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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

05.02.2013

Die deutschen Kriege beginnen künftig am Niederrhein

Luftwaffe ist gut auf den mörderischen Drohnenkrieg vorbereitet

Ostermarsch Rhein-Ruhr 2013Die Bundeswehrzeitschrift "IF Information für die Truppe" wirbt in ihrer neusten Ausgabe für den uneingeschränkten Einsatz von Drohnen, die sie vornehm "UAS Unbemannte Luftfahrzeugsysteme/Unmanned Aircraft Systems" nennt. Die UAS hätten zu einem Paradigmenwechsel in der militärischen Luftfahrt geführt. Vom Paradigmenwechsel spricht auch Ulrich Sander, VVN-BdA-Bundessprecher, in einem Zeitungsbeitrag. Er stellt diesen Paradigmenwerchsel auf eine Stufe mit jenem vom Kriegsbeginn 1999, da Deutschland völkerrechtsiwdrig wieder Krieg führte. Mit Drohnen würde dies in einer Weise geschehen, die an die faschistische Führung von Vernichtungskriegen erinnert. Man knüpft an die Wunderwaffen V1 und V2 der Nazis an mit Waffen, die von fern gesteuert werden, deutsche Verluste sparen und den Menschen in anderen Länder viel hundert-, tausendfach Tod und Verderben bringen. Solche Waffen sollen von Kalkar am Niederrhein aus gesteuert werden. Leider berichten auch linke Medien so gut wie nie darüber, bemängelte Sander in einem Brief an das "Neue Deutschland".

Jene Kommandozentrale der Nato, der USA und der Bundeswehr am Niederrhein sollte endlich in den Blick genommen werden. Sander: "Der sogenannte Wehrbeauftragte sagte: Das wäre gar nichts neues, auch die Drohnen würden ja von Menschen abgeschossen. Dazu ist zu sagen: Auch die Massenmörder von Auschwitz waren irgendwie auch Menschen, daran erinnerte Hannah Ahrendt. Auch Mörder sind ja letztlich Menschen."

Im Herbst vorigen Jahres fanden in Kalkar am Niederrhein zwei leider weithin unbeachtete Treffen statt, und zwar zu ähnlichen Themen, allerdings von Personen gestaltet, die ungleicher nicht sein können. Es trafen sich Friedensbewegte am Nationalfeiertag 3. Oktober unter der Losung „Der Kriegs beginnt hier – und hier muss er gestoppt werden“. Und es trafen sich eine Woche später Militärs zur NATO-Konferenz „Kriegsführung im 21. Jahrhundert“. Es ging dabei im Untertitel um die Frage, ob Luftstreitkräfte dabei einen Aufstieg oder einen Niedergang in ihrer Bedeutung erleben. Sowohl Friedensleute als auch die Krieger waren sich in der Antwort einig: Aufstieg. Bei den Militärs: Frohlocken. Bei den Friedensleuten: Besorgnis – und der Ruf zum Widerstand.

Hunderttausendfacher Protest hat einst in Kalkar am Niederrhein dafür gesorgt, daß dort kein Atomkraftwerk entstand. Die Bauten für den Schnellen Brüter bieten jetzt einem »Wunderland«-Freizeitpark Platz. Doch es gibt Grund, wieder in großer Zahl dort zu protestieren. Bundeswehrführung und NATO haben in Kalkar – ohne viel Aufsehen zu erregen – das Hauptquartier für Luftkriegsoperationen aufgebaut. Eingreiftruppen in aller Welt können seit 2012 von der von-Seydlitz-Kaserne aus kommandiert werden. Vom Schnellen Brüter zur Schnellen Eingreiftruppe mit nahezu 1.000 Soldaten. Sie können im Auftrag der NATO in kurzer Zeit in den Krieg geschickt werden oder in ihn von fern eingreifen. Es wäre ein Krieg von deutschem Boden aus, ein Krieg, der auch unser Land zum Kriegsschauplatz macht. Die Friedensleute erinnerten daran: „Raketen sind Magneten.“ "

Die Ostermarschierer vom Rhein und von der Ruhr brachten es schon in ihrem Aufruf für die Aktionen 2012 auf den Punkt: »Durch das ungehemmte Vorgehen der NATO werden das Völkerrecht und die weltweite Friedensordnung verletzt. Die Gefahr von Kriegen steigt, die Welt wird unsicherer. NATO-Kriegseinsätze werden auch von Nordrhein-Westfalen aus gesteuert, so durch das der NATO unterstellte Luftwaffen-Führungshauptquartier in Kalkar.«

Von Kalkar aus wird zunächst der Luftraum nördlich der Alpen observiert. Auch das Kommando für den umstrittenen NATO-Raketenabwehrschild wird in Deutschland errichtet: Auf dem NATO-Stützpunkt im rheinland-pfälzischen Ramstein, 380 Kilometer von Kalkar entfernt und eng mit NATO-Einrichtungen in Kalkar und dem benachbarten Uedem verbunden. Zunächst wird die NATO-Truppe vom deutschen Ramstein aus den Raketenschild gegen angeblich neue Mittelstreckenraketen kommandieren. Und es wird schon mal der Ernstfall geübt: Die Bundeswehrführung teilte der Linken Abgeordneten Sevim Dagdelen mit, das Patriot-Kommando der Bundeswehr in der Türkei, das dort bereit steht, um in den Syrien-Krieg einzugreifen, wird von den US-Oberen in Ramstein aus kommandiert.

