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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

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Nazis raus aus dem Internet

 

 

 

 

 

07. September 2002 in Bochum

10.01.03

Bericht an die Landesdelegiertenkonferenz der VVN-BdA NRW

von Jupp Angenfort

"Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung,
der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.
Das sind wir unseren gemordeten Kameraden, ihren Angehörigen schuldig."
(Aus dem Schwur von Buchenwald vom 19.04.1945)

Liebe Kameradinnen und Kameraden,

die Forderung der Häftlinge von Buchenwald aus dem Jahre 1945 ist keine Traditionsaussage, keine Aussage, die lediglich der Geschichte angehört. Sie ist hochaktuell. Wir haben deswegen ganz bewusst den "Schwur von Buchenwald" als Losung für unsere Konferenz gewählt. Er wird unsere Richtschnur auch nach der bevorstehenden Verschmelzung der VVN-BdA mit unserer Partnerorganisation im Osten Deutschlands sein. Was die Aktualität der Forderung der Häftlinge von Buchenwald anbetrifft, so brauche ich nur daran zu erinnern, dass in Wuppertal eine Gruppe Skinheads mit NPD-Parteibuch in der Tasche die Teilnehmer einer antifaschistischen Gedenkveranstaltung am Denkmal für das ehemalige KZ Kemna überfiel. Und ist es nicht beunruhigend und empörend, um ein weiteres Beispiel zu nennen, dass im März diesen Jahres in Dortmund-Schüren ein Konzert bekannter rechtsextremer Musikgruppen stattfand? In einer Entschließung erklärt hierzu der Förderverein der Gedenkstätte Steinwache e. V.: "In einer geradezu weltfremden Naivität ordnete er" (der Polizeipräsident von Dortmund) "beobachtende Teilnahme seiner Beamten an einer rassisch-neonazistisch geführten und als harmlose Geburtstagsfeier' getarnte Veranstaltung mit 1.300 Teilnehmern an, in der Nazi-Lieder und Nazi-Parolen gegrölt wurden, die ein Eingreifen der Polizei gerechtfertigt und geboten hätten." Mit Recht haben demokratische Kräfte, darunter auch die VVN-BdA, die Ablösung des verantwortlichen Polizeipräsidenten gefordert.

Kirsten Rölke, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, charakterisiert im Vorwort für den Ausstellungskatalog "Neofaschismus in der Bundesrepublik Deutschland" die Situation, die sich in Deutschland herausgebildet hat, so: "Die nicht enden wollende Kette rechtsradikaler Gewalttaten, die oft tödliche Hatz auf ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger, die Jagd auf Schwache und Behinderte ist das Werk von durchorganisierten kriminellen Netzwerken, angeführt von polizei- und justizbekannten Neonazis. Über 90 Menschen sind in den letzten zehn Jahren von rechtsextremistischen Tätern getötet worden."

Paul Spiegel, Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, erklärte in seiner Gütersloher Rede: Es gehöre zur Realität in Deutschland, dass sich Menschen anderer Hautfarbe, anderen Glaubens oder anderer Nationalität nirgends in diesem Lande mehr sicher fühlen ... Die Politik habe dabei quer durch alle Parteien geschwiegen, weggeschaut, verharmlost.

Ich will noch ein Ereignis nennen, das die aktuelle Situation in Deutschland charakterisiert. In Wunsiedel (Bayern) hatte im vergangenen Jahr die Stadt eine Ehrung von Rudolf Hess durch Nazis verboten. Das Oberverwaltungsgericht hob das Verbot auf. Einige hundert Neonazis feierten, unter dem Schutz von tausend Polizisten, Rudolf Hess. In diesem Jahr hat sich dieser schändliche Vorgang wiederholt. Diesmal waren es 2.500 Neonazis, die unter dem Schutz der Polizei aufmarschierten. Man muss sich das vor Augen führen: Bei Rudolf Hess handelt es sich um den Stellvertreter Hitlers, um einen Mann, der in verschiedenen Funktionen des faschistischen Staates maßgeblich beteiligt war an der Vorbereitung des Vernichtungskrieges und der Ausrottung von Millionen Juden. Es ist unerträglich, dass der im Nürnberger Prozess wegen Planung eines Angriffskrieges und Verschwörung gegen den Weltfrieden zu lebenslanger Haft Verurteilte als "Held" und "Vorbild" gefeiert werden durfte. Mit Recht hat der Bürgermeister von Wunsiedel erklärt, dieser Spuk sei keine politische Meinungsäußerung mehr, sondern die Verherrlichung einer ehemaligen Nazigröße.

Konrad Freiberg, seit November 2000 Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, erklärte zur Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes: "Damit hat das Gericht einen stillgelegten Nazi-Wallfahrtsort wieder belebt und dem Rechtsstaat Schaden zugefügt. Mit dieser Haltung liefern die höheren Gerichtsinstanzen die Munition, mit der Neonazis auch anderenorts Einsprüche gegen Verbotsverfügungen begründen." (ND, 14.12.2001)

Das bayerische Oberverwaltungsgericht ist zu seiner Haltung durch das Bundesverfassungsgericht ermuntert worden. Dieses hat in einer Entscheidung, mit der ein Verbot einer Neonazi-Demonstration aufgehoben wurde, erklärt, dass Demonstrationen nicht schon deswegen verboten werden können, weil durch sie die Verbreitung "missliebiger Meinungen" zu erwarten sei. In der Praxis der Neonazis steckten dann hinter diesen "missliebigen Meinungen" solche Parolen wie "Ruhm und Ehreder Waffen-SS", "Ausländer raus" usw. und wie in Wunsiedel: Und - wie in Wunsiedel-: "Rudolf Hess- unser Vorbild."

Unsere Landesorganisation hat gegen diese Haltung des Bundesverfassungsgerichtes protestiert. Sie hat unter anderem den Anstoß dafür gegeben, dass in Karlsruhe - dem Sitz des Bundesverfassungsgerichtes - in einer Tageszeitung eine Anzeige veröffentlicht wurde, in der es heißt:

"Sie haben die Parolen der Neonazis ,missliebige Meinung' genannt, die zu dulden sei.
Der Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.
Schon vorher duldeten Sie, dass Deutschland wieder in einen Krieg zog, der nicht der Verteidigung dient, und dass die Bundeswehr zu neuen Angriffskriegen umgerüstet wird, obwohl es im Grundgesetz unter der Überschrift ,Verbot der Vorbereitung eines Angriffskrieges' heißt: ,Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.'" (Art. 26 GG)
Beenden Sie den Verfassungsbruch! Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!"

