02.02.03
Nie wieder!
1933 - 2003
Konferenz antifaschistischer
Initiativen, Organisationen und Bündnisse aus Nordrhein-Westfalen
aus Anlass des 70. Jahrestages der Machtübertragung an Hitler,
1.2.03 in Dortmund, Dietrich Keuninghaus
Schlussansprache von Pastor
Hanno May, Dortmund-Scharnhorst, Schalom-Gemeinde
Der 70. Jahrestag der Machtübertragung an Hitler war für uns
der Anlaß, uns hier zu treffen. Wir haben intensive Gespräche
geführt und engagiert diskutiert. Über die Vergangenheit, über
die aktuelle politische Situation und über Perspektiven für die
Zukunft.
Michelangelo hat einmal gesagt: „Der Hoffnung ist eine
Schwester gegeben: sie heißt Erinnerung.“
Wir erinnern uns und wir fordern von der Gesellschaft, sich zu
erinnern, immer wieder: an alle Opfer, die Geschlagenen und
Ermordeten – die Bekannten und die vielen Namenlosen. Wir wollen
uns erinnern: an die Ursachen, die zur Machtübertragung an die
Nazis führten und an die Folgen der braunen Jahre, die wir bis
heute spüren.
Wir wollen uns erinnern: an den Schwur von Buchenwald, in dem
es heißt: „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist
unsere Losung! Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der
Freiheit ist unser Ziel.“
Wir wollen uns erinnern: an die ersten Versuche, aus der
Geschichte lernend, dem Nachkriegsdeutschland ein anderes Gesicht
zu geben: friedlich, sozial, gerecht, demokratisch. Wir wollen uns
erinnern: an Auschwitz und Hiroshima, um zu verhindern, dass sie
der Anfang vom Ende gewesen sind, dass sie uns Mund und Augen
öffnen auf dem Weg der Umkehr in die Zukunft.
Wir wollen uns erinnern: an das, was dem Menschen möglich ist,
wenn er des Menschen ärgster Feind ist, was Neofaschismus und
Ausländerfeindlichkeit, Hetze gegen Minderheiten und Verfolgung
Andersdenkender auf dem Boden dieser Geschichte bedeuten.
„Der Hoffnung ist eine Schwester gegeben: die Erinnerung.“
Nur wenn wir immer wieder an die Verbrechen des Naziregimes
erinnern, haben wir die Hoffnung auf ein Leben in diesem Land ohne
Antisemitismus, Rassismus und Neonazismus.
Uns erinnern an die Opfer des Naziterrors: Jüdinnen und Juden,
Sinti und Roma, Menschen mit Behinderungen, Kommunistinnen und
Kommunisten, Homosexuelle, Andersdenkende und Anderslebende, all
die Menschen aus dem Widerstand.
Erinnern – und wahrnehmen, sehen, was heute ist. 70 Jahre
danach – werden wieder Menschen, die anders aussehen, anders
denken, anders leben durch die Straßen gejagt, verletzt,
getötet.
Gewalt gegen Fremde, gegen Schwache, gegen Ausgegrenzte,
Ausländer, Andersaussehende – rassistische Gewalttaten,
fremdenfeindliche Übergriffe: Alltag in Deutschland auch im Jahr
2003.
Auch hier in Dortmund, wo SS und SA wüteten und mordeten,
treten Faschisten immer wieder offen auf – wie am letzten
Wochenende in Scharnhorst: über 200 Nazis, die mit ihrer
Forderung „Todesstrafe für Kinderschänder“ und ihrem
abartigen Sprechchor „Kinderschänder = Organspender“ durch
die Straßen zogen.
Deshalb ist es notwendiger denn je: weiterhin gemeinsam
aufzustehen gegen Rechts – gegen Antisemitismus, Rassismus und
Neonazismus – und für eine fremdenfreundliche und soziale
Politik.
Und dabei nicht vergessen: Neofaschismus – das ist nicht nur
ein Phänomen gewaltbereiter überwiegend jugendlicher Neonazis,
sondern politische Grundeinstellung so vieler, die klammheimliche
Freude empfinden, wenn sie von fremdenfeindlichen Gewalttaten
hören. Und die politischen Brandstifter sind genau diejenigen,
die die „Das-Boot-ist-voll“-Ideologie in die Welt
hinausposaunen und unser Asylrecht permanent in Frage stellen.
Die Geschichte mahnt: Schweigt nicht wieder. Steht auf gegen
Rechts.
Der Rauch von Auschwitz weht immer noch über’s Land.
Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!
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