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Nazis raus aus dem Internet

 

19.01.04

"Denn am ersten Tag der Kriegsgefangenschaft brach das ganze Lügengebäude zusammen mit dem man uns in den Krieg gejagt hatte!"

Redebeitrag zum 80igsten Geburtstag von Jupp Angenfort am 9. Januar 2004. Vorgetragen von Jochen Vogler, Landessprecher der VVN-BdA NRW auf der Geburtstagsfeier im DGB-Haus Düsseldorf am 18.1.04.

Zur Biografie von Jupp Angenfort

Lieber Jupp - herzliche Glückwünsche zu deinem 80igsten Geburtstag

Jupp Angenfort beim Ostermarsch 2001

Jupp Angenfort beim Ostermarsch 2001

Mir wurde die ehrenvolle Aufgabe übertragen, im Namen der VVN/BdA für dich eine Rede zu reden. Das ist für mich keine einfache Angelegenheit, denn gemessen an deinen Fähigkeiten vor großem und kleinem Publikum "freihändig" in der Argumentation nachvollziehbar und überzeugend zu reden, zeigt sich die Beschränkung meines Redetalents. In der Dokumentation von deinem Rechtsanwalt Friedrich Karl Kaul zu deinem Strafprozeß vor dem 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe ist über 12 Seiten deine Lebensgeschichte als wörtliche Rede von dir vor diesen Richtern abgedruckt. Wenn man deinen Redestil kennt, wirkt dieser Bericht wie ein gesprochener Vortrag von dir - der gedanklich hörbar wird.

Bei der Lektüre dieser Dokumentation wurde mir klar, dass du durch den Prozeß eine berühmt gewordene Person der bundesdeutschen Justizgeschichte geworden bist. Und dass wir für unser Engagement in der VVN/BdA eine Gemeinsamkeit haben.

Du hast nicht direkt über den antifaschistischen Widerstand während der 12 Jahre des Faschismus an der Macht zur VVN gefunden. Bei dir waren es deine Erfahrungen als Soldat im Krieg. Neben den grausamen Erfahrungen, die Wesensmerkmal des Krieges sind, erfuhrst du auch, dass die Menschen in Sowjetunion ganz anders sind als die deutsche Propaganda dem Volk mit allen raffinierten Methoden vorlog. Du trafst bei deiner Gefangennahme auf sowjetische Soldaten, die dich erstens nicht erschossen und zweitens auf einen sowjetischen Soldaten der sich mit dir in der deutschen Sprache über Feuerbach unterhalten wollte, den Philosophen, nicht den Maler, und drittens stellte sich dir ein sowjetischer Major in der in deutscher Sprache geführten Unterhaltung als Jude vor, dessen jüdische Ehefrau von den Deutschen erschossen wurde.

"Vielleicht werden Sie das heute nicht mehr so verstehen. Damals war es für mich von größter Bedeutung; denn am ersten Tag der Kriegsgefangenschaft brach das ganze Lügengebäude zusammen mit dem man uns in den Krieg und in die Schlacht gejagt hatte," sagtest du damals den Richtern.

Deine Konsequenz dieser Erfahrungen war, dafür zu kämpfen, um Wiederholungen solcher Erfahrungen unmöglich zu machen. Diese antimilitaristische Grundhaltung hat dein weiteres politisches Wirken bestimmt.

Als ich zur Bundeswehr eingezogen wurde - ausgerechnet 1968 - quälte ich mich mit der Frage, was ich da soll. Drei Jahre nach Kriegsende wurde ich in Leipzig geboren und bevor unsere Familie in die Bundesrepublik übersiedelte - wir waren hier Flüchtlinge aus der SBZ - hatte ich noch ein paar Prägungen durch die DDR - durch Kindergarten und drei Schuljahre erfahren. In der Bundeswehr sah ich mich jetzt mit dem schizophrenen Auftrag befasst, meine "Brüder und Schwestern in der SBZ" und damit auch Anteile in mir selbst als zu bekämpfende Feinde zu sehen. Dieses für mich widersprüchliche Gefühl politisierte mich und eine antimilitaristische Grundhaltung prägte mein weiteres politisches Engagement, das mich folgerichtig zur VVN brachte. Während ich mich durch den 18-monatigen Grundwehrdienst quälte, saßest du schon wieder im Zuchthaus. Eine Bewährungsstrafe wurde trotz schon abgelaufener Frist widerrufen.

