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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

20.07.09

Die Militarisierung der Inneren Sicherheit

Vortrag von Ulrich Sander, Bundessprecher der VVN-BdA, auf der 3. Sommerakademie des Friedensratschlag - Hauptthema war "Gegen Krise und Krieg" - am 17. Juli 2009 in Fuldatal 

Ich zeige hier das neuste Heft von "Y". Das Outfit des vorletzten, des Mai- Heftes war noch geprägt von Schwarz-Rot-Gold und Bild mit Text: "Soldaten helfen Kindern in Not". Das neue Titelbild des Magazins der Bundeswehr zeigt zwar einen Milchgesichtsbubi, aber der ist angetan mit allem, was die "Soldaten-sind-Mörder"-Industrie derzeit hergibt, und das Gewehr hält er schussbereit. Die Schlagzeile lautet: "Bewährt im Einsatz", im Kriegseinsatz nämlich und dies "seit 15 Jahren". Weitere Textankündigungen handeln von den Marinefliegern aus Nordholz, denen nichts entgeht, und dem "Wettrüsten" sowie dem "Atomaren Albtraum", wobei im Textteil deutlich wird, dass der Albtraum für die Bundeswehr in der Abrüstung liegt. Obama mit seinem atomaren Abrüstungsvorschlag wird als "Träumer" dargestellt.

Ich musste 30 Seiten lesen, bis mal das Wort Frieden im Zusammenhang mit der Bundeswehr auftaucht. Und die Menschenrechte sind gar kein Begriff mehr für die Truppe.

Die Bundeswehr ist nicht mehr die größte Friedensbewegung, wie sie sich bis 1989 gern nannte. Die Bundeswehr versteht sich als eine Armee im bewaffneten weltweiten Einsatz. Zu diesem Zweck wurde sie transformiert. In "Y", Mai 09, schreibt der Chefredakteur, die Transformation der Bundeswehr war erfolgreich und hält an. Die Transformation der Gesellschaft nach dem Bilde der Bundeswehr war auch erfolgreich. "Auch wenn es noch Betonköpfe vergangener Zeiten gibt, kann man feststellen, dass die Transformation der deutschen Gesellschaft gelungen ist." Ja, so diskutieren diese Leute. Habt ihr etwas von der militärischen Transformation der Gesellschaft gemerkt? Ich meine, es gibt sie tendenziell, aber wir registrierten das nicht. Wir sollten aber.

Wenn in wenigen Monaten eine Reservearmee von 5000 Personen, bestehend aus innerhalb einer Stunde bereitstehenden Reserveoffizieren und -unteroffizieren aus dem Bereich des Öffentlichen Dienstes aus dem Boden gestampft wird, die Zugriff auf Hunderttausende weitere Reservisten hat, - und das ist unter der Überschrift Transformation der ZMZ aus der Zeit der Blockkonfrontation in die Zeit der Armee des Einsatzes geschehen -, dann sollten Friedens- und Gewerkschaftsbewegung das erörtern. Ich danke für die heutige Gelegenheit dazu.

Zivil-Militärische Zusammenarbeit mobilisiert die Reservisten

ZMZ galt früher in starkem Maße als die Verbindung von Bundeswehr zum Zivilschutz, der jetzt aber völlig auf Null gefahren wurde. (Beispiel: Der Regierungs-Atombunker Dernau an der Ahr ist nun Museum.) Heute wird ZMZ als Instrument angesehen, um die Reservisten sowohl in internationale als auch in nationale Einsätze einzubeziehen. Das ist ein gewaltiger quantitativer und qualitativer Unterschied zu früher, denn bis 1989 wurden Reservisten allenfalls zu Übungen geholt, nie zu Einsätzen. Wir haben aber bereits die ersten toten Bundeswehrangehörigen in Afghanistan gehabt, die aus dem Reservistenkader kamen.

Ich möchte noch auf eins hinweisen: Die 68er wandten sich vehement gegen Notstandsgesetze. Darum ging es stets und ständig. Heute tun auch die Linken manchmal so, als wäre der Kampf gegen die Notstandsgesetze irgendwie ein Irrtum gewesen, darüber redet man nicht, war wohl überkommentiert. Es wird die Frage erörtert: War der Todesschütze Kurras mehr von der Springer-Presse aufgehetzt als von der Stasi instrumentalisiert? Aber dass er Teil des gleichzeitig mit dem 2.6.67 stattfindenden Fallex-Manöver gewesen sein könnte, wird nicht beachtet. Fallex (Fall X), das waren die Manöver, bei denen laut "Süddeutscher Zeitung" Autobahnen von der Bundeswehr "freigeschossen" wurden. (lt. Elan 7/67) (Siehe http://www.nrw.vvn-bda.de/texte/0535_1968.htm, http://www.nrw.vvn-bda.de/1968/Rolf_Priemer.pdf, http://www.nrw.vvn-bda.de/1968/elan_1967_juli.pdf)

In dem 1988 in letzter Auflage bei Luchterhand herausgegebenen "Militarisierungsatlas der Bundesrepublik" heißt es auf Seite 87 über ZMZ und FALLEX: Dass dabei die militärischen Stäbe mit den Bundes- und Landesbehörden und ausgewählten Kommunen die zivilmilitärische Zusammenarbeit proben. In den 80er Jahren hieß FALLEX dann WINTEX/CIMEX. Lakonisch heißt es auf Seite 88: "Der zivile Teil der Übung wird meist abgeschlossen, bevor der Atomkrieg beginnt."

Die Zeit der großen Manöver ist vorbei. Die Armee im Einsatz probt in Afghanistan, am Horn von Afrika, vor der libanesischen und israelischen Küste. Und die ZMZ Inneres findet statt in Heiligendamm und Kehl.

Bundeswehr ohne verfassungsmäßige Basis

Wenn wir genau hinsehen, bemerken wir die Regellosigkeit und Gesetzlosigkeit des Militärischen im heutigen Deutschland. Möglichst wird alles im Vagen, im Undeutlichen gehalten.

