12.04.2015
Unsere Antwort an die CSU:
Werdet Mitglied der VVN-BdA!
Aus
einer Ostermarschrede: "Die bayerische Landesregierung will die VVN-BdA
vernichten"
Die Vereinigung der Verfolgten
des Naziregimes sei kommunistisch gesteuert und somit
linksextremistisch, behauptet die bayerische Landesregierung und
strebte ein Grundsatzurteil des bayerischen Landesverwaltungsgerichts
an. Das Urteil liegt vor – wir gehen dagegen an. Wir bleiben
bei unserer parteipolitischen
Unabhängigkeit.
Der VVN-BdA gehören Kommunisten an? Das
kam so: Der deutsche antifaschistische Widerstand war zu 75 Prozent von
Kommunisten geleistet worden. 30.000 von ihnen wurden ermordet. 150.000
entkamen den KZ und Zuchthäusern, andere kamen aus der
Emigration zurück. Sie gehörten zur
Gründergeneration der VVN. Und heute sind noch viele ihrer
Hinterbliebenen in der VVN – und viele andere. Bayern als
Vorreiterin eines neuen Kalten Krieges legt die
Globke-Strauß-Adenauer-Politik neu auf. Die VVN-BdA
stört dabei erheblich. Die CSU-Regierung greift nun nach den
spärlichen Einnahmen der VVN-BdA und nimmt der VVN-BdA die
Gemeinnützigkeit. Und andere Maßnahmen liegen in der
Luft.
Bayern will
VVN mundtot machen!
Ostermarschrede
von Martha Metzger, VVN-BdA Augsburg, beim Augsburger Ostermarsch 2015
Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer am
Ostermarsch 2015,
liebe Freundinnen und Freunde aus organisierten
Gruppen,
seit unsere Organisation, die Vereinigung der
Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und
Antifaschisten (VVN-BdA) von Überlebenden der
Konzentrationslager 1947 gegründet wurde, ist ihre wichtigste
Aussage »Nie wieder Krieg – Nie wieder
Faschismus!« Damit ist unsere Organisation schon immer ein
Teil der Friedensbewegung - und sie beteiligt sich engagiert am
Widerstand gegen Rüstungsproduktion, Waffenexporte,
Kriegseinsätze und die fortschreitende Militarisierung.
Unser zweiter wichtiger Bereich ist der Kampf
gegen den Faschismus, gegen den Einfluss der Neonazis in unserer
Gesellschaft, gegen Rassismus, und gegen jede Form der Ausgrenzung von
Menschen. Auch das hat etwas mit Frieden zu tun.
Und gerade deswegen hat die bayerische
CSU-Regierung nun die VVN auf die Abschussliste genommen. Die
Christlich-Sozialen wollen Andersdenkende mundtot machen, politisch
Unliebsame öffentlich diskreditieren, und vor allem unsere
widerständige Organisation finanziell vernichten.
Als Kampfinstrument benutzt die Staatsregierung
und ihre Justiz das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz
– wie wir alle wissen, eine Versagerbehörde ohne
gleichen, vor allem, wenn es um die Verhinderung und
Aufklärung der NSU-Morde und die amtliche Hilfe beim Aufbau
von Nazistrukturen geht.
Die wiederholte Nennung der VVN im bayerischen
Verfassungsschutzbericht als – wörtlich –
»die größte linksextremistisch
beeinflusste Organisation des Antifaschismus« verfolgt das
Ziel: die Beseitigung der VVN. Der erste Schritt ist vollzogen,
nämlich der Verlust der Gemeinnützigkeit.
Nach der Neufassung der Abgabenordnung von 2009
bietet die Erwähnung des Vereins im VS-Bericht den bayerischen
Behörden die Möglichkeit, »das
Zuwiderhandeln gegen den Gedanken der
Völkerverständigung« zu unterstellen.
