19.09.02
Materialien der Landesdelegiertenkonferenz der
VVN-BdA Nordrhein-Westfalen
am Samstag 7. September 2002
in Bochum, Verdi-Haus( früher ÖTV), Universitätsstraße 76
Motto unserer
Landesdelegiertenkonferenz: „Die Vernichtung des Nazismus mit
seinen Wurzeln ist unsere Losung, der Aufbau einer neuen Welt des
Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren
gemordeten Kameraden, ihren Angehörigen schuldig.“ (Aus dem
Schwur von Buchenwald vom 19. 4. 1945)
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An den Innenminister von NRW
Initiativantrag
Entschließung
Die Landesdelegiertenkonferenz der VVN-BdA NRW solidarisiert
sich mit den Aktionen der von Abschiebung bedrohten Roma in
Düsseldorf. Wir fordern den Innenminister des Landes, Herrn
Behrens, auf, sich für das Bleiberechte der Roma einzusetzen. Als
Mitglieder der VVN-BdA, die den Kampf gegen Faschismus und
Rassismus auf ihre Fahnen geschrieben haben, sagen wir:
Es ist eine Schande, daß ausgerechnet die BRD den Roma erneut
großes Unrecht antut, ein Land, das - durch seine maßgebliche
Beteiligung am völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen
Jugoslawien erst dazu beigetragen hat, daß diese Roma als
Kriegsflüchtlinge auch vor dem Terror der UCK fliehen mussten. -
ein Land, das den Sinti und Roma bis heute Entschädigungen für
ihre massenhafte Verfolgung, Ermordung und Deportation aus
rassistischen Gründen während des Hitlerfaschismus verweigert.
Es ist ein Skandal, daß ausgerechnet dieser Staat sich heute
wieder an der Vertreibung dieser Bevölkerungsgruppe schuldig
macht. Die Landeskonferenz fordert vom Innenminister, daß er ein
Amtsenthebungsverfahren gegen den Düsseldorfer
Oberbürgermeister, Herrn Erwin, einleitet. Dieser ist in
besonders illegaler Form gegen die Grundrechte der Roma und Sinti,
gegen ihr Versammlungsrecht, vorgegangen und hat Amtsmissbrauch
betrieben.
Ulrich Sander
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Dortmund, den 12.09.02
Landessprecher der VVN-BdA
An den Petitionsausschuss des Landtages von Nordrhein Westfalen
Düsseldorf Platz am Landtag
Betr. Naziopfer empört über
Aktivitäten der Neonazis in der Stadt der Karfreitagmorde
Fortsetzung der Petition vom 2.4.02 (Eingang bei Ihnen) Nr.
13-06752
Sehr geehrte Damen und Herren!
Nachdem kürzlich im Polizeipräsidium von Dortmund eine
Anhörung Ihres Ausschusses stattfand, die obige Petition zum
Inhalt hatte, haben wir die Petition auch dem Landesverband der
VVN-BdA NRW vorgelegt. Einstimmig beschloss die
Landesdelegiertenkonferenz am 7. September in Bochum die Petition
– jedoch in nachfolgender Fassung.
Wir bitten Sie, diese Petition mit in Ihre Überlegungen
einzubeziehen, insbesondere bitten wir um Antworten zu den vier
Fragen am Schluß des Textes.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Ulrich Sander, Sprecher der VVN-BdA
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Endfassung des Antrags Nr. 2 (so
beschlossen)
Resolution an den Landtag von
Nordrhein Westfalen, Düsseldorf, Platz am Landtag –
verabschiedet von der Landeskonferenz der Vereinigung der
Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA NRW) am 7. September 2002 in
Bochum
Naziopfer empört über
ungestörte Aktivitäten der Neonazis in NRW
Wir unterstützen vollinhaltlich die Erklärung des
Internationalen Rombergparkkomitees von seiner Tagung zu Ostern
2002 in Dortmund, die dem Landtag zuging und bisher ohne Antwort
blieb. Dem Komitee gehören Mitglieder aus allen Nationen an, aus
denen Opfer bei den Dortmunder Karfreitagmorden der Gestapo von
1945 zu beklagen waren.
Ihre Erklärung lautet u.a.:
NRW auf dem Weg in eine braune Zukunft?
