12.04.2015
Aufruf der Kinder des
Widerstandes
Im fünften Jahr
arbeitet nun schon die Gruppe „Kinder des
Widerstandes“. Es begann mit einem Aufruf und einem Flyer.
Der Text dieses Flyers
lautet:
Kinder
des Widerstandes
Antifaschismus
als Aufgabe
„1933 wäre verhindert worden,
wenn alle Hitlergegner die Einheitsfront geschaffen hätten.
Dass sie nicht zustande kam, dafür gab es (…) nur
eine einzige Entschuldigung: Sie hatten keine Erfahrung, was Faschismus
bedeutet, wenn er einmal an der Macht ist.
Aber heute haben wir alle diese Erfahrung. Heute
muss jeder wissen, was Faschismus bedeutet. Für alle
zukünftigen Generationen gibt es keine Entschuldigung mehr,
wenn sie den Faschismus nicht verhindern.“ (Peter
Gingold in seinen Lebenserinnerungen, Seite 28/29
Wer sind wir?
Konferenz
zum Thema „Nachkommen von NS-Verfolgten“
Der Bundesverband Information &
Beratung für NS-Verfolgte e. V. wird vom 15.-16. Juni 2015
eine
Konferenz zum Thema Nachkommen von NS-Verfolgten veranstalten.
Die Konferenz behandelt drei Themenfelder:
Soziale
Arbeit, psychische Gesundheit/Traumatisierung und gesellschaftliche
Teilhabe/Diskriminierung. Vertreter/innen der „Kinder des
Widerstandes“ und der VVN-BdA gehören zu den
Mitwirkenden.
Weitere Informationen und die
Anmeldeformulare sind auf unserer Homepage unter folgendem Link
verfügbar: http://www.nsberatung.de/index.php/de/konferenz
|
Unsere Gruppe entstand auf Initiative von vier
Frauen, alle vier Töchter von Widerstandskämpfern und
-kämpferinnen. Das sind Alice Czyborra (Gingold), Traute
Sander (Burmester), Inge Trambowsky (Kutz) und Klara Tuchscherer
(Schabrod). Sie werden unterstützt von der Vereinigung der
Verfolgten des Naziregimes-Bund der Antifaschist/innen und weiteren
Unterzeichner/innen ihres Aufrufs.
Der Name der Gruppe ist Programm:
„Kinder des Widerstandes“ wollen dem
antifaschistischen Kampf ein persönliches Gesicht geben,
zeigen was Widerstand, Verfolgung, Inhaftierung, Folter und Terror
für den einzelnen Menschen und dessen Familien bedeutete. Und
zwar vor wie nach 1945.
Unsere Eltern waren empört
darüber, dass Altnazis auf allen Ebenen z.B. Richter,
Staatsanwälte, Minister – sogar als Staatsoberhaupt
– wieder in Amt und Würden kamen. Sie waren
empört darüber, dass es erneut zu einer
Wiederbewaffnung kam. Viele unserer Eltern und Großeltern
wurden in der Zeit des Kalten Krieges nochmals verfolgt.
Warum jetzt?
- Weil die Nazis immer mehr und aggressiver
werden. Wir müssen vor dem geschichtlichen Hintergrund
verdeutlichen, was Faschismus bedeutet.
- Weil viel Unkenntnis über den
Widerstand im Faschismus besteht und die Geschichte oft
verfälscht wird.
- Weil die Zeitzeugen zumeist nicht mehr unter
uns sind und wir in ihrem Sinne weitermachen wollen.
- Was wollen wir?
- Unsere Gruppe möchte der Ausgrenzung
unserer Eltern und Großeltern aus der Gedenkarbeit
entgegenwirken
- Wir als Nachkommen wollen die Erfahrungen und
Einschätzungen im Kampf gegen Faschismus und Neofaschismus
weitergeben.
- Viele unserer Eltern sind nach 1945 weiter
diskriminiert worden. Wir setzen uns dafür ein, dass sie ihre
Würde und Anerkennung zurückerhalten.
