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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

 

 

 

 

 

 

Nazis raus aus dem Internet

 

08.01.04

Unser lieber Freund, unser Vorbild und Mitstreiter, der Landessprecher der VVN-BdA

Jupp Angenfort

wird am 9. Januar 80 Jahre alt. Hoch soll er leben!

Aus einer katholischen Eisenbahnerfamilie stammend, wurde Josef Angenfort nach der Schulzeit in die Wehrmachtsuniform gesteckt. Im Oktober 1943 geriet er als 19jähriger in der Sowjetunion in Kriegsgefangenschaft. In Gesprächen mit russischen Soldaten und deutschen Antifaschisten „begann ein Prozeß der Erkenntnis“, sagte Jupp, wie ihn seine Freunde und Genossen nennen, später. Er wurde Mitglied des Nationalkomitees Freies Deutschland und wirkte unter deutschen Soldaten gegen Krieg und Faschismus. Ende 1949 kehrte er in seine Heimatstadt Düsseldorf zurück, wurde Mitglied und bald darauf Vorsitzender der Freien Deutschen Jugend in der BRD, der antifaschistischen und antimilitaristischen Jugendorganisation, die 1951 von der Regierung Adenauer verboten wurde. Unter Missachtung der Immunität als Abgeordneter der KPD im NRW-Landtag wurde Jupp im März 1953 verhaftet. Es folgten 15 Jahre Verfolgung, die schwere Zeit in der Illegalität und auf der Flucht – davon fünf Jahre im Zuchthaus. Die politische Justiz des kalten Krieges warf Jupp seinen Kampf gegen den alten und neuen deutschen Militarismus und für den Frieden als „hochverräterisches Unternehmen“ vor. Die „Süddeutsche Zeitung“ schrieb 1954 über ihn, ihm werde vor allem „Agitation gegen die ‚Remilitarisierung’“ und „Werbung für die Wiedervereinigung Deutschlands“ vorgeworfen, mehr nicht. 1968 wurde er endlich vom Bundespräsidenten Gustav Heinemann auf freien Fuß gesetzt, nachdem Jupp es abgelehnt hatte, sich von Bundespräsident Heinrich Lübke, vor 1945 Verfolger von NS-Opfern, begnadigen zu lassen. Lange Jahre war Jupp Angenfort Mitglied der Führung der KPD und dann Präsidiumsmitglied der DKP. Von 1988 bis 2002 war er Landesvorsitzender der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten; heute ist er einer ihrer Landessprecher in Nordrhein-Westfalen und Mitglied des Bundesausschusses der VVN-BdA. An der Schaffung einer einheitlichen gesamtdeutschen VVN-BdA wirkte Jupp Angenfort erfolgreich mit. Auch im hohen Alter ist er unermüdlich an der Aufklärung der Jugend und an Enthüllungen über Neonazismus beteiligt, und er wirkt für das sich entwickelnde Sozialbündnis. Er vertritt die VVN-BdA in gewerkschaftlichen und Bündnisgremien und in der Beratungsarbeit für die Entschädigung der NS-Opfer.

Wir danken Jupp für sein Wirken und wünschen ihm Gesundheit und Kraft für die Zukunft. Und uns wünschen wir, ihn für noch viele Jahre in unserer Mitte zu haben. Wir wünschen uns weiterhin seinen Humor, seinen Rat, seine Initiativen und seine Güte.

Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Kreisvereinigung Düsseldorf, Landesvereinigung Nordrhein-Westfalen

Zusammenkunft zu Jupps Geburtstag am Sonntag, 18. Januar um 11 Uhr im Arthur-Hauck-Saal des DGB-Hauses Düsseldorf, Friedrich-Ebert-Str. 34-38 (5 Min. vom Hbf.).

Respekt für einen Achtzigjährigen

aus: Unsere Zeit, 09.01.04

Acht Jahrzehnte, da kann einer seinem Leben schon das Maß der Geschichte anlegen. Zumal ein Mensch mit der Biografie von Jupp Angenfort. In den Glückwunsch-Anzeigen der DKP und der VVN-BdA in dieser UZ sind die wichtigsten Stationen genannt.

Solch ein Leben ist ein Charakterstück aus deutscher Geschichte. Denn Jupp hat die Zeit nicht passiv an sich vorbei streichen lassen. Eingreifen, verändern war und ist seine Maxime. Und er hat einen hohen Preis dafür gezahlt, der "Hochverräter", der Zuchthäusler. Fünf Jahre und ein halbes Jahr Nachschlag, weil die Richter die Untersuchungshaft wegen "Uneinsichtigkeit" des Angeklagten nicht anerkannten. Was sie ihm nicht verzeihen konnten, war die Einsicht, die Jupp im faschistischen Krieg gewonnen hatte, die ihn zum Antifaschisten, zum Kommunisten gemacht hat: Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg.