"Jagt die braunen Richter fort, Freiheit für Jupp Angenfort," war eine Parole in dieser Zeit, mit der auf diesen Skandal aufmerksam gemacht wurde.

Die Urteilsbegründungen und Rechtsverdrehungen gegen Dich lesen sich haarsträubend. Rechtsstaatliche Prinzipien sind dabei schwer zu erkennen und selbst bürgerliche Medien stellten zu diesem Verfahren kritische Fragen. Das hat dir aber nichts genutzt, die verkündete Strafe "im Namen des Volkes" musstest du in voller Länge absitzen. Zuchthausstrafe - dazu können die meisten von uns sich nur irgendwelche fantasievollen Vorstellungen machen. Was das wirklich bedeutet, musstest du mehr als 5 Jahre deines Lebens ertragen und erleiden.

Den Begriff "Neofaschismus" fand ich schon in einem Beitrag von dir in den frühen 50er Jahren. BDJ nannte sich die Organisation, die damals mit Terroraktionen für Unruhe sorgte. Den politischen und juristischen Umgang mit diesen politischen Banden brachtest du damals auf den Begriff: Nach links wird geschlagen und nach rechts wird gestreichelt. Heute zeigt sich das neofaschistische Spektrum verzweigter - der politische und juristische Umgang damit zeigt sich widersprüchlich;, in der Tendenz hat dein Hinweis von damals aber immer noch Gültigkeit. Fast jedes Wochenende ist die Polizei damit beschäftigt, Aufmärsche der Nazi-Banden zu begleiten und zu schützen.

Die Verfolgung und Kriminalisierung linker Aktivitäten und Organisationen hat in Deutschland eine nahezu ungebremste Tradition. Wir hier wissen alle, dass in ihren bedeutenden Bereichen in Verwaltung, Justiz, Regierung und beim Aufbau der Bundeswehr in den verantwortlichen Positionen Personal beschäftigt war, das auch während der 12 Jahre des Faschismus an der Macht verantwortungsvolle Positionen besetzte. Eine wirkliche gesellschaftliche Aufarbeitung des Hitler-Faschismus wurde damit wirkungsvoll verhindert.

Bis 1989 war der Begriff "Wiedervereinigung" in der bundesdeutschen politischen Rhetorik ein Begriff zumeist reaktionärer Sonntangsreden ohne konkrete Vorstellungen dazu, weil die Machtverhältnisse es nicht zuließen. In den 44 Jahren nach Kriegsende hatte dieser Begriff auch seine politische Bedeutung verändert. In den 50er Jahren gab es politische Initiativen der Sowjetunion zu Verhandlungen für eine Wiedervereinigung; die damalige Bundesregierung wies diese Initiativen ungeprüft zurück. Dich verbannte man wegen "Hochverrats" ins Zuchthaus, weil du dich auch für die praktische Umsetzung der sowjetischen Initiativen zur Wiedervereinigung einsetztest.

Konrad Adenauer war damals der Bundeskanzler - kürzlich wurde er im ZDF zum "Superstar" der deutschen Geschichte gewählt. Seine Bedeutung im Geschichtsbewusstsein der Bevölkerung wird gründlich verklärt. Du musstest die dunkelsten Schattenseiten seiner Politik leidvoll erfahren.

Zur antifaschistischen Arbeit gehört inzwischen auch die Aufarbeitung der Politik der Restaurierung und Remilitarisierung der 50er und 60er Jahre. Dazu bist du uns ein wichtiger Zeitzeuge. Wir brauchen dich auch dazu noch viele Jahre.

In der Weltgeschichte der letzten 45 Jahre gibt es noch etwas, was noch immer positiv Bestand hat. Wenn ich richtig gezählt habe, sind bisher zehn US-amerikanische Präsidenten daran gescheitert, die kubanische Revolution zu zerschlagen. Solidarität ist ein Begriff, den wir vor politischen Umdeutungen schützen müssen. Du willst zum Geburtstag keine Geschenke. Du möchtest zu diesem Anlaß eine ansehnliche Geldsammlung zusammen kriegen, die als Spende für die praktische Solidarität für Kuba vorgesehen ist.

Jupp, wir wünschen dir Gesundheit und Kraft für noch viele aktive Jahre!

Siehe auch:

Hoch soll er leben!

Zum 80. Geburtstag unseres Landessprechers Jupp Angenfort am 09. Januar 04