In Dortmund fand ein Nazi-Konzert, genannt Geburtstagsfeier,
mit mehreren militanten, antisemitischen und rassistischen Bands
statt. Der Staatsschutz kennt die Bands, die Polizeibehörde ist
informiert. Die Polizei schreitet nicht ein, denn sie befürchtet
Krawalle der Antifaschisten. So berichtete die Presse. Und am
Samstag, 16. Dezember 2000 geschah dies: In Dortmund fand in der
Gutenbergstraße eine friedliche antifaschistische Demonstration
statt. Die Polizei setzte alle Anwesenden in einem Kessel fest und
nahm sie anschließend in Unterbindungsgewahrsam, denn sie
befürchtete Krawalle der Antifaschisten.
Wir stellen fest:
Die Nazis brauchen es nur „Geburtstagsfeier“ statt
Versammlung zu nennen, schon geht die Sache für den
Polizeipräsidenten und den Regierungspräsidenten in Ordnung. Die
Nazis treffen sich nicht als verbotene „ANS“ oder „FAP“,
sondern als „freie Nationalisten“ und „Kameradschaften“
– oder einfach als Freunde der „Volx“-Musik - und schon
werden sie von der Polizei beschützt, während ansonsten
protestierende Demokraten und Antifaschisten eingekesselt und
eingesperrt werden.
....
Die Untätigkeit des Landtages in dieser Sache beunruhigt uns.
Während sich Ulla Jelpke (PDS) und Annelie Buntenbach (Grüne)
als NRW-Politikerinnen mutig gegen die Nazis und den
Polizeipräsidenten engagierten, enthielten sich die
Landtagsabgeordneten jeder Erklärung.
Wie lange noch? Wir verlangen von Ihnen: Setzen Sie sich ein
für die Aufklärung des Polizeiskandals vom 16. März in
Dortmund. Lassen Sie keine weiteren Neonaziaufmärsche, auch keine
Feier oder Festumzug der „Borussenfront“, zu. Setzen Sie sich
für den Schutz und die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger
ein. Veranlassen Sie endlich mit Nachdruck den Innenminister zum
Handeln – gegen die Nazis und gegen einen Staatsschutz und seine
Chefs, die Nazis schützen.
Wir verlangen ferner: Der Landtag fordert den Innenminister auf
zu erklären,
1. was er für die nachhaltige Durchsetzung der
Organisationsverbote der Neonazivereinigung wie ANS, FAP, NO usw.
aus den 90er Jahren unternehmen wird. 2. was seine Antwort auf die
fortwährenden Verharmlosungen der Naziaufmärsche durch drei
Richter des Bundesverfassungsgerichtes ist, 3. was er zum Schutz
der Bürger unternehmen will, die vom Anti-Antifa-Terror bedroht
sind. 4. Wie er das Demonstrationsrecht der Antifaschisten
durchsetzen und künftige Polizeikessel verhindern will.
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Folgende Anträge wurden von
der Landeskonferenz in dieser Fassung beschlossen:
Initiativantrag: Den Krieg
verhindern!
Die VVN BdA NRW hat die Erklärung des Kanzlers vernommen,
Deutschland werde sich nicht am Krieg der USA gegen den Irak
beteiligen und auch kein Geld dafür ausgeben. Der Kanzler sprach
sich für „Solidarität“, aber gegen „Beteiligung an
Abenteuern“ aus.
Wir begrüßen diese Erklärung, die abweicht von der
bedingungslosen, unkritischen „uneingeschränkten Solidarität“
mit Präsident George W. Bush.
Es geht der Friedensbewegung und den Antifaschistinnen und
Antifaschisten aber nicht nur darum, die deutsche
Kriegsbeteiligung zu verhindern, sondern den ganzen Krieg. Wenn
die Regierung den Krieg ein Abenteuer nennt, dann muß sie alles
tun, um dieses Abenteuer zu verhindern.
Noch vor der Bundestagwahl muß der Bundestag einen
Parlamentsbeschluss herbeiführen, um die Haltung Deutschlands auf
der NATO-Tagung am Tag nach der Wahl, am 23. September, zu
bestimmen. Statt einen neuen Bündnisfall zu beschließen, gilt es
klarzustellen: Wir machen nicht mit, auch wenn es ein Nato- und
ein sogenanntes UNO-Mandat gibt. Der Bündnisfall der NATO,
beschlossen nach dem 11. September 01 ist sofort aufzuheben.
