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Nazis raus aus dem Internet

 

18.06.03

Neonazis gedenken Ihrer "Ahnen" im KZ Buchenwald 

Überlegungen der VVN-BdA Aachen. Die Aachener VVN-BdA setzt sich seit Jahren für die Erhaltung der Gedenkstätte Buchenwald als antifaschistische Mahn- und Gedenkstätte ein.

Eine kleine Zwei-Zeilen-Meldung am Montag, 12. Mai 2003, gemacht, um sie zu übersehen und zu vergessen: Neonazis erhielten Hausverbot in der Gedenkstätte Buchenwald, weil sie einen Kranz auf dem Gelände des „Speziallagers II“ niedergelegt hatten.

Der Hintergrund: Seit 1990 versucht die neue von der BRD installierte Gedenkstättenleitung den Charakter der Gedenkstätte zu verändern. Nicht mehr die Erinnerung an die 250.000 KZ-Insassen und die 56.000 Ermordeten sollen bestimmend sein. Vielmehr wird aus dem ehemaligen KZ Buchenwald eine Ikone des Totalitarismus geschaffen. Professorinnen und Professoren und Politikerinnen und Politiker stellen sich in den Dienst der Gleichsetzung von Tätern und Opfern. Sie erreichen ihr Ziel

  1. durch Diskriminierung der inhaftierten politischen Häftlinge. Diese werden den SS-Schergen gleichgesetzt ("rote Kapos")
  2. die Selbstbefreiung des Lagers wird heruntergespielt bis zur völligen Ignoranz; politischer und militärischer Widerstand werden zu Randerscheinungen
  3. die Täter, die SS-Schergen, die Nazis, die Nutznießer, die Steigbügelhalter und Stichwortgeber: Sie alle verschwinden hinter einem indifferenten Opferbegriff.
  4. Den Tätern wird auf dem Gelände des KZ ein Stelendenkmal gesetzt.

Das Gedenken an die KZ Insassen wird konterkariert durch eine Ausstellung, die sich ausdrücklich gegen die UdSSR richtet (Speziallager II) und eine, die sich ausdrücklich gegen die DDR richtet (Geschichte der Gedenkstätte).

Der Geist des kalten Krieges der 50er Jahre weht seit 1990 über Buchenwald

Die Überlebenden des KZ haben mit ihren Verbänden gegen diese Umwidmung ihrer Gedenkstätte protestiert. Sie haben schon ganz zu Anfang davor gewarnt, dass die neu geschaffenen Ehrenstätten für die Nazi-Täter zu Anziehungspunkten für Neonazis werden würden. Und tatsächlich war eine der ersten Skandale, dass die neofaschistische DVU einen Kranz an der Erinnerungsstätte für den Nazi-Oberbürgermeister der Stadt Weimar niederlegte. Der internationale Druck auf die Bundes- und Landesregierung war groß bis hin zu einer Entschließung des Europaparlaments, das sich die Gleichsetzung von Opfern und Tätern verbat. Jetzt wurden die Forschungen der Gedenkstätte intensiviert und sie fanden heraus, dass die Inhaftierten des "Speziallagers II" nach 1945 zu 80 % Funktionsträger der NSDAP gewesen waren. Das Denkmal für die Nazis wurde jetzt damit verteidigt, dass tatsächlich auch wenige Unschuldige z.B. nach Denunziation durch die örtliche Bevölkerung inhaftiert worden waren. Außerdem wurde behauptet, es seien ja keine führenden Nazis gewesen.

Tatsächlich ist das ganze Spektrum von Nazi-Verbrechern nach 1945 in Buchenwald inhaftiert worden. Unabhängig davon, dass für jeden Toten ein individuelles Trauern möglich sein muss, ist eine Heroisierung der Nazi-Täter als bemitleidenswerte Opfer unangebracht, erst Recht aber muss eine Denkmalssetzung auf dem Gelände des KZ abgelehnt werden.

Die Neonazis, die am Sonntag den 11. Mai 2003 auf dem von der Gedenkstätte dafür vorgesehenen Platz einen Kranz mit Schwarz-Weiss-Roter Schleife niederlegten, wussten, für wen und wo sie es taten. Mit ihren Springerstiefeln marschierten sie über das Gelände, auf dem Tausende KZ-Häftlingen bei jedem Wetter und schlecht bekleidet stundenlange Appelle ertragen mussten. Die Neonazis nahmen die Einladung der Gedenkstättenleitung an, ihrer "Ahnen" zu gedenken. Die Gedenkstättenleitung nahm die Naziprovokation zum Anlass, ihrer Hauptaufgabe nachzukommen: der Gleichsetzung von Tätern und Opfern des Faschismus. Die Polizei wurde gerufen, Platzverweise wurden ausgesprochen und Hausverbot erteilt. Politisch aber wurden die Neonazis in Schutz genommen. Der stellvertretende Direktor der > Gedenkstätte, Rikola-Gunnar Lüttgenau, erklärte, die Neonazis hätten sich "geirrt". Der Stelenwald stehe nicht für die "Ahnen" der Neonazis, vielmehr seien hier "in der Regel nur Zivilisten" begraben. Lüttgenau spekuliert darauf, dass nur wenige sich noch an die Auseinandersetzungen der letzten Jahre erinnern, nur wenige die wissenschaftlichen Untersuchungen der Gedenkstätte kennen und dass die Stimme der noch lebenden KZ- Häftlinge zu schwach ist, um den Propaganda-Apparat der Regierenden und ihrer Statthalter zu durchbrechen.

Während die Öffentlichkeit in trügerische Sicherheit gewiegt wird, die Polizei und die Politik habe alles im Griff, wurden auf die Gedenkstätte Buchenwald von Januar 1998 bis Sommer 2000 40 Übergriffe von Neonazis festgestellt (Dokumentation des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma an Bundesinnenminister Schily). Insgesamt zählt die Dokumentation seit 1990 110 solcher Nazi-Übergriffe auf Gedenkstätten auf. Buchenwald ist ein bevorzugtes Ziel der Neonazis. Sie wurden und werden immer wieder von der Gedenkstättenleitung eingeladen, auf dem Leiden der ermordeten 56000 KZ-Insassen herumzutrampeln.

Was können wir tun? Vor allem: Der Desinformation der Medien die eigene Berichterstattung und Hintergrundschilderung entgegensetzen. Den Druck auf die Gedenkstättenleitung aufrechterhalten, den Neonazis vor Ort entgegentreten und mindestens einmal im Jahr, am Tag des Gedenkens an die Selbstbefreiung des Lagers nach Buchenwald fahren und Solidarität mit den wenigen KZ-Überlebenden praktizieren.

VVN/BdA Aachen