Und so wurde der erste praktische Schritt zum Aufbau des Raketenschirms getan. Kommt einem das nicht irgendwie bekannt vor? Es versteht sich, daß die Wiederholung der Kriegsrhetorik aus der Zeit von Helmut Schmidt und Helmut Kohl keine beruhigende Sprache vor allem für Russland ist. Kalkar und später Ramstein werden sich im Fadenkreuz der »Mittelstreckenraketen« aus dem Osten befinden. Es droht die Situation, dass die vom Raketenschirm bedrohten nicht abwarten, bis er fertig ist.

Zunächst wird aber vor allem in Kalkar geübt. Während die Bundeswehrreform allüberall zur Verringerung der Kontingente führte, wurden diese in Kalkar verdoppelt. Mit knapp der Hälfte der dort zur Verfügung stehenden Kräfte, mit rund 400 echten Soldaten koordinierte General Dieter Naskrent im Herbst 2011 von Kalkar aus 9.000 virtuelle. Es ging um den Einsatz unbemannter Flugkörper, um Kampfdrohnen und ferngesteuerter Raketen. Es ging um den "Combat Air", den Luftkampf.

Der Einsatz, den ein NATO-Team im norwegischen Stavanger entworfen hat, ist nach Oberstleutnant Alexander Fejas Worten »so nah dran an der Realität wie möglich«. Im virtuellen Einsatz – und bald auch im tatsächlichen - können Flugzeuge abgeschossen werden, so von "Terroristen" gekaperte Cessnas. Betrachter stutzen beim Blick auf die Landkarte mit Phantasieländern wie »Tytan«, »Petraceros«, »Stellaria« und »Kamon«. Alles sieht wie in Nahost aus.

Die NATO spielt Krieg, und in Kalkar wird er auf dem Reißbrett geplant und gesteuert. Die Neue Ruhr/Rhein Zeitung aus der WAZ-Gruppe berichtete von der Herbstübung 2011: »Auch wenn beim Rund­gang durch das Luftstreitkräfte-Hauptquartier in der von-Seydlitz-Kaserne alle von ›humanitären Einsätzen‹ und ›Stabilisierung von Regierungen‹ reden – als das Pressegespräch mit dem Kommandierenden angesetzt ist, hat es dann in der Computersimulation doch ›geknallt‹. Drei-Sterne-General Dieter Naskrent kommt mit einer halben Stunde Verspätung und ernster Miene. ›Eine gestohlene, mit Sprengstoff beladene Cessna hatte Kurs auf die Hauptstadt genommen‹, sagt er. Und kommt nach einigen Erklärungen über ›Abdrängversuche‹ und ›Warnschüsse‹ auf den Punkt. ›Wir haben sie abgeschossen.‹ Schweigen. Dann, auf eine Nachfrage: ›Ja, letztlich habe ich den Befehl dazu gegeben.‹«  Naskrent und seine Leute üben den Krieg. Auch nach dem Bundesverfassungsgerichtsbeschluss zum Einsatz der Bundeswehr im Innern wäre der Befehl illegal, denn der müsste von der Bundesregierung erteilt werden, wenn die Gefahr als „katastrophisch“ angesehen wird.

Über solche Übungen urteilt der Verfassungsexperte und ehemalige Bundestagsvizepräsident Burkhard Hirsch (FDP): »Die Piloten müssen wissen: Ein Befehl zum Abschuss ist der Befehl zu einem Verbrechen, zum rechtswidrigen Totschlag. Der einem solchen Befehl folgende Pilot wird sich anschließend vor einem Schwurgericht wiederfinden. Wir haben das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ja schließlich nicht aus Jux und Dollerei erfochten.« Gemeint ist das Grundsatzurteil zum Luftsicherheitsgesetz, mit dem das Gericht im Hinblick auf Artikel 1 des Grundgesetzes (Recht auf Leben) das Abschießen von Zivilflugzeugen durch Kampfjets verbot. Doch zu oft verweigerte die Bundeswehr schon den Gehorsam gegenüber der Verfassung, als daß uns Hirschs Versicherung beruhigen sollte.

Die geplante Einführung von Kampfdrohnen ist zudem ein Zeichen dafür, dass die Regierung den Verfassungsbruch zu ihrer eigenen Sache gemacht hat. Von Kalkar aus kann sie – wenn es zur Anschaffung der Drohnen kommt – über viele tausend Kilometer tödliche Attacken mit tausenden Opfern befehlen, und die Opfer werden vor allem Zivilisten sein. Die Beförderung von Oberst Georg Klein zum General war kein Ausrutscher. Er hatte es am Kundus 2009 vorgemacht: Aus der Distanz Bomben auf den Weg bringen und unzählige Menschen ermorden.

