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Nazis raus aus dem Internet

 

18.02.04

Zum Umgang der Justiz mit der Aufklärung von NS-Verbrechen

Brief der VVN/BdA NRW an die Staatsanwaltschaft und das Amtsgericht Dortmund

18.02.2004

Az.: 79 Gs 1703/03 StA Dortmund 155 Js 261/03 Amtsgericht Dortmund, Staatsanwaltschaft Dortmund, Postfach 102942 44029 Dortmund, Gerichtsplatz 1 44135 Dortmund

Sehr geehrte Damen und Herren!

Liebe Freundinnen und Freunde!

Wir geben Ihnen/Euch hiermit eine Information über den Stand des Umgangs mit unseren Strafanzeigen gegen mutmaßliche Wehrmachtsverbrecher sowie über die Maßnahmen der Justiz gegen uns. Die Justiz hatte unsere Strafanzeigen nicht zum Anlaß für Ermittlungen gegen die Mordverdächtigen genommen, sondern gegen diejenigen ermittelt, die Anzeige erstattet hatten: Die VVN-BdA NRW und ihren Landessprecher Ulrich Sander.

Am 3. Dezember 2003 hat die Polizei, Abteilung Staatsschutz, einen Durchsuchungs-Beschluss des Amtsgerichts Dortmund vollstreckt und dabei u. a. einen Computer des VVN-BdA-Landessprechers Ulrich Sander (Dortmund) beschlagnahmt. Bernhard Düllmann, Oberstaatsanwalt, war unmittelbar dafür verantwortlich. Durchsucht wurde auch die VVN-BdA-Landesgeschäftsstelle in Wuppertal.

Es wird heute immer mehr erkennbar, dass diese Durchsuchungen nur deshalb erfolgten, um die VVN-BdA zu kriminalisieren und auszuspionieren.

Zudem soll davon abgelenkt werden, dass die Staatsanwaltschaften in Dortmund, München und Ludwigsburg nichts wirklich wirkungsvolles unternehmen, um gegen die von Ulrich Sander, der VVN-BdA und der Arbeitsgemeinschaft "Angreifbare Traditionspflege" benannten möglichen Massenverbrecher aus der Gebirgstruppe zu ermitteln. Die Namen der 200 Beschuldigten hatten die VVN-BdA-Vertreter und die AG ermittelt und den Staatsanwaltschaften übergeben. Doch diese halten sich an Ulrich Sander und die genannten Organisationen, um sie an weiteren antifaschistischen Aufklärungsaktionen zu hindern. Gegen die mutmaßlichen Mörder wird hingegen nicht ermittelt, jedenfalls liegt den Anzeigeerstattern dazu kein Bescheid vor.

Dass unsere Vermutung - NS-Verbrecher werden geschont seitens der Justiz - zutrifft wurde mit einer alarmierenden Sendung von Kontraste (ARD-TV) vom 15. Januar 2004 deutlich. Sowohl in der Zentralstelle zur Verfolgung von NS-Verbrechern in Ludwigsburg - gemeinsam betrieben von den Landesjustizministerien der Bundesländer - als auch die Staatsanwaltschaften, denen die Ludwigsburger Zentralstelle ihre Fälle abgibt, bleiben Akten unerledigt liegen. Im Falle des SS-Offiziers Hans Schiffmanns, eines Massenmörders und Folterers, der in Italien seine Verbrechen beging, blieb die Akte sieben Jahre in Ludwigsburg liegen, obwohl das Bundeskriminalamt um Amtshilfe gebeten hatte. Anklage wurde nicht erhoben. Anfragen aus Italien wurde nicht beantwortet. Im April 2003 wurde die Akte mit Vermerk "wegen Fristablaufs offensichtlich erledigt" endgültig weggelegt. Das Bundesarchiv ließ dazu mitteilen: Der Vermerk hätte nie erfolgen dürfen, weil es bei Mord keine Fristabläufe, keine Verjährung gibt. In mindestens 25 Fällen, so Heinz-Ludger Borgert, Leiter des Bundesarchivs, ist ähnlich verfahren worden; die Akten wurde zur Endlagerung dem Bundesarchiv gegeben. Die Redaktion "Kontraste" dazu: "Das sind Hunderte ungesühnte Opfer, das sind Dutzende Täter, die noch frei herumlaufen."

