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Nazis raus aus dem Internet

 

27.05.04

Martin Hohmann und seine Kritiker

Eine Nachlese von Eberhard Zamory, Hamburg

Hohmann und die meisten seiner Kritiker haben ein Vorurteil gemeinsam: Sie halten die russische Oktoberrevolution (1917) für ein verhängnisvolles Ereignis. Die historische Wahrheit ist aber, daß sie als moralische Massenleistung in der bisherigen Geschichte ihresgleichen sucht. Durch sie wurde eine Reihe von Revolutionen in Osteuropa und in Deutschland ausgelöst, die halfen den ersten Weltkrieg, der von allen Seiten um Raub und Vorherrschaft geführt wurde, zu beenden. Eines seiner Ergebnisse laut Brockhaus: 10 Millionen Ermordete. Im Übrigen rede ich nicht von “Gefallenen”, wie es verlogener Weise auf unseren “Heldendenkmälern” zu lesen ist. Schließlich sind sie ja nicht über einen Stein gestolpert. Der, der Revolution nachfolgende jahrelange Bürgerkrieg hat mit seinen von allen Seiten geübten Grausamkeiten für viele den fortschrittlichen Charakter der Revolution fast völlig verdeckt.

Zu Martin Hohmann

Der 55jährige Major der Reserve saß zwei Legislaturperioden für die CDU im Bundestag, bevor er sich mit seiner Rede am und zum 3. Oktober 2003 aus der sicheren Sitzreihe des national konservativen Flügels der CDU ins politische Abseits manövrierte. Unter Berufung auf das offen antisemitische Machwerk Henry Fords “Der internationale Jude” sowie in Anlehnung an Ernst Noltes Theorie von der Wesensgleichheit von Nationalsozialismus und Bolschewismus begaben sich Hohmann und Gefährten auf die Suche nach dem Dreck am jüdisch-bolschewistischen Stecken.

Meine erste These: Die Oktoberrevolution hat der weltweiten Friedensbewegung einen mächtigen Auftrieb gegeben, wobei heute nicht die Beendigung eines Krieges im Vordergrund steht, sondern die Verhinderung von Kriegen überhaupt. Meine zweite These: Die Oktoberrevolution hat der politischen Entkolonialisierung eine wirkungsvolle Schubkraft verliehen. Das war und ist von prägender historischer Bedeutung.

Nehmen wir das Beispiel Chinas. Sun Yat-Sen, der noch heute in seinem Lande hoch geehrte bürgerliche Revolutionär, hatte zehn vergebliche Putschversuche gegen die Mandschu-Dynastie unternommen. Er wurde dabei gesponsort von reichen Auslandschinesen und anderen kapitalistischen Staaten (vor allem Japan). Als seine elfte Unternehmung erfolgreich war, musste er schon nach wenigen Wochen seine Präsidentschaft an den ehemaligen kaiserlichen Marschall Yuan Schi-kai abgeben. Als dessen Herrschaft zu Ende ging, zerstückelte er in rasender Wut mit seinem Degen seine eigene Frau.

Sun Yat-Sen war von der Oktoberrevolution, besonders auch von Lenin, sehr beeindruckt. Das bewirkte eine Wende in seiner Politik. Dieser Neuorientierung auf die chinesische Arbeiterklasse, sein Bündnis mit der Sowjetunion und den chinesischen Kommunisten, blieb er bis zum Tode 1925 treu.

Erklärungsbedürftig scheint mir, warum im Verhältnis zu den damals 400 Millionen Chinesen aus der kleinen Minderheit der Industriearbeiter ein revolutionäres Schwergewicht mit machtvollen Streiks werden konnte. Sie waren wie im zaristischen Russland in einigen Zentren des Landes konzentriert (in China in den Hafenstädten).

Zum Autor

Eberhard Zamori ist pensionierter Journalist & Historiker (ehemaliger Assistent des Historikers "Fischer"/dem der "Fischerkontroverse" der 60er) und hat auf Seiten der Roayl Birtish Army gegen Nazideutschland gekämpft.

Durch ausländische Kapitalinvestitionen entstandene so spätkapitalistische Großbetriebe, verbunden mit frühkapitalistischen Ausbeutungsmethoden. Eine 12 bis 13,5-stündige Tagesarbeitszeit war in China die Regel, der Lohn außerordentlich gering. Im schanghaier Fremdenviertel zum Beispiel arbeiteten noch 1925 22500 Kinder unter zwölf Jahren in den Fabriken. Unter diesen Umständen konnten sozialdemokratische Reformer nicht, wie in Deutschland, die Mehrheit der Arbeiter gewinnen. 

Was die Teilnahme mehrerer Juden an den Führungsgremien der Bolschewiki betrifft, die die Oktoberrevolution vorbereiteten, so ist es hirnrissig, ihnen daraus einen Vorwurf zu machen. Im Gegenteil. Es ist bewundernswert, dass sie nach vielen Jahrhunderten von Pogromen nicht verbittert, zynisch und menschenverachtend geworden sind. Sie hatten offenbar ihren Glauben an die Veränderungsfähigkeit des Menschen und seiner Gesellschaft nicht verloren, wohl aber hatten sie ihre Bindung an die jüdische Religion aufgegeben. Sie hofften mit der Partei der Kommunisten, einem atheistischen kollektiven Messias, Krieg und Ausbeutung für immer beseitigen zu können. Das erwies sich zunächst als eine Illusion.

Juden sind in sozialen Bewegungen und Berufen überrepräsentiert. Ihr Altruismus und analytischer Verstand mag auch mit ihrer Religion zusammenhängen. Die Juden glaubten an einen Gott, dessen Offenbarungen in den heiligen Schriften auslegungsbedürftig waren. So stritten sie Jahrtausende lang um die rechte Interpretation der Texte. Keine religiöse Instanz beendete die permanente Diskussion und legte Dogmen fest.

Auf diesem spirituellen Nährboden konnten einige Juden (besonders in Deutschland) Spitzenleistungen kultureller Kreativität vollbringen, die unser Bewusstsein nachhaltig erweitert haben. In den letzten Jahrhunderten denke ich dabei an Karl Marx, Sigmund Freud, Albert Einstein, Franz Kafka, Rosa Luxenburg u. a..

Wenn aber jetzt die Mehrheit der Israelis einen Nationalisten, Militaristen und Vergeltungsstrategen wie Scharon an ihre Spitze gewählt haben, sehe ich mit Trauer ihre Schöpferkraft als gefährdet an. Man kann eben nicht eine so miese Politik betreiben wie andere Staaten auch und erwarten, dass dies ohne Folgen auch für sie selbst bleibt.

Ich will mir nicht anmaßen, über die Israelis zu richten, sondern lieber der Worte Gustav Heinemanns eingedenk sein: ”Wenn du mit dem Zeigefinger anklagend auf einen anderen zeigst, sei dir bewusst, dass dabei drei Finger deiner Hand auf dich selbst zurückweisen.”

Siehe auch:

Tradition des uniformierten Antisemitismus

Zum Hohmann/Günzel-Skandal Landessprecher Ulrich Sander