Davor warnten die Friedensleute am 3. Oktober und sie stellten in einem Brief an die NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft fest: „Bereits am nächsten 3. Oktober, dem Tag der deutschen Einheit 2013, soll alles in Kalkar ‚perfekt‘ sein: Die Verschmelzung der NATO- und Bundeswehr­luftwaffen­kontingente zum Führungszentrum für weltweite Luftoperationen inklusive das Weltraumlagezentrum. Jeder Punkt Eurasiens nördlich der Alpen könnte dann mit von dort aus gesteuerten Bomben, Raketen, Marschflugkörpern und Kampfdrohnen erreichbar sein. Es ist klar, dass besonders Russland – das das größte Territorium nördlich des 47. Breitengrads besitzt – sich bedroht fühlen muss. Es wird, so wurde schon angekündigt, dieser Entwicklung nicht tatenlos zusehen. Und das bedeutet: Unser NRW wird zur Zielscheibe von Raketen, Bomben und Drohnen.“  

Es wurde an Frau Kraft appelliert, gegen den Ausbau der gefährlichen Kommandozentralen in Kalkar zu intervenieren. Doch die Ministerpräsidentin ließ mitteilen: Ihr seien die Hände gebunden. Und für die Erhaltung der personellen Stärke in Kalkar und im nahegelegenen Uedem sei sie ja aus arbeitsmarktpolitischen Gründen eingetreten. So wie sie nichts gegen die Drohnenproduktion im Düsseldorfer Rheinmetall-Konzern einzuwenden  haben wird, die bevorsteht. Sogar die IG Metall stellt sich darauf ein. Deren Vorstand beschloss im Juli 2012 in einem Positionspapier: "Die IG Metall ist sich der Realität Anfang des 21. Jahrhunderts bewusst: Gewaltkonflikte und sogar Kriege wird es weiterhin geben und damit auch die sicherheitspolitischen Bedürfnisse und Interessen von Menschen, Staaten und Staatenbündnissen. Die Produktion von Rüstungsgütern ist Teil dieser Realität."

Wo Frau Kraft hilflos ist, da herrscht seitens des Kriegsministeriums Tatkraft. Die Patriot-Raketen wurden in die Türkei entsandt und die Drohnen wurden für die Luftwaffe geordert, da erschien das Ministerium in Gestalt des Staatssekretärs Rüdiger Wolf, um zu beraten, was das für Kalkar bedeutet. „Im Mittelpunkt des Interesses von Staatssekretär Wolf standen die gewaltigen Veränderungen bei der Luftwaffe am Niederrhein“, wurde über die Pressestelle verbreitet. Und weiter: „Bekanntermaßen wächst der Standort in den kommenden Jahren weiter auf. Im Sommer dieses Jahres werden das KdoOpFüLuSK, die Führungszentrale Nationale Luftverteidigung und das Weltraumlagezentrum zum künftigen Zentrum Luftoperationen verschmolzen. Als einer der wenigen Standorte in Deutschland geht Kalkar/Uedem damit gestärkt aus der Strukturreform der Streitkräfte hervor.“

Neben einer Einweisung in die nationalen Dienststellen auf dem Uedemer Paulsberg besuchte der Staatssekretär auch den NATO-Luftverteidigungsgefechtsstand Combined Air Operations Centre UEDEM, „dessen Verantwortungsbereich“ – so die Luftwaffenverlautbarung - „seit Beginn dieses Jahres erheblich gewachsen ist und jetzt vom Baltikum bis nach Island und von den Alpen bis nach Norwegen reicht.“ Das ist nur die Nordsüdausdehnung – über die nach Osten hin wurde nichts gesagt, aber man kann es sich denken.

Ein wichtiger Aspekt sowohl der NATO-Tagung von Anfang Oktober in Kalkar als auch des Besuchs des Staatssekretärs am 15. Januar war dieser: Kalkar ist für bemannte und unbemannte Luftschlacht-Vehicle, also Drohnen, zuständig. Minister de Maiziéres aktuelle Planungen werden hier konkret: Drohnen werden für völkerrechts- und menschenrechtswidrig Exekutionen „weicher Ziele“ (Menschen) angewandt. Die USA praktizieren dies im Jemen, in Pakistan, Afghanistan und anderswo mit häufiger Tötung Unbeteiligter. Opferzahlenbegrenzung nach oben offen.

Sprecher der Friedensbewegung sagten bei ihrer Aktion in Kalkar: „Das ist nicht nur juristisch intolerabel, sondern es bedeutet auch nichthinnehmbaren Mord und Totschlag.“ Die Ostermarschbewegung wird ihre Kalkar-Aktion fortsetzen und auch zu Ostern für die Einhaltung des Friedensgebots des Völkerrechts demonstrieren, wurde jetzt in einem Aufruf betont. Das Kriegsplanungs- und Steuerungszentrum in Kalkar müsse also ersatzlos geschlossen werden. 

Die Marschstrecke und der Ablauf des Ostermatsches Rhein-Ruhr 2012 von Duisburg/Düsseldorf nach Dortmund als PDF.