Heribert Prantl schrieb am 12.5.09 in der Süddeutschen Zeitung über das Grundgesetz: "Nichts von dem, was die Bundeswehr heute macht, ist dort zu finden. Dort ist sie immer noch Verteidigungsarmee. Schleichend und ohne Verfassungsänderung ist die Bundeswehr in eine Kriseninterventionsarmee verwandelt worden. Das Grundgesetz ist der blinde Spiegel der Bundeswehr: Sie schaut hinein und sieht sich nicht. Die Tätigkeit der Truppe und ihre Aufgabenbeschreibung im Grundgesetz haben nichts mehr miteinander zu tun. Das Grundgesetz aber muss Leitfaden sein für jeden Staatsbürger - auch für den in Uniform."

Das Grundgesetz wieder herstellen

Das Grundgesetz wieder herzustellen, das wäre ein wichtige Aufgabe. Ich würde in dieser Hinsicht das EU-Vertrags-Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht so gering achten, wie es in einigen linken Kommentaren geschah. Antifaschisten und Antimilitaristen sollten auf die Wiederherstellung des Antifaschismus und Antimilitarismus des Grundgesetzes von 1949 bedacht sein. Dazu gehört, den Artikel von 1956 87a rauszunehmen und den Artikel 26 endlich verwirklichen. Dazu gehört auch der Artikel 139: Dieser Artikel verpflichtet uns auf die Einhaltung der Rechtsbestimmungen zur Befreiung des deutschen Volkes von Militarismus und Nationalsozialismus, und Artikel 26 verbietet die Vorbereitung und Führung eines Angriffskrieges. Der Bundeskongress 2008 der VVN-BdA beschloss: "Das Völkerrecht verbietet, entsprechend der UNO-Charta Artikel 53 und 107, Deutschland das Kriegführen. Das Grundgesetz mit seinem Verbot der Vorbereitung und Führung von Angriffskriegen (Artikel 26) und das Völkerrecht sind zu verteidigen und anzuwenden."

Bundeswehrführung durch Meinungsumfragen beunruhigt

Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, Militarismus an Hand militaristischer Quellen nachzuweisen und anzugreifen. Daher versuche ich, offizielle und offiziöse Literatur der Bundeswehr zu studieren. In jüngster Zeit werden darin Themen behandelt wie:

  1. Wie nimmt das Militär auf die Demoskopie Einfluß und damit auf die öffentliche Meinung, - die Darstellungen über die Meinungen zu Afghanistan lassen die Militaristen keine Ruhe. Es wird nachgewiesen, dass die EU-Bürger eine Führungsrolle der EU im Weltmaßstab (if 4/08) und die Deutschen nur zu 55 Prozent den Rückzug aus Afghanistan wollen (if 3/08). Absichtsvoll wird Vance Packard zitiert: Demoskopie ist die "Kunst, Dinge herbeizuführen, indem man sie voraussagt."
  2. Wie bekämpft das Militär die Abrüstungsrhetorik Barak Obamas - dies besonders auf atomaren Gebiet? ("Y", Mai 09).

Aus Kriegsverbrechen lernen, um sie erneut zu begehen

Weiter wird die Frage erörtert: Wie erreicht die Truppe Straffreiheit bei Gewalttaten der Soldaten? "Wann darf ‚scharf' geschossen werden?" wird den Rechtsberatern der Bundeswehr, es gibt 100 davon, als Frage in "Y" (4/09) vorgelegt. Für Kriegsverbrecher aus der Wehrmacht, die zur Bundeswehr kamen, haben die Rechtsberater Straffreiheit erreicht. Das soll nun auch in heutigen Auslandseinsätzen so sein. Dazu ein Zitat aus GEBIRGSTRUPPE vom Dez. 2008 von einem Bundeswehrgeneral a.D. (den die Bundeswehrführung schnell mal zur Privatperson erklärt, deren Äußerungen man nicht kommentiert):

"In der öffentlichen Meinung gilt heute bei uns jeder bereits als schuldig, dem eine Beteiligung an der Partisanenbekämpfung im letzten Weltkrieg vorgeworfen wird, während unsere Alliierten längst die Vorschriften und Erfahrungen der Deutschen auswerten und zu Rate ziehen für ihren aktuellen ‚Kampf gegen den Terror'."

Transformation nach rechts: Dienstpflicht für alle

Die Gefahr einer Rechtsentwicklung mittels innerem Militarismus, geduldetem Neonazismus und autoritärem Überwachungsstaat ist offensichtlich. Die Grenzen zwischen Polizei und Militär, innerer und äußerer Sicherheit fallen. Zentrum der entsprechenden Überlegungen und Planungen ist das für die Bundeswehr geschaffene "Zentrum für Transformation".

Dazu passt diese Meldung: Die CSU setzt sich laut Parteitagsbeschluß für die Weiterentwicklung der Wehrpflicht zu einer "sicherheitspolitisch begründeten Dienstpflicht" ein, die auch bei der Polizei oder im Katastrophenschutz abgeleistet werden soll. Ein CSU-Sprecher: Es müsse die "unerlässliche Wehrpflicht an die neuen Risiken für die innere und äußere Sicherheit angepasst werden." Ein solcher Dienst sollte auch den Zivil- und Katastrophenschutz umfassen.

Reservisten werden zu den Fahnen gerufen

Am 17. Februar 2005 wurde - tief in der Nacht und unbeachtet von den Medien - vom Bundestag das Gesetz über die Neuordnung der Reserve der Streitkräfte und zur Rechtsbereinigung des Wehrpflichtgesetzes beschlossen. Der Kern des Gesetzes ist die Anhebung des Alters auf 60 Jahre, bis zu dem in Übungen ausgebildete Reservisten in Friedenszeiten einberufen werden können, und zwar nicht nur zu Übungen, wie bisher, sondern zu Einsätzen. Ohne mündliche Aussprache geschah diese Beschlussfassung. Alle Reden wurden schriftlich zu Protokoll gegeben. Deshalb sei dieser Auszug aus dem Bundestagsprotokoll nachgetragen:

Petra Pau, eine der nur zwei PDS-Abgeordneten, die damals im Bundestag waren, führte u.a. aus:

"Wir sind dagegen, weil sie (die Änderungen zum bisherigen Gesetz) ein trojanisches Pferd in Stellung bringen. Denn: Der Gesetzentwurf entspringt einer inhaltlichen Logik, der wir nicht folgen. Es geht darum, den Status und die Pflichten von Reservistinnen und Reservisten an die offensiven militärpolitischen Leitlinien anzupassen. Noch klarer gesagt: Reservistinnen und Reservisten sollen in den Umbau der Bundeswehr von einer Verteidigungsarmee zu einer weltweit agierenden Interventionsarmee aktiv einbezogen werden. Die PDS ist gegen weltweite Militäreinsätze der Bundeswehr. Wir halten die militärpolitischen Leitlinien für falsch, ja für gefährlich. Also sind wir auch dagegen, dass dieser Fehler auch noch auf die Reservistinnen und Reservisten ausgedehnt wird.