Es gibt über die von mir geschilderte Haltung des Bundesverfassungsgerichtes eine kritische Diskussion. Interessant und bedeutungsvoll ist die Haltung von Herrn Bertram, des Präsidenten des NRW-Oberverwaltungsgerichtes. Die Agentur DPA meldet dazu am 26. März 2001: "Rechte Aufmärsche, die von einem Bekenntnis zum Nationalsozialismus geprägt sind, müssen nach Ansicht des Präsidenten des NRW-Oberverwaltungsgerichtes, Michael Bertram, verboten werden. Eine rechtsextremistische Ideologie sei von Grundgesetz von vornherein ausgeschlossen und lasse sich auch mit Mitteln des Demonstrationsrechtes nicht legitimieren."

Wir betonen: Auch der Artikel 139 des Grundgesetzes, der bestimmt, dass die alliierten und deutschen Bestimmungen gegen den Nationalsozialismus nach wie vor Gültigkeit haben, verlangt das Verbot sowohl aller neonazistischer Organisationen und Gruppierungen als auch der Demonstrationen der Neonazis.

Es ist beunruhigend, dass der Artikel 139 des Grundgesetzes in wachsendem Maße missachtet wird. Wir weisen auf folgende Tatsache hin: Als die Bundesrepublik Mitglied der UNO werden wollte und die UNO vorher danach fragte, wie man es denn mit dem Neonazismus und neonazistischen Organisationen halte, hat die damalige Bundesregierung vor der UNO folgendes erklärt: "Das ausdrückliche Verbot von neonazistischen Organisationen und gleichfalls die Vorbeugung gegenüber neonazistischen Tendenzen folgen aus dem Grundgesetz mit der Wirkung, dass die von den alliierten und deutschen Stellen erlassene Gesetzgebung zur Befreiung des deutschen Volkes von Nationalsozialismus und Militarismus weiterhin in Kraft ist." Wir fordern die Einlösung dieser Zusage an die UNO!

Wir fordern: Es muss Schluss gemacht werden mit der Missachtung antifaschistischer Bestimmungen des Grundgesetzes. Wir unterstützen die Forderung, mehr Antifaschismus ins Grundgesetz hinein zu schreiben. Eben deswegen unterstützen wir den Vorschlag, den die PDS bereits in den Bundestag eingebracht hat, das Grundgesetz durch einen antifaschistischen Gedanken zu ergänzen. In den Artikel 26 des Grundgesetzes sollte der Text eingefügt werden "oder nationalsozialistisches Gedankengut wiederzubeleben". Der Artikel 26 des Grundgesetzes würde dann lauten: "Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, oder nationalsozialistisches Gedankengut wiederzubeleben, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen." Der Artikel 26 würde dann auch dem Schwur der Häftlinge von Buchenwald entsprechen: "Vernichtung des Nazismus und Aufbau einer neuen Welt des Friedens".

Liebe Kameradinnen und Kameraden,

inzwischen pfeifen es die Spatzen von den Dächern, dass die NPD vor den Bundestagswahlen nicht mehr verboten wird; Antrag hin - Antrag her. Ob es überhaupt zu einem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht kommt und ob sie dann verboten wird, ist noch eine große Frage. Beträchtlichen Anteil an dieser Situation haben die Ämter für Verfassungsschutz und damit auch Innenminister Schily. Die Tatsachen über die so genannten V-Mann-Skandale sind bekannt.

Die VVN-BdA hat seit der Gründung der NPD deren Verbot gefordert, weil sie eine neonazistische Partei ist. Sie dürfte, wenn der Artikel 139 unseres Grundgesetzes ernst genommen würde, überhaupt nicht existieren. Wir fordern auch jetzt, die NPD so schnell wie möglich zu verbieten. Alle Tatsachen, die zum Verbotsverfahren geführt haben, sind nicht gegenstandslos geworden. Sie bestehen weiterhin. Deswegen besteht auch weiterhin aller Anlass für das NPD-Verbot. Und zugleich müssen energische Schritte unternommen werden, alle neonazistische Parteien, Organisationen und Gruppierungen zu verbieten.

Ich greife die so genannten "Freien Kameradschaften" heraus. Unsere Landesvereinigung hat oftmals angeprangert, dass diese so genannten "Freien Kameradschaften" häufig den Kern neonazistischer Aufmärsche bilden, dass sie die Tätigkeit der verbotenen FAP fortsetzen.

Unser Kamerad Ulli Sander hat in einem Briefwechsel mit dem NRW-Innenminister Behrens entsprechende Fakten mitgeteilt. Er hat unter anderem aufgedeckt, dass die Anführer der "Freien Kameradschaften" eine langfristige Planung mit dem Ziel haben, mit jungen Neonazis die Bundeswehr zu unterwandern. In einem Brief von Ulli Sander an Innenminister Behrens heißt es: "Am vergangenen Samstag, 2. März 2002, hat sich in Bielefeld neben Christian Worch auch jener Steffen Hupka an die Spitze der ,Freien Kameradschaften' und Nationalisten gesetzt, der 1995 diesen Aufruf erlassen hat: ,Geht zur Bundeswehr. Junge Kameraden und Kameradinnen, die vor der Berufswahl stehen, unbelastet, intelligent und sportlich sind, sollten eine Ausbildung bei der Bundeswehr und Polizei in Erwägung ziehen, mit dem Ziel, sich in besonders qualifizierten Spezialeinheiten (!) das nötige Wissen und Können anzueignen ... Widerstand, der auf die Beseitigung eines volksfeindlichen Systems zielt, muss professionell geplant sein.' Dazu gehörten: ,Weitgehende Tarnung, Unauffälligkeit und Unberechenbarkeit für den Gegner.' Wer als bekannter Aktivist aufgefallen sei, dem wird abgeraten, sich ,im hier angesprochenen Sinne zu betätigen'. ,Die anderen aber sollten sich von den bekannten rechten Gruppierungen fern halten. Der geringste Kontakt kann schaden.' Weiter: ,Nichts darf diese Kameraden als Nationalisten identifizieren.' So heißt es in dem Papier ,Umbruch' aus dem Jahr 1995, herausgegeben von Steffen Hupka (früher Funktionär der Kühnen-Formation in Westdeutschland und später führend bei den Jungen Nationaldemokraten und der Revolutionären Plattform).

