12.10.2013 "Das Leichte und das Schwere" Eine Ausstellung von Ula
Richter auf einer Home.page Ula Richter hat
kürzlich in Dortmund die Initiative zu einer
Unterschriftenaktion gegen die "Rechte" ergriffen. Die Sache ging von
der VVN-BdA und dem Bündnis Dortmund gegen Rechts aus; in
diesen Organisationen ist die Künstlerin besonders wirksam.
Von ihren politischen Aktionen erfahren wir oft - viel zu selten
begegnen wir der Künstlerin. Jetzt hat sie endlich ihre Werke
ins Netz stellen lassen. Es entstand eine "Dauerausstellung".
Einen Teil ihrer Werke stellte sie 2007 auf einer ihrer viel zu
seltenen Ausstellungen aus und Gerd Deumlich hat die sehr eindringliche
Eröffnungsrede gehalten. Ula
Richter stellt sich vor: "Geboren 1939 in Göttingen, studierte
Malerei und Grafik an der Werkkunstschule Hannover und der
Hochschule für Bildende Künste, Berlin." "Der
Lernerfolg war begrenzt: meine Professoren Ende der 50er/Anfang der
60er Jahre waren eher 'Selbstverwirklicher' als Lehrer und dem
Abstrakten zugetan, die Schülerin verunsichert und bockig.
Zeichnen und malen lernte sie eher beim Arbeiten für die
Anatomie in Hannover, beim eigenen Naturstudium, beim Experimentieren
mit Malgründen und Farben. Auch wenn das
Leben in einer Familie mit drei Kindern, politisches Engagement und das
Arbeiten in anderen Berufen die eigene künstlerische Arbeit
zeitweise erschwerten, blieb sie doch als Anspruch immer da. Seit 1988
steht sie wieder im Mittelpunkt, neben dem Engagement in der
Friedens- und Antifabewegung. Beide Themen ziehen sich als Anmerkungen
und Reflexionen durch viele meiner Bilder." Ursula
Richter lebt und arbeitet seit 1975 in Dortmund. Einzelausstellungen in
Dortmund, Essen, Oberhausen, Castrop-Rauxel, Wülfrath,
Winterberg, Bad Fredeburg, Brilon, Schmallenberg, Frankfurt/Main,
Steinbach. Ula Richter über Gerd Deumlichs
Rede in einem Erinnerungsbrief zu seinem Tod im April 2013: "Dabei habe
ich viel an Gerd und Grit gedacht, die mit ihrer Anwesenheit und
besonders mit Gerds Rede der Ausstellungseröffnung in Brilon
ein Glanzlicht aufgesetzt haben. Ich erinnere mich noch gut, welchen
Schock der Mann vom Briloner Kulturamt bekam, mit dem ich die
Ausstellung vorbereitet hatte, als er googelte, dass mit Gerd ein
Marxist in's Briloner Rathaus eindringen sollte. 'Das wird mir nie
wieder passieren', regte er sich auf. Um so erstaunter war er nach der
Rede, die auch vom Briloner Bürgermeister hoch gelobt wurde." Gerd Deumlich über Ula
Richter Gerd Deumlich (1929-2013), kommunistischer
Kulturpolitiker, Journalist und Bundesausschussmitglied der VVN-BdA,
hielt am 9. September in Brilon die Eröffnungsrede zu einer
Ausstellung mit den Werken von Ula Richter. Er sagte: Ursula
Richter hat, indem sie dieser Auswahl ihrer Arbeiten das Motto
„Das Leichte und das Schwere“ gab – uns,
den Betrachtern ihrer Kunst, einiges zum Nachdenken aufgegeben. Wir
könnten es uns natürlich leicht machen und uns an den
saloppen Satz des alten Schiller halten: „Schwer ist die
Kunst, vergänglich ihr Preis“. Doch
so einfach kommt nicht davon, wer sich in den hier versammelten
Zeugnissen der Malerei und Grafik zurechtfinden will. Man
würde sich auch um den über bloßes
Betrachten hinausgehenden Genuss bringen, selbst zu entdecken, welche
Impulse für mehr Humanität uns die
Künstlerin vorstellen will und uns dabei die
Möglichkeit einräumt, in der Kunst das Leben zu
genießen, wie Bert Brecht sagte, und: „Genuss
bietet die Kunstfertigkeit der Abbildungen“ – was
wohl ein trefflicher Satz für diese Ausstellung ist. In
ihren Abbildungen trifft die Künstlerin natürlich
eine Aussage, auf die sie durch ihre Wahrnehmung der gesellschaftlichen
Wirklichkeit und der natürlichen Umwelt gekommen ist. Zu
Recht liefert sie uns jedoch zu deren künstlerischen
Verarbeitung, zu ihren Bildern also, keine
Erklärungen, wie wir sie verstehen sollten. Die
gängige Frage: Was will uns der Künstler damit sagen?
