09.05.2011
Zwiespältiger Umgang mit der Geschichte des
Arbeiterwiderstandes an der Ruhr
Bedenkliches aus Oberhausen
und Essen und Ermutigendes aus Dortmund
In Essen und Oberhausen ist jetzt die Geschichte des
Arbeiterwiderstandes abgewickelt worden. In Oberhausen wurde daraus
ein winziger liebloser Teil der „Geschichte Oberhausens im NS“.
In Essen wurde die Sammlung an Büchern über „Widerstand und
Verfolgung 1933 bis 1945“ aufgelöst, die gleichnamige Ausstellung
wurde in den Keller einer Schule verbannt – fast unerreichbar,
denn es gibt kein Personal zur Betreuung; wer die Ausstellung sehen
will, muss einen Schlüssel bei der Schulbehörde abholen. Der
Vermittlung des Widerstandes geht es schlecht im Lande. Das gilt nur
allgemeinen, nicht im Besonderen. Aus Dortmund gibt es auch
Ermutigendes zu berichten. Ulrich Sander, Bundessprecher der
VVN-BdA, schildert es.
Zwiespältiger Umgang mit der
Geschichte des Arbeiterwiderstandes an der Ruhr
Bedenkliches aus Oberhausen und
Essen und Ermutigendes aus Dortmund
In Essen und Oberhausen ist jetzt die Geschichte des
Arbeiterwiderstandes abgewickelt worden. In Oberhausen wurde daraus
ein winziger liebloser Teil der „Geschichte Oberhausens im NS“.
In Essen wurde die Sammlung an Büchern über „Widerstand und
Verfolgung 1933 bis 1945“ aufgelöst, die gleichnamige Ausstellung
wurde in den Keller einer Schule verbannt – fast unerreichbar,
denn es gibt kein Personal zur Betreuung; wer die Ausstellung sehen
will, muss einen Schlüssel bei der Schulbehörde abholen. Der
Vermittlung des Widerstandes geht es schlecht im Lande.
In der Präambel des Bundesentschädigungsgesetzes heißt es
zwar: “Der aus Überzeugung oder um des Glaubens oder des
Gewissens Willen gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft
geleistete Widerstand war ein Verdienst um das Wohl des Deutschen
Volkes und Staates.“ Für Kommunisten galt das aber zumeist nicht,
ihnen wurde der Widerstand gegen Hitler oft
wie ein kriminelles Vorleben als straferschwerend angerechnet.
Ihr Widerstand – immerhin stellten sie 75 des namentlich bekannten
Widerstandes gegen die Nazis - gilt in Museen als nicht vorzeigbar.
Die Umwidmungen der Erinnerungsarbeit hin zum Gedenken an „die
beiden Diktaturen“ und gegen „Extremismus“ – mit
antikommunistischem Ausschlag – ist europaweit in vollem Gange. Es
gibt dagegen kaum Widerspruch von Sozialdemokraten. Dabei trifft der
Versuch der Eliminierung des Arbeiterwiderstandes aus dem
Gedächtnis der Menschen auch sie selbst. Oberhausen und Essen
werden von der SPD regiert.
Mit den Ausstellungen droht auch jeder Rest des gemeinsamen
Erinnerns von Sozialdemokraten, Kommunisten und parteilosen
Arbeitern zu verschwinden, der sie noch verband. Und der Rest des
Erinnerns auch an die gemeinsamen, i in qualvollen Prozessen
erworbenen Lehren.
Besonders in Oberhausen sind die Veränderungen schmerzlich. Von
den bisherigen Bestandteilen der Gedenkstätte gibt es jetzt nur
noch Karl Muschaleks 1962 entstandenes Relief „Nur die Wahrheit
wird uns frei machen“. Es ist nun aber so, dass dies die
Hauptlosung der Holocaustleugner geworden ist. Das Relief hat seine
Unschuld verloren. Es wäre entbehrlich wie die Statue „Die
Trauernde“ vom Nazibildhauer Willy Meller vor der Gedenkhalle.
Doch Relief und Statue sind noch da. Hätte man dann nicht
wenigstens auch Walter „Kuro“ Kurowskis Wandbild mit Fasia und
ihren Genossen nebst VVN-Fahne erhalten können? Aber das musste ja
weg. Ich fragte die Gedenkstättenleitung: Warum? Wohin? Darf man es
erwerben? Kann man eine Kopie bekommen? Ich blieb ohne Antwort.
In der Broschüre „Den Opfern gewidmet – Auf Zukunft
gerichtet“ Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus
in NRW, (hg. Landeszentrale für politische Bildung und AK
NS-Gedenkstätten NW e.V., 4. und damit letzte Auflage 1998) findet
man auf Seite 85 u.a. zur Gedenkhalle Oberhausen die Grobgliederung
der bis 2008 gezeigten Dauerausstellung:
Punkt 1: „Ende der Weimarer Republik – Wahlen 1930, 1932 und
1933 – Situation und politische Haltung der Industrie“ ….
