verhielten,
so taten sie es allein für sich. Nun also die Thematisierung der
Gemeinsamkeiten: Für Abrüstung und Konversion – auch
die IG Metall soll da wieder mitmachen! – und für
Lösung internationaler Konflikte durch Verhandlungen. Die
gefährliche Lage in der Ukraine wurde thematisiert. Die Jugend
soll nicht länger durch Militarisierung bedrängt werden. Viel
Zustimmung gab es für den griechischen Redner Giorgos Chondros
(Syriza). Er und Horst Schmitthenner (IG Metall) wie auch der Bochumer
DGB-Vorsitzende Jochen Marquard sahen in dem Kampf der griechischen
Linkskräfte, auch der neuen Regierung, gegen das Spardiktat
Deutschlands und der EU einen wichtigen Beitrag für die
Werktätigen ganz Europas. Was den Menschen in Griechenland angetan
werde, das drohe auch danach allen in den Ländern der EU.
Internationale Solidarität – auch das war die
Losung dieses 8. Mai. Und für den Tag der Befreiung als
anerkannter Feiertag wird weiter gestritten.
Die Rede am 9. Mai in
Bochum von Horst Schmitthenner, ehemaliges
geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall im Wortlaut:
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
in der Tat: es ist an der Zeit und wir sagen, Krieg und Militär lösen keine Probleme.
Kriege kommen nicht über uns, sie werden verbreitet und gemacht.
Die aktuelle weltweite Kriegslandschaft von Mali
über den Sudan dem Horn von Afrika, Libyen, Jemen, Naher Osten,
Gaza, Syrien, dem Irak, der Ukraine und Afghanistan zeigt die
Sinnlosigkeit militärischer Intervention.
Nirgendwo haben Kriegseinsätze zu mehr Frieden,
Demokratie oder Stabilität geführt, sondern nur soziale
Verwüstungen angerichtet.
Dennoch: für die heute Verantwortlichen werden
Militär und Krieg wieder zunehmend zum Mittel der Politik. Die
Bundeswehr wird seit Jahren für internationale
Kriegsführungsfähigkeit und für weltweite
militärische Intervention umgerüstet.
Die höchsten Spitzen des Staates beanspruchen wieder eine deutsche Großmachtrolle in der Welt.
Die Friedensbewegung, wir als Teil davon, findet das nicht nur falsch, sondern auch obszön.
Seit der Münchner Sicherheitskonferenz Ende Januar 2014 wissen wir es noch genauer.
Deutschland soll „die Kultur der
Zurückhaltung“ endlich überwinden, es soll die USA bei
der Verteidigung „der freien und friedlichen Weltordnung“
nicht alleine lassen.
Wir sollen stärker als bisher „Verantwortung“ übernehmen, notfalls auch mit militärischer Gewalt.
Tatsächlich hat Deutschland sich seit seiner
Beteiligung am völkerrechtswidrigen Jugoslawien-Krieg längst
aktiv an Angriffskriegen beteiligt. Dies allerdings stets gegen den
Willen der eigenen Bevölkerung. Sie lehnt mit einer
überwältigenden Mehrheit von 75 % deutsche
Kriegseinsätze weiterhin ab.
Das ist gut so.
Wir brauchen keine „Auslandseinsätze“.
Wir brauchen auch keine milliardenschweren
Rüstungsgüter wie Eurofighter, Military-Airbusse,
Atombomber, Drohnen, Raketenabwehrsysteme, Kampf- und
Transporthubschrauber, Marschflugkörper, Schützenpanzer,
Fregatten und Korvetten, U-Boote, Laser- und Streubomben.
Auch wir sind dafür mehr Verantwortung zu übernehmen.
Aber mehr Verantwortung für den Frieden überall in der Welt.
Wir brauchen eine vorausschauende Friedenspolitik, die
weltweit auf Beseitigung der Konfliktursachen gerichtet ist. Die
Versuche, die Probleme der Welt militärisch zu lösen, sind
opferreich gescheitert.
Denn wir haben aus der Geschichte gelernt:
Krieg löst keine Probleme.
Zu einem gesicherten Frieden gehören
nichtmilitärische Konfliktlösungen, internationale
Zusammenarbeit, Abrüstung, Wahrung der Menschenrechte und des
Völkerrechts.
Wir wollen die Beendigung der Rüstungsproduktion
und ihre Umstellung auf zivile Produktion. Wir wollen
Rüstungskonversion und die Einstellung der Rüstungsexporte.
Oft wird die Forderung nach Einstellung der Rüstungsexporte und
der Rüstungsproduktion mit dem notwendigen Erhalt der
Arbeitsplätze in diesem Bereich zurückgewiesen.