Ich frage: Auf welchen Kommandostellen befinden sich bereits die neuen Nazis, die diesem Aufruf folgten? ... Warum dürfen die Führer der verbotenen Kühnen-Bande unter anderem Namen ihre verbrecherische Tätigkeit fortsetzen?"

Wir erwarten, dass der Innenminister endlich handelt!

Liebe Kameradinnen und Kameraden,

die V-Mann-Skandale haben gezeigt, dass der Verfassungsschutz ein besonderes Kapitel ist. Ich möchte einen besonders empörenden Fall heraus greifen.

Im Oktober 2001 erschien in Berlin ein antisemitisches NPD-Plakat mit dem Spruch "Den Holocaust hat es nie gegeben". Dieses Plakat wurde unter presserechtlicher Verantwortung des damals noch aktiven V-Mannes des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Udo Holtmann, veröffentlicht. Nicht auszuschließen ist, dass für die Produktion des Plakates Gelder aus öffentlichen Mitteln, das heißt, aus Holtmanns V-Mann-Gage, verwendet wurden. Holtmann ist nach dieser Aktion nicht etwa abgeschaltet worden, sondern bis zu seiner öffentlichen Enttarnung im Januar diesen Jahres V-Mann des Verfassungsschutzes geblieben. Damit wird die Behauptung des Bundesamtes Lügen gestraft, man beende die Zusammenarbeit mit V-Leuten, sobald sie zum Beispiel direkt für aggressive antisemitische Propaganda verantwortlich seien.

Die V-Mann-Skandale haben eine lange Spur. Nach dem Brandanschlag seinerzeit in Solingen, dem Menschen zum Opfer fielen, stellte sich folgendes heraus: Der Leiter einer so genannten Kampfschule in Solingen, zu deren Mitgliedern gewalttätige Neonazis gehörten, wurde von einem vom Landesamt für Verfassungsschutz finanziell unterstützten Agenten geleitet.

Wir stellen fest: Jahrelang hat der Verfassungsschutz neofaschistische und rassistische Umtriebe verharmlost. Jetzt hat er sich ganz deutlich als schädlich und überflüssig erwiesen. Er sollte aufgelöst werden. Wir erneuern unseren Vorschlag, den wir bereits einmal an den Landtag von Nordrhein-Westfalen gerichtet haben: Das Parlament sollte die Sache eines wirklichen Schutzes der Verfassung in die eigenen Hände nehmen!

Ich möchte noch etwas zu Mitteilungen sagen, die zum Beispiel das Landesamt für Verfassungsschutz NRW verbreitet.

In einem Schreiben vom 19. April 2001 eines Herrn Schnieder vom Innenministerium NRW an die Friedensgruppe Lüdenscheid heißt es: "Auch in Nordrhein-Westfalen ist die VVN-BdA ein Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes, da die Organisation weiterhin unter dem maßgeblichen Einfluss von Mitgliedern der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) steht. In Bündnissen arbeitet sie zudem mit Teilen der linksextremistischen autonomen Szene zusammen."

Dem Herrn Innenminister Behrens habe ich dazu folgendes geschrieben:

  1. Die VVN-BdA steht auf dem Boden des Grundgesetzes. Sie fühlt sich den dort fixierten Grundrechten und Grundfreiheiten verpflichtet. Sie wirkt im Sinne dieser Rechte und Freiheiten. Insbesondere wirkt sie im Sinne des Artikels 139 des Grundgesetzes, der die nach 1945 erlassenen Rechtsvorschriften gegen Nationalsozialismus und Militarismus bekräftigt. 
  2. Entsprechend dem Statut der VVN-BdA gehört zu den Kriterien für Mitgliedschaft oder Leitungstätigkeit nicht irgendeine Parteizugehörigkeit. Das ausschließliche Kriterium ist antifaschistische Überzeugung und Engagement für eine Welt ohne Faschismus und Krieg. Dass bei uns Maria Wachter stellvertretende Landesvorsitzende ist, eine Kommunistin, die wegen ihres Widerstandes gegen das verbrecherische Hitlerregime von den Nazis zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt wurde, mag für Herrn Schnieder vom Innenministerium ein Grund des Vorwurfs sein. Für uns ist es eine Ehre. So unterschiedlich können Standpunkte sein.
  3. Die Zusammenarbeit in Bündnissen ist von der VVN-BdA klar definiert. Es heißt dazu im Referat des Landesvorsitzenden auf der Landesdelegiertenkonferenz am 26. August 2000 in Bochum: "Ja, wir treten für breite antifaschistische Bündnisse oder, wenn man es anders sagen will, für weitgestecktes gemeinsames Handeln ein. Es ist unser Wunsch, mit den jüdischen und christlichen Organisationen in Deutschland gut zusammen zu arbeiten. Wir sind für gemeinsames und paralleles Handeln über weltanschauliche und politische Unterschiede hinweg. Darauf orientieren wir uns und wollen dazu unseren Beitrag leisten. Wir treten für antifaschistische Bündnisse ein, aus denen niemand ausgegrenzt wird. Es gibt kein Monopol auf Antifaschismus. Jede Lebenserfahrung, jede Überzeugung, die zu antifaschistischem Handeln führt, verdient Respekt. Wir fühlen uns auch solidarisch mit antifaschistischen Jugendbewegungen und Jugendgruppierungen, die es in ihrer Besorgnis über bedrohliche Rechtsentwicklung nicht bei verbalen Betroffenheitserklärungen belassen, sondern ihren Antifaschismus auf die Straße tragen. Wir sind bereit - und das gewaltfrei -, mit allen Kräften zusammen zu arbeiten, die bereit sind, im Sinne des Schwurs der Häftlinge von Buchenwald tätig zu sein."

Liebe Kameradinnen und Kameraden,

die Älteren unter uns haben es noch erlebt: Als der 2. Weltkrieg endete, war die allgemeine Stimmung die: Wir wollen trockenes Brot essen, aber nur keinen Krieg mehr! Die Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald gaben dieser Sehnsucht ebenfalls Ausdruck. Sie versammelten sich auf dem Lagerplatz und legten einen Schwur ab. Er gipfelte sinngemäß in der Forderung: Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!

Die Forderung nach Frieden fand im Grundgesetz an mehreren Stellen ihren Niederschlag. Schon die Präambel sagt, dass das deutsche Volk von dem Willen beseelt ist, dem Frieden der Welt zu dienen. Im Artikel 26 des Grundgesetzes heißt es dann: "Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.

