15.02.2013 Streit und Krach unter den Friedlichen Wenn der DGB droht, ins
Militaristenlager überzugehen, und wenn die Wahrheit
über Drohnen nicht beachtet wird – wie
sollten wir damit umgehen? Eine
Betrachtung von Ulrich Sander (VVN-BdA) und zwei Leserbriefe: Als Medienkonsumenten haben wir uns daran
gewöhnen müssen, ständig nur Horror
vorgesetzt zu bekommen. Manche schauen schon nicht mehr hin und meinen,
die unerfreuliche Mitteilung wird mich ohnehin erreichen. Dass auch
linke Zeitungen fast nur Deprimierendes bieten, liegt zumeist an den
Zuständen, nicht an den Medien. Aber dass sie auch dann in
Horror und Pessimismus verfallen, wenn die
Tatsachen - in diesem Fall der Zustand der Friedensbewegung
- es nicht hergeben, das deprimiert einen schon. Dass die
Friedensbewegung nicht so sehr die Massen ergreift, wie es notwendig
ist, das wissen wir. Wozu ist es da notwenig, dass die Zeitung
„Neue Deutschland“ mit einem aus dem Zusammenhang
gerissenen und nicht als solches gekennzeichnetem deprimierenden Zitat
„Wir haben noch nie einen Krieg verhindert“ das
Doppelinterview mit Reiner Braun und Peter Strutynski
überschreibt – was soll das? Wozu muss die
„Junge Welt“ die Abneigung eines einzelnen
durchgeknallten Mitarbeiters gegen den Leiter der
Bündnisdemo zur Münchner NATO-Sicherheitskonferenz
Claus Schreer transportieren, bloß weil dieser den Beschluss
des Bündnisses veröffentlichte und einhielt, das sich
nicht auf die Ex-Terroristin Inge Viett als Rednerin geeinigt hatte?
Wir dürfen nicht zulassen, dass
unsere Friedensarbeit und Friedensbündnisse in unseren
Medien spalterisch torpediert werden, das wäre
angesichts der Fakten, mit denen wir es in der Außen- und
Innenpolitik zu tun haben, unverantwortlich. Diese sind alarmierend
genug. Da ragen die Meldungen über die beabsichtigte
Einführung von Kampfdrohnen und das Überlaufen des
DGB-Vorsitzenden in das Lager der Kriegsbefürworter und
Rüstungsfanatiker hervor. Darüber haben wir zu
berichten. Und dazu haben Bernd Trautvetter und Ulrich Sander in
Leserbriefen Stellung genommen, die es verdienen, in ihrer
Ernsthaftigkeit wahrgenommen zu werden. Hier sind sie: Leserbriefe zu ND " Wir haben
noch nie einen Krieg verhindert " von Seite 3 am 13.2.13 Nichts zu machen gegen den
Krieg? Was hat die internationale Friedensbewegung
von 1945 bis 1990 geleistet? Keine Kriege verhindert, wie Sie
schreiben? Hat sie nicht auch geholfen, die denkbaren Kriege jener Zeit
zu verhindern? Ist das ND kein Teil der
Friedensbewegung? Warum dies distanzierte Getue gegenüber der
"schwachen Friedensbewegung"? Anfang der 80er Jahre herrschte
in Militärfragen die veröffentlichte
Meinung über die öffentliche. Die Basisbewegungen und
Großdemonstrationen, das Wirken der damaligen linken Medien
haben dann dazu geführt, dass sich die öffentliche
Meinung wandelte und die veröffentlichte sich dem anzupassen
hatte. Schaut mal ins Archiv! Heute stehen wir wieder
an einem Scheidepunkt wie bei der Remilitarisierung, der versuchten
atomaren Bewaffnung und der Nachrüstung. Die Kampfdrohnen, die
drohen, sind eine ganz neue Quantität und Qualität.