Hinzu kommt: Mit § 6c des vorliegenden Gesetzentwurfes wollen Sie den Einsatz der Bundeswehr im Inneren der Bundesrepublik Deutschland vorbereiten. Sie weisen Reservistinnen und Reservisten entsprechende Aufgaben zu. Sie wissen: Im Gegensatz zur CDU/CSU halten wir Inlandeinsätze der Bundeswehr für grundgesetzwidrig. Sie wären obendrein fachlich falsch, politisch sind sie es aus der Sicht der PDS ohnehin."

Und weiter: "Genau betrachtet rangiert der Antrag in der Grauzone zum Trickbetrug. Denn das eigentliche Ziel dieses Gesetzes verkehrt sein vermeintliches Anliegen ins Gegenteil: Es schafft nicht mehr Rechtssicherheit und Arbeitsschutz für Reservistinnen und Reservisten. Es schafft neue Risiken und Gefahren für alle."

Die Folgen der unbekannten Nachtsitzung des Bundestages

Über zwei Jahre später meldet die Bundeswehrzeitschrift "Y": "Seit Jahresbeginn stellt sich die Bundeswehr in der Fläche der Republik neu auf." Sie zitiert Minister Franz Josef Jung: "Die flächendeckende Einführung der Zivilmilitärischen Zusammenarbeit im Inland stellt sicher, dass die Bundeswehr in unsrer Heimat jederzeit und an jedem Ort unseres Landes Hilfe und Unterstützung leisten kann."

Bis zur "Transformation" gab es 4,3 Millionen Reservisten bis 45 Jahren, nun kamen 800.000 zwischen 45 und 60 Jahre dazu. Das Potential, auf das die Bundeswehr kurzfristig - d.h. nach einer Auffrischungsübung - zurückgreifen kann, wurde also um knapp eine Million erhöht. Als "beorderte Reservisten", also jederzeit einsetzbare Reservisten, wurden 95.000 Personen verpflichtet, bis zur Transformation der Bundeswehr waren eine Million Reservisten "beorderte Reservisten". ("Y" 2/08) "Die Zahl derer, die in der Bundeswehr als Soldat gedient haben, noch der Wehrüberwachung unterliegen und verwendungsfähig sind, liegt bei acht bis neun Millionen Männern und Frauen." Zu Einsätzen werden jene Reservisten geholt, die bereits Reserveübungen hinter sich haben, das sind 1,1 Millionen. Um diese Zahl kann die Bundeswehr kurzfristig vergrößert werden. Sie kommt zu den rund 250.000 Soldaten, darunter 40.000 Grundwehrdienstleistende und 25.000 freiwillig länger Wehrdienstleistende, hinzu, die derzeit das "stehende Heer" stellen.

Jung sagte: "Reservistinnen und Reservisten bleiben integraler Bestandteil der Bundeswehr." Auch die Einsatzarmee bleibe auf Reservisten angewiesen. Sie seien, so im Kommentar von "Y" weiter, vor allem auch als Mittler zur Gesellschaft gefordert. "Die gemeinsame Anstrengung gegen das ‚freundliche Desinteresse' der Gesellschaft ist eine wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe für die Reservistinnen und Reservisten der Bundeswehr," erklärt Generalleutnant Johann-Georg Dora, Stellvertreter des Generalinspekteurs für Reservistenangelegenheiten.

Verfassungswidriger Heimatschutz wird aufgebaut

Die Bundeswehr kommt uns beim Einsatz im Innern durch die Hintertür und auf leisen Sohlen. Ein Heimatschutz nach amerikanischem Vorbild wird aufgebaut und soll "Seite an Seite" mit den zivilen Behörden in Stadt und Land agieren.

Im Artikel 35 des Grundgesetzes ist für den Einsatz der Bundeswehr im Innern nur vorgesehen: "Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall" (Artikel 35, Absatz 2). Von Hilfe bei Polizeiaufgaben und "Großschadensereignissen" ist da nicht die Rede. Dennoch wird mit dem schwammigen Begriff "Terroranschläge" gearbeitet, der die Reservisten zu Hause in Massen zur Waffe greifen lassen soll.

Das Zauberwort heißt Zivil-Militärische-Zusammenarbeit Inneres (ZMZ-I). SPD und Grüne haben mit dem kaum beachteten Gesetz gute Vorarbeit geleistet. Allerdings hat es Rot-Rot - und auch dies ist weitgehend unbekannt - auch getan. In Mecklenburg-Vorpommern mit dem Polizeigesetz von 2006 - rechtzeitig zum G8-Gipfel von Heiligendamm. Ein weiterer Sündenfall war die Anforderung der Bundeswehr zu Zeiten der Vogelgrippe durch die Rügener Landrätin aus den Reihen der Linken.

Wer bisher nach seiner aktiven Dienstszeit noch als Reservist tätig war, der tat es in der Regel freiwillig. Nun kann das anders werden. Bundesweit wurden bis zum Sommer 2007 bundeseit ZMZ-"Kommandos" eingeführt, sie sind nun einsatzfähig. Sie spielen dann bei Katastrophenabwehr und "Gefahrenlagen" die erste Geige, an der Seite von Feuerwehr, THW und Sanitätsdiensten und der regulären Polizei.

Aus Rostock meldete bereits im Januar 2007Vizeadmiral Wolfram Kühn: "Die Bundeswehr hat einen weiteren Schritt zur Verbesserung des Schutzes Deutschlands und seiner Bürgerinnen und Bürger geleistet. Kompetente Ansprechpartner aus der Streitkräftebasis stehen zur Abwehr von Gefahrenlagen und Katastrophen und für Hilfe- und Unterstützungsleistungen zur Verfügung." Rostock liegt in der Nähe von Heiligendamm, wo im Juni 2007 viele Tausend Protestierende zum Gipfel erschienen. Die "Gefahrenlage" war gegeben.