Hatte er ahnen können, was diese im jugendlichen Alter getroffene Entscheidung ihm abfordern würde? Die Überzeugung von deren Richtigkeit ist wohl erst erhärtet worden in der Auseinandersetzung mit der Reaktion seitens der Herrschenden, die sich die Macht sichern konnten, den historisch überfälligen Bruch mit der bisherigen Geschichte noch einmal abzuwenden.

Wer so konsequent wie Jupp seine Lebensentscheidung bis heute durchgehalten hat, wird sich nunmehr nichts vormachen über eine Wirklichkeit, die seinen über Jahrzehnte verfochtenen Vorstellungen zuwider ist. Deutschland ist wieder Kriegsmacht und die Parolen der Neonazis gelten höchstrichterlich nur als "unliebsame Meinung". Jupp war der "Werbung für die Wiedervereinigung Deutschlands" angeklagt -- und welchen Kurs steuert dieses Deutschland, nachdem die "deutsche Einheit" zum Sieg der Konterrevolution geriet?

Wie hatten wir uns damals, 1962, gefreut, als Jupp, erneut verhaftet, seinen Häschern ein Schnippchen schlug und entwischte. Den gesteigerten Zorn der Obrigkeit bekam er noch lange zu spüren -- und haben nicht die Reichen und Mächtigen den fortschrittlichen Menschen erst mal wieder das größere Schnippchen geschlagen?

Trägt deshalb etwa das politische Wirken eines Jupp Angenfort den Stempel: vergebliche Mühe; haben sich die Kommunisten einer aussichtslosen Sache verschrieben? Mit einem Dementi ist diese Frage nicht beantwortet. Neue reale Ansätze für unsere Zukunftsgestaltung müssen erst wieder erkämpft werden. So wie wir alle hat auch Jupp erfahren müssen, was bittere Niederlagen sind. Doch steht gerade sein Leben dafür, dass wir nicht einem Pessimismus der Vergeblichkeit verfallen müssen. Wir sind realistischer geworden und dürfen dennoch optimistisch bleiben.

Wenn es auch in Deutschland kräftigere Regungen des Widerstandes gegen Krieg, Sozialabbau und Neonazismus gibt, die Herrschenden wissen manchmal besser als wir, wen sie dafür mit haftbar machen müssen. Sie fühlen sich stark in der wiedergewonnenen deutschen "Normalität" -- doch den begehrten "Schlussstrich" haben sie nicht erlangt, die lästige Auseinandersetzung mit der faschistischen Vergangenheit sind sie noch nicht los.

Als Kommunist ist Jupp Angenfort darum bemüht, mit seiner Lebenserfahrung, seinem Geschichtsverständnis den historischen Wert des Antifaschismus zu bewahren. So sehr er damit den Obrigkeiten in die Quere kommt, die das Erbe des kämpferischen Widerstandes aus der deutschen Geschichte hinaus selektieren möchten, so beispielhaft steht seine Aktivität für das aufklärerische Wirken vieler Antifaschisten gerade unter der Jugend.

Nichts davon war umsonst, wenn unter jungen Menschen Aufgeschlossenheit für Geschichte aus antifaschistischer Sicht zu erzeugen ist, wenn Widerstand gegen Neonazis ohne Jugend überhaupt nicht mehr denkbar ist, wenn Jugendliche in der Beschäftigung mit der Geschichte des antifaschistischen Widerstands und der Nachkriegszeit ein gerechtes Bild von den geschmähten Kommunisten gewinnen.

Ich weiß, er wird es so nicht hören wollen, aber er wird es mit dem respektablen Alter von achtzig Jahren akzeptieren müssen: Jupp, der selbst als ganz junger Mensch zum Antifaschismus stieß, verdient heute den gleichen Respekt wie die antifaschistischen Widerstandskämpfer, deren Erbe er angenommen hat und im Kampf für eine bessere Welt verficht. 

Gerd Deumlich


Ein Persilschein vom WDR

aus: Ossietzky 22/2003

Hitler spricht vor dem Industrieclub in Düsseldorf. Wann war das? Die Geschichtsschreibung läßt keinen Zweifel: im Januar 1932, ein Jahr bevor die Nazis an die Macht kamen.

Doch jetzt haben wir umzulernen. Das Fernsehen des Westdeutschen Rundfunks berichtet über die Waschmittelfabrikanten-Dynastie Henkel. In dieser Sendung von Lothar Schröder, ausgestrahlt am 10. Oktober 2003, erfahren wir: »1933 tritt Hugos Sohn Jost in den Betrieb ein... Die Nazis sind jetzt an der Macht, und man beschließt, mit ihnen auszukommen. Jost Henkel wird schnell aktiv, lädt Hitler zur Diskussion in den Industrieclub. Kontakte knüpfen, gut Wetter machen.«

Es ist also alles ganz anders gewesen. Denn es darf einfach nicht sein, daß Henkel bereits vor der »Machtergreifung« auf Hitler zugegangen ist. Sonst könnten aufmerksame Zuschauer den Schluß ziehen, daß Henkel zu denen gehörte, die Hitler an die Macht bringen wollten. Und das wäre das Letzte, was in einer Sendung über den Erfolg der Waschmittel aus dem Hause Henkel (»Die Henkel-Saga – Ein Leben für Persil«) vermittelt werden dürfte.