Weigert sich die NATO, so hat die Regierung zu erklären, daß sie
sich an diesen Beschluß nicht mehr gebunden fühlt. Vor allem ist
der umfassende Ermächtigungsbeschluß zum Kriege, vom Kanzler am
16. November 2001 im Bundestag erzwungen, aufzuheben, ebenso wie
die „Verteidigungspolitischen Richtlinien“ von 1992.
Wenn die Erklärung der Bundesregierung ernst genommen werden
soll, dann gilt es: - deutlich zu machen, daß von Deutschland
keinerlei militärische, finanzielle und politische Unterstützung
– auch keine indirekte – zu erwarten ist. - Sofort alle
deutschen Truppen aus der Krisenregion zurückzuziehen,
insbesondere die ABC-Spürpanzer aus Kuwait und die
Marineverbände aus der Golfregion und vor dem Horn von Afrika, -
Die Nutzung der militärischen Infrastruktur in Deutschland
einschließlich der US-Basen wie Spangdahlem, Ramstein und
Frankfurt Airport durch die USA zu verweigern.
Wer der irakischen Bevölkerung aus der Geiselhaft des
Saddam-Regimes helfen möchte, muß zivile Mittel zur Befriedung
der Region anwenden.
In diesem Sinne wird die Friedensbewegung und wird die
antifaschistische Bewegung auch in der Wahlzeit wirken. Es gilt
der Slogan: „Keine Stimme für den Krieg“. Und so auch am 11.
September, an dem wir deutlich machen, daß wir Terror wie auch
Staatsterror ablehnen. Schließlich der 14. September, eine Woche
vor der Bundestagswahl. Dann geht es nach Köln zur
Großkundgebung der Friedensbewegung und der Gewerkschaftsjugend
unter dem Motto „Her mit dem schönen Leben.“
Antragsteller: Geschäftsführender Landesausschuß
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Antrag Nr. 4
Antrag an die
Landesdelegiertenkonferenz (so beschlossen:)
Gegen den Einsatz deutscher
Soldaten in Nahost – Frieden für Israelis und Palästinenser
Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes / Bund der
Antifaschisten (VVN-BdA) teilt die Beunruhigung in der
internationalen Öffentlichkeit über den ständig eskalierenden
Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern. Sie unterstützt
alle Bemühungen um die sofortige Beendigung des Krieges als
Voraussetzung für eine friedliche Lösung.
Als deutsche Antifaschisten wenden wir uns mit Entschiedenheit
gegen die regierungsoffizielle Erwägung, deutsche Soldaten
nunmehr auch im Nahen Osten einzusetzen.
Die Verbrechen des deutschen Faschismus und der Holocaust sind
schließlich eine wesentliche Ursache für die Entstehung des
Konflikts überhaupt. Es ist deshalb geradezu zynisch, den Einsatz
deutscher Soldaten dort mit der besonderen deutschen Verantwortung
begründen zu wollen.
Wir fordern, dass die Bundesregierung nicht militärische,
sondern friedenspolitische Anstrengungen unternimmt, den Konflikt
zu entschärfen, insbesondere durch die sofortige Einstellung
aller Waffenlieferungen in die Region und durch nachdrückliche
Einflussnahmen auf die politisch Verantwortlichen, die
terroristische, militärische und strukturelle Gewalt zu beenden.
Die VVN-BdA tritt entschieden für das Existenzrecht des
Staates Israel wie für das eines palästinensischen Staat ein.
Sie verlangt die Verwirklichung der Nahost-Resolutionen und
-Forderungen der Vereinten Nationen.
Die Landesdelegiertenkonferenz stellt fest:
1.Die VVN-BdA wurde 1947 mitbegründet von jüdischen
Holocaustüberlebenden. Sie ist stets gegen jeden Antisemitismus
aufgetreten. 2.In der Auseinandersetzung mit dem gegenwärtigen
Krieg im Nahen Osten verurteilt die VVN-BdA Terrorismus und
Staatsterrorismus gleichermaßen. 3.Sie ist solidarisch mit der
israelischen und der palästinensischen Friedensbewegung. Eine
kritiklose Hinnahme des Terrors von Hamas u.ä. ist für die
VVN-BdA ebenso undenkbar wie des Terrors der Regierung Scharon.