Es besteht die Gefahr, dass diese Praxis
bayerischer Demokratie auch weitere kritische Organisationen treffen
kann, wie z.B. das a.i.d.a.-Archiv, attac oder andere
Gruppen, sobald sie den Herrschenden gefährlich erscheinen.
Diese Maßnahmen bedrohen jetzt die
Fortführung unserer Arbeit der Erinnerung, der Mahnung und der
Aufklärung. Das uneigennützige antifaschistische
Engagement vieler Menschen in der VVN wird durch die bayerische
Staatsregierung und ihre Hilfstruppen mit Füßen
getreten.
Als Beispiele für viele, die sich ihr
Leben lang für die VVN eingesetzt haben, nenne ich hier die
Augsburger Ehrenbürgerin und Trägerin des
Bundesverdienstkreuzes Anni Pröll, oder den – wie in
jedem Jahr auch jetzt im April – in Augsburger Schulen
eingeladenen Zeitzeugen Ernst Grube.
Gegen den infamen Angriff der CSU, die u.a. mit
ihren Parteigrößen aus dem Strauß-Clan und
aktuell mit Georg Schmidt genug Dreck am Stecken hat, musste sich die
bayerische VVN wehren.
2011 klagten wir gegen die diffamierende und
parteipolitisch motivierte Kampagne des Bayerischen
Verfassungsschutzes. 70 Jahre nach der Befreiung vom Faschismus ging
bei uns die Urteilsbegründung ein, mit der unsere Klage gegen
die Einträge in die bayerischen VS-Berichte abgewiesen wurde.
Damit die Auswirkungen des Urteils nicht auch
unsere Landesverbände und den Bundesverband treffen, sind wir
gezwungen, juristisch bis zum – hoffentlich nicht bitteren
– Ende weiter zu kämpfen.
Ich will noch drei Punkte aus der
Urteilsbegründung herausgreifen, um zu veranschaulichen, wie
das Bayerische Verwaltungsgericht München arbeitet:
Erstes Beispiel: Die Abweisung unserer Klage wird
auch damit begründet, dass »Kontakte zur Partei DIE
LINKE« und zur DKP bestünden, und dass einer der
Landessprecher 2009 Bundestags-Direktkandidat der Partei DIE LINKE war.
Zweites Beispiel: Dem Theologen und
langjährigen Bundesvorsitzenden Prof. Dr. Fink wird u.a.
vorgeworfen, dass er in einem Interview »erneut seine
positive Beurteilung von Massenblockaden gegen genehmigte
Veranstaltungen« äußerte. Gemeint waren
die Neonaziaufmärsche in Dresden.
Drittes Beispiel: – und jetzt wird es
superdemokratisch – Die Parole »Faschismus ist
keine Meinung, sondern ein Verbrechen«, die
regelmäßig auf einem Transparent bei Demonstrationen
und Kundgebungen hier in Augsburg mitgeführt wird, ist
für das Bayerische Verwaltungsgericht ein Beweis für
die »fehlende Achtung vor den im GG konkretisierten
Menschenrechten« – was immer das Gericht darunter
versteht.
Wir von der VVN wollen weiterhin mit euch zusammen
den Ostermarsch, die Veranstaltungen der Augsburger Friedensinitiative
und die Friedenswochen durchführen.
Deswegen rufen wir alle auf:
Lasst die Ausgrenzung und die drohende Beseitigung
der VVN-BdA nicht zu! Unterstützt uns öffentlich!
Kommt zu unserem Infostand und geht zu unseren Veranstaltungen in
Augsburg! Die nächste ist am 70. Jahrestag der Befreiung vom
deutschen Faschismus, am 8. Mai um 20 Uhr im Filmsaal des Zeughauses.
Zeigt Solidarität, Mut und Zivilcourage
gegen die Arroganz der Macht!
Ich danke euch.