Über die Rolle zu sprechen, die Industrielle auf Hitlers Weg zur Macht spielten, ist auch heute noch generell verpönt. Also drehe man die Reihenfolge der Ereignisse einfach um. Aus 1933 mache man 1932, und aus 1932 lasse man 1933 werden. Schon sind Ursache und Wirkung vertauscht. Und jegliche Verantwortung für das Nazi-Regime und seine Verbrechen ist getilgt.

Immerhin gesteht die WDR-Sendung zu, daß Jost Henkel Hitler in den Industrieclub eingeladen hat. Diese Information ist bisher kaum verbreitet. Wir müssen lange suchen, bis wir auf diesen Sachverhalt stoßen. »Die Industriellen, die hier (im Industrieclub; A.V.) im Jahre 1932 versammelt waren, machten bei Hitler Karriere. Sie verdienten an Rüstung und Krieg. Viele von ihnen wurden Wehrwirtschaftsführer. So zum Beispiel der Düsseldorfer Waschmittelfabrikant Jost Henkel. Er hatte, als Präsident des Industrieclubs, Hitler zum Vortrag eingeladen.« Das entnehmen wir einer Rede, die Jupp Angenfort, Landesvorsitzender der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes – Bund der Antifaschisten in Nordrhein-Westfalen, vor zwei Jahren vor dem Industrieclub gehalten hat. Wir müssen dem WDR für die Bestätigung dankbar sein. Einem Kommunisten würde man ja nicht so ohne weiteres glauben.

Und weiter Jupp Angenfort: »Hier im Industrieclub trafen am 26. Januar 1932 Hitler, Göring und Röhm mit Großindustriellen und Bankiers zusammen. Hitler legte in einer Rede seine Konzeption vor. Er versprach, den Marxismus auszurotten, die Gewerkschaften zu zerschlagen, die Parteien zu verbieten und demokratische Wahlen abzuschaffen. Er versprach, die Reichswehr auszubauen, aufzurüsten und ›Lebensraum im Osten‹ zu erobern. Industrielle und Bankiers dankten, wie Presse und Augenzeugen berichteten, ›mit lang anhaltendem Dauerbeifall‹. Von nun an flossen riesige Spenden an die Nazipartei.«

Was aber sagt uns nun der WDR über den Fortgang der Geschichte? Wir erfahren, wie es Henkel im Krieg erging: »... die Arbeitskräfte werden knapp. Ausländische Zwangsarbeiter treten an die Stelle.« Lothar Schröder versteht es, uns die Zwänge zu vermitteln, in denen Industrielle in schweren Zeiten stecken.

»Vater Hugo bleibt auf kritischer Distanz. Zwar weiß er, daß ihm als Unternehmer der Eintritt in die Partei nicht erspart bleibt, läßt aber keinen Zweifel an seiner Gesinnung.« Auf kritischer Distanz zu wem? Zu den Nazis, zu den Gewerkschaften oder zu was? Daß Hugo Henkel keinen Zweifel an seiner Gesinnung läßt, trifft zu: Schon am 1. Mai 1933 wird er Mitglied der NSDAP, Mitgliedsnummer 2266961. Das erfahren wir aber nicht aus der Sendung. Wir müssen es den Ermittlungsergebnissen der US-Militärregierung für Deutschland aus den Jahren 1946/47 entnehmen.

Aber auch nach 1945 geht alles seinen geregelten Gang. 1958 erhält Jost Henkel das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik. Das lesen wir im Munzinger-Archiv. Und Konrad Henkel, ein weiterer Sohn des NSDAP-Mitglieds 2266961, sagt: »Ob wir heute anders sind, als wir 1933 waren? Ich glaube es nicht, daß wir jemals so schlecht waren, wie Sie meinen... Wir waren nicht für die Nazis, sondern gegen die Kommunisten... Als uns Hitler 1932 erklärte, daß er mit den Kommunisten aufräumen werde, entschlossen wir uns, ihn zu unterstützen.« Das lesen wir bei Bernt Engelmann und Günter Wallraff in »Ihr da oben, wir da unten«. Die Weißwäscher-Sendung des WDR schweigt darüber.

In der Nachkriegszeit sprach man von »Persilscheinen«, wenn sich alte Nazis gegenseitig zur Vorlage bei den Entnazifizierungsbehörden bescheinigten oder von wirtschaftlich Abhängigen bescheinigen ließen, keine Nazis gewesen zu sein. Persil ist Persil geblieben.

Andreas Vogel