Der Vizeadmiral bestätigte es: "Ein weiteres Thema der Unterredung mit dem Inspekteur war die Unterstützungsleistung der Bundeswehr während des G-8 Gipfels in Heiligendamm. Hier laufen die Vorbereitungen bereits auf Hochtouren." Das Resultat übertrag alle Erwartungen.

Verbindungskommandos in allen Großstädten und Landkreisen

Insgesamt wurden 429 12-köpfige Verbindungskommandos zu Landkreisen, davon 116 zu kreisfreien Städten geschaffen. Die Bundeswehr hat zudem wichtiges Material, wie Pioniergerät und Sanitätsmaterial an einzelnen Standorten konzentriert. Der Vizeadmiral: "Durch enge Anbindung an die zivilen Einsatzkräfte und militärisches Know-How sind Unterstützungsleistungen schnell und zielorientiert koordinierbar."

Organisatorisch liegt die Zusammenarbeit mit den zivilen Behörden in den Händen erfahrener Reserveoffiziere. Zwischen 30 und 50 Tagen im Jahr umfasst deren Tätigkeit im Zusammenhang mit ZMZ. Als wesentlicher Vorteil der Reservisten wird die meist langjährige Stehzeit am Ort angesehen, der oft zugleich Heimatort ist. Damit einher geht die Ortskenntnis und das Wissen um die Strukturen einer Region. Gepaart mit militärischer Ausbildung entsteht so "ein wertvolles Bindeglied zwischen ziviler Verwaltung und Bundeswehr", so die Bundeswehr-WebSite.

Die ZMZ wirkt sowohl innerhalb Deutschlands als auch bei Einsätzen der Bundeswehr im Ausland, heißt es weiter auf der Bundeswehr-WebSite. "ZMZ schließt die Zusammenarbeit mit Hilfsorganisationen und anderen nicht-staatlichen Organisationen sowie internationalen Organisationen ausdrücklich ein," und "richtet sie sich heute vor allem an neuen gesamtstaatlichen übergreifenden Sicherheitskonzepten aus." Deutlicher kann der militärische Charakter von ZMZ nicht ausgedrückt werden. Schließlich sind auch die Ausbildungsplätze für die Reservisten bezeichnend. Der Reservist soll "durch Schulungen, insbesondere an der ‚Schule für Feldjäger und Stabsdienst der Bundeswehr'" die "erforderliche Kenntnis erlangen."

Amtshilfe beim Verfassungsbruch

Die Bundesregierung erklärte nach Heiligendamm, die dort stattgefundenen Einsätze seien rechtmäßig gewesen. Sie geschähen per "Amtshilfeersuchen" ziviler Behörden nach Artikel 35 des GG. Solche Amtshilfeersuchen müssten auf ihre verfassungsrechtliche Zulässigkeit geprüft werden, wenn "die Amtshilfe von verfassungsrechtlicher Bedeutung ist." Das sei "regelmäßig der Fall, wenn Polizeibehörden der Länder die Bundeswehr anfordern." Die Prüfung muss nun nicht etwa durch das Verfassungsgericht oder den Bundestag erfolgen, sondern, so die Bundesregierung, sie erfolge durch die Abteilung Recht im Verteidigungsministerium. Polizei und Bundeswehr genehmigen sich damit gegenseitig die Verfassungsbrüche. Der Befehlshaber des Wehrbereichskommandos hatte im Falle Heiligendamm den Antrag als "zulässig nach Artikel 35 Grundgesetz" beurteilt und seine Durchführung angeordnet. Den Militärbefehlshabern vor Ort wurde offenbar signalisiert, sie sollten der Polizei gegebenenfalls auch auf Zuruf unkompliziert und außerhalb aller Dienstwege zu Hilfe kommen.

Der Krieg gegen den Terror als Begründung

Der Abbau der Freiheitsrechte wird allgemein mit dem Krieg gegen den Terror begründet, der von außen in unser Land getragen werde. Bundesinnenminister Schäuble malt sogar "nukleare Angriffe" mit schmutzigen Bomben auf unser Land an die Wand, um sein Ziel zu erreichen, z.B. durch Onlinedurchsuchungen flächendeckend Freiheitsrechte abzubauen. Minister Jung will eine Grundgesetzänderung erzwingen, um die Bundeswehr auch zum Kriegführen im Innern des Landes legal einsetzen zu können - und wenn dieser Verfassungsbruch nicht erlaubt wird, dann werde man eben den "übergesetzlichen Notstand" ausrufen, um gegen die Verfassung zu handeln, z.B. verdächtige Flugzeuge abzuschießen.

Es bildet sich eine integrierte Struktur der Sicherheitskräfte heraus, wie es sie zuletzt in der Zeit vor 1945 gegeben hat. Ganz oben sieht die dazu gehörige Struktur so aus: Geschaffen wurde das "Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum" (GTAZ) in Berlin-Treptow mit Bundeskriminalamt, Bundesnachrichtendienst, Kriminal- und Verfassungsschutzämtern der Länder, Bundespolizei, Zollkriminalamt, Militärischer Abschirmdienst, Generalbundesanwalt und Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Noch 2003 lehnte der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Eckart Werthebach eine solche Zentralisierung des Sicherheitsapparats aus "historischen und rechtspolitischen Gründen" ab; die "Assoziation mit dem Reichssicherheitshauptamt" der Nazizeit sei zu naheliegend. Doch die Zentralisation schreitet voran: Die Einsatzführungsstäbe der Bundeswehr wie der Bundespolizei sind nunmehr in Potsdam angesiedelt, noch in unterschiedlichen Immobilien. 40.000 Bundespolizisten werden seit einigen Wochen aus einer zentralen Kommandostelle in Potsdam befehligt.

Ausdrücklich heißt es in Bundeswehrpublikationen, die Bundeswehreinsätze im Innern dienten nicht nur der Bekämpfung von Naturkatastrophen und der Hilfe bei Unglücksfällen, sondern auch dem Kampf gegen den Terrorismus, worunter das Vorgehen gegen die außerparlamentarische Opposition, zu verstehen ist. (lt. Information für die Truppe 3/2002 heißt der Kampfauftrag: Gegen "Chaosgruppen wie z.B. die Gruppe der Globalisierungsgegner") Ein Foto in der "Europäischen Sicherheit" 2/2007 zeigt "Soldaten des JgBtl 292 bei der Ausbildung gegen Demonstranten"; die Demonstranten haben Arbeitskleidung an.