- Wir sind gerade aufgrund der Ungerechtigkeit
gegen eine Ziehung eines Schlussstriches unter die Geschichte der
Nazizeit.
- Wir suchen weiter nach Nachkommen von
Widerstandskämpfern, um ihre persönlichen Geschichten
zu hören, aufzuschreiben. Aber auch um weitere Mitstreiter zu
bekommen.
Die VVN-BdA setzt sich dafür ein, dass
eine Wiedergutmachung für die Benachteiligten erfolgen muss.
Vor allem geht es um die Rehabilitierung der Opfer des Kalten Krieges.
Ende der sechziger Jahre gab es zwar ein
Strafrechtsänderungsgesetz, das zahlreichen Verfolgungen ein
Ende setzte, eine Rehabilitierung der Betroffenen erfolgte jedoch nicht.
Wir mischen
uns ein!
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem
Beschluss vom 4. November 2009 erklärt: "Angesichts des
einzigartigen Unrechts und des Schreckens, die die
nationalsozialistische Herrschaft über Europa und weite Teile
der Welt gebracht hat", sind das Grundgesetz und die Entstehung der
Bundesrepublik Deutschland "geradezu als Gegenentwurf" zum
nationalsozialistischen Regime zu verstehen.“ "Das bewusste
Absetzen von der Unrechtsherrschaft des Nationalsozialismus war
historisch zentrales Anliegen aller an der Entstehung wie
Inkraftsetzung des Grundgesetzes beteiligten Kräfte." (Aus den
Leitsätzen zum Beschluss des Ersten Senats vom 04.11.2009 - 1
BvR 2150/08).
Hinterbliebene
von NS-Opfern fordern ihr Recht
Die Gegnerschaft zur Naziherrschaft ist demnach
Verfassungsgebot und Staatsdoktrin. Dem sehen wir uns verpflichtet.
Seit jüngster Zeit gibt es eine Reihe von
Dokumentationen, die belegen, was die VVN seit den 60er
Jahren nachgewiesen hat: In der Bundesrepublik konnten Eliten der
Nazizeit wieder tätig werden, Einfluss nehmen und dabei
weiterhin gegen Antifaschisten vorgehen.
Gerichte verfolgten Teilnehmer des
Arbeiterwiderstandes, vornehmlich des kommunistischen Widerstandes, um
sie - auch unter Hinweis auf Vorstrafen aus politischen Prozessen von
1933 bis 1945 - wegen ihrer politischen Tätigkeit erneut
einzusperren und ihnen die Rechte auf Entschädigung
abzusprechen. Ärzte aus der NS-Zeit wurden als Gutachter
eingesetzt, um die Entschädigungsrechte der oft schwer
geschädigten politisch, rassisch und religiös
Verfolgten in Zweifel zu ziehen.
Auch die Kinder und Enkel der Betroffenen hatten -
infolge der Leiden ihrer Verwandten - mitzuleiden: Denn die Familien
der Opfer litten oft materielle Not, die Kinder und Enkel, also die aus
der 2. und 3. Generation, waren betroffen von psychischen
Schäden und Traumatisierungen, sie waren im Bildungswesen, in
Schule und Gesellschaft Diskriminierungen bis hin zu Berufsverboten
ausgesetzt. Sie galten als Kinder von "Vorbestraften". Die jetzt
bekannt gewordenen personellen Kontinuitäten aus der Zeit vor
und nach 1945 müssen zu Konsequenzen führen. Doch die
Gelegenheiten, die sich dazu bieten, werden nicht genutzt. Der Umgang
des Deutschen Bundestages mit dem Antrag "Widerstand von Kommunistinnen
und Kommunisten gegen das NS-Regime" (Drucksache 17/2201), eingebracht
von der Fraktion DIE LINKE am 16. 6. 2010, ist ein Skandal, ja ein
Schlag ins Gesicht der NS-Opfer. Ohne mündliche Aussprache,
nur mit schriftlichen Wortbeiträgen, die seitens der CDU, CSU
und FDP, aber auch der SPD den Geist der Restauration und des Kalten
Krieges atmeten, wurde der Antrag am 11. November 2010 zu
später Stunde beerdigt. Die CDU/CSU-Reaktion ist unfassbar
und, ähnlich wie bei den vielen Debatten zum Kriegsverrat,
sprachlich und argumentativ stark in der Nähe von
rechtsextremen Organisationen.