Martha Metzger
Ulrich Sander,
Bundessprecher der VVN-BdA, der in den bayerischen
Verfassungsschutzberichten und in dem obigen Urteil genannt wird, hat
zu den Behauptungen des VS schon vor längerer Zeit Stellung
genommen:
Aus Ossietzky 04.02.2012
Antifaschisten
als Verfassungsschutzopfer
Ulrich Sander
Obwohl Bürger von Nordrhein-Westfalen
werde ich von den bayerischen und baden-württembergischen
Verfassungsschutzbehörden (seit einem Jahr nicht mehr
– US) beobachtet und in ihren Jahresberichten als
»Linksextremist« ausgewiesen. Ich gehöre
zu den Bürgern, die angeblich mittels
»diffamierender Beschreibung der
Verfassungswirklichkeit« und scharfer Kritik »ein
grundsätzliches Infragestellen der freiheitlich-demokratischen
Grundordnung« erkennen lassen. So meint es das Bayerische
Staatsministerium des Innern ausdrücken zu müssen,
weshalb ich in einer Antwort an Bürgerinnen und
Bürger zitiert werde, die wissen wollen, warum die VVN-BdA im
bayerischen Verfassungsschutzbericht erwähnt und warum diese
Organisation vom Verfassungsschutz beobachtet wird.
Die »diffamierende Beschreibung der
Verfassungswirklichkeit« stammt nicht von mir, aber wird mir
und der VVN-BdA, deren Bundessprecher ich bin, untergeschoben.
Die »Diffamierung«, die mir
unterstellt wird, läuft darauf hinaus, daß der
»Kapitalismus, die bestehende freiheitliche demokratische
Staats- und Gesellschaftsordnung und mit ihr letztlich die
parlamentarische Demokratie« zu bekämpfen sei. Wer
als Antifaschist den Kapitalismus kritisiert, sei ein Anhänger
der »Dimitroff-Thesen« und bekämpfe die
Demokratie, so der bayerische Verfassungsschutz. Daß in
Deutschland mit der NSDAP auch die ökonomischen Eliten
siegten, die Hitler brauchten und förderten, ist keine
Erfindung von Georgi Dimitroff, sondern das war Kenntnisstand aller
politisch klar denkenden Beobachter in jener Zeit.
Die allgemeine Schlußfolgerung der
Antifaschistinnen und Antifaschisten seit den Jahren 1933/34 war jedoch
auch, die Errungenschaften der demokratischen und parlamentarische
Gesellschaftsordnung zu verteidigen und auf ihrer Grundlage die
Menschen in den gemeinsamen Kampf gegen Krieg und Faschismus zu
führen. Gerade die Fehleinschätzung, daß
der bürgerliche Staat nur dominierende faschistische Elemente
enthält, trug zur Niederlage der Arbeiterbewegung 1933 bei.
Deshalb war die Errichtung der demokratischen Republik nach 1945 die
Hauptlosung als Schlußfolgerung aus dem Faschismus, und unter
dieser Losung einigten sich die Antifaschistinnen und Antifaschisten
vieler Richtungen in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes.
Die Verteidigung der Grundrechte und des
Grundgesetzes gehörten und gehören zu den
Wesensmerkmalen der Politik und Praxis des Antifaschismus. Das
schließt Kapitalismuskritik der Antifaschisten nicht aus,
setzt sie aber nicht voraus. Deshalb forderten ich und Freunde von mir
in den letzten Monaten den bayerischen Verfassungsschutz und den
Innenminister öffentlich und in Briefen wiederholt auf, die
diffamierenden Behauptungen über mich und die VVN sowie meine
namentliche Nennung im Verfassungsschutzbericht und im Portal
über »Linksextremismus« zu
löschen. Eine Antwort blieb aus. Nun klagt die VVN-BdA Bayern
gegen das Land.