R - wie Reservisten und Rechtsextreme

Eine neue extrem rechte Organisation entsteht, - zusätzlich zum Wirken alter und neuer Rechtsextremer in der Bundeswehr. Und das ist die Reservistenbewegung. In rund fünf Millionen Familien gibt es Reservisten, zu denen die Bundeswehr möglichst laufend Kontakt hält. Die militaristischen Traditionsverbände und die Reservistenverbänden erhalten immer mehr Macht - und Geld der Steuerzahler. Zur militaristischen Massenbasis beitragen soll auch die Aufwertung des Soldatenberufs: Schönere Uniformen sind geplant, ein neues EK Eisernes Kreuz wurde erstmals verliehen, eine zentrale Grabstätte und Ehrenmal in Berlin sind im Bau.

Und die Besoldung wird verbessert. Junge Leute werden mit Geld in die Bundeswehr gelockt, die sonst auf Hartz IV sitzen blieben. Das geht soweit, dass der Rekrut Folterungen einübt und Folterungen erleidet, um ja nicht der Schlusszahlung verlustig zu gehen.

Die größte rechtsextreme Bewegung entsteht somit - ohne große öffentliche Erörterung. Es waren die Feuerwehrleute - nicht die Gewerkschaften -, die warnten: "Bei der Einbindung der Bundeswehr in die Gefahrenabwehrstruktur des Hauptverantwortlichen Beamten (HVB = Landrat oder Bürgermeister, US) ist zu beachten, dass die Bundeswehr zwar wertvolle Katastrophenhilfe leisten kann, jedoch keinesfalls Führungsfunktionen im Katastrophenschutz übernehmen darf." So heißt es in einem Schreiben der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren in NRW vom 20. 2. 08. Noch deutlicher geht es gegen die Reservistenverbände: "Bei der Einbindung der Bundeswehr in die Gefahrenabwehrstrukturen des jeweiligen HBV ist präzise zwischen der Funktion des ‚Beauftragten der Bundeswehr für die zivil-militärische Zusammenarbeit' (BeaBwZMZ), welche durch einen Reservisten der Bundeswehr wahrgenommen wird, einerseits und den Reservistenverbänden andererseits zu unterscheiden. Eine Einbindung der Reservistenverbände (als ‚e.V.') in die Gefahrenabwehr kann nicht in betracht kommen."

Dazu muss man wissen, dass die Reservistenverbände wie auch der Bundeswehrverband und die Traditionsvereinigungen der Wehrmacht und Bundeswehr Tummelplätze für Rechtsextreme sind. Sie haben keine Satzungsbestimmungen, die es ihnen ermöglichen, Nazis, Neonazis und andere Rechtsextreme auszuschließen - und sie wünschen solche Bestimmungen wohl auch nicht. So brüstet sich der Hauptmann a.D. und Vorsitzende der NPD, Udo Voigt, damit, seit Jahren Reservist der Bundeswehr zu sein. Noch im November 08 verlautete die NPD auf ihrer Homepage, Voigt dürfe im Bundeswehrverband bleiben. Der Neonazi Voigt tat bereits in früher Jugend das, wozu die Braunen im Jahr 1995 aufriefen: "Junge Kameraden und Kameradinnen, die vor der Berufswahl stehen, unbelastet, intelligent und sportlich sind," sollten sich unauffällig zu "einer Ausbildung bei Bundeswehr und Polizei" melden, "mit dem Ziel, sich in besonders qualifizierten Spezialeinheiten das nötige Wissen und Können anzueignen" (aus: "Umbruch" von S. Hupka, 1995). Der Aufruf schließt mit den Worten: "Widerstand, der auf die Beseitigung eines volksfeindlichen Systems zielt, muss professionell geplant sein."

Und so durchlaufen diese Leute die Bundeswehr und geraten als äußerst rechte Kader in die Reservistenbewegung, - unter ihnen als ZMZ-Kommandeur z.B. der Rassist Wolfgang Lütkemeyer vom thüringischen Reservistenverband und den Nazi-Organisationen "Artgemeinschaft" und "Familienwerk" (lt. Blog Braunzone und taz). Weitere ähnliche Kader warten auf ihr Outing.

Der "innere Staatsnotstand" wird beschworen

Die Unionsparteien halten - angeregt durch ihr zuarbeitende Offiziere - an den Planungen für ein neues integriertes Militärkonzept "Sicherheitsstrategie für Deutschland" fest, das eine Superbehörde "Nationaler Sicherheitsrat" im Bundeskanzleramt vorsieht. Sie knüpft darin u.a. an ein Papier der CDU/CSU, abgefasst vom heutigen Parlamentarischen Staatssekretär im Bundeswehrministerium und ultrarechten Gebirgsjäger Christian Schmidt nach den Anschlägen in Madrid im März 2004, an. Darin wird die Schaffung eines neuen "Organisationsbereichs im Verteidigungsministerium mit dem Titel ‚Landesverteidigung und Heimatschutz'" angekündigt, dessen Aufgabe der Aufbau von bis zu 50 vernetzten "Regionalbasen Heimatschutz" mit einer Stärke von jeweils bis zu 500 Soldatinnen und Soldaten in allen größeren Städten Deutschlands sein soll. Bei einem Einsatz sollen die betreffenden Regionalbasen durch Reservisten auf eine Stärke von bis zu 5.000 Soldaten aufgestockt werden können. Die "Heimatschutztruppe" soll zu 80 Prozent aus Wehrpflichtigen und zu 20 Prozent aus Berufs- und Zeitsoldaten als deren Führungspersonal bestehen. Sie sollen "personelle Ressourcen für Bewachung, Kontrolle und Sicherung von ‚kritischer Infrastruktur' bereitstellen." In dem CDU/CSU-Papier heißt es zur ZMZ und ihrer Aufgabenstellung: "Es gibt einen großen Schnittmengenbereich zwischen militärischer Verteidigung, zivilem Katastrophenschutz, polizeilicher Gefahrenabwehr und - in einer linearen Eskalation - dem inneren Staatsnotstand."