Auch in der Erinnerungsarbeit der
Gedenkstätten für Opfer des NS-Unrechts werden die
Vertreter der 2. und 3. Generation oftmals abgewiesen. Man
erklärt ihnen ungeschminkt: Euer Anspruch auf Mitsprache in
der Gedenkarbeit ist verwirkt. Genugtuung darüber, dass
Zeitzeugen sich nicht mehr einmischen können, ist
unverkennbar. Doch, wir mischen uns ein.
Ich
unterstütze diese Erklärung von
Kindern und Enkeln der NS-Verfolgten und Opfern
des Kalten Krieges:
Vorname: __________
Name: __________
Anschrift: __________
Straße __________
PLZ Ort __________
E-Mail-Adresse __________
Ich bin interessiert an Material:
Ich möchte die „Kinder“ des Widerstandes
in ihrer Arbeit unterstützen:
Ich bin selbst Kind/Enkel/Nichte/Neffe von Widerstandskämpfern
und
zwar von: __________
Abschicken an: VVN-BdA-NRW, Gathe 55, 42197
Wuppertal, nrw[at]vvn-bda[dot]de
Aus der Arbeit
der Kinder des Widerstandes
Viele Aktivitäten der Gruppe wurden
durchgeführt. So fand ein Treffen „Die zweite
Generation – Kinder des Widerstands und des Exils
(Arbeitstitel)“ am 12./13. Oktober 2012 im
Robert-Havemann-Saal, Haus der Demokratie und Menschenrechte Berlin
statt.
Dazu schreibt Hans Coppi, der Berliner
VVN-Vorsitzende: „Im Unterschied zu jüdischen
Kindern, die seit Ende der 1980er Jahre traumatische Erfahrungen in
ihren Familien und die Auswirkungen auf ihre eigene Sozialisation
diskutieren, existiert bei den Kindern von politisch Verfolgten kein
kollektives Bewusstsein. Die Kinder der politisch und religiös
Verfolgten haben (…) in den umfangreichen Forschungen zu
Verfolgung und Widerstand sowie zu Kindheit und Jugend im
Nationalsozialismus bislang wenig Berücksichtigung gefunden.
(…) Traumatische Prägungen ihrer Kindheit und
Jugend und eine teilweise Entfremdung von den Väter,
Müttern oder Eltern durch lange Haftzeiten und durch
Sozialisierungsdruck führten zu unterschiedlichen
Verarbeitungsmustern.
Kinder von in der Vereinigung der Verfolgten des
Naziregimes (VVN) organisierten Eltern erlebten deren Diskriminierung
und Verfolgung in der Bundesrepublik und manchmal auch ihre eigene
durch Berufsverbote. Oftmals galten sie als Kinder von
‚Vorbestraften’.“
Wir legen hiermit die Berichterstattung des Neuen
Deutschland vor
- über den Auftritt des
CDU-Bundestagsabgeordneten Günter Baumann vom 8. Mai 2008
über „Entschädigung von
KPD-Aktivisten“, die der Herr als Verbrecher einstufte und
deren Entschädigung für ihren aufopferungsvollen
Widerstand gegen die Nazis er ablehnte. (ND
9.5.08)
- über die Bundestagssitzung
vom 11. November 2011 „Widerstand von
Kommunist/innen gegen das NS-Regime anerkennen“ (die
Anerkennung wurde von der Mehrheit verweigert, von den Linken und dem ND
15. 11. 2010 verlangt.
Die Gruppe „Kinder des
Widerstandes“, die sich in der VVN-BdA gegründet
hat, um das Andenken der Eltern und Großeltern der
„Kinder“ zu bewahren, hat in ihren
Veröffentlichungen die Haltung der Bundestagsmehrheit
verurteilt.
|