Punkt 5: „Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in der
Oberhausener Industrie“ … Die neue Ausstellung enthält diese
Punkte jedoch nicht mehr oder nur arg gerupft. Zu 1: Adolf Hitler
und sein Regime scheinen am 30. Januar 1933
irgendwie vom Himmel auf Oberhausen herabgefallen zu sein.
Gutehoffnungshütten-Boss Paul Reuschs Brief an Hindenburg von 1932
war in der alten Ausstellung noch zu sehen: Er wünsche Hitler an
der Macht. Die Industrie an Rhein und Ruhr hat offenbar mit dem
NS-Regime nichts zu tun, glaubt man der neuen Ausstellung. Erst im
Krieg – so wird angedeutet – machte sie sich den Nazis
nützlich, denn sie wollte an der Rüstung verdienen. Das wollte sie
schon seit 1930 und früher, sie half Hitler daher an die Macht zu
gelangen.
Zu 5: Die grausamen Verbrechen der Wirtschaft an den
Zwangsarbeiter/innen werden nunmehr verschwiegen. Wenn es diesen
nicht gut ging, dann lag es an den Verordnungen der Gestapo usw.,
von denen einige in der neuen Ausstellung zu besichtigen sind.
„Faschismus kommt nicht über Nacht“ hieß die alte
Ausstellung und sie thematisierte den Widerstand und die Verfolgung.
Wie kommt es zum Faschismus? Was erfährt man darüber in der neuen
Ausstellung? Das ist doch die wichtigste Frage! Kann man
widerstehen? Auch das wird nicht beantwortet; es gibt nur ein paar
lieblose Kurzbiographien aus dem Widerstand.
Schließlich sei aber auch noch eine ermutigende Tatsache aus dem
Bereich der Erinnerungsarbeit angefügt. Und zwar aus einer anderen
Ruhrgebietsstadt. In Dortmund hat es noch keine erkennbaren
behördlichen Bemühungen gegeben, den Arbeiterwiderstand an den
Rand zu drängen und die Mahn- und Gedenkstätte in der Steinwache
„Widerstand und Verfolgung in Dortmund 1933 bis 1945“
umzuwidmen. Hier haben sich das Internationale Rombergparkkomitee
und der Förderverein Gedenkstätte Steinwache sogar vereint. Beide
Gremien haben sich seit vielen Jahren für die Gedenkstätte in
Dortmund und für die Gedenkarbeit – mit
Veranstaltungshöhepunkten am Gründonnerstag und Karfreitag jeden
Jahres – verdient gemacht. Das verstorbene Ehepaar Lore und Heinz
Junge haben bleibende Verdienste um die Gremien wie auch die
bisherige Generalsekretärin des Internationalen Rombergkomitees
Gisa Marschefski. Der zum neuen gemeinsamen Vorsitzenden gewählte
frühere Gewerkschaftssekretär Ernst Söder erklärte: „…
werden wir die jährlich stattfindenden internationalen
Gedenkveranstaltungen in der Bittermark bei Dortmund (in der Nähe
eines Massengrabes von NS-Opfern) mit gestalten. Nach wie vor
erscheint es uns wichtig, die heutige und die nachfolgende
Generation über das Wesen und die Ursachen des Hitlerfaschismus und
die begangenen Verbrechen sowie den antifaschistischen Widerstand
aufzuklären. Dies umso mehr, nachdem die Neonazis immer wieder
versuchen, die Verbrechen des Faschismus zu leugnen.“ Dem Vorstand
gehören neben Aktivisten aus SPD, DKP und Linkspartei solche aus
der VVN-BdA, den Jugendverbänden, der Arbeiterwohlfahrt, den
Gewerkschaften, der Auslandsgesellschaft, Künstler und Publizisten
sowie Zeitzeugen an, die als Kinder Krieg und Faschismus erlitten
haben. Sie wollen die Erinnerungsarbeit gemeinsam betreiben wie auch
aktuell in die Kämpfe gegen die Neonazis und die Militaristen
eingreifen. Ein Stück linker Einheit. Der stellvertretende
Vorsitzende Norbert Schilff (Fraktionsvize der SPD im Rat der Stadt)
fasste es zusammen: „Dass Dortmund zum Zentrum der Nazi werden
konnte, ist eine Schande für die Stadt. Aber hervorzuheben ist der
Konsens des Antifaschismus, der seit dem Kalten Krieg besteht und
durch diesen nicht zerstört werden konnte, der Konsens der Kräfte
von der SPD bis weit links von der SPD. Ja man kann fast von einer
Volksbewegung gegen Rechts sprechen. Die Forderung der CDU nach
Ausgrenzung der Linken wird nicht zum Zuge kommen.“
Ulrich Sander
Vorabdruck aus "Unsere
Zeit" Update 21.01.2012: siehe auch unter "Kuro-Bild aus der Gedenkhalle Oberhausen wieder aufgetaucht"
|