Die VVN-BdA verurteilt die Vertreibungspolitik der Regierung
Scharon gegenüber den Palästinensern. Sie wendet sich dagegen,
daß in der Friedensbewegung und der antifaschistischen Arbeit
Begriffe, die eindeutig besetzt sind durch den deutschen
Faschismus, wie „Vernichtungskrieg gegen die Palästinenser“,
verwendet werden. Sie sind in jeder Hinsicht falsch. Was
Vernichtungskrieg ist, wurde eindeutig geklärt mit der
Wehrmachtsausstellung: Ausrottung großer Teile der Bevölkerung
des besetzten Landes, Teil des Holocaust.
Antragsteller: Geschäftsführender Landesausschuß
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Antrag Nr. 3
Die Landesdelegiertenkonferenz
2002 der VVN-BdA NRW beschließt: (so beschlossen)
Enge Zusammenarbeit mit dem
Förderverein Emslandlagergemeinschaft
Der Bitte um Kooperation des Fördervereins Papenburg e.V. „Emslandlagergemeinschaft“,
hervorgegangen aus der 1955 gegründeten Lagergemeinschaft
ehemaliger Moorsoldaten, wird entsprochen, und es wird eine enge
kameradschaftliche Zusammenarbeit zwischen VVN-BdA-Landesverband
und Förderverein hergestellt.
Im Auftrag der Leitung des Fördervereins wird die VVN-BdA NRW
- die Interessenvertretung des Fördervereins zu ihrer eigenen
Sache machen, - den Förderverein in den Gremien der VVN-BdA und
FIR vertreten, - den Kontakt zu den Mitgliedern des Fördervereins
halten und ihnen die Publikationen der VVN-BdA zugänglich machen.
- Rundschreiben im Interesse des Zusammenhalts an die Mitglieder
versenden. - Den Förderverein in den Gremien der
Gedenkstättenarbeit vertreten. - Die Pflege der Gedenksteine in
Esterwegen (auf Bundesgelände befindlich und nach dem Weggang des
Bundeswehrdepots Esterwegen von zweifelhafter Nachbarschaft
befreit, aber derzeit auch „unbeaufsichtigt“) sichern.
Die Moorsoldaten in den ersten Moorlagern, den KZs im Emsland,
kamen zum großen Teil aus dem Gebiet des heutigen NRW. Es ist
daher naheliegend, die enge Zusammenarbeit zwischen „Emslandlagergemeinschaft“
Förderverein und VVN-BdA NRW herzustellen. Die beiden
Gedenksteine für Carl von Ossietzky und für die Insassen der „Hölle
am Waldesrand“, der 15 Emsland-KZ-Lager, in denen von 1933 bis
1945 Tausende KZ-Häftlinge und andere NS-Verfolgte wie
Zwangsarbeiter, Deserteure u.a. litten und viele ermordet wurden,
sollen bewahrt und beschützt werden. (1995 wurden sie u.a. von
VVN-Kameraden, vor allem Georg Gumpert, aufgestellt.)
Die Landesorganisation wird Gedenkfahrten mit Jugendlichen nach
Esterwegen und in die anderen Orte der Moorlager durchführen, so
zu bestimmten Jahrestagen. Die VVN-BdA NRW wird auch die
Zusammenarbeit mit dem Dokumentationszentrum DIZ in Papenburg
pflegen.
Antragsteller: Geschäftsführenden Landesausschuß
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Antrag Nr. 1
Die Landesdelegiertenkonferenz
2002 der VVN-BdA NRW beschließt: (so beschlossen)
Wann ehrt NRW seine Vorbilder der
Jugend Dr. Rossaint, Günther Weisenborn und Johanna Melzer?
Wir beantragen beim Stadtrat von Düsseldorf, beim Stadtrat von
Leverkusen und bei den Stadträten der Ruhrgebietsstädte und
geben dem Landtag zur Kenntnis:
Die Stadträte mögen die Benennung von Straßen nach den
antifaschistischen Widerstandskämpfern Johanna Melzer (Hamm),
Kaplan Dr. Joseph Rossaint (Düsseldorf) und Günther Weisenborn
(Leverkusen, Velbert) beschließen.