Kolleginnen und Kollegen,
ich frage, müssen wir auf Rüstungsexporte
setzen um Beschäftigung zu sichern? Die Fakten jedenfalls sprechen
dagegen. Lediglich 80.000 Arbeitsplätze sind von der
Rüstungsproduktion abhängig. Das ist schon angesichts
der 3,4 Mio. Beschäftigten in der Metallindustrie sehr
überschaubar und zu bewältigen. Und angesichts der über
40 Mio. Beschäftigten in der Gesamtwirtschaft leicht denkbar, das
Ersatzarbeitsplätze zu schaffen sind. Der Anteil der
Rüstungsexporte an allen Ausfuhren liegt unter 1 %.
Der Titel des Exportweltmeisters ließe sich auch locker ohne Rüstung holen.
Kolleginnen und Kollegen,
es stimmt: Wohlstand und Arbeitsplätze hängen
in diesem Land nicht von der Rüstungsindustrie und nicht vom
Export von Waffen ab. Was fehlt ist der entschiedene Wille der Politik,
aber auch der Gewerkschaften, die Rüstungskonversion wirklich
ernsthaft zu betreiben.
Für Toleranz und Demokratie!
Kolleginnen und Kollegen,
Solidarität und Sicherheit sind unverzichtbare Stützen einer solidarischen Gesellschaft.
Wo sie wanken, geraten Demokratie und Toleranz in Gefahr.
Und wo Zukunftsängste und verweigerte Anerkennung
um sich greifen, schlägt die Stunde der großen Vereinfacher.
Es beginnt mit einfachen Antworten auf komplizierte Fragen, es folgen
Intoleranz und Sündenbocktheorie!
Und nur allzu oft endet es mit Terror gegen Andersdenkende und Anschläge auf die Demokratie.
Das lehrt uns gerade die deutsche Geschichte.
Noch in den 50-ziger und 60-ziger Jahren haben viele
Politikerinnen und Politiker den 8.Mai als Tag der Niederlage gesehen.
Das hat sich aufgrund einer intensiven Aufarbeitung geändert.
Heute bewertet die überwiegende Mehrheit der Gesellschaft den
8.Mai als Tag der Befreiung.
Dies gilt auch für alle demokratischen politischen
Parteien und relevanten gesellschaftlichen Organisationen. Dennoch gibt
es keinen Grund die Wachsamkeit aufzuheben, denn am rechten Rand des
politischen Spektrums gibt es bis heute neonazistische, rechtsextreme
und rechtspopulistische Kräfte, die in unterschiedlicher
Erscheinungsform zu unterschiedlichen Zeitpunkten und in
unterschiedlichen Regionen auftreten. Auch 70 Jahre nach der Befreiung
vom Faschismus ist das rechtsextreme und ausländerfeindliche
Gedankengut in Deutschland und in Europa nicht vollständig
überwunden.
Mal sind es ausländerfeindliche und antisemitische
Übergriffe, mal sind es Wahlerfolge der NPD, dann sind es sogar
unfassbare Terrorakte und Morde der NSU, mal sind es sogenannte
schwarze Kameradschaften, die rechtsextremes Gedankengut auf dem
flachen Lande huldigen. Und immer häufiger werden
Flüchtlingsheime angegriffen, wie kürzlich in Tröglitz
in Sachsen-Anhalt.
Und wieder gebärden sich die großen
Vereinfacher und präsentieren sich unter dem Banner PEGIDA als
Beschützer des Abendlandes.
Menschen, die vor Terror, Krieg und Gewalt zu uns fliehen, werden zu Aggressoren erklärt.
Wir machen diese Hetze gegen die, die Schutz suchen nicht mit.
Wir sagen „Nein“ zu Ausgrenzung, Fremdenhass und Intoleranz!
Kolleginnen und Kollegen,
wer über Arbeitslosigkeit und Hartz IV klagt, wer
gegen soziale Armut hier und perverse Reichtümer dort klagt und
wer Ungerechtigkeiten und soziale Kälte nicht länger
hinnehmen möchte, der hat uns an seiner Seite.
Aber wer auf der Flamme sozialer Zukunftsängste seine braune Suppe kochen will, dem treten wir entgegen!
Mit Mut und Entschlossenheit und mit Fakten und Aufklärung!
Wir wissen: der Sieg über den alten und neuen Faschismus muss in den Köpfen gewonnen werden.
Viele Aktivisten haben Springerstiefel und Bomberjacken gegen feinen Zwirn getauscht.