Unsere Organisation fühlt sich diesen Grundsätzen verpflichtet. Ich möchte allen Kameradinnen und Kameraden danken, die in der Berichtsperiode in diesem Sinne gewirkt haben, die an Kundgebungen und Demonstrationen für den Frieden teilgenommen haben, die an Infoständen waren und Materialien verbreitet haben.

Wir alle sehen mit Sorge, dass die Gefahren für den Frieden wachsen. Es verdichten sich die Anzeichen dafür, dass die USA einen weiteren großen Krieg vorbereiten: einen Angriff auf den Irak. Mit Recht sagt der Bundesausschuss Friedensratschlag in einem Appell: "Bei einem neuen Krieg gegen den Irak geht es, unter welchem Vorwand er auch immer geführt wird, um die Vorherrschaft am Golf und den Zugriff auf billiges Öl. Ein solcher Krieg kann den ganzen Nahen Osten zur Explosion bringen, er wird dazu beitragen, dass noch gigantischere Summen in die Aufrüstung fließen, und er wird den Hass schüren und die Gefahr weiterer, auch atomarer Kriege herauf beschwören. Und vor allem wird dieser Krieg Tausenden unschuldiger Menschen das Leben kosten."

Ich möchte an dieser Stelle eine Aktion nennen, vor der ich großen Respekt habe. Ich meine die Tatsache, dass die Abgeordneten Jelpke, Lippmann und Wolf der PDS - allesamt Mitglieder der VVN-BdA und Ulla Jelpke aus unserer Landesvereinigung - während der Rede von Präsident Bush im Bundestag ein Transparent entfaltet haben. Es trug die Aufschrift: "Mr. Bush and Mr. Schröder: Stop your wars!" (Mr. Bush und Mr. Schröder: Macht Schluss mit euren Kriegen!)

Weil wir dem Grundsatz "Frieden" verpflichtet sind, wenden wir uns dagegen, dass die herrschenden Kreise der Bundesrepublik Großmachtpolitik betreiben. Sie wollen offensichtlich, dass Deutschland unter den ganz Großen in der Welt mitspielt. Es geht ihnen in besonderem Maße um den Zugriff auf Rohstoffe wie Erdöl. Es geht um den Kampf um profitabel Absatzmärkte. Diese Großmachtpolitik gefährdet den Frieden. Sie kann unser Land in entsetzliche Kriege hineinreißen.

Dafür wird aufgerüstet. Zur Zeit werden für die eigenen Streitkräfte der Bundesrepublik Deutschland und zur Unterstützungsleistung für NATO-Verbündete pro Jahr (nach offiziellen Angaben) 28 Milliarden Euro ausgegeben. Und die Kehrseite? In der Welt verhungern jeden Tag 18.000 Kleinkinder. Das sind 6,6 Millionen im Jahr. Die Deutsche Welthungerhilfe berechnet 300 Euro pro Jahr und Kind (am Beispiel Südindiens), um diese Kinder zu retten. Das heißt, sie zu ernähren, medizinisch und dann auch schulisch zu versorgen: Für zwei Milliarden Euro im Jahr - acht Prozent des deutschen Rüstungsetats - könnten alle vom Hungertod bedrohten Kinder gerettet werden. Geplant aber ist eine weitere Erhöhung der Rüstungsausgaben. Wir fordern statt Erhöhung der Rüstungsausgaben eine erhebliche Rüstungsminderung und die Verwendung der frei werdenden Mittel für soziale, kulturelle und ökologische Belange. Das wäre sozial gehandelt. Und zugleich wären das Maßnahmen, die dazu beitragen, Neonazismus und extrem rechten Kräften Nährboden zu entziehen.

Zur Zeit erleben wir verstärkte Bemühungen, der Bevölkerung einzureden, Militärpolitik und Rüstung dienten der Sicherheit. Ich muss dabei an Günter Weisenborn denken. Weisenborn, dessen 100. Geburtstag die Kulturvereinigung Leverkusen auf Initiative unseres Kameraden Manfred Demmer mit einer Reihe von Veranstaltungen gewürdigt hat, schrieb bereits vor fast fünfzig Jahren in einem Gedicht:

"Spricht man hierorts von Sicherheit,
dann ist die Rüstung nicht mehr weit.
Dann kommt, worauf ihr wetten könnt,
still ums Eck der Interessent.
Der Interessent kommt nicht allein,
es müssen viele tausend sein.
Und jeder denkt in seinem Sinn:
Die Rüstung bringt Gewinn.
Laut sprechen sie von Sicherheit
und nur leise von Profit.
Die Aufrüstung schützt unser Volk,
schrei'n sie, wir schreien mit.
Und schreit ein Volk nach Sicherheit,
freut sich die Industrie.
Den Interessenten nützt sie stets,
dem Volk dagegen nie!"

Liebe Kameradinnen und Kameraden,

in der Charta der Vereinten Nationen heißt es: "Die Völker der Vereinten Nationen sind fest entschlossen, künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren ... Bedingungen zu schaffen, unter denen Gerechtigkeit und Achtung vor den Verpflichtungen aus den Verträgen des Völkerrechts gewahrt werden können ... Die Kräfte zu vereinen, um den Weltfrieden zu wahren." In eben diesem Sinne wollen wir wirken, wollen wir alles tun, um die Friedensbewegung zu stärken, um alle Aktionen, die dem Frieden dienen, zu unterstützen.

Es bietet sich uns dafür eine gute Gelegenheit. Am kommenden Samstag, dem 14. September, also eine Woche vor den Bundestagswahlen, findet ab 14 Uhr eine Großdemonstration in Köln statt. Sie hat das Motto: "Her mit dem schönen Leben!" Vorher sind von 11 bis 14 Uhr an verschiedenen Plätzen Auftaktveranstaltungen. Getragen wird diese Demonstration von einem Bündnis, zu dem unter anderem die Gewerkschaftsjugend und das attac-Netzwerk gehören. Im Aufruf des Bündnisses heißt es unter anderem: "Wir sind für eine aktive Friedenspolitik und gegen alle Versuche, Konflikte mit Gewalt und militärischen Mitteln zu lösen."

