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25.04.02

Frieden für Israel und Palästina

Das fehlt noch: Deutsche an die Nahostfront

Mit der Bombardierung Jugoslawiens ab März 1999 ist die Welt in eine neue Phase der Militarisierung und der Kriegstendenz getreten. Krieg zu führen, scheint sich wieder zu lohnen. Der verbrecherische Anschlag vom 11. September 2001 wurde zum Anlass für ein noch gewaltigeres Kriegsprogramm genommen; weltweit und hierzulande wird massiv für neue Kriege gerüstet. Als unmittelbare Folge dieser Signale gab es Auftrieb für militaristische Hardliner in der Konfliktherden, wie Indien/Pakistan, Israel/Palästina und Kaukasus. Während der als „Globalisierung" beschönigte Kapitalismus die Lebensgrundlagen einer wachsenden Zahl von Menschen zerstört, gewinnen weltweit nationalistische und religiöse Einpeitscher Zulauf. Vor diesem Hintergrund ist es nur eine Frage der Zeit, wann die Gewalt in den genannten Konfliktherden explodiert. In Israel/Palästina ist sie explodiert.

Mit der Wahl von Ariel Sharon hat in Israel ein militaristischer Hardliner das Ruder übernommen. Auf Seiten der Palästinenser sieht es nicht besser aus: Hamas und Hisbollah gewinnen an Einfluss, Kinder werden zu lebenden Bomben instrumentalisiert; linke laizistische Kräfte, die noch in der Intifada 1987 dominant waren, wurden an den Rand gedrückt. Der Kampf maßgeblicher Kreise der Palästinenser richtet sich längst nicht mehr nur gegen die Besatzung, sondern gegen Israel selbst oder gar gegen alle Juden. Selbstmordanschläge auf Zivilisten lassen keinen anderen Schluss zu. Jeder Bombenanschlag auf israelische Zivilisten, jedes Massaker an palästinensischen Flüchtlingen durch das israelische Militär scheint die „Selffulfilling Prophecy" der jeweiligen Hardliner der anderen Seite zu bestätigen: Mit „den Israelis" respektive „Palästinensern" ist ein Frieden unmöglich.

Der Ruf nach einem internationalen Eingreifen einer starken neutralen „dritten Macht" - der UNO, der USA und/oder Europas - wird von Tag zu Tag lauter. Eine solche neutrale Macht gibt es jedoch nicht. Auch der UN- Weltsicherheitsrat ist diese Macht nicht. Eine Macht, die nur der UNO-Charta – der gesamten Charta - verpflichtet wäre, gibt es nicht.

Es hat sich auch in der deutschen Friedensbewegung eine unhistorische Haltung ergeben: Aus der UN-Charta wird nie der Passus zitiert, der eine militärische Aktion der Deutschen von vornherein verbietet (Feindstaatenklausel). Und es war kein Aufschrei zu vernehmen, als ein UN-Einsatz mit Militär – auch mit deutschen Soldaten – auf der Grundlage einer die Feindstaatenklausel negierenden Auslegung der UNO-Charta erwogen wurde. Die UNO, einst aus den Lehren des zweiten Weltkriegs gegründet, ist zunehmend zu einem Anhängsel der NATO bzw. der westlichen Großmächte degeneriert. Beschlüsse der UN-Vollversammlung werden nicht ernst genommen. Gerade die Kriege gegen Jugoslawien und Afghanistan haben die Rolle der UNO weiter geschwächt, ihr bestenfalls die Rolle von Aufräumarbeiten nach dem Krieg zugewiesen.

USA und Europa verfolgen im Nahen Osten in Konkurrenz eigene geostrategische Interessen; das Schicksal der Palästinenser und der Israelis dient dabei bestenfalls als Vorwand. Für die USA geht es primär darum, freie Hand für einen Krieg gegen den Irak zu bekommen. Die EU will in Nahost eigene Einflusszonen auf Kosten der USA bekommen. Für Deutschland bietet der israelisch-palästinensische Krieg die Chance endlich die letzte Grenze zu überschreiten, die es durch die Niederlage im zweiten Weltkrieg noch hat. Die Geschichte Israels - wie auch immer man seine Politik beurteilen mag - ist ohne die Geschichte des Antisemitismus und der Shoa - dem bislang größten Menschheitsverbrechen, der industriellen Ermordung von sechs der sieben Millionen europäischen Juden durch die Deutschen - nicht zu verstehen.

