V-Männer überall
Von Ulrich Sander
„Tim McVeigh reiht sich ein‚ in die ewigen Kriegerreihen
der Helden unserer Bewegung“. So der Hymnus „Junger
Nationaldemokraten“ für einen Massenmörder, zu dem sie Kontakt
hielten. Ich zitierte diesen belegten Spruch – auch in den
Marxistischen Blättern. Das trug mir Briefkontakte mit der
NPD-Führung ein, die mich per Anwalt aber vergeblich zur Zahlung
von 10.000 DM Strafe oder Unterlassung aufforderte. Der Jubel
über die schweren Terroranschläge von 1995 und 2001 in USA und
die Wiedergabe terroristischer Gebrauchsanweisungen für den „weißen
arischen Widerstand“ aus US-amerikanischen Naziquellen gehörten
bis vor einigen Monaten zum Standartrepertoire in NPD-nahen
Publikationen. Ohne daß die deutschen Neonazis die
Anti-Terror-Pakete Schilys zu fürchten hatten. Die richteten sich
nur gegen Ausländer und Linke.
Dennoch war die NPD beunruhigt. Sie bereitete sich auf den
Verbotsprozeß von Karlsruhe mit einem Dreisatz vor: 1.
Belastendes ist entweder gelogen und gefälscht oder stammt von
V-Männern, 2. es stammt von mit Rauswurf zu bestrafenden
ultrarechten „revolutionären Plattformern“ – oder 3. es
ähnelt den Reden von Politikern wie Schröder oder Stoiber. Die
NPD wollte jeden unbequemen Zeugen zum V-Mann stempeln, und wie
wir jetzt wissen und immer ahnten, stehen viele dieser
NPD-Funktionäre tatsächlich auf den Gehaltslisten der
Geheimdienste.
Doch ein CDU-Politiker, vorher aktiv in Hessen und Thüringen,
kam in seiner Eigenschaft als Bundesverfassungsrichter den
NPD-Juristen zuvor, und der spielte die Rolle der V-Männer schon
vor Prozeßbeginn hoch. Während die NPD-Prozessstrategie nur die
zweitbeste Lösung war, ist seine Strategie möglichst auf die
Verhinderung des Verfahrens selbst gerichtet. Nicht nur für die
NPD, sondern auch für alle rechts von der rechten Mitte
operierenden Kräfte die beste Lösung.
Die NPD erscheint zwar auch ihnen als äußerst unappetitlich,
das Auftreten der NPD beunruhige „das Ausland“, und was sie
mit den Ausländer in ihren „national befreiten Zonen“ machen,
sei ja wirklich nicht fein. Aber verbieten? Das Dilemma ist: Dann
müssten ja nicht nur Umgangsformen verboten werden, sondern auch
Inhalte. Und die sind all zu oft auch die Inhalte der Mitte.
Ein Beispiel: „Entsprechend der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes vom 14. 03. 1984 erfüllt die Parole ‘Ausländer
raus’ nicht den Tatbestand der Volksverhetzung, so daß trotz
des ausländerfeindlichen Inhalts des Flugblattes eine Straftat
nicht festgestellt werden kann.“ Derartige Auskünfte erhielten
wir wiederholt von deutschen Staatsanwälten.
Die Ausländerfeindlichkeit stellt das stärkste Band zwischen
Mitte und Ultrarechts dar. Diese Verwandtschaft führt immer
wieder zum Nachgeben gegenüber den Nazis. Und sie dürfte ein
nachhaltiges und wirksames Verbot der NPD – das wir fordern -
verhindern. Der künftige Präsident des Bundesverfassungsgerichts
hat es in zahlreichen Eilbeschlüssen des höchsten Gerichts
zugunsten der Naziaufmärsche vorgemacht und ihre Parolen und ihre
Mordhetze als bloße „unliebsame Meinungen“ verharmlost.
Aufs Verharmlosen der Nazis hat sich auch der schon genannte
verantwortliche Verfassungsrichter als Berichterstatter
eingestellt. Falls es doch zum NPD-Prozeß kommt, sollten die von
ihm bestellten Experten ihre bekannten Thesen aussagen, daß nicht
die NPD, sondern viel mehr der Linksextremismus das Problem sei.
Einer dieser Experten gab schon im August 1991 in der FAZ kund:
„Vielleicht werden die frühen neunziger Jahre dereinst als eine
Inkubationszeit für den Beginn eines Anti-Antifaschismus gelten.“
Damit war die theoretische Legitimation für die terroristische
Anti-Antifa gegeben.
Der das als freier Mitarbeiter des Bundesinnenministeriums
aufschrieb, ist heute Professor in Ostdeutschland, zum „focus“-Autor
und „Totalitarismusforscher“ aufgestiegen. Auch so eine Art
V-Mann. Ein Experte zur Abwicklung des Antifaschismus. Die
alliierten antifaschistischen Bestimmungen, die östlich der Elbe,
auch in West- und Ostberlin bis 1989 immerhin jeglichen
organisierten Faschismus ausschlossen, diese vom
Grundgesetzartikel 139 geschützten Bestimmungen – sie gelten
heute nichts mehr, weder beim Verfassungsschutz noch beim
Verfassungsgericht.
Und sollte es dennoch zum NPD-Verbot kommen, dann soll es so
eines werden wie im Falle des ministeriellen FAP-Verbots. Die
Umbenennung in Freie Kameradschaften, Freie Nationalisten oder
Sauerländische Gebirgsfront und was es noch alles an Namen gibt,
soll dann dafür sorgen, daß den „unliebsamen Meinungen“
weiterhin die Straße und noch viel mehr gehören.
Der Autor ist Bundessprecher der VVN-BdA, Journalist
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