Liebe Kameradinnen und Kameraden,

zur Zeit wird in einem so genannten Konvent, in dem auf europäischer Ebene Vertreter von Parlamenten und Regierungen vertreten sind, über eine zukünftige europäische Verfassung diskutiert. Unsere Landesorganisation hat zu dieser Diskussion bereits einen Beitrag geleistet. Wir haben unseren Vorschlag in ein Material mit dem Titel "Europas Verfassung ... aber bitte nur eine antifaschistische" zusammen gefasst und in die Öffentlichkeit getragen. Wir sollten unsere Arbeit fortsetzen. Alle Völker Europas haben unter dem Faschismus gelitten. Die Lehren aus dem Faschismus haben für alle Völker Europas Bedeutung. Eine zukünftige europäische Verfassung sollte dem Rechnung tragen.

Unser Landesausschuss hat deswegen an den VVN-BdA-Bundeskongress einen Antrag gerichtet, in dem unter anderem vorgeschlagen wird, dass der Bundesausschuss der vereinigten VVN-BdA den Auftrag erhält, mit den Mitgliedern des Konvents zu sprechen und die Vorschläge der deutschen Antifaschistinnen und Antifaschisten einzubringen.

Es ist zu begrüßen, dass die Lager-Arbeitsgemeinschaft Buchenwald in Sachen europäische Verfassung und Antifaschismus tätig geworden ist. In einem Schreiben an die Europa-Parlamentarier, die Mitglied des Europaparlaments sind, fordert sie, dass in die Präambel der zukünftigen europäischen Verfassung eine Passage aufgenommen wird, die den gemeinsamen Kampf der Völker Europas gegen den Nazismus und Faschismus als eines der entscheidenden Fundamente der europäischen Verfassung würdigt.

Liebe Kameradinnen und Kameraden,

unsere Vereinigung hat die große Aufgabe, dafür zu wirken, dass die Opfer des Faschismus Fürsorge erhalten. Wir haben in dieser Beziehung vieles geleistet. Die VVN-BdA zum Beispiel war es, die bereits vor zwanzig Jahren dafür eingetreten ist, dass endlich die Zwangsarbeiter entschädigt werden. Wir haben das an vielen Orten zu einem öffentlichen Problem gemacht. Ich erinnere nur an die Aktivitäten, die zum Beispiel die Kreisorganisation Bochum entwickelt hat.

Jetzt beginnt die Auszahlung des Geldes an einen Teil der Betroffenen. Aber die Summen, die die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter erhalten, sind so gering, dass man nur von einer symbolischen Entschädigung sprechen kann. Außerdem gibt es skandalöse Lücken. Die Nazis haben zum Beispiel 1943 mehr als 100.000 italienische Kriegsgefangene zu Zwangsarbeitern gemacht. Sie erhalten bis heute überhaupt keine Entschädigung.

Die ANRP, eine italienische Vereinigung von NS-Opfern, hat beim Bundesverfassungsgericht für ehemalige italienische zivile und militärische deportierte Zwangsarbeiter eine Verfassungsbeschwerde eingereicht.

Unsere Organisation hat anhand kommunaler Aktenbestände den Nachweis angetreten, dass es sich bei den italienischen Militärinternierten von 1943 bis 1945 um zivile Zwangsarbeiter handelte, denen Entschädigung zusteht. Ulli Sander hat für die VVN-BdA in einem Brief an das Bundesverfassungsgericht die entsprechenden Beweise geliefert. Wir, die VVN-BdA, werden auch weiterhin die Forderungen der italienischen Vereinigung von NS-Opfern unterstützen.

Ich nenne eine weitere Tatsache: Es handelt sich um die Sinti und Roma. Sie wurden von den deutschen Besatzern oft gleich an Ort und Stelle zu Sklaven gemacht, wenn sie nicht umgebracht wurden. Nach den zur Zeit geltenden Bestimmungen muss das Opfer aber deportiert gewesen sein, um Geld zu bekommen. Das ist ein Skandal! Wir fordern: Alle Sinti und Roma, die zu Zwangsarbeitern gemacht wurden, müssen Entschädigung erhalten.

Ich nenne noch einen Fall, bei dem es um Opfer des Faschismus geht. Am 10. Juni 1944 wurden in dem griechischen Ort Distomo von einer Einheit der SS 218 Menschen, darunter viele Frauen und Kinder, selbst Babies, getötet. Das oberste Gericht Griechenlands hat die Forderung bestätigt, dass von der deutschen Bundesregierung für die Opfer rund 50 Millionen DM gezahlt werden müssen. Ein Sprecher des deutschen Auswärtigen Amtes hat dazu erklärt: "Das ist einfach durch die Zeit und durch die Geschichte überholt." Wir protestieren gegen diese Abweisung. Der Forderung des obersten griechischen Gerichtes muss entsprochen werden. Sämtliche griechische Opferstädte sind zu entschädigen, die Bundesregierung soll aufhören, sich der Verwirklichung der Urteile höchster griechischer Gerichte zu widersetzen.

Noch ein Wort zu den Opfern des Kalten Krieges in Deutschland. Was ist mit den Frauen und Männern, die in den Jahren nach 1950 bis weit in die 60er Jahre hinein inhaftiert und verurteilt wurden, weil sie beispielsweise als Mitglieder der KPD, der FDJ, der Vereinigung Frohe Ferien für alle Kinder oder als Mitglieder anderer Organisationen gegen die Remilitarisierung, für die Vereinigung Deutschlands eingetreten waren? Wir fordern erneut ihre Rehabilitierung und Entschädigung.

In Deutschland haben wir Massenarbeitslosigkeit. Die Jugendarbeitslosigkeit ist erschreckend hoch. Die soziale Not wächst. Und damit wächst auch der Nährboden für Neonazis und andere extrem rechte Kräfte. Unsere älteren Kameradinnen und Kameraden wissen aus ihrer Lebenserfahrung, welche Gefahren sich daraus entwickeln können. Das heutzutage oftmals verbreitete Argument - die neonazistischen Parteien haben bei Wahlen nur begrenzte Ergebnisse, also sei Sorge nicht angebracht - stimmt nicht. In einigen Jahren kann das ganz anders sein. Weimar mahnt! Zunächst war die Nazi-Partei auch nur eine Splitterpartei, und dann wurde sie rasch zu einer Partei mit Masseneinfluss. Die Folgen kennen wir. Heute sind auch die Erfolge rechtsextremer Parteien in einer Reihe von europäischen Ländern eine zusätzliche Warnung.

