30.09.2010
Wandel durch Handel?
Oder: Ist der rechtsextreme
Filmehändler Höffkes in der Mitte der Gesellschaft angekommen,
oder die Mitte der Gesellschaft bei Höffkes?
Vom Prozess des Filmhändlers Höffkes gegen die VVN
berichteten wir an dieser Stelle bereits. Das Landgericht Berlin
hatte die Klage von Höffkes abgewiesen (http://www.nrw.vvn-bda.de/texte/0662_urteil.htm).
Die (von diesem selbst eingeräumte rechte) Vergangenheit von
Höffkes war so eindeutig, dass das Landgericht die
Veröffentlichung der VVN für eine zulässige Meinungsäußerung
hielt. Rechtsanwalt Eberhard Reinecke berichtet über den Prozess
und die Lehren daraus.
Nun war es sicherlich nicht der erste Prozess, in dem jemand
versucht, sich von seiner Vergangenheit zu verabschieden und die
Erinnerung daran auch gerichtlich verbieten will. Ohne Zweifel
sollte man über jeden Aussteiger aus der rechten Szene dankbar
sein, doch geht es Höffkes darum? Die Distanzierung von seiner
Vergangenheit war hohl. Die Vorhaltungen zu seinen Lobeshymnen auf
den "Reichsjugendführer Axmann" noch im Jahre 1996
konterte er im Prozess mit der flauen Erklärung: "Die
Bezeichnung als 'integrer selbstloser Idealist' (für Axmann) ….
ist, das räumt der Kläger ein, aus heutiger Sicht unzureichend und
zu naiv, um Axmanns historische Rolle umfassend zu
darzustellen." Mit einem Wort: Keine wirkliche Einsicht, keine
inhaltliche Distanzierung.
Statt einer inhaltlichen Auseinandersetzung argumentiert er mit
seinen neuen Geschäftsfreunden insbesondere mit Guido Knopp, Stefan
Aust und anderen. Ein schönes im Prozess erörtertes Beispiel für
die Argumentation ist dabei der Film "Geheimakte Hess",
über den telepolis im Jahre 2004 berichtet hatte (http://www.heise.de/tp/r4/artikel/18/18429/1.html).
Die unter maßgeblicher Beteiligung eines rechten Germanisten
erstellte DVD wird noch heute über die "Polarfilm-GmbH"
vertrieben und im Internet von dieser wie folgt beworben: "Neue
Archivfunde aus England deuten darauf hin, dass die britische
Regierung die deutschen Friedensangebote von Anfang an torpedierte.
Spielte Churchill auf Zeit, um die USA und die Sowjetunion in den
Krieg zu ziehen? Wurde Hess bis zu seinem Tod inhaftiert, um dieses
Vorgehen, das Millionen Menschen Gesundheit und Leben kostete, zu
verschleiern?" Nicht der Angriffskrieg der Nazis, sondern der
Widerstand der Briten war also ursächlich für die Toten des 2.
Weltkrieges. Es folgen dann noch die sattsam bekannten Thesen vom
Zweifel am Selbstmord von Hess. An dem Unternehmen Polarfilm war
Höffkes zur Hälfte beteiligt. (Ob er das heute noch ist, haben wir
nicht geprüft, im Prozess hatte er erklärt, seine Hälfte an der
Firma zum Verkauf zu stellen). Und wie verteidigte Höffkes diesen
Film? Der jetzt vertriebene Film sei identisch mit dem auf dem
Fernsehsender n-tv gezeigten Film, der von der freiwilligen
Selbstkontrolle geprüft und freigegeben worden sei, also könne er
auch kein rechtes Gedankengut enthalten. So zieht sich dann durch
die Schriftsätze, wer ihn alles einlädt (auch die Fraktion der
Linken im Bundestag), mit wem er alles Geschäfte macht.
Die Motivation von Höffkes wird daran klar: er hat erkannt, dass
das wirkliche Geschäft mit den (unkommentierten) Privatfilmen
gemacht wird, an denen er die Rechte erworben hat. Es sei doch nur
Händler von Filmen (vor allem von Privataufnahmen), er verkaufe sie
an jeden und sei nicht dafür verantwortlich, was daraus werde (So
Höffkes in der mündlichen Verhandlung beim Landgericht). Die von
ihm aufgekauften Filme an andere zu lizensieren, ist das Geschäft.
Was ist dagegen das frühere Kerngeschäft in der rechten Szene. Um
seine Reputation zu erhöhen lässt er die Polarfilm schon einmal
einen (dann verlorenen) Prozess gegen einen rechten Buch- und
Videovertrieb führen, um dem zu verbieten, die Produkte der
Polarfilm zu vertreiben. Die entscheidende Frage, warum eigentlich
die Produkte der Polarfilm in der rechten Szene so gut ankommen,
stellt sich Höffkes nicht. Die Berichte über seine Vergangenheit
stören die Geschäfte. Die wirklich interessante Frage ist aber:
Warum ist der Handel mit diesen Filmen ein so gutes Geschäft?
Thomas Willms hat in der Ausgabe der antifa (Juli und August
2010) im Artikel "Waffen-SS live" (http://antifa.vvn-bda.de/201007/1101.php)
genau die Bedeutung dieser Filmhändler für die Gewöhnung an Krieg
und Faschismus beschrieben: "Die kommerzielle Verwertung von
Elementen des historischen Faschismus hat ohne Zweifel ideologische
Folgen, die noch völlig offen sind. Bedeutsam ist, dass sich die
Nutzung auf Werte wie "Heroismus", "maskulines
Kämpfertum" und eine kritiklose Bewunderung des Militärischen
konzentriert, allesamt nicht singulär für den Faschismus, aber in
ihm eine historische Zuspitzung findend."
Wer will, kann heute auf den Dokumentationssendern von Phönix
über n-tv bis hin zu n24 jede Menge Kriegsdokumentationen sehen.
Kämpfe aller Waffengattungen bis hin zu Kamikazeangriffen werden
hier "dokumentiert" und damit zu einem gewöhnlichen
Ereignis gemacht. Oft steht allein die technische Seite des Krieges
im Vordergrund, nicht sein verbrecherische Charakter. Die damit
einhergehende Abstumpfung für kriegerische Auseinandersetzungen ist
ein langfristig wirkendes Gift. Karl Höffkes hat sich im Prozess
bitterlich darüber beschwert, dass die VVN ihn herausgegriffen
hätte, aber dann eigentlich dieselben Vorwürfe gegen ZDF, n-tv
etc. erheben müsste. In der Tat: Was treibt sie, sich bei dem
rechtsextremen Filmemacher und Historiker - so darf er genannt
werden - zu bedienen? Noch wichtiger aber die Frage: Was treibt
diese Fernsehsender dazu kritiklos Filmmaterial aus kriegerischen
Auseinandersetzungen einzusetzen um die x-te Dokumentation über
Hitler, seine Frauen, seine Diener, seine Hunde oder was auch immer
zu verbreiten. Eine genauere Auseinandersetzung mit
kriegverherrlichendem Material in "seriösen" Sendern tut
not.
Eberhard Reinecke
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