Mochte es einst legitim sein, den Zionismus vom marxistischen Standpunkt aus zu kritisieren, so ist die Frage nach dem Existenzrecht eines jüdischen Staates zumindest für Deutsche seit Auschwitz für alle Zeit beantwortet. Der Antisemitismus ist jedoch leider hierzulande leider kein Relikt der Vergangenheit, sondern bittere Realität auch und gerade in Deutschland. Ob in seiner manifesten Form bei den alten und neuen Nazis oder seiner latenten Form bei Teilen der gegenwärtigen Anti-Israel-Demonstrationen.

Es ist schier unerträglich, wie selbstverständlich deutsche Politiker und Teile der Anti-Israel-Demonstranten die israelische Politik mit dem Nazifaschismus gleichsetzen. 1999 haben sich linke jüdische Antifaschisten wie Esther Bejarano, Peter Gingold und Kurt Goldstein in einem Offenen Brief an die Minister Fischer und Scharping „gegen eine neue Art der Auschwitz-Lüge" gewandt. Das verbrecherische Vorgehen der NATO gegen Serbien wurde von der Bundesregierung mit der Abwendung eines neuen Auschwitz begründet. Jetzt heißt es sogar bei Linken, in Nahost sei „ein unschuldiges Volk den Nazi-Methoden einer rücksichtslosen Militärmacht schutzlos ausgeliefert" (Ex-MdL der Grünen Jamal Karsli). Flüchtlingslager mutieren zu KZs, der Davidstern zum Hakenkreuz. Biblische Bilder wie „David gegen Goliath" oder Parolen wie „Israel - Kindermörder" und „gegen Israels Vernichtungskrieg" sollen die Stimmung weiter aufheizen.

Wer die israelisch-palästinensische Tragödie derart einseitig reduziert und den völkischen Nationalismus und Antisemitismus bagatellisiert, dem geht es nicht um Lösung, sondern um Eskalation und die Entlastung Deutschlands. Wie schon im Vorfeld des Jugoslawienkrieges, soll die Stimmung für einen deutschen Militäreinsatz vorbereitet werden. Während Kanzler Schröder diesen auf einer Kommandeurstagung der Bundeswehr in Hannover forderte, stellt Fischers „Ideenpapier" den politischen Rahmen einer solchen Intervention dar. Zynischerweise begründet das Auswärtige Amt „das deutsche Eintreten für den Einsatz einer 'handlungsfähigen dritten Macht' mit den Erfahrungen bei der Friedenssuche auf dem Balkan" (FAZ, 14.4. 2002).

Was es heißt, wenn deutsche Herrenmenschen in Uniform in Jerusalem auf Juden und Palästinenser schießen oder Stacheldraht ziehen, mag sich jeder selbst ausmalen. Deutsche Soldaten würden den Konflikt weiter anheizen. In manchen Bündnissen werden die Selbstmordattentäter, die jede Zusammenarbeit zwischen palästinensischen und israelischen Friedenskräften verunmöglichen, unwidersprochen als „die wahren Helden" hochstilisiert. Jede Kritik daran, jede Kritik an deutschen Waffenlieferungen in die Region, jede Kritik an einem möglichen deutschen Militäreinsatz werden in Aufrufen dieser Bündnisse bewusst herausgelassen. Stattdessen wird der Schulterschluss mit Politikern gesucht, die schon im Jugoslawien- und Afghanistankrieg innenpolitischer Kriegsschrittmacher waren. Wer sich aber mit Kriegstreibern zusammentut, dient nicht dem Frieden.

Worum geht es? Zunächst einmal gilt es Schlimmeres zu verhindern. Ein deutscher Militäreinsatz wäre Schlimmeres. Ferner gilt es hier jeder Form von Antisemitismus und Rassismus entschieden entgegenzutreten: Das heißt ebenso Synagogen zu schützen, wenn sie zur Zielscheibe anti-israelischer Demonstrationen werden, wie gegen jeden anti-arabischen Rassismus vorzugehen.

Des weiteren muss der deutsche Kriegkurs gestoppt werden. Gestoppt werden muss Scharpings Aufrüstungsprogramm. Deutsche Soldaten raus aus Bosnien, Jugoslawien, Mazedonien, Georgien, Afghanistan, Kenia, Usbekistan, Dschibuti, Somalia! Kein viertes Protektorat in Israel/Palästina (nach Bosnien, Kosovo, Mazedonien). In Israel/Palästina gilt es, diejenige Kräfte zu unterstützen, die der Eskalationsdynamik entgegentreten, wie marginalisiert die entsprechenden Gruppen gegenwärtig auch sein mögen.

Detlef Peikert / Ulrich Sander