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Hilfe für Zwangarbeiter aus Montenegro und aus Italien

Der Internationale Suchdienst des Roten Kreuzes (Sitz Bad Arolsen) hat jetzt zugesichert, daß er mögliche Überlebende aus Montenegro, die 1945 bei Lüdenscheid spurlos verschwunden sind, ermitteln will, um ihnen anheim zu stellen, sich beim Heimatverein Lüdenscheid bzw. dem Stadtarchiv im Lüdenscheider Rathaus zu melden. Falls Erfolge - wie etwa Angaben über den Verbleib – beim ISD zu verzeichnen sind, so sollen beide Institutionen informiert werden. Diese hatten vor zehn Monaten herausgefunden, daß rund 120 Zwangsarbeiter auf Montenegro wenige Tage vor Kriegsende 1945 auf Befehl des Reichsverteidigungskommissars Gauleiter Albert Hoffmann mit unbekanntem Ziel „abgeführt“ wurden. Ob hier ein Kapitalverbrechen vorlag oder ob die Gefangenen nach Hause zurückkehrten, konnte bis jetzt nicht geklärt werden, weil die Informationen über die letzten Tage vor der Besetzung durch US-Truppen ebenso fehlten wie die Informationen aus der Heimat der Vermissten.

Zwangsarbeiterbriefe nach Deutschland können als Anträge gewertet werden

Die Zusicherung aus Arolsen hatte Ulrich Sander erhalten. Der Bundessprecher der VVN-BdA konnte ferner von einer Tagung der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ berichten, daß Absender von Zwangsarbeiter-Briefen, die möglicherweise Antragssteller sein könnten, der deutschen Stiftung in Berlin zu benennen sind. Es bestehe die Regelung, daß sämtliche bei deutschen Dienststellen eingegangene Briefe von ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern als mögliche Anträge zu werten sind, die noch bis April abzuliefern sind, wenn sie in den Dienststellen und bei deutschen Hilfs- und Opferorganisationen bis zum 31. 12. 01 eingetroffen waren. Zu diesen Quasi-Anträgen können dann die Begründungen nachgeliefert werden.

Der Bundessprecher der VVN-BdA legte der Öffentlichkeit einen Brief an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vor, mit dem die Forderungen italienischer Opfer unterstützt werden.

Der Brief, betr. Az. 2 BvR 1379/01, lautet:

Sehr geehrte Damen und Herren, die ANRP, eine italienische Vereinigung von NS-Opfern, hat beim Bundesverfassungsgericht für ehemalige italienische zivile und militärische deportierte Zwangsarbeiter eine Verfassungsbeschwerde gegen das Stiftungsgesetz von 2000 eingereicht.

Unsere Organisation, die VVN-BdA, hat an Hand kommunaler Aktenbestände den Nachweis angetreten, daß es sich bei den Italienischen Militärinternierten von 1943 bis 1945 um zivile Zwangsarbeiter handelte, denen Entschädigung zusteht. Kopien von Unterlagen der 660 italienischen Zwangsarbeiter, die im Krieg in Lüdenscheider Betrieben arbeiten mussten, wurden jetzt der Bundesstiftung ‚Erinnerung, Verantwortung und Zukunft’ in Berlin übergeben. Hiermit übersenden wir auch Ihnen eine Kopie dieser Unterlagen.

Als Bundessprecher der VVN-Bund der Antifaschisten stellte ich bei der Übergabe in Berlin fest: Sieben Prozent der Zwangsarbeiter aus Lüdenscheid waren ehemalige italienische Kriegsgefangene, wohlgemerkt ehemalige. Die Unterlagen aus dem Stadtarchiv Lüdenscheids belegen die Feststellung der Opferverbände, daß es sich auch bei den italienischen Zwangsarbeitern um Zivilarbeiter handelte, nicht aber um Kriegsgefangene. Kriegsgefangenen verweigert die Bundesstiftung im Auftrag des Bundesfinanzministeriums jede Zahlung.

Der Historiker Prof. Dr. Gerhard Fischer (Berlin) erläutert, worum es bei dieser Verweigerungshaltung geht: Die Bundesstiftung beruft sich bei ihrer ablehnenden Haltung in dieser Frage auf die Bundesregierung, diese stützt sich auf ein völkerrechtliches Gutachten von Prof. Tomuschat, demzufolge aus Unrechtshandlungen keine Rechtsansprüche hergeleitet werden können: Hitler hätte aus Kriegsgefangenen keine Zivilarbeiter machen dürfen. Diese Rechtsauslegung ist nicht nur politisch moralisch unhaltbar, sondern im vorliegenden Fall sogar formaljuristisch anfechtbar. Wollte man ihr folgen, könnten z. B. gegen Straftäter keine Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden. Außerdem gelten auch im Völkerrecht solche Rechtsgrundsätze wie die clausula rebus sic stantibus oder die normative Kraft des Faktischen – d. h. man hat von der realen Sachlage auszugehen, unabhängig davon, wie sie zustande kam.

Aus den mit dieser Post Ihnen übersandten rund 660 Namen und Kurzbiographien von ehemaligen Zwangsarbeitern aus Italien geht eindeutig hervor, daß sie zum Zeitpunkt ihres Arbeitseinsatzes Zivilarbeiter und keine Kriegsgefangenen waren. Der Status Kriegsgefangener lag hinter ihnen, wie aus den Akten der Zwangsarbeiter aus Lüdenscheid hervorgeht. Dies wird in den in Lüdenscheid gefundenen Unterlagen – und ich bin sicher, in allen Städten Deutschlands lassen sich solche Unterlagen finden – ausdrücklich vermerkt. ‚Früherer Kriegsgefangener’ oder ähnlich lautet die Eintragung in den Akten und Karteien. Die Zwangsarbeiter aus Italien waren in firmeneigenen Lagern untergebracht; auch dies ein Beleg für ihren zivilen Status.“

Daraus ergibt sich übrigens die Frage nach der Zuständigkeit der Firmen. Wenn die Verantwortung für die Zwangsarbeiterentschädigung von den Firmen auf die Bundesstiftung und die Bundesrepublik Deutschland übergegangen ist, die Bundesregierung aber die Zahlung mit der offenkundig unzutreffenden Behauptung verweigert, die italienischen Zwangsarbeiter wären immer Kriegsgefangene geblieben, so würden offenkundig die Firmen, für die die Italiener arbeiten mussten, wieder verpflichtet sein, den vorenthaltenen Lohn zu zahlen.

Wir unterstützen die Forderungen der italienischen ANRP. Zusätzlich verlangen wir, von den „Arbeitgeber“-Firmen, um den Lohn für die Italiener nachzuzahlen.