08.09.2014 Ursula
Richter wird 75 Jahre alt: Eine engagierte Frau lebt nach den
Prinzipien „Nie wieder Krieg – Nie wieder Faschismus“ Ursula
Richter fühlt sich zwei Leitlinien verpflichtet, die beide eng mit
dem 1. September 1939 verbunden sind: „Nie wieder Krieg!“
und „Nie wieder Faschismus!“. Am Montag jährt
sich zum 75. Mal der deutsche Überfall auf Polen und damit der
Beginn des Zweiten Weltkriegs. Kein Tag zum Feiern. Vielleicht auch
deshalb feiert die Mitbegründerin des Bündnisses Dortmund
gegen Rechts erst am 2. September ihren 75. Geburtstag. Ula und Wolfgang Richter mit dem Banner vom Bündnis Dortmund gegen Rechts. Fotos: Alex Völkel „Ich
komme aus einer reaktionären, kleinbürgerlichen,
konservativen und militaristisch geprägten Familie” „Ich
sollte am 1. September 1939 geboren werden, aber ich wollte nicht
raus“, sagt sie lachend. Am 2. September war ihr
„Widerstand“ gebrochen – die Ärzte holten sie in
Göttingen zur Welt. Das war ihre erste, aber bei weitem
nicht ihre letzte „Widerstands-Handlung“: Denn ihr
Elternhaus war nicht das, was sie sich politisch wünscht:
„Ich komme aus einer reaktionären, kleinbürgerlichen,
konservativen und militaristisch geprägten Familie. Von meinen
Wurzeln habe ich mich sehr weit entfernt“, betont sie. Sie
studierte Malerei und Grafik an der Werkkunstschule Hannover und der
Hochschule für Bildende Künste, Berlin. Der Lernerfolg war
begrenzt: „Meine Professoren Ende der 50er/Anfang der 60er Jahre
waren eher ,Selbstverwirklicher’ als Lehrer und dem Abstrakten
zugetan – die Schülerin verunsichert und bockig“,
blickt sie zurück. Zeichnen und malen lernte sie eher beim
Arbeiten für die Anatomie in Hannover, beim eigenen Naturstudium,
beim Experimentieren mit Malgründen und Farben. Seit dem Vietnam-Krieg ist die Künstlerin friedenspolitisch aktiv Sie war spätestens seit dem Vietnam-Krieg vollends friedensbewegt, gesellschaftskritisch, antifaschistisch. Allerdings
war die Mutter von drei Kindern, die 1975 wegen ihres Mannes Wolfgang
nach Dortmund kam, nicht von Anfang an in antifaschistischen
Organisationen aktiv. Daran „schuld“ ist ein in
Dortmund nicht unbekannter Neonazi: Als Siegfried
„SS-Siggi“ Borchardt 1987 Flugblätter vor Schulen
verteilte, organisierte ihre Tochter Wera als Schülersprecherin am
Leibniz-Gymnasium Protestaktionen. Als Reaktion landeten Steine
in den Fenstern der Richters. Für Ula war das der Impuls, deutlich
mehr zu machen. Sie engagierte sich von da in der Bürgerinitiative
Innenstadt-West gegen Neonazis. Mitbegründerin und Sprecherin des Bündnisses Dortmund gegen Rechts Als
dann Karfreitag 2000 sie und ihre Mitstreiter die Nachricht erreichte,
dass Neonazis Ausländerkinder durch die Nordstadt jagten,
organisierten sie eine Mahnwache. Das war auch die eigentliche
Geburtsstunde des Bündnisses gegen Rechts, welches am 1. Mai 2000
offiziell gegründet wurde. Noch heute ist sie eine der
Sprecherinnen. Sie will sich – solange es ihre Gesundheit
zulässt – auch weiter gegen Krieg und Faschismus engagieren. Denn
von der Notwendigkeit der Arbeit ist sie mehr denn je überzeugt.