Da ist den Interviewpartnern sehr zuzustimmen. Peter
Strutynski sagt zu Recht: Deutschland hat das Potenzial, (wieder - US)
ein gefährlicher Aggressor in dieser Welt zu werden. An allen
Orten der Bundesrepublik sollten die Friedensgruppe und nicht nur jene,
die bundesweit vernetzt und in Dachverbänden sind, so viele
Menschen erreichen, wie möglich. Das stimmt. Dazu
müssten sie aber ermutigt werden, auch von einer Zeitung wie
das ND. Warum wird keine große Leserdiskussion über
die drohenden Drohnen geführt, warum keine Hilfestellung
gegeben, wie vor Ort zu handeln ist? Die
Lokalberichterstattung der deutschen Medien ist das
jämmerlichste was denkbar ist. Wenn die Militarisierung vor
Ort durch Zivilmilitärische Zusammenarbeit, rechten
Reservistenverbänden, durch die Nato-Luftkommandos wie in
Kalkar, durch militärische Hochschulforschung und durch
Militärwerbung an den Schulen zunimmt, dann wächst
die Verantwortung des friedensbewegten Journalismus. Dafür
gibt es doch heute bessere Bedingungen denn je - z.B. infolge
www. Warum steht da der Satz: Die direkte Bedrohung
durch Raketen gibt es aber bei uns nicht mehr? Hat es diese Bedrohung
durch den Osten dann doch gegeben? Es war doch wohl so, dass
von unserem Land Bedrohung ausging, und wenn wir dann sagten "Raketen
sind Magneten", dann konnten die Menschen etwas damit anfangen und
haben gegen neue Raketen hierzulande protestiert. Es
wird im Gespräch mit den beiden Repräsentanten der
Friedensbewegung gesagt: der Traum des Zusammengehens mit den
Anti-Atom-Demonstrationen sei ein Traum geblieben. Das stimmt leider.
Zu stark ist dies eine nur grüne Bewegung und Grüne
sind heute leider vor allem Olivgrüne. Leider wird
in dem Interview nicht nach dem Zusammengehen mit zwei weiteren
großen Bewegungen gefragt: Mit der Gewerkschaftsbewegung und
der Antifabewegung. Dem "Nie wieder Faschismus und Krieg" ist das "Nie
wieder Krieg" abhanden gekommen. Das Jahr 1999 lässt
grüßen. Die Einheit des Kampfes gegen Faschismus und
Militarismus ist wieder anzustreben. Nicht nur "Bunt statt braun"
sondern auch "Bunt statt braun und olivgrün". Die
Geheimverhandlungen des DGB mit Kriegsminister de Maiziére,
die der DGB-Vorsitzende ganz unverblümt ankündigte
(ND berichtete am 6.2.13!), haben viele Freunde und mich
zutiefst schockiert, und das Papier der IG Metall, in dem für
Rüstungsproduktion und Rüstungsexport geworben wird,
auch. In dem IG-Metall-Positionspapier vom Sommer 2012 heißt
es: "Die IG Metall ist sich der Realität Anfang des 21.
Jahrhunderts bewusst: Gewaltkonflikte und sogar Kriege wird es
weiterhin geben und damit auch die sicherheitspolitischen
Bedürfnisse und Interessen von Menschen, Staaten und
Staatenbündnissen. Die Produktion von
Rüstungsgütern ist Teil dieser Realität."
Welche Bedürfnisse hat ein normal denkender und
fühlender Mensch an Rüstung und Krieg? Es
kommt einem vor, wie der Verrat in der Arbeiterbewegung von 1913/14. Die
beiden Interviewpartner kommen aus sehr wichtigen Organisations- und
Bewegungszusammenhängen. Es sollten aber
auch die mehr "innenpolitisch" wirkenden Kräfte der
Friedensbewegung einbezogen werden. Jene, die sagen: Der Krieg beginnt
hier und hier muss er gestoppt werden. Er beginnt in
Rüstungsbetrieben, auf
Truppenübungsplätzen, bei
Anwerbeaktionen, mit Luftwaffenkommandos,
mit kommunalen Kommandostäben und anderen
Institutionen im Land. Er muss gestoppt werden. Hier und heute. Ulrich
Sander, Dortmund, Ostermarschierer seit 1960, VVN-BdA-Aktivist Siehe auch: Friedensbewegung
fürchtet Rot-Grün http://www.neues-deutschland.de/artikel/812752.friedensbewegung-fuerchtet-rot-gruen.html Wir haben noch nie einen Krieg
verhindert http://ag-friedensforschung.de/bewegung/braun-stru.html (Langversion des Interviews im ND) Die deutschen Kriege beginnen
künftig am Niederrhein http://www.nrw.vvn-bda.de/texte/1051_kalkar.htm Ein weiterer Brief –
diesmal aus Essen Sehr geehrte/r Redakteur/in, die
beiden Sprecher aus der Friedensbewegung Reiner und Peter haben einen
zentralen Punkt der Militärentwicklung nicht erwähnt:
In Kalkar und weiteren Standorten baut die Nato weltweit wichtige
Stützpunkte für das
„Kriegshandwerk“ (Warfare) im 21. Jahrhundert aus.