Im Grunde genommen wurden nach 1945 zunächst einige Schlussfolgerungen gezogen. Eben weil in der Weimarer Zeit, der großen wirtschaftlichen Krise, das Finanzkapital seine wirtschaftliche Macht missbrauchte, auf Hitler setzte und ihn an die Macht schob, wurde unter anderem der Artikel 14 in das Grundgesetz eingefügt. In ihm heißt es: "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen." Und weil es, auch aus den Erfahrungen der Weimarer Zeit, notwendig ist, für die sozialen Menschenrechte zu wirken, heißt es in der Landesverfassung von Nordrhein-Westfalen im Artikel 24: "... Im Mittelpunkt des Wirtschaftslebens steht das Wohl des Menschen. Der Schutz seiner Arbeitskraft hat den Vorrang vor dem Schutz materiellen Besitzes. Jedermann hat ein Recht auf Arbeit." In einem Kommentar zur Verfassung heißt es, dass die Bedeutung dieses Artikels darin bestehe, dass er die Grundkonzeption einer Wirtschafts- und Sozialordnung enthalte, dass er programmatische Weisungen an den Gesetzgeber gebe. Es wird besonders hervor gehoben, dass der Schutz der Arbeitskraft den Vorrang vor dem Schutz materiellen Besitzes haben muss. Gäbe es einen Interessenkonflikt, so sei die Arbeitskraft als das höhere Gut anzusehen. Wir verlangen, dass Regierung und Parlamentarier nach dieser Verfassungsbestimmung handeln.

Auch für den Verfassungsschutz habe ich an dieser Stelle eine lohnende Aufgabe: Wäre es nicht gut, einmal aufzulisten, welche großen Wirtschaftsvereinigungen gegen diesen Artikel 24 der Landesverfassung verstoßen und somit verfassungsfeindlich handeln? Warum taucht so etwas im Verfassungsschutzbericht nicht auf?

Unsere Organisation tritt für die sozialen Menschenrechte ein. Ohne die Durchsetzung der sozialen Menschenrechte ist die wirkliche Nutzung der demokratischen und politischen Rechte nicht möglich.

Liebe Kameradinnen und Kameraden,

in 14 Tagen wird der neue Bundestag gewählt. Die VVN-BdA ruft auf, dafür zu sorgen, dass bei der Wahl der NPD und anderen neonazistischen und extrem rechten Parteien eine Abfuhr erteilt wird. Ein wichtiger Schritt zur Veränderung und Verbesserung der Verhältnisse ist, dafür zu sorgen, dass sie gar nicht erst ins Parlament kommen. "Keine Rechten ins Parlament!" erklärt unsere Bundesvereinigung in einem Flugblatt zu den Wahlen. Kandidatinnen und Kandidaten, die sich für faschistische Gedanken und Ziele engagieren, die dem Rassismus, der Ausländerfeindlichkeit, dem Antisemitismus und Militarismus den Boden bereiten, gehören nicht in den Bundestag. Keine Kandidatinnen und Kandidaten des Krieges und der Kriegsführung wählen!

Wie das Ergebnis der Bundestagswahlen auch sein möge, die VVN-BdA wird jede Regierung mit der Forderung konfrontieren: Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!

Liebe Kameradinnen und Kameraden,

die Bedeutung der Geschichtsarbeit, der Erinnerungsarbeit wächst. Sie ist eins der wichtigsten Mittel, die junge Generation anzusprechen und an antifaschistisches Handeln heran zu führen.

Es hat sich vieles getan im Land Nordrhein-Westfalen auf dem Gebiet der Geschichtsarbeit. Es ist unmöglich, alles aufzuzählen. Ich möchte einiges nennen. Es liegt euch eine Broschüre vor: "Streiflichter aus 50 Jahren Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes in Nordrhein-Westfalen. Sie vermittelt uns viele, manchmal in Vergessenheit geratene Tatsachen. Dank dem Kameraden Manfred Demmer, der ganz besonders daran gearbeitet hat. Dank auch den Kameraden Peter Baumöller, Günter Judick, Hagen Blau und Horst Vermöhlen, die viel Arbeit hinein gesteckt haben. Manni Demmer hat eine Schrift "Zur Geschichte des Mahnmals und der Kundgebungen am Wenzelnberg" verfasst. Im Kreis Herten erschien die Broschüre "Agnes Miegel - Propagandistin des NS-Regimes". Die Kommission Neofaschismus gab eine Schrift über den deutschen Militarismus heraus. Im Ennepe-Ruhr-Kreis erschien der Stadtplan "Sprockhövel im Nationalsozialismus 1933 bis 1945". In Bochum erschien eine Schrift über die Sinti und Roma in der Zeit des Faschismus in Bochum. Von Ulli Sander erscheint im nächsten Monat das Buch "Jugendwiderstand im Krieg. Die Hellmuth-Hübener-Gruppe 1941/1942".

In Oberhausen hat der Ältestenrat des Stadtparlaments einstimmig beschlossen, eine Straße nach Kaplan Dr. Josef Rossaint zu benennen. In Leverkusen gestaltete die dortige Kulturvereinigung Günter-Weisenborn-Tage aus Anlass des 100. Geburtstages des Schriftstellers und Antifaschisten. Wie gesagt: die Aufzählung ist nicht vollständig.

Dank allen Kameradinnen und Kameraden, die antifaschistische Stadtrundgänge durchführten, die - wie Maria Wachter und Bruno Bachler zum Beispiel - immer wieder in die Schulen gehen und über die Erfahrungen des Widerstandes berichten, wobei Bruno und unsere anderen Duisburger Kameradinnen und Kameraden sogar die Schüler in die Gedenkstätte einladen können, die von der VVN Duisburg geschaffen wurde und deren Besuch ich Euch allen empfehlen kann. Dank den Kameraden vor allem der Neofa-Kommission, die die landesweiten Konferenzen der antifaschistischen Organisationen und Gruppierungen durchgeführt haben.

Es muss uns aber beunruhigen und es ruft unsere Kritik hervor, dass in der offiziellen Geschichtsschreibung - bis in die Schulbücher hinein - häufig der Anteil der Arbeiterbewegung am antifaschistischen Widerstand vernachlässigt wird. Wir sollten darauf hin wirken, dass die Worte Ernst Wiecherts gebührend beachtet werden, die er 1947 schrieb. (Ernst Wiechert war katholischer Schriftsteller und selbst Häftling im KZ Buchenwald.)