Zu den Personen:
Johanna Melzer (1904-1960), Arbeiterin und Abgeordnete,
Mitglied der KPD, Widerstandskämpferin im Ruhrgebiet, 1934 in
Hagen verhaftet und 1945 von den Alliierten aus der Haft befreit,
nach 1945 aus politischen Gründen inhaftiert.
Dr. Joseph Rossaint, 1902-1991, Kaplan, führender katholischer
Widerstandskämpfer, eintreten für die Einheitsfront der
Antifaschisten, 1936 verhaftet und im weltweit beachteten
Katholikenprozeß von Berlin verurteilt, 1945 von den Alliierten
befreit, nach 1945 Präsident der Vereinigung der Verfolgten des
Naziregimes
Günther Weisenborn (1902-1969). Schriftsteller, Mitglied von
Widerstandsgruppen, 1943 verurteilt und 1945 von den Alliierten
befreit, Verfasser des Werkes „Der lautlose Aufstand“ über
den deutschen Widerstand.
Diese Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer stehen
stellvertretend für Tausende Antifaschisten, deren Vergessen
droht. Die Vereinigte VVN-BdA nimmt ihre
Landesdelegiertenkonferenz in Bochum zum Anlaß, für diese drei
Antifaschisten die Benennung von Straßen in den Städten NRWs zu
beantragen. Wir bitten den Landtag, diese Anträge ebenfalls zu
unterstützen.
Die Konferenzleitung richtete diesen Brief an den
Innenminister:
An den
Innenminister
von NRW
Sehr geehrter Herr Minister!
Am 15. Dezember fand in Bottrop eine antifaschistische
Demonstration gegen den Aufmarsch von Neonazis statt. Michael
Gerber, DKP-Fraktionsvorsitzender im Rat, war Anmelder der
Demonstration. Er soll nun bestraft werden, weil er sich weigerte,
die Transparente, die gezeigt wurden, zu zensieren. Die Polizei
behauptete, damit wurde zur Gewalt aufgerufen. (Ein Transparent
verlangte statt Worte Taten, das soll nun Gewalt sein.)
Am 19. September wird gegen Michael Gerber vor Gericht
verhandelt.
Wir fordern die Rücknahme der Strafanzeige und die Absetzung
des Prozesses und Demonstrations- wie Versammlungs- und
Meinungsfreiheit für Antifaschistinnen und Antifaschisten.
Die Landeskonferenz der VVN-Bund der Antifaschisten
7. September 2002 in Bochum
i.A. Ulrich Sander, Landessprecher
Wir gehen dramatischen Zeiten
entgegen
Schlusswort von Jupp Angenfort
Liebe Kameradinnen und Kameraden
Im Namen aller, die heute in die verschiedenen Funktionen
unserer Organisation gewählt wurden, möchte ich für das
Vertrauen danken, das uns gegeben wurde. Wir werden uns bemühen,
gute Arbeit zu leisten.
Dank allen, die unsere Konferenz gegrüßt und ihr Erfolg
gewünscht haben. Aus der Vielzahl nenne ich den Gruß des
Oberbürgermeisters von Bochum, Ernst-Otto Stüber, und den Gruß
des Vertreters der Gewerkschaft verdi, Hans-Dieter Warda.
Unser Dank gilt auch den Kollegen Ortwin Bickhove-Swiderski von
der Gewerkschaft Verdi. Er hat sich in besonderem Maße darum
bemüht, daß wir hier im „Hans Liersch Haus“ unsere Konferenz
unter guten Bedingungen durchführen konnten.
Dank allen, die durch ihre vielfältige Hilfe zum guten Verlauf
der Konferenz beigetragen haben. Stellvertretend nenne ich die
Kameradinnen und Kameraden aus Bochum.
Wir haben eine interessante Konferenz hinter uns. Es gab auch
demokratischen Meinungsstreit. Ich finde, das ist normal und
richtig, wenn es um die Lösung der Probleme geht. Ich hoffe, daß
bei denen, deren Meinung sich bei der einen oder anderen
Abstimmung nicht durchsetzen konnte, keine Bitternis
zurückbleibt.
Liebe Kameradinnen und Kameraden, wir gehen dramatischen Zeiten
entgegen. Es droht ein militärischer Angriff auf den Irak.
Führende Persönlichkeiten der USA haben sich dafür
ausgesprochen. Es droht ein Bombenkrieg, die Zerstörung der
Lebensgrundlagen der Bevölkerung des Irak, der Tod Tausender
unschuldiger Menschen.