Krisenzentren in Rathäusern

Das linke Stadtratsmitglied Prof. Wolfgang Richter (Linkes Bündnis Dortmund) führte im Zusammenhang mit einer Beratung über ZMZ im Dortmunder rathaus aus: "Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Machtphantasien und das Organisationsschema in den Führungsetagen im Lande begonnen hat, ein Netz zuknüpfen, mit dem ‚notfalls' alle Katastrophen, jeder ‚Terror' und alle aufbegehrenden Bewegungen, Proteste und Märsche erstickt werden können. Es ist ein weitgehend unsichtbares, aber sehr reales Netz - es wird zivilmilitärische Zusammenarbeit genannt." Richter fragt: "Welche Kommandeure sollen die Krise bewältigen? Hat der OB das Kommando? Oder der Polizeipräsident? Oder ein General?" Ob der General dem Oberbürgermeister befielt, das bleibt im Vagen. Auf keinen Fall befielt der Politiker dem militärischen Kommando im Krisenzentrum, - das hat auf das Landeskommando zu hören und dieses wiederum auf das Verteidigungsministerium.

Eine zentrale Kommandostelle für ZMZ befindet sich in Nordrhein-Westfalen. Die Bundeswehr rühmt sich, die Luftwaffenkaserne Köln-Wahn samt Flugplatz sei die "Drehscheibe für Auslandseinsätze". In dieser Kaserne sitzt das sogenannte Streitkräfteunterstützungskommando. Dieses "Zentrale Führungskommando der Streitkräftebasis" organisiert und steuert alle Auslandseinsätze der Bundeswehr. Auslandseinsätze sind aber nur das eine. Das zweite: Unter dem pompösen Titel "Oberste Nationale Territoriale Kommandobehörde" führt sie alle Einsätze der Bundeswehr im Inneren, die dann unter "Amtshilfe" fallen. Wer war demnach zentral verantwortlich dafür, dass Panzer und Tornadoflugzeuge die Kritiker des G8-Treffens in Heiligendamm beobachteten und bedrohten? Es war und ist dieses Zentrale Führungskommando in Köln-Wahn. Dieses Kommando ist drittens weiter zuständig für die zivilmilitärische Zusammenarbeit bei Kriegen im Ausland und Krisen im Inland. Dieses Köln-Wahner Kommando baute dann das Organisationsnetz für die zivilmilitärische Zusammenarbeit auf. Im Regierungsbezirk Köln wurden Anfang des Jahres 2009 die 13 Leiter der Verbindungskommandos öffentlich vorgestellt. Sie sollen beständig mit zivilen Stellen üben, Kenntnisse und Informationen sammeln, und sie haben ihre Verbindungsbüros in den zivilen Büros und Rathäusern sowie Landratsämtern.

Nur einige Linke haben bisher ZMZ thematisiert

Linke Kommunalpolitiker haben zu ZMZ Fragen gestellt, sie wurden schwach beantwortet. In Bochum, Dortmund, Göttingen, Karlsruhe und Köln wurde das Thema auf die Tagesordnung im Rathaus gestellt. "Wer definiert die Krise?" war eine zentrale Frage. Sie blieb unbeantwortet.

Die Gewerkschaften, einst führend im Kampf gegen die Notstandsgesetze und gegen die Bundeswehreinsätze im Innern - und Äußeren -, nehmen sich hingegen heute nur zögernd dieses aktuellen Themas an. Nun haben Verdi und IG Metall auf ihren Kongressen dazu erste Beschlüsse gefasst. Und der DGB erklärte nach Heiligendamm: Der DGB lehne Grundgesetzänderungen zum Versammlungsrecht und dem Pressewesen ab. "Es ist zu befürchten, dass die Länder beim Versammlungsrecht einen Wettlauf um die strengsten Regelungen beginnen und damit das für unsere Demokratie so wichtige Grundrecht der Versammlungsfreiheit einschränken." Nebenbei: Der Wettkampf ist schon im Gange. Das vom mecklenburg-vorpommerischen Landtag zu SPD-PDS-Zeiten eingeführte Polizeigesetz hat die Voraussetzungen geschaffen, dass mittlere Polizeiführer die Bundeswehr per "Amtshilfe" anfordern dürfen und damit die Verfassung brechen. Und Bayerns CSU und Baden-Württembergs CDU legten ein neues Versammlungsrecht vor, das bereits Versammlungen ab zwei Personen anmeldepflichtig macht. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht das Bayerische Gesetz zunächst kassierte, wir werden mit ähnlichen Bestimmungen scher bald wieder konfrontiert.

Es geht ums Grundgesetz, um Grundrechte und Kampfbedingungen

Den bewaffneten Einsatz der Bundeswehr im Innern verhinderte bis jetzt das Grundgesetz. Auf der vorletzten Kommandeurstagung der Bundeswehr forderten CDU-Sprecher daher, das Grundgesetz müsse endlich geändert werden. Die CDU/CSU/SPD-Regierung ist laut Weißbuch dafür. Mit dieser beabsichtigten Änderung des Grundgesetzes werden die Notstandsgesetze von 1968 fortgeschrieben und überboten. Ein Ostermarschredner, Günther Baumann von der VVN-BdA, sagte Ostern 2008 vor der Kaserne in Köln-Wahn: "Sorgen wir mit allen politischen Mitteln dafür, dass diese Einsatzpläne des Militärs gestoppt werden. Ein Schritt dazu: Besuchen wir die Verbindungskommandos vor Ort in den Gemeinden und kritisieren öffentlich diese Militarisierung der Gesellschaft! Ohne größere Zustimmung in der Bevölkerung kein weiterer Ausbau der militärischen Außen- und Innenpolitik: Die Bundeswehr rührt daher die Werbetrommel."

Direkte aufklärende Aktionen gegen die Militärpolitik tragen dazu bei, dass die Akzeptanz der Kriegspolitik zurückgewiesen wird. In 40 Städten, darunter Düsseldorf, Aachen, Wuppertal, Köln, Bielefeld verhinderten oder reduzierten Aktionen von Kritikern die Werbeversuche der Bundeswehr an Arbeitsagenturen. Das sind sicher noch wenige Aktionen, aber sie sind belebend richtig und politisch deutlich wirksam. Verstärken wir diese Bewegung.