Sie präsentieren sich als Kämpfer für soziale Gerechtigkeit und als Anwälte der Resignierten.
Entlarven wir ihre Lügen – Nazis sind keine
Sozialarbeiter, sondern Propagandisten einer menschenverachtenden
Ideologie.
Wir sagen heute – 70 Jahre nach dem Ende der Nazi-Diktatur:
Faschismus hat so wenig mit sozialer Gerechtigkeit zu tun wie Auschwitz mit freier Arbeit!
Wir sagen“Nein“!
„Nein“ zur Hetze gegen Minderheiten, wir sagen „Nein“ zu Rassismus!
Wir sagen „Ja“ zu Toleranz und Respekt!
Und wir sagen „Ja“ zu einer sozialen
Demokratie, in der Gerechtigkeit, Menschenwürde und der Kampf
für Frieden und Abrüstung keine leeren Phrasen sind.
Kolleginnen und Kollegen,
unser Engagement gegen rechts kann sich nicht nur auf
notwendige Gegendemonstrationen beschränken. Engagement gegen
rechts beginnt im Alltag und im Betrieb, wenn irgendjemand
rechtsradikale oder ausländerfeindliche Sprüche klopft. Hier
ist nicht Weghören, sondern aktives Widersprechen erforderlich. Je
mehr Menschen dies tun, desto eher werden wir rechtsextreme Tendenzen
im Betrieb und in der Gesellschaft überwinden.
Die Krise Europas überwinden
Kolleginnen und Kollegen!
Wenn ich heute nach Europa schaue, dann fällt mir ein Satz vom großen deutschen Dichter Heinrich Heine ein.
Heute könnte er abgewandelt lauten: „Denk ich an Europa in der Nacht, so bin ich um den Schlaf gebracht.“
Früher, ja früher, da stand Europa für
die Hoffnung auf eine grenzenlose Zukunft; für die Hoffnung auf
Wohlstand, Freiheit und Demokratie!
Doch was ist daraus geworden?
Heute steht Europa für Millionen seiner Bürgerinnen und Bürger nicht mehr für eine grenzenlose Zukunft.
Heute steht Europa für eine Zukunft in grenzenloser Unsicherheit!
Ist das unser Europa? So frage ich.
Man zwingt Menschen für lebensnotwendige Dinge auf
die Straße zu gehen, weil sie ihnen im Namen von Bankenrettung
und Schuldenabbau verweigert werden.
In manchen Teilen Südeuropas hat mehr als die Hälfte aller jungen Menschen keinen Job.
Große Teile der Gesellschaft verarmen und einer ganzen Generation fehlt die Perspektive.
Ein nachhaltiges Konzept zur Krisenbewältigung – das aber fehlt!
Stattdessen werden Sozialleistungen radikal gekürzt und die Rechte der Parlamente beschnitten.
Kein Zweifel: Viele Probleme sind auch hausgemacht; sind Resultat einer falschen Politik in den Schuldenstaaten.
Aber ich frage: Warum sollen Beschäftigte, Rentner, Arbeitslose und vor allem die Jugend dafür büßen; durch Arbeitsplatzverluste, Lohnsenkung und Rentenklau?
Nein, Kolleginnen und Kollegen, das ist nicht unser Europa!
Unsere Botschaft nach Berlin und Brüssel ist eindeutig:
Buhlen Sie nicht um das Vertrauen der Märkte, werben Sie um die Zustimmung der Menschen.
Setzen Sie die Finanzmärkte - und nicht die Sozialstaaten unter Druck!
Damit unser Europa eine Zukunft bekommt - braucht Europa kein „Weiter-So“; Europa braucht einen radikalen Politikwechsel:
Verschuldete Staaten müssen durch faire Zinsen und öffentliche Investitionen unterstützt werden.
Statt Sparprogramme zu erzwingen, müssen Wachstumsprogramme gefördert werden!
Das braucht Europa - und nicht „Privilegien-Schutz“ und Sozialabbau!
Ein soziales,
- ein gerechtes, friedfertiges und friedenschaffendes
- ein demokratisches Europa –
dafür treten wir ein und davon werden wir nicht lassen!
Und wenn die Menschen in Griechenland, Spanien, Portugal
und anderswo in Europa dafür kämpfen, dann ist unser Platz an
ihrer Seite.
An ihrer Seite und nirgendwo anders!
Gegen die Spaltung der Welt
Kolleginnen und Kollegen,
an den Grenzen Europas sterben die Menschen.
Männer, Frauen und Kinder, die nichts anderes suchen als eine sichere Zukunft für sich und ihre Familien.