Sie integriert Weltraum-/Internet-/ und Luftwaffen-Strategien; zu
letzteren gehören die Drohnen als Elemente zunehmender
Entkoppelung von Kriegsführung und menschlicher Beteiligung
daran. Die Automatisierung von Abläufen, bei denen der Mensch
nur stört. Die Weggabelung, an der die
Friedensbewegung auf ihren Gegner trifft, ist historisch nur
vergleichbar mit den Entwicklungssprüngen, die Einstein einst
zu diesem Zitat bewegte: „Die Atombombe hat alles
verändert, nur nicht das menschliche Denken.“ Wie
recht er hat, zeigt dieser Ausschnitt aus einem Spiegel-Interview mit
Analysten ist Peter W. Singer, Leiter der Arbeitsgruppe ‚21st
Century Defense Initiative‘ an der Brookings Institution in
Washington: Es „ändert der
Drohnenkrieg, wie die Politiker über den Krieg denken. Die
Hemmschwellen des Krieges, die so schon niedrig waren, liegen nun ganz
am Boden. SPIEGEL ONLINE: Ist diese Entwicklung noch
aufzuhalten? Singer: Nein. Das lässt sich mit anderen
historischen Momenten vergleichen, von denen es kein Zurück
mehr gab. Das Automobil um 1909/10, die Computertechnologie vor 1980,
die Atombombe in den vierziger Jahren. Dies ist viel mehr als eine
Evolution, es ist eine Revolution. So was passiert in der Geschichte
sehr selten. Solche Entwicklungen zwingen uns, Fragen zu stellen, die
wir uns zuvor nie gestellt haben. SPIEGEL ONLINE:
Welche Fragen? Singer: Zum Beispiel nach unserem Verhältnis
als Öffentlichkeit zum Krieg. Auf einmal sind alle
Kriegsoperationen per Computer dokumentiert.Das macht den Krieg zu
einer Art Unterhaltungsform..“ 1) Manöver-Übungen
zu dieser neuen Aggressivität auf einer immer neuen Stufe der
Eskalationsspirale des Kriegshandwerks finden z.B. im Schriever-Game
statt. Aus dem pdf-Werbeflyer zum ‚Game‘: Das
Ineinandergreifen von Handlungsweisen beinhaltet die
Maschine-zu-Maschine-Interaktion, Prozess-Standardisierung, Training
und Qualifizierung. 2) Wir müssen zur
Kenntnis nehmen, dass der Gegner der Friedensbewegung, die Nato, sich
längst zu einer neuen Gefährlichkeit aufgemacht hat,
während wir noch auf die alte reagieren. Damit wird die
Friedensbewegung kaum zu der Ausstrahlungskraft und dem Einfluss
kommen, der im Interesse der Menschen notwendig ist. Mit
freundlichen Grüßen Bernhard
Trautvetter 45136 Essen Anmerkung 1 http://www.spiegel.de/politik/ausland/drohneneinsaetze-sie-nennen-es-kriegsporno-a-681007.html Übersetzung
durch mich, Quelle: http://www.japcc.de/fileadmin/user_upload/Reports/Flyer/Flyer_5/2012-06-04_JAPCC_Flyer_Ed-5_web.pdf Anmerkung
2 Ein Dokument, zu dem die Nato-Seiten verlinkt sind, besagt,
dass die Erfolge im Irak für die neue Art der
Kriegsführung sprechen http://milsatmagazine.com/cgi-bin/display_article.cgi?number=2040756065 |