10.11.04
Noch immer nicht geahndet: Straftaten vom antisemitischen
NPD-Hetzmarsch durch Bochum am 26. Juni
Brief an den NRW-Ministerpräsidenten
und die NRW-Regierungskoalition
An den Herrn Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen
An die Fraktionen der Regierungskoalition
Sehr geehrte Damen und Herren!
Wir schreiben Ihnen am 9. November 2004, Jahrestag der Reichspogromnacht. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 brannten in ganz Deutschland die Synagogen, wurden jüdische Wohnungen und Geschäfte zerstört und geplündert, jüdische Menschen gejagt, verletzt und getötet, verhaftet und in Konzentrationslager verschleppt. Die Synagogen von Bochum wie von Dörtmund-Hörde und von vielen anderen Städten gingen in Flammen auf. Nach dieser grauenvollen Nacht gelang es nur noch wenigen Jüdinnen und Juden des Landes an Rhein und Ruhr, ins Ausland zu fliehen und den Vernichtungslagern der Nazis zu entkommen. Der Terror endete erst am 8. Mai 1945; kurz vorher wurden Juden aus den Ruhrgebietsstädten – solche, die man „vergessen“ hatte zu vergasen - in Dortmund bei den Karfreitagmorden erschossen.
Erstmals seit 1945 wurde es jetzt in einer deutschen Großstadt, in Bochum, möglich, dass Nazis für die Fortsetzung dessen, was am 9. 11. 1938 begann, demonstrierten, indem sie mit einer antijüdischen pogromhetzerischen Zusammenrottung gegen die Existenz einer Synagoge aufmarschierten und rassistische antijüdische Losungen brüllten. Das war am 26. Juni in unserer Nachbarstadt Bochum.
Überlebende des deutschen Widerstandes und der NS-Verfolgung erklärten dazu: „Wir Opfer des Faschismus, Überlebende des Holocaust und Teilnehmer am antifaschistischen Widerstand von Anfang an und ihre Angehörigen sehen uns angesichts dieser bisher einmaligen, von höchsten Karlsruher Richtern gebilligten ungeheuerlichen Provokation erneut in der Verantwortung.“ Das Bundesverfassungsgericht habe mit seiner Entscheidung des 1. Senats vom 24. Juni 04 den Antisemitismus und Faschismus zu „missliebigen“, aber zulässigen „Meinungsäußerungen“ umgefälscht.
„Jeder und jede ist zum Widerstand dagegen aufgerufen,“ heißt es in der Erklärung. Die Überlebenden von Verfolgungen riefen dazu auf, die „Befolgung von Befehlen und Richtersprüchen, die faktisch Förderung von Antisemitismus und Faschismus darstellen,“ als „ nicht mit dem Grundgesetz vereinbar“ abzulehnen.
Wir, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Dortmunder Gedenkveranstaltung zum 9. November 1938, schließen uns dem Appell der Überlebenden und Hinterbliebenen an. Besonders empört es uns, dass bis heute die Staatsanwaltschaften und Regierungsbehörden von NRW nichts unternommen haben, um die zahlreichen Straftaten zu ahnden, die am 26. Juni in Bochum von den NPD-Veranstaltern der antisemitischen Hetzkundgebung begangen wurden. Diese Volksverhetzung, Verwendung verfassungsfeindlicher Embleme, Fortsetzung verbotener Organisationen und Holocaustleugnung, wie von Antifaschisten in Dokumentationen belegt und den Behörden bekannt, müssen nun endlich zu Maßnahmen führen. Wir rufen die Regierung und die Fraktionen des Landtages auf, zu handeln, nachdem die Behörden, Polizei und Justiz versagt haben.
Im Auftrage: Ulrich Sander (Landessprecher der VVN-BdA NRW)
Die Fortsetzung des Holocaust und Schilys Versammlungsrechtsänderung
Eine Nachbetrachtung zu Bochum
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