Live und in Farbe müssen wir mit ansehen, wie die, die vor Hunger, Tod
und Vertreibung fliehen nicht den sicheren Hafen Europa erreichen,
sondern in den Fluten des Mittelmeers jämmerlich ertrinken.
Das ist unerträglich! Das Sterben im Mittelmeer muss aufhören und zwar sofort!
Wir wollen von den Politikern in Brüssel und in den
Hauptstädten Europas keine Beileidsbekundungen mehr hören.
Wir wollen endlich Taten sehen:
Das Einsatzgebiet der Seenotrettung muss ausgeweitet werden.
Und die unsägliche europäische
Abschottungspolitik muss beendet werden: Wir brauchen legale und
sichere Wege für Flüchtlinge nach Europa.
Und wenn die Bekämpfung der Fluchtursachen nicht nur ein Lippenbekenntnis von Politikern bleiben soll Kolleginnen und Kollegen, dann muss die Kluft zwischen Wohlstands- und Armutszonen kleiner werden. Das hilft, und eben nicht militärischen und kriegerische Maßnahmen.
Und lassen wir uns auch hier nicht erzählen, mehr Gerechtigkeit sei nicht zu finanzieren.
Geld ist da, doch die Verteilung stinkt zum Himmel!
Im Jahr 2016 wird nur 1 % der Bevölkerung mehr Vermögen besitzen, als der Rest der Welt zusammengenommen.
Unvorstellbar!
Wenn wir diese Vermögen wenigstens so versteuern
wie die Einkommen der Arbeiter-innen und Angestellten und das Geld
nehmen würden um die Kluft zwischen den Wohlstands- und
Armutszonen zu verkleinern, kämen wir schon ein gutes Stück
vorwärts.
Und wenn wir die vielen 1.000 Mrd., die wir für
Militär und Rüstung verpulvern dazu nähmen, würden
wir nicht nur die Gerechtigkeit finanzieren, sondern noch was
übrig haben um andere sinnvolle soziale Projekte finanzieren zu
können.
Kolleginnen und Kollegen,
wir sind der friedlichen Entwicklung und der internationalen Solidarität verpflichtet.
Aber heute endet unser Blick zu oft am Gartenzaun der eigenen Sorgen.
Ja, es geht um den Kampf gegen Arbeitslosigkeit, Armut und Demokratieabbau bei uns – selbstverständlich!
Aber es geht auch um die Überwindung einer Wirtschaftsordnung, die die Welt in Menschen mit und ohne Lebenschancen teilt.
Nicht Menschenwürde und internationale
Solidarität, sondern dieser Finanzmarkt-Kapitalismus, der Menschen
verachtet und die Natur zerstört, ist ein Irrtum der Geschichte.
Und deshalb wird es höchste Zeit, dass er von der historischen Bühne abtritt. Je früher – desto besser!
Für eine soziale Bewegung der Solidarität
Kolleginnen und Kollegen!
Ich weiß, die Zeiten sind schwierig, wenn es darum
geht für Abrüstung, Konversion, zivile Konfliktbearbeitung
und, weil das die Voraussetzung ist, für Gute Arbeit,
Solidarität und soziale Demokratie zu streiten, und in
Deutschland, in Europa, überall auf der Welt dafür zu
mobilisieren.
Herkules-Aufgaben allesamt!
Wer soll das alles durchsetzen, wer hat die Kraft und den Mut?
Darauf gibt es nur eine Antwort: Wir!
Diesen Kampf werden wir führen müssen, den wird uns keiner abnehmen.
Dabei treffen wir nicht nur auf Widerstand der Reichen und Einflussreichen!
Wir treffen auch auf Zuspruch und Ermutigung von Vielen.
Ich habe dabei eine Hoffnung:
Vielleicht wächst in unserem Kampf auch die
Überzeugung, dass wir als Friedens- und Gewerkschaftsbewegung
für ein weitergehendes Ziel angetreten sind.
Gestern wie heute streiten wir: Für eine
Gesellschaft, in der Solidarität und Humanität nicht immer
wieder gegen die Profit- und Machtinteressen einer kleinen Minderheit
durchgekämpft werden müssen.
Das wäre zweifelsohne eine Gesellschaft jenseits der Zwänge des heutigen Kapitalismus.
Diese Hoffnung wahr werden zu lassen, dafür ist die Friedens- und Arbeiterbewegung angetreten.
Eine uralte Hoffnung, aber zugleich hochaktuell!
Auf geht’s!
Kolleginnen und Kollegen,
weiter geht’s, unser gemeinsamer Kampf lohnt sich.
Es lebe die Friedensbewegung!
Hoch die internationale Solidarität!
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