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Sehr geehrter Herr...

Brief an den Präsidenten des Landtags NRW

 

15. Januar 2001

Herrn Präsidenten des Landtages von Nordrhein-Westfalen

Düsseldorf

Sehr geehrter Herr Präsident!

Wir bitten Sie, folgendes den Fraktionen des Landtages zuzuleiten.

Die Ankündigung der braunen "Kameradschaften", nun regelmäßig in Nordrhein-Westfalen mit Aufmärschen zu provozieren - als nächstes in Hagen und dann erneut in Dortmund - beunruhigt die Mitglieder unserer Organisation und ihre Angehörigen erheblich. Unter ihnen sind viele, die dem Terror des NS-Regimes ausgeliefert waren.

Wir sind der Meinung, nun sind Landtag und Landesregierung gefordert, denn die Ebene der Regierungspräsidenten, der Polizeipräsidenten und der Verwaltungsgerichte scheint sich des Ernstes der Lage nicht bewußt zu sein.

Wir verurteilen entschieden die brutalen quasi anti-antifaschistischen Polizeieinsätze mit ihren Einkesselungen von demonstrierenden Kindern und Jugendlichen in Dortmund und Düsseldorf, möchten aber auch auf den Anteil der Justiz und mancher Landespolitiker an der entstandenen, für die Neonazis günstigen Situation erinnern. Weder Innenminister noch Justiz scheinen aus den Jahren vor 1933 gelernt zu haben, in denen ihre Vorgänger den Nazis die Straßen freimachten.

Doch wie verhalten sich die verantwortlichen Politiker, unter ihnen solche, die neuerdings immer zum "Gesichtzeigen" und zum "Aufstand der Anständigen" aufrufen? Sie enttäuschen die Jugendlichen, die ihnen gefolgt sind, nunmehr aber - auch von der Landesregierung - aufgefordert werden, den Nazis das Feld, das heißt "die leere Straße" zu überlassen.

Wir hätten von der Landesregierung ein klares Wort zu jenem Obersten Verwaltungsgericht in Münster erwartet, das den Neonazis freie Bahn bereitet und sogar von der Landesregierung ausgesprochene Organisationsverbote mißachtet. Indem das Gericht so urteilt und indem die Politiker dazu schweigen, geben sie der NPD -

gewollt oder nicht - ein Signal, nämlich dieses: Ein Parteiverbot bewirkt nicht viel, die NPD muß nur unter anderem Namen, wie die verbotene FAP in Dortmund, aber mit den denselben Leuten marschieren. Übrigens hat das Münsteraner Gericht nie davor zurückgescheut, Antifaschisten in der Ausübung ihrer demokratischen Grundrechte zu behindern. Es untersagte den Studentenschaften des Landes NRW politische antifaschistische Aktionen und das politische Mandat. Sogar eine Veranstaltung der Studenten der Universität Münster zum Tag der Befreiung am 8. Mai 1995 mit Emil Carlebach, langjähriger Buchenwaldhäftling, wurde von dem Gericht verboten.

Wir fordern die Landesregierung und den Landtag in Düsseldorf auf, dem Treiben der Nazis nicht länger tatenlos zuzuschauen. Wir hoffen, daß es niemals geschieht, daß Polizeibehörden unseres Bundeslandes sich den unseligen Karl Zörgiebel zum Vorbild nehmen. Dieser Zörgiebel war vor 1933 Polizeipräsident in Berlin und Dortmund. In seiner Berliner Zeit sorgte er für Demonstrationsfreiheit der Rechtsextremisten und für Verbote der Demonstrationen von Antifaschisten. Das Verbot der Maidemonstration 1929 setzte er mit der Schußwaffe durch, über 30 tote Arbeiter waren zu beklagen.

Den heutigen Polizeipräsidenten sollte, so meinen wir, der viel zu früh verstorbene Dortmunder Polizeipräsident Wolfgang Schulz zum Vorbild gegeben werden. Er hat niemals eine Nazikundgebung oder -demonstration zugelassen. Wolfgang Schulz hat Mittel und Wege gefunden, den Neonazis Kundgebungsplätze und Demonstrationswege zu verweigern, weil diese von Demokraten beansprucht werden.