Verstärken wir die Bewegung gegen die ZMZ auf allen Ebenen. Denn in der gegenwärtigen großen Krise zeichnen sich immer neue Krisenauswegstrategien ab, und nur wenige sind mit der Demokratie vereinbar. Ohne alle Mitbestimmung werden die Steuermittel in Banken gesteckt, die genau das weiterhin machen können, was zur Krise führte. Noch stellt man in den Medien fest: Die Krise ist noch nicht beim Bürger angekommen, aber wird er gelassen bleiben, so wie jetzt, wenn sie ankommt? Die Sicherung der Profitbedingungen des Kapitals erfordern neue Gewaltmechanismen. Die Sicherung der Kampfbedingungen der Arbeiterbewegung verlangen ebenfalls neue Kampfformen, aber auch die Gewährleistung der alten und hergebrachten. Das Grundgesetz wieder herzustellen und seine demokratischen Elemente zu verteidigen und anzuwenden, das ist die wichtigste Aufgabe, um die Kampfmöglichkeiten zu erhalten, die Gewerkschaften und Bewegungen benötigen.

Den Kommunalpolitischen Teil des obigen Referats wollte Wolfgang Richter bearbeiten. Der ist leider erkrankt. Ich zitiere daher aus einem Artikel vom Jahresanfang 2009, der diesen Aspekt behandelt.

Bei der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit liegt der Schwerpunkt am "militärisch"

Reservisten in allen Städten und Landkreisen für den Einsatz im Innern formiert

Der Bundeswehr als Polizeitruppe im Innern wird bereits seit den Struck'schen "Verteidigungspolitischen Richtlinien" immer mehr zur Realität. Es wird nur gestritten, ob dies im Grundgesetz drinstehen soll oder nicht.

Unstrittig ist, das die Bundeswehr bei ihren Einsätzen, ob im In- oder Ausland, polizeiähnlicher wird. Bisher berief man sich bei Inneneinsätzen auf das Grundgesetz, Artikel 35, doch dieser gibt beim schlechtesten Willen keine Zustimmung zum bewaffneten oder polizeiähnlichen Einsatz der Bundeswehr im Innern her. In Heiligendamm wurde die "Amtshilfe" zur Hilfe genommen, die aus dem ursprünglichen Text des Artikels 35 aus der Zeit der Schaffung des Grundgesetzes stammt, als es noch keine Bundeswehr gab. Die Leistungen der Bundeswehr nach Artikel 35 betrafen bis Heiligendamm nur "Naturkatastrophen" oder "besonders schwere" Unglücksfälle.

Auf allen Ebenen der Republik fallen die Grenzen zwischen Bundeswehr, Geheimdiensten und Polizei. Dies findet seinen sinnfälligen Niederschlag in GTAZ, dem neuen Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum in Berlin. Hier können nicht alle Maßnahmen benannt werden, die inzwischen zu einem dichten Netz der Bespitzelung der Bürger, des Abhörens in Betrieben und der Amtshilfe beim Spitzeln geführt haben.

Die ZMZ ordnet sich dort mit Reservisten ein. Sollte es mal wieder zu einem Oder-Hochwasser kommen, dann werden Reservisten die Sandsäcke stapeln und keine Rekruten.

Das wurde im Rahmen von parlamentarischen Anfragen in Großstädten bekannt, so am 1. September im Rat der Stadt Bochum. Dort wurde auch ein Gutachten der Arbeitsgemeinschaft der Leiter von Berufsfeuerwehren in Nordrhein-Westfalen vorgelegt, die sich dagegen verwahren, dass die Bundeswehr Führungsfunktionen im Katastrophenschutz übernehmen. Die Bundeswehr könne "nicht für die Primärphase von Katastrophenlagen vorgesehen werden", schrieben der Feuerwehr-Leiter, die im übrigen im Rahmen der Gefahrenabwehr der "Einbindung der Reservistenverbände", die ja "e.V." seien, eine Abfuhr erteilen. Es komme nur die Zusammenarbeit auf der Basis der Befehlslage der Bundeswehr in Frage.

Die Befehlshaber der Wehrbereichskommandos der Bundeswehr kommandieren als Landeskommandeure der jeweiligen Bundesländer die Beauftragten der Bundeswehr für zivilmilitärische Zusammenarbeit (BeaBwZMZ) nunmehr in allen Landkreisen und kreisfreien Städten. Oberstes Befehlsinstanz ist das Bundesverteidigungsministerium. Ohne viel Aufhebens zu machen, eroberte somit die Bundeswehr Positionen in Rathäusern und Landratsämtern. Die letzten Verteidigungsbezirkskommandos der Bundeswehr aus der Zeit der Blockkonfrontation sind in den westlichen Bundesländern in den letzten zwölf Monaten aufgelöst worden.

Ein Oberst vermittelt nun den Regierungspräsidenten, Landräten und Oberbürgermeistern den sogenannten militärischen Service. "Das ist die militärische Kompetenz, auf die sie sich bei Katastrophen und besonders schweren Unglücksfällen stützen können," wird seitens der Bundeswehr den zivilen Stellen bestätigt. Dazu gehören auch "Großschadensereignisse" - aber was ist damit gemeint?

Die Urkunden für die ZMZ Inneres wurden in der Regel Oberstleutnants der Reserve, möglichst solchen, die im öffentlichen Dienst tätig und somit innerhalb einer Stunde abkömmlich sind, überreicht. Praktischerweise beziehen sie Büros in Rathäusern und Landratsämtern. Die einzelnen Verbindungskommandos bestehen aus jeweils zwölf Soldaten, die in der Region leben und die zivilen Verwaltungen in militärischen Fragen beratend unterstützen, wie es heißt.

Doch die "Beratung" ist höchst verbindlich. In den Krisenstäben der Städte und Kreise haben die Verbindungskommandeure auf ihre militärischen Vorgesetzen zu hören, nicht aber auf die Bürgermeister und Landräte. "Übergeordnete Stellen sind der Kommandeur des Landeskommandos, der Befehlsheber des Wehrbereichskommandos, der Befehlshaber des Streitkräfteunterstützungskommandos Köln und der Bundesverteidigungsminister in Berlin," teilte der Göttinger Landrat Reinhard Schermann den fragenden Abgeordneten der Linken im Kreistag mit (Brief vom 26.11.2007).