"Die Helden und Märtyrer jener Jahre, sie sind nicht diejenigen, die mit dem Kriegslorbeer aus den eroberten Ländern zurück kehrten. Sie sind diejenigen, die hinter Gitter und Stacheldraht zu Ehre des deutschen Namens starben. Unter ihnen gab es wenige von Adel und nicht sehr viele aus den Reihen des reinen Geistes. Unter ihnen gab es viele aus den Reihen der Kirche, aber sie alle treten zurück hinter den langen Zügen, die aus den Hütten des armen Mannes bei Tag und Nacht ihren Todesweg antraten. Vieler Jahrzehnte Lasten, Hunger und Qual hat der deutsche Arbeiter getragen, Kriegs- und Friedenslasten, aber niemals hat er eine schwerere getragen als in diesen zwölf Jahren. Niemals auch eine ehrenvollere und keine Hand einer dunklen oder hellen Zukunft soll diesen unvergänglichen Glanz von seiner Stirn wischen."

Liebe Kameradinnen und Kameraden,

zwei weitere Einrichtungen unserer Organisation sind als Besonderheiten zu nennen. Da ist das Hartmut-Meyer-Archiv mit seinen Beständen zur Aufklärung über den Neonazismus und das Georg-Herde-Archiv mit seinem Material über gefährliche revanchistische Bestrebungen. Beide Einrichtungen sind in der Obhut unseres Landesverbandes und wir sollten alles tun, um sie weiterzuentwickeln. Sehr erfreut sind wir, dass aus Materialien dieser Archive die Ausstellung "Neofaschismus in der Bundesrepublik Deutschland" mit gestaltet werden konnte. Unsere Landesorganisation hat sich sofort nach Erscheinen der neuen Neofaschismus-Ausstellung, geschaffen von VVN-BdA, Rechtem Rand und IG Metall, ein Exemplar gekauft und in unserem Land eingesetzt. Zusätzlich steht ein Exemplar in Kleinformat zur Verfügung. Die Ausstellung ist sehr gut angenommen worden, arbeiten wir weiter damit.

Die Bedeutung der Gedenkstättenarbeit wächst, liebe Freundinnen und Freunde. Ihr alle wisst aus euren Kreisen, dass die Zahl der antifaschistischen Zeitzeugen immer geringer wird. Ihre Erinnerungen, Erfahrungen und Vermächtnisse sind wenigstens zum Teil in den Gedenkstätten aufbewahrt und dargestellt. Wir sollten dazu beitragen, dass sie bereichert und ausgestaltet werden. Wir sollten helfen, dass die Tätigkeit der Gedenkstätten vor allem auf die junge Generation ausgerichtet wird. Es ist wichtig, Anregungen zu geben und Ideen dafür zu entwickeln, dass Schülerinnen und Schüler, dass Lehrerinnen und Lehrer im Rahmen der Erinnerungsarbeit tätig werden. Es gibt hervorragende Beispiele dafür.

Wir haben in unserem Landesbüro damit begonnen, bedeutende Schätze für die Erinnerungsarbeit nutzbar zu machen. Dort lagern Akten mit den Dokumenten und Selbstzeugnissen von Widerstandskämpfern und Opfern des Faschismus, die vor über fünfzig Jahren unserer Organisation übergeben wurden. Sie lagen der Geschichtsarbeit unserer Organisation in den sechziger Jahren zugrunde. Jetzt wollen wir daraus das Archiv des Widerstandes an Rhein und Ruhr schaffen. Dazu haben wir unsere Kreisorganisationen gebeten, an der materiellen Absicherung dieses Projektes mitzuwirken. Es wäre auch gut, wenn es uns gelänge, dafür öffentliche Förderungsmittel zu erhalten. So können wir die Zeugnisse der Zeitzeugen, die schon nicht mehr unter uns sind, ebenfalls der Nachwelt zugute kommen lassen.

Wir treten dafür ein, dass die bestehenden Gedenkstätten vom Land bzw. von den Kommunen stärker gefördert werden, dass sie auch finanziell mehr unterstützt werden.

Die Kreisorganisation Dortmund wirkt für ein neues Projekt. Es geht darum, an die Jüdinnen und Juden und die Ausländer zu erinnern, die im industrieeigenen KZ in Dortmund-Hörde, dem so genannten Auffanglager Hüttenwerk, eingesperrt waren und kurz vor Kriegsende ermordet wurden. In einem Teil des noch existierenden Pförtnerhauses soll ein würdiger Gedenkraum für die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter eingerichtet werden.

Wir freuen uns darüber, dass wieder Gedenktafeln an Gebäuden und an Orten, die für den Widerstand gegen das Naziregime wichtig sind, angebracht wurden. Ich will ein Beispiel dafür nennen. In Düsseldorf hat der Verein Düsseldorfer Journalisten beschlossen, das ursprünglich für ein Vereinsfest vorgesehene Geld anders zu verwenden. Der Verein ließ von einem Künstler eine Gedenktafel für den kommunistischen Journalisten Dagobert Lubinski herstellen. Dagobert Lubinski hatte gegen das Nazi-Verbrechersystem Widerstand geleistet, war zu Zuchthaus verurteilt und dann nach Auschwitz deportiert worden. Dort wurde er vergast. Die Tafel wurde an dem Haus angebracht, in dem Lubinski mit seiner Familie gewohnt hatte. Im Rahmen einer Feierstunde, an der auch ein Vertreter der Stadt Düsseldorf teilnahm, wurde sie enthüllt. Wir sollten Anregungen dafür geben, dass solche Art von Erinnerungsarbeit Schule macht. Es gibt noch viele Orte der Erinnerung an den Widerstand gegen die Nazidiktatur, bei denen es sich lohnen würde, Gedenktafeln anzubringen.

Liebe Kameradinnen und Kameraden,

wir freuen uns darüber, dass es - nach langer Diskussion - endlich auf die Vereinigung der beiden großen antifaschistischen Organisationen aus Ost und West zu geht. Die Zusammenführung ist ein wichtiger, ein überfälliger Schritt. Mit unserem Bundeskongress im Oktober in Berlin und dem zur gleichen Zeit und am gleichen Ort stattfindenden Kongress unserer Partnerorganisation im Osten - der VVdN-BdA - steht der Zusammenschluss bevor. Eine gemeinsame Grundsatzerklärung, die programmatische Erklärung, liegt bereits vor. In ihr sind die übereinstimmenden Auffassungen über Aufgaben und Ziele der antifaschistischen Arbeit benannt. Ebenfalls liegt bereits vor der von den Leitungsorganen der Organisationen ausgearbeitete Entwurf eines gemeinsamen Statuts und eines Verschmelzungsvertrages. Statut und Verschmelzungsvertrag müssen von den in Berlin parallel tagenden Delegiertenkonferenzen Ost und West wortgleich und mit Dreiviertel-Stimmenmehrheit bestätigt werden. Das fordert das entsprechende Gesetz. Wir sollten unsere Delegierten zum Bundeskongress bitten, alles dafür zu tun, dass die Vereinigung Wirklichkeit wird. Sie ist ein wichtiger Schritt nach vorn.