Es gibt keinen Schutz gegen Lügen, die
der Inlandsgeheimdienst über demokratische Bürger
verbreitet. Wenn kürzlich mal wieder das
Stasi-Unterlagen-Gesetz verlängert wurde, das 21 Jahre nach
Ende der »kommoden Diktatur« (Günter
Grass) noch immer existiert, so sei daran erinnert, daß es
nach Ende der grauenvollsten Diktatur in der Menschheitsgeschichte, der
NS-Diktatur, nicht einen Tag lang ein – sagen wir mal
– Gestapo-Unterlagen-Gesetz gegeben hat. Stattdessen
beschloß der Bundestag schon bald ein Gesetz zum Artikel 131
des Grundgesetzes, das vorsah, die im Rahmen der Entnazifizierung
entlassenen Beamten möglichst wieder beim Staat einzustellen,
wobei sie sogar den jungen Hochschulabsolventen vorgezogen wurden.
Aus dem Jahr 1966 stammt ein Gutachten eines der
höchsten 131er und Nazi-Mediziner, Hans Bürger-Prinz,
der nach dem Krieg in Hamburg der allein zuständige Gutachter
in Wiedergutmachungsfällen war. Er bescheinigte meinem
Schwiegervater, daß ihm keine Entschädigung zukomme,
denn »der Kläger nahm die Risiken einer Verfolgung
im Sinne einer mehr oder weniger bewußt gewählten
Selbstbewährung im Einsatz für die Idee auf sich,
unterscheidet sich darin also gegenüber der unausweichlich
Situationen eines rassisch Verfolgten«. Der Kommunist Artur
Burmester war also selbst schuld, er hätte den Widerstand
unterlassen sollen, dann hätten ihm die Nazis nichts angetan.
Dabei wird in dem Gutachten durchaus deutlich, wie der Junge gelitten
hat, der bereits 1933 mit 17 Jahren in die Fänge der Gestapo
geriet und insgesamt dreieinhalb Jahre Haft und
»Bewährungseinheit 999« sowie Zwangsarbeit
durchlitt. In der Haft wurde er mißhandelt, getreten,
gefoltert, um »Geständnisse« von ihm zu
erzwingen. Die Täter wurden nicht bestraft, sie hatten nach
1945 ein Recht auf Weiterbeschäftigung. Die Organisation des
Artur Burmester war die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes. Sie
war in Hamburg in den sechziger Jahren verboten, so auch in einigen
anderen Bundesländern.
In Rheinland-Pfalz, wo dieses Verbot damals
ebenfalls galt, kehrte man jetzt vorübergehend zu den
damaligen Praktiken zurück. Der Opferorganisation wurde vor
einigen Wochen der Status der Gemeinnützigkeit aberkannt, weil
sie im bayerischen (nicht im rheinland-pfälzischen)
Verfassungsschutzbericht steht. Sich um die Belange der Gestapo-Opfer
zu kümmern sei nicht förderungswürdig,
meinten die Behörden im SPD-regierten Bundesland
Rheinland-Pfalz. Allerdings nur vorübergehend, denn
kürzlich wurde der VVN-BdA in Rheinland-Pfalz dann doch die
Gemeinnützigkeit wieder zuerkannt. Nicht so in Bayern. Auch
dort wurde der VVN-BdA der Gemeinnützigkeitsstatus aberkannt.
Der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück
(SPD) hatte zu Zeiten der Großen Koalition eine Verordnung
erlassen, daß Organisationen, die im Verfassungsschutzbericht
auch nur eines Bundeslandes stehen, in allen Bundesländern
keinen Gemeinnützigkeitsstatus haben sollen. Angeblich sollte
sich das gegen Nazis richten, es wird jedoch auch gegen Linke
praktiziert. Wer der VVN-BdA angehört, soll mit schweren
Nachteilen rechnen. Es werden wieder Zustände wie im Kalten
Krieg hergestellt.
Aber sogar während des Kalten Krieges gab
es Bürgerliche, Demokraten, die den linken Berufsverbotsopfern
und anderen Verfassungsschutzopfern halfen. Derzeit hört man
von Solidarität mit diesen wenig.
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