beantwortet sie zuerst mit ihren bildnerischen Darstellungen
und will uns dazu anregen, selbst deren Sinn zu ergründen. Und
da wird sich zeigen, wie vielfältig die
Deutungsmöglichkeiten sind. Aber erst diese Auseinandersetzung
mit Bildern, die eigene geistige Anstrengung, macht ja die Begegnung
mit bildender Kunst zu einem Erlebnis. Zu unserem
Glück eignet den Arbeiten von Ursula Richter eine so klare
Bildsprache, dass wir nicht dem Urteil eines Experten –
Rudolf Arnheim – erliegen müssen, wonach
die Kunst zwar „immer als ein Mittel verstanden und benutzt
worden ist, mit dem sich das Wesen der Welt und des Lebens für
menschliche Augen und Ohren deuten läßt“
– aber diese Kunst heute „unverständlich
geworden“ sei. Ursula Richter gehört zu den
bildenden Künstlern, die dieses Pauschalurteil widerlegen. Also:
Das Leichte und das Schwere – ist es auszumachen in
dem von ihr so benannten dialektischem Spannungsfeld, worin ihre
Arbeiten stehen? Da sind diese Wolken vor dem
wunderbar blauen Himmel, die sie in jüngster Zeit als ein
Sujet geradezu lieb gewonnen hat. Wieviel Leichtigkeit ist da, wie ein
Federchen! Wolken locken – empfand sie beim Blick aus dem
Fenster des Arbeitszimmers im Sauerland; und da hängt auch
noch der Arbeitskittel. Doch all diese faszinierenden
Wolkengebilde sollen uns nicht in ein Wolkenkukuksheim
entführen. Unsere Blicke werden auch auf das irdische Schwere
gelenkt: ein alter Schornstein, knorrige Zaunpfähle, schieben
sich in das sphärische Idyll, ein Stacheldraht schneidet den
Weg unter dem freien Himmel ab. Und das erschütternde
authentische Schwere: die drei Pfähle, an denen im
KZ-Sachsenhausen Menschen gemartert wurden, die voller Qual und
Verzweiflung den frei ziehenden Wolken nachgeschaut haben mussten. Die
dunkle Wolke, unter ihr die verdorrten Sonnenblumen, erweckt sie nicht
die Assoziation zu einer bedrohlichen Aktualität –
dem Klimawandel, der bis in die jüngsten Tage mit dunklen
Wolkenfeldern sich anmeldet. Dadurch, dass wir unsere
Natur nicht nur von ihrer schönen, sondern von einer
beunruhigenden Seite erleben, bekommt dieses Bild – vor vier
Jahren gemalt - nun erst seine eindringliche Bedeutung. Mir
scheint dies eine Erfahrung, die die dialektische Wechselwirkung
zwischen der Realität, in diesem Falle der Natur, und der
Kunst sinnfällig macht, zeigt, wie die Kunst auf unsere
Erkenntnis- und Erlebnisfähigkeit wirken kann. Vielleicht
trifft auf eine solche Erfahrung ein Gedanke von Hans von
Marées, eines Malers aus dem 19. Jahrhundert, zu:
„Seine Freunde zu befriedigen, ist noch lange keine Kunst:
Sie fängt erst an, wo man die Gleichgültigen aus
ihrer Ruhe aufschreckt“. Und kann Ursula
Richter etwas anderes wollen mit diesem Triptichon: Ihre
Enkelin, Soé, umsorgt von Liebe, versorgt mit Spielzeug und
Nahrung, dieses glückliche Kind zwischen den Kinderleichen,
wofür in der zynischen Sprache des Krieges der
unsägliche Begriff „Kollateralschaden“
gefunden wurde. In meinem Verständnis sind
diese Bilder ganz starke Zeugnisse für das humanistische
Anliegen der Künstlerin, weil sie über den Krieg aus
der Sicht der kleinen Leute, im wahrsten Sinne dieses Wortes, urteilt,
verurteilt. Nicht minder spricht uns ihr Humanismus
aus dem Porträt zweier Sinti-Frauen an, Menschen, deren
Schicksal für viele andere – Andere –
für diesen verruchten, scheinbar unausrottbaren Rassismus
steht. Sie haben überlebt, die Ältere mit der
Häftlingsnummer von Auschwitz in den Arm gebrannt. Nicht eine
Bitte um Mitleid ist die Botschaft dieses Bildes, sondern die Forderung
nach Achtung ihrer Menschenwürde. Wir wissen
doch, wie schlimm es in der Welt bestellt ist, dass Menschen
verschiedener Herkunft und Kultur gegeneinander getrieben werden. Und
eine von den älteren Zeichnungen Ursula Richters
"Hexenverfolgung" erinnert uns daran, wie alt schon das
Schinden von Menschen ist. Da kann man sich nur mit Pablo Picasso
wünschen, dass die Kunst gegen Unmenschlichkeit als
„eine Art Aufruhr“ wirksam sein möge. Sie
könnten mir nun mit Recht vorhalten, ich hätte
– um im Motto der Autorin zu bleiben – fast nur von
dem Schweren gesprochen. Ist da so wenig Leichtes? Mit
dieser Vermutung täte man der Künstlerin Unrecht.
Blumen, Früchte – all dies ist ihr genauso wichtig
im Plädoyer für eine freundliche Welt. Ich
bin mir jedoch ziemlich sicher, dass das nicht so einfach auf die
verschiedenen Arbeiten zu verteilen ist: das Schwere und das Leichte. Wie
ist das bei dem Stier, der uns aus seinem bulligen Schädel,
mit dem er uns glatt umrennen könnte, so freundlich
anschaut? Oder
bei den Olivenbäumen, wo aus den abgestorben scheinenden
Stämmen Früchtetragende frische Zweige
sprießen? Ich möchte –
abschließend – bei dem wunderschönen Bild
„Brot und Rose“ anhalten. Brot und Rosen
– das sind in einem Lied der Frauenbewegung die Synonyme
für die Forderung nach dem ganzen Leben. Wunderbar,
wie Ursula Richters Bild versinnbildlicht, dass auch die Kunst zum
ganzen Leben gehört.
Wir haben ihr
dafür zu danken, dass Sie uns mit ihren Bildern das
Vergnügen des Schauens und des Denkens bereitet. http://www.ularichter.de/ |