Wir haben in der Berichtsperiode leider zahlreiche Kameradinnen und Kameraden durch Tod verloren. Das ist ein bitterer Verlust. Dahinter stehen Schicksale von Menschen, die dem Faschismus Widerstand entgegen gesetzt haben, die all ihre Kraft der antifaschistischen Arbeit gegeben haben. Sie sind schwer zu ersetzen. Ihr Tod trifft uns um so mehr, da wir ein Problem mit unserer Mitgliederentwicklung haben. Wir haben in unserer Landesorganisation zur Zeit 1047 Bezieher der Antifaschistischen Rundschau. Das sind - von Ausnahmen abgesehen - unsere Mitglieder. Hinzu kommen Mitglieder, die aus verständlichen Gründen keine eigene Antifaschistische Rundschau beziehen, Ehepartner zum Beispiel. Diese Zahl ist aber begrenzt.

Wir müssen verstärkt neue Mitglieder werben. Die Erfahrungen zeigen, dass neue Mitglieder, vor allem junge Mitglieder, in besonderem Maße dort gewonnen werden können, wo unsere Kreisorganisationen aktiv und ideenreich Öffentlichkeitsarbeit machen. Eine erfreuliche Entwicklung haben wir in Siegen zu verzeichnen. Dort haben wir fünf neue Mitglieder, eine Kreisorganisation ist im Aufbau.

Immer wieder kommt es vor, dass junge Leute, nicht organisierte Antifaschisten, unseren Rat und unsere Hilfe erbitten - und erhalten. Als über 50 junge Leute zu Pfingsten zum Traditionstreffen der Gebirgsjäger in Mittenwald fuhren und die dort unter den Veteranen weilenden Täter der Verbrechen in zahlreichen Orten überfallener Länder mit ihren Untaten konfrontierten, da hatten sie das Material von unserem im Aufbau befindlichen Bundeswehrarchiv erhalten. Ältere Kameraden sorgten dann per Internet dafür, dass die Enthüllungen der jungen Leute, die mit Polizei- und Bundeswehrgewalt unterdrückt werden sollten, doch ans Licht der Öffentlichkeit kamen. Später haben wir Strafanzeige erstattet, um gegen die Verwendung verbotener Nazisymbole bei dem Treffen der Gebirgsjäger zu protestieren. Die Zusammenarbeit der VVN-BdA mit jungen Leuten klappte in diesem wie in vielen anderen Fällen. Wir rufen den jungen Leuten zu, nicht nur mit der VVN zu arbeiten, sondern auch in ihr zu wirken. Unsere Organisation braucht die Jugend und ich kann sagen, junge Leute merken sehr häufig und immer öfter, dass sie die VVN-BdA brauchen

Unserer Konferenz liegt ein Antrag zu engsten Zusammenarbeit mit dem Förderverein der Emslandlagergemeinschaft, den früheren Moossoldaten vor. Er sieht gewissermaßen eine Patenschaft mit dieser Vereinigung der Opfer des Faschismus von, von denen viele aus dem Gebiet des heutigen NRW kamen. Der Antrag stellt eine hohe Anforderung an uns alle - aber vor allem an die jungen Mitglieder. Denn es geht um die Bewahrung und Pflege der Gedenksteine für Carl von Ossietzky und für alle Moorsoldaten. Es geht um ein gewichtiges Stück Erinnerungsarbeit. Dies können wir nicht leisten, wenn nicht immer wieder unsere Mitglieder, vor allem die jüngeren, vor Ort und auch hier im Land im Sinne dieser Erinnerungsarbeit wirken.

Liebe Kameradinnen und Kameraden,

unsere heutige Konferenz ist die letzte als Landesverband in der VVN-BdA Westdeutschlands. Bald werden wir Teil der VVN-BdA ganz Deutschlands sein. Wir gehen daran, unsere Organisation in die Lage zu versetzen, die Zukunft zu meistern. Ja für sehr lange Zeit bedarf es noch unserer Organisation, jedoch stets in einer der neuen Zeit gerecht werdenden Form und Praxis. Auf unserer heutigen Konferenz wollen wir den Schritt zum Generationswechsel gehen, aber zugleich die enge Verbindung zwischen den Generationen erhalten. Wir wollen zum Beispiel vorschlagen, einen Sprecherinnen- und Sprecherrat zu schaffen. Bisher sieht es aber so aus, als ob es nur ein Sprecherrat wird. Es fehlen noch die Kameradinnen untern den Kandidaten und es fehlen die ganz Jungen. Vielleicht findet sich aber noch im Laufe des Tages mancher oder manche, der oder die sich engagieren wollen. Solche, die wissen:

Mehr denn je ist Antifaschismus gefordert. Es geht darum, gegen jede Erscheinung von Neonazismus, Rassismus und Antisemitismus gemeinsam mit Gleichgesinnten - ganz unabhängig von sonstiger ideologischer oder politischer Überzeugung - den Protest und Widerstand zu entwickeln. Jede Verharmlosung sich vollziehender gefährlicher Entwicklung in unserem Land ist eine Missachtung der Erfahrungen der deutschen Geschichte. Wir, die wir die Traditionen derer weiter tragen, die Widerstand gegen den Faschismus geleistet haben, die in ihrem Widerstand Opfer gebracht haben, müssen unsere warnende Stimme erheben. Ganz besonders müssen wir vor neuer Kriegspolitik, vor neuen militärischen Abenteuern warnen. Die Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald, die nach ihrer Befreiung ihren berühmten Schwur ablegten, haben die entscheidende und noch heute gültige Schlussfolgerung aus ihren Lebenserfahrungen gezogen. Es bleibt bei diesen Schlussfolgerungen. Wir tragen sie weiter:

Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!

(Redeentwurf vom August 2002)