Dankbar sind wir dem Simon Wiesenthal Center, das ebenfalls die Anzeigen, die wir gestellt hatten, an die Behörden weiterleitete. Wir danken dafür, dass das Simon Wiesenthal Center in 140 Fällen auch das Bundessozialministerium und die Ludwigsburger Zentralstelle der Landesjustizverwaltungen eingeschalt hat, um den Entzug der Kriegsopferrenten für die mutmaßlichen NS-Verbrecher zu erreichen.

Im Falle des Vorgehens gegen den antifaschistischen Rechercheur Ulrich Sander wird weiter ermittelt. Obwohl sich bei Sander wie auch im Landesbüro der VVN-BdA, das heißt mit den Hausdurchsuchungen und der Durchsuchung des Computers, keine Verdachtsmomente für strafbare Handlungen ergaben, erklärte nun die Staatsanwaltschaft Dortmund gegenüber den Medien, man werde weiter ermitteln. (Siehe TAZ 26.1.2004 und Ruhrnachrichten 20. 01. 2004) Eigentlich müsste die Staatsanwaltschaft Dortmund dem Landessprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes /BdA jetzt den Inhalt seines Computers samt beschlagnahmten Dateien und Papieren zurückgeben. Dies unterlässt die Staatsanwaltschaft jedoch mit der suspekten Behauptung, es gäbe noch einige Anhaltspunkte, die den Verdacht doch noch untermauern könnten, dass die VVN-BdA in NRW sich angemaßt habe, an mutmaßliche Wehrmachtsverbrecher mit dem Briefkopf des Oberstaatsanwaltes der Dortmunder Stelle für die Bearbeitung von NS-Massenverbrechen Briefe versandt zu haben.

Nicht nur diese Methode "Wir haben zwar nichts, aber wir werden schon etwas finden, was wir Sander und seiner Organisation anhängen können," ruft unseren Protest hervor. Noch immer weigert sich die Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten rechtliches Gehör zu gewähren. Sander soll offenbar unbedingt Beschuldigter bleiben, damit sein Zeugnisverweigerungsrecht als Journalist weiterhin ausgehebelt bleibt. Würde er endlich als Zeuge gehört, könnte er schnell aufklären helfen und nachweisen, dass zahlreiche Personen die besagten Briefe geschrieben haben können - mittels Informationen aus dem Internet wie auch aus Rundschreiben antifaschistischer Organisationen an ihre Mitglieder und Partner.

Wir ersuchten die Landesjustizministerien, die sich in der Ludwigsburger Zentralstelle eine Einrichtung zur Ermittlung gegen NS-Massenverbrecher geschaffen haben, die Ermittlungen gegen die NS-Täter durchzuführen. Wir fordern, dass die in "Kontraste" geschilderte Situation untersucht wird und zu Konsequenzen führt. Wir fordern, dass endlich die angezeigten mutmaßlichen Täter belangt werden und nicht die antifaschistischen Rechercheure.

Wir fordern ferner die sofortige Einstellung des Verfahrens gegen Ulrich Sander! Wir fordern die Herausgabe der kopierten Daten! Wir fordern die Verfolgung und Verurteilung der NS-Kriegsverbrecher und die Entschädigung ihrer Opfer! Wir fordern, dass in den Staatsanwaltschaften von München und Dortmund dafür gesorgt wird, dass endlich das Hauptaugenmerk auf die Ermittlungen gegen die z.T. betagten mutmaßlichen Täter gerichtet wird und nicht auf die Ausweichmanöver gegen antifaschistische Rechercheure.

Mit freundlichen Grüßen

VVN - BdA NRW, Geschäftsführender Landesausschuß

Siehe auch:

Zum Fall des SS-Bikker und zum Vorgehen gegen Antifaschisten

Erklärung von VVN-BdA NRW-Landessprecher Jupp Angenfort