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05.05.05

"Auf die richtigen Worte auch die richtigen Taten folgen lassen"

Gebirgstruppe war an Deportationen griechischer Juden beteiligt, Brief an den bayrischen Ministerpräsident  Stoiber

Ministerpräsident Dr. Stoiber ist immer noch Schirmherr des Kameradenkreises der Gebirgstruppe in Mittenwald. Nachdem der Arbeitskreis „Angreifbare Traditionspflege“ und die VVN/BdA nun nachgewiesen haben, dass die Gebirgstruppe auch an Deportationen der griechischen Juden fordert nun der Bundesausschuss der VVN/BdA den bayrischen Ministerpräsident Stoiber auf, die "Aktionen, die zugleich Gedenkveranstaltungen und Gottesdienste für die NS-Opfer darstellen und an denen wieder Zeitzeugen aus den Opfergemeinden teilnehmen, zu unterstützen".

Dr. Edmund Stoiber
Ministerpräsident
Bayerische Staatskanzlei
München


Sehr geehrter Herr Ministerpräsident!


Die Opfer sind und bleiben unvergessen. Es dürfe nichts verdrängt werden. Die Erinnerung an das dunkle Kapitel unserer Geschichte sei eine wichtige Zukunftsvorsorge für unsere Demokratie.

Das waren sinngemäß Ihre Worte am letzten Sonntag in der Gedenkstätte Dachau.

Doch es gibt eine Opfergruppe, die vergessen wird, die aber berechtigterweise verstärkt nach Anerkennung ihres Status als Opfer drängt: Die Opfer der Wehrmachtsgebirgstruppe in Südeuropa, deren Hinterbliebene nun für ihre Entschädigung und für die Bestrafung der Täter wirken.

Gegen das Verdrängen dieses dunklen Kapitels haben sich junge Menschen, ferner Angehörige der Opferorganisation VVN-BdA und verantwortungsbewusste Historiker zusammengetan. Seit 2002 versuchen sie gemeinsam mit Zeitzeugen und direkt Betroffenen, in Mittenwald die Worte vom Nichtvergessen, von Erinnerung und „Nie wieder“ in die Tat umzusetzen.

Doch leider ehren höchste Stellen unserer Staates, so der Bundesverteidigungsminister und die Behörden des Freistaates Bayern, seit Jahrzehnten die „Helden“ der Gebirgstruppe, die sich am Hohen Brendten bei Mittenwald ein Denkmal errichtet haben, mit dem auch viele Kriegsverbrecher geehrt werden.

Sie, Herr Dr. Edmund Stoiber, gehören gar als Ministerpräsident des Freistaates Bayern zu den prominentesten Mitgliedern des Kameradenkreises der Gebirgstruppe, in dem sich Veteranen der Wehrmacht und SS und Reservisten sowie Aktiven der Bundeswehr als „Soldaten unterm Edelweiß“ vereint haben, um dieses dunkles Kapitel der Geschichte reinzuwaschen.

Zur Rechtfertigung seines Tuns hat sich der Vorstand des Kameradenkreises der Gebirgstruppe rechtzeitig zu diesem Pfingsttreffen dazu verstiegen, zu behaupten, die grauenvollen Untaten – so das Massaker der Gebirgsjäger von Kommeno – seien nach der Haager Landkriegsordnung legal gewesen. Bei dem von in Mittenwald und im ganzen offiziellen Bayern nach wie vor hoch verehrten Wehrmachtsoffizieren befohlenen Blutbad wurden 317 Menschen unterschiedlichen Alters, Männer wie Frauen, des griechischen Dorfes Kommeno getötet, und zwar weil die Offiziere dort Partisanen gesehen zu haben glaubten. Als Rache für den ungeklärten Tod eines Kommandeurs von Wehrmachtsverbrechen wurden mindestens ein Dutzend Dörfer zerstört und Hunderte Bewohner ermordet. Über 5000 entwaffnete italienische Kriegsgefangene wurden zudem auf der Insel Kephalonia in Griechenland ermordet. Die Täter treffen sich Jahr für Jahr beim Brendten-Treffen, zu dem Sie und der Verteidigungsminister quasi die Schirmherrschaft übernommen haben.

Jetzt wurden Einzelheiten bekannt, wie Gebirgsjäger auch zu Tätern bei den Judendeportationen wurden. Neue Recherchen des Arbeitskreises „Angreifbare Traditionspflege“ ergaben: Am 24. März 1944 begannen Gebirgsjäger-Polizeieinheiten damit, die Juden Athens zum – wie sie sagten – „Arbeitseinsatz“ nach Deutschland zu bringen. Gebirgsjäger begleiteten die Deportationszüge nach Auschwitz und Dachau. Die deportierten Juden kehrten nicht zurück.

In Oberbayern haben daher die VVN-BdA und die Gruppe „Angreifbare Traditionspflege“ – benannt nach Ihrem Spruch von der angeblich „unangreifbaren Traditionspflege“ der Gebirgstruppe – in einer Aufklärungsaktion die Frage aufgeworfen: Wie lange wollen die Bayern und Mittenwalder noch dulden, dass in ihrem schönen Land Jahr für Jahr die Mörder der unschuldigen Menschen von Kommeno und zahlreichen weiteren Gemeinden in vielen Ländern Europa seitens Bundeswehr und Wehrmachtsveteranen geehrt werden? Wann werden die Opfer entschädigt und die Täter bestraft?

In Mittenwald wird es wieder zu Pfingsten Aufklärungsaktionen gegen die Kriegsverbrecherehrungen auf dem Hohen Brendten geben. Als Mitveranstalter ersuchen wir Sie, Herr Ministerpräsident, diese unsere Aktionen, die zugleich Gedenkveranstaltungen und Gottesdienste für die NS-Opfer darstellen und an denen wieder Zeitzeugen aus den Opfergemeinden teilnehmen, zu unterstützen. Z.B. bitten wir um Bereitstellung von Schulräumen.

Zugleich bitten wir Sie darum, dem „Heldengedenken“ der Täter endlich die Unterstützung zu versagen – um so auf die richtigen Worte vom vergangen Sonntag in Dachau auch die richtigen Taten folgen zu lassen.

Mit freundlichen Grüßen

gez. Ulrich Sander gez. Ernst Antoni

(Mitglieder des Bundesausschusse der VVN-BdA)

Ein ähnlicher Brief wurde auch Herrn Minister Dr. Struck, Berlin, zugeleitet

Siehe auch:Siehe auch:

Verehrungen für Kriegsverbrecher – Stoiber und Struck sind dabei

Gedenken für die Täter und die Opfer zu Pfingsten in Mittenwald