Was sind das für Leute, die da laut Polizei und unter Berufung auf die Justiz ein Anrecht auf Dauerpräsenz in Dortmund und anderen NRW-Städten erhalten sollen? Ihr Anführer Christian Worch ist einer der Führer der SA-ähnlichen AntiAntifa, die u.a. mit ihrer Schwarzen Liste "Einblick" nachhaltig zum Terror und zur Gewalt gegen Antifaschisten, besonders gegen demokratische Journalisten, gegen Ausländer und jüdische Einrichtungen aufruft. Ein weiterer ist Siegfried Borchardt, früherer FAP-Anführer, wegen Körperverletzung und anderer Delikte häufig vorbestraft. Ihm und seinen Kumpanen hat die Staatsanwaltschaft Dortmund unter 31 Js 103/88 bescheinigt: "Die Beschuldigten haben sich durch das von Ihnen beigefügte Flugblatt nicht der Volksverhetzung schuldig gemacht. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vom 14. 03. 1984 erfüllt die Parole ‘Ausländer raus’ nicht den Tatbestand der Volksverhetzung, so daß trotz des ausländerfeindlichen Inhalts des Flugblattes eine Straftat nicht festgestellt werden kann." (Aus einem Schreiben an Antifaschisten, die schon 1988 gegen Borchardt protestierten.) Ausländerfeindliche Hetze wurde den Neonazis seit langem genehmigt. Borchardt und Co. hatten geschrieben: "Immer mehr Ausländer überfremden unser Land. Wir sagen zu den volksfeindlichen Plänen ohne wenn und aber Nein. Für eine deutsche Politik in diesem Land. Deutschland muß deutsch bleiben. Internationalismus und Rassenmischmasch? Nein! Deutsche Arbeitsplätze für deutsche Arbeitnehmer! Ausländer raus!"

Von höchsten Richtern und Politikern ermuntert, belassen es die Nazis nicht bei Flugblättern, um "Ausländer raus" Nachdruck zu verschaffen. Seit Jahren greifen sie auch zum Terror. Über hundert Menschenleben sind zu beklagen.

Die Aufforderung des Ministerpräsidenten unseres Landes zu "den leeren Straßen" - das heißt zu freien Straßen für Nazidemonstrationen - kann daher nicht das letzte Wort in dieser Angelegenheit gewesen sein. Bitte handeln sie, verehrte Mitglieder des Landtages.

Wir richten an Sie die folgende Petition, die Sie bitte bald und vordringlich behandeln möchten:

- Der Landtag setzt einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß ein, um die Vorgänge bei den Massenfestnahmen und Einkesselungen vom 21. Oktober 2000 in Dortmund, 28. Oktober 2000 in Düsseldorf und 16. Dezember 2000 in Dortmund zu prüfen und aufzuklären sowie ihre Wiederholung künftig auszuschließen.

- Der Landtag distanziert sich von der Auffassung der höchsten Verwaltungsrichter in NRW, die ungeachtet gültiger Organisationsverbote Vereinigungen wie der verbotenen FAP die Betätigung mittels Aufmärschen und anderen Aktivitäten ermöglichen.

- Der Landtag ergreift die Initiative zur Schaffung eines bundesweiten Gesetzes, das die Verwendung der Losung "Ausländer raus" als Volksverhetzung unter Strafe stellt.

- Der Landtag fordert von der Landesregierung Auskunft darüber, wie künftig Verbote von Neonaziorganisationen nachhaltig durchgesetzt werden sollen.

- Der Landtag entschuldigt sich im Namen des Landes bei den Bürgerinnen und Bürgern, die am 21. Oktober 2000 in Dortmund, am 28. Oktober 2000 in Düsseldorf und am 16. Dezember 2000 in Dortmund an dem von Bundes- und Landesregierung geforderten "Aufstand der Anständigen" teilnahmen und dafür erhebliche staatlich verursachte Nachteile hinnehmen mußten.

Mit freundlichen Grüßen

Josef Angenfort, Landesvorsitzender; Ulrich Sander, Landessekretär