„Damals haben wir versucht, die Stadt zum Jagen zu tragen“,
sagt Ursula Richter. „Damals herrschte noch die Vorstellung, dass
man sie doch einfach spielen lassen sollte.“ Leider seien
sie heute mehr denn je von einem gemeinsamen Vorgehen aller Gruppen in
der Stadt Dortmund gegen die Neonazis entfernt. Aber zumindest die
Kommunikation untereinander verlaufe deutlich friedlicher und
entspannter als in früheren Jahren, was auch mit der Arbeit der
städtischen Koordinierungsstelle für Toleranz, Vielfalt und
Demokratie und gegen Rechstextremismus zu tun habe. NSU-Morde – Richter: „Mein Zorn ist deutlich größer geworden.“ Doch
fröhlich mag das die 75-Jährige nicht stimmen: „Mein
Zorn ist deutlich größer geworden.“ Damit zielt Ula
Richter vor allem auf die Taten des NSU: „Ein ernsthaftes
Bekämpfen des Rechtsextremismus geht in diesem Staat offenbar
nicht. Beim NSU haben die Behörden mindestens weggesehen, wenn
nicht sogar die Täter aktiv unterstützt.“ „So
wie mich der Protest gegen den Vietnamkrieg politisierte, sind es die
heutigen Kriege, die die eine Weltmacht USA und ihre Verbündeten
für Öl und Gas, für das Besetzen der geostrategisch
wichtigsten Regionen der Erde entfesseln, die mich auf die
Straße, aber auch vor die Staffelei treiben“, zieht sie
Bilanz. „Und es sind die deutschen Verhältnisse, ihr
latenter Rassismus und Neofaschismus, die mich politisch und
künstlerisch beschäftigen.“ Kreative Auseinandersetzung über gesellschaftliche Zustände als Antriebsfeder Der
Kunst hat sich die Antifaschistin übrigens nie abgewendet, auch
wenn für sie die „engagierte Malerei nach wie vor eher in
der Nische“ stattfinde. „Darin habe ich mich eingerichtet,
fühle mich nach wie vor von der sichtbaren Welt und von den
gesellschaftlichen Zuständen, die sie bewegen,
herausgefordert.“ Die Schönheit der Welt und ihre
außerordentliche Bedrohung seien das Spannungsfeld, welches sie
beim Malen umtreibe, beschreibt Richter. Ihr ginge es darum, dieses
sichtbar zu machen. Das wird bei ihren Einzelausstellungen, aber auch
bei der Arbeit im Bündnis deutlich. Zahlreiche Konzerte und kreative Aktionen in Dortmund initiiert In
den 14 Jahren hat sie viele Auftritte bekannter und weniger bekannter
Musikerinnen und Musiker vorgeschlagen und organisiert, erinnern ihre
Bündnis-Mitstreiter. Esther Bejarano in der Reinoldikirche,
Josha Gingold auf einer Demonstration durch Hörde, Fred Ape zum
Antikriegstag, Peter Sturm bei Gedenkveranstaltungen am Gedenkstein
für die ermordeten Sinti und Roma und das Ensemble Varna beim
kulturpolitischen Abend für Sinti und Roma im Wichernhaus in der
Nordstadt. Auch viele der künstlerisch-literarischen
Auseinandersetzungen mit dem Faschismus bei Aktionen im
öffentlichen Raum (sowohl zu historischen als auch zu aktuellen
Anlässen) sind von ihr initiiert oder auch mitorganisiert worden
– immer unter Beteiligung von Kolleginnen und Kollegen, wenn
möglich auch gemeinsam mit jungen Leuten. Die
„Scherbenspur” zur Reichspogromnacht oder das zehn Meter
lange künstlerisch gestaltete Banner zum Jahrestag der
Bücherverbrennung und die Rezitation „Den Opfern einen Namen
geben” zum Mord an dem Punk Thomas Schulz oder dem Kioskbetreiber
Mehmet Kubasik sind Beispiele für ihr Engagement in Dortmund. Wir sagen: Herzlichen Glückwunsch zum 75. Geburtstag. Mit freundlicher Genehmigung http://nordstadtblogger.de/15706 und http://dortmundgegenrechts.wordpress.com/2014/09/02/unserer-mitstreiterin-und-freundin-ula-richter-zum-75-geburtstag/ Siehe auch: "Das Leichte und das Schwere" Eine Ausstellung von Ula Richter auf einer Home.page http://www.nrw.vvn-bda.de/texte/1163_ula_richter.htm |