In Dortmund ist man nun daran gegangen, ganz offen die Infrastruktur für die militarisierte Kommunalpolitik zu schaffen. Während in anderen Städten und Landkreisen (so ein Brief des Landrates von Göttingen und so die Auskunft der Stadt Bochum) fragenden Abgeordneten im Stadtrat gesagt wird: Das alles kostet die Stadt und den Landkreis keinen Cent, rückte die Stadt Dortmund nun mit der Wahrheit heraus und ließ sich 695 000 Euro für die Herrichtung eines Krisenzentrums von den Stadtratsmitgliedern bewilligen. Reservisten - darunter vor allem bewaffnete Feldpolizisten - können in kürzester Zeit in großer Zahl mobilisiert werden. In Dortmund leitet ein Oberstleutnant, im Zivilberuf Pfarrer und Klinikseelsorger, diese sog. "ehrenamtliche" Reserve-Territorialarmee. Das Landeskommando ist ständig hauptamtlich besetzt. In Kreisen, Städten und Regierungsbezirken können die Landeskommandos und ZMZ-Beauftragten lt. Bundeswehr-WebSite und Bundeswehrzeitschrift "Y" blitzartig auf den Reservistenkader zurückgreifen.

Einige linke Abgeordneten fanden diese Vorgehensweise skandalös. Sie sagten z.B. in Dortmund: "Hier soll eine Notstandszentrale entstehen, ohne dass den Bürgern erklärt wird, für welche Krisen und welche Aufgaben welche Krisenstäbe ein solches Zentrum brauchen."

U.S./W.R.

Ulrich Sander hat zu den Aussagen der Partei DieLinke und der DKP zu friedens- und demokratiepolitischen Fragen Briefe an die Parteivorstände gerichtet. Darin heißt es:

Mit der Absage an die Wehrpflicht die Militarisierung per Reservisten-Armee stoppen

Die Aussagen der LINKEN in ihrem Bundestagswahlprogramm zur Bundeswehr und Polizei sind nicht ausreichend. Die LINKE mit ihrer starken kommunalpolitischen Verankerung muss sich mit der "Zivilmilitärischen Zusammenarbeit" befassen und diese von Stadt zu Stadt und Landkreis zu Landkreis aufkündigen. Denn diese ZMZ hat bereits dazu geführt, dass der 5000-köpfige Kader aus bis zu 60-jährigen Reserveoffizieren als Grundstock für den zig-tausendköpfigen Heimatschutz aufgestellt wurde ("Verteidigung am Hindukusch und in Hindelang"!) Hier geht es nicht mehr nur um Bundeswehr als Polizei, sondern um Bundeswehr im Einsatz gegen "Terroristen", wozu bei den Militaristen die außerparlamentarische Bewegungen der Globalisierungs- und Kapitalismuskritiker, der politische Streiks fordernden und praktizierenden Gewerkschafter und der Atomkraftgegner, Umweltbewegungen sowie Antifas gezählt werden. Das Thema ZMZ nicht zu behandeln, ist höchst fahrlässig.

Die DKP hat zur Bundestagswahl "Eckpunkte" herausgegeben. Die richtigen Aussagen der LINKEN gegen die Aufhebung der Trennung von Polizei und Bundeswehr finden sich nicht bei der DKP, jedoch wird von ihr die ZMZ als bedrohlich für die Demokratie dargestellt. Wie die LINKEN verzichtet die DKP auf konkrete Aussagen zur ZMZ-Heimatschutz-Reservearmee. Hier geht es jedoch um Aussagen zur Bewahrung der Kampfbedingungen der Arbeiterbewegung.

Zu begrüßen ist, dass die DKP grundsätzlich verlangt: "Das Grundgesetz ist wieder herzustellen". Das Grundgesetz wiederherzustellen, verlangt die Wiederherstellung des antimilitaristischen und antifaschistischen Konsenses aus der Zeit der Schaffung der Verfassung, verlangt das Anknüpfen an die Bewegungen gegen die Remilitarisierung, die Notstandsgesetze und für die Erhaltung des Grundrechts auf politisches Asyl. Kategorisch verlangt die DKP, "die Antiterrorgesetze aufzuheben". Dazu haben die LINKEN mehrere konkrete Einzelschritte vorgesehen. Während bei den LINKEN verlangt wird, einseitige militaristische Propaganda in den Schulen zu verhindern (es sollten immer auch Militärgegner dabei sein), fehlt eine solche Aussage bei der DKP, die auch nichts zur Aufhebung der Wehrpflicht sagt; die LINKEN positionieren sich gegen die Wehrpflicht. Beide Parteien äußern sich nicht zur Militarisierung der Berufsberatung und der Ausbildungsplatzvermittlung. Das ist in der Jugendbewegung ein großes Thema.

Fazit: Obgleich der Verzicht auf die Forderung nach NATO-Austritt ein erheblicher Mangel in der LINKEN-Programmatik ist, kann nicht bestritten werden, dass die Positionen von DKP und LINKEN zu Frieden, Demokratie und Abrüstung grundsätzlich kompatibel sind. Erforderlich erscheint aber die Eröffnung eines Dialogs zwischen beiden Parteien, um zu erkunden, ob die LINKEN den Austritt aus der NATO zur Vorbedingungen für alle Kooperationsverhandlungen nach der Wahl machen werden oder nicht. Außerdem sollte ein Meinungsaustausch zwischen beiden Parteien angestrebt werden zu allen Fragen von Militarismus und Antimilitarismus. Erforderlich ist ein linker (nicht in Versalien) Dialog für Frieden, Demokratie und Abrüstung - noch vor der Wahl. Zudem: Ein erhebliches Defizit - jetzt aber auf Seiten der DKP - ist, dass die DKP nicht die Forderung nach Beseitigung der Wehrpflicht erhebt. Diese Forderung wird angesichts der Reservistenbewegung des deutschen Militarismus immer dringlicher. Denn es muss verhindert werden, dass sich der ehemalige Wehrpflichtige als Streikbrecher im Rahmen einer Wehrübung wiederfindet oder zum Wehrdienst im Rahmen der Arbeitsbeschaffung verpflichtet werden soll; schon jetzt wird letzteres an jungen Arbeitslosen erprobt.

Ziel sollte die Wiederherstellung des antimilitaristischen und antifaschistischen Grundkonsenses aus der Zeit vor 60 Jahren auf völkerrechtlicher Grundlage sein. "Das Völkerrecht verbietet, entsprechend der UNO-Charta Artikel 53 und 107, Deutschland das Kriegführen. Das Grundgesetz mit seinem Verbot der Vorbereitung und Führung von Angriffskriegen (Artikel 26) und das Völkerrecht sind zu verteidigen und anzuwenden." (So heißt es in einem Beschluss der VVN-BdA von ihrem Bundeskongress 2008).