Bei einem militärischen Abenteuer weiß man, wie es begonnen
hat. Wie es endet, weiß man nicht. Es kann in einer Katastrophe
enden. Es kann zu einem großen Krieg führen, zu einem Krieg, in
dem auch Atomwaffen eingesetzt werden. Von dieser Möglichkeit
haben Politiker der USA bereits gesprochen. Die Folgen wären
nicht abzusehen. Die Gefahr ist real. Schließlich war die USA der
erste und einzige Staat, der Atomwaffen bereits eingesetzt hat.
Wir alle erinnern uns noch an die entsetzlichen Folgen des
Abwurfs von Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki. Mehr als
200.000 Menschen wurden auf einen Schlag umgebracht. Zivilisten.
Unschuldige Menschen. Sie wurden hingemordet, denn der Krieg war
entschieden. Japan war militärisch am Ende. Der eigentliche Sinn
des Atombombenabwurfs war, die Waffe einmal echt auszuprobieren
und der übrigen Welt den dicken Knüppel zu zeigen.
Und jetzt ein Krieg gegen den Irak, eventuell sogar mit Einsatz
von Atomwaffen? Das darf nicht sein!
Bei einem Krieg gegen den Irak steht auch sofort die Frage im
Raum: Welches ist denn der nächste Staat, der überfallen wird?
Präsident Bush hat bereits von der „Achse des Bösen“
gesprochen. Er hat neben dem Irak den Iran und Nordkorea genannt.
Vielleicht aber wird das nächste Land Saudi-Arabien sein? Es
gibt Spannungen zwischen diesem Land und den USA. Das aber ist
nicht die Hauptursache. Die Hauptursache ist, daß Saudi-Arabien
Öl hat. Viel Öl. Die Ölreserven der Welt gehen zu Ende. Es
findet ein weltweiter Konkurrenzkampf um diesen Rohstoff statt.
Wer die Hand darauf hat, ist strategisch in einer günstigen
Position und kann in Zukunft märchenhafte Gewinne machen.
Deswegen halte ich es für möglich, daß auch Saudi-Arabien im
Visier imperialistischer Kräfte ist.
Die Älteren unter uns haben noch den letzten Weltkrieg in
Erinnerung. Die vielen Millionen Toten, das Leid und Elend
unschuldiger Menschen. Wir wollen keinen Krieg mehr! Wir awollen
Frieden. Lasst uns das laut und deutlich sagen und dafür wirken.
Pressemitteilung
An die Medien
VVN-BdA NRW: Den Krieg und nicht nur die Beteiligung daran
verhindern! - Landtag soll Polizeikesselskandal aufklären -
Letzte Landeskonferenz vor Einigungskongress der VVN-BdA auf
Bundesebene
Die VVN BdA NRW hat auf ihrer Landeskonferenz im
Hans-Liersch-Haus der Gewerkschaft verdi in Bochum zur
Friedensdemonstration am 14. September in Köln aufgerufen.
Einstimmig wurde zu den jüngsten Kanzler- und
Kanzlerkandidatenerklärungen festgestellt: „Es geht der
Friedensbewegung und den Antifaschistinnen und Antifaschisten
nicht nur darum, die deutsche Kriegsbeteiligung zu verhindern,
sondern den ganzen Krieg. Wenn die Regierung den Krieg ein
Abenteuer nennt, dann muss sie alles tun, um dieses Abenteuer zu
verhindern,“ das viele Tausend unschuldige Menschen das Leben
kosten würde. Vor allem müssen den USA und Großbritannien die
Nutzung jeglicher Infrastruktur in Deutschland untersagt und die
Überflugrechte für den Krieg gegen den Irak verweigert werden.
Die Regierung soll noch vor den Wahlen feststellen: „Wir
machen nicht mit, auch wenn es ein Nato- und ein sogenanntes
UNO-Mandat gibt.“ Der Bündnisfall der NATO, beschlossen nach
dem 11. September 01 ist sofort aufzuheben. Weigert sich die NATO,
so hat die Regierung zu erklären, daß sie sich an diesen
Beschluss nicht mehr gebunden fühlt. Der umfassende
Ermächtigungsbeschluss zum Kriege, vom Kanzler am 16. November
2001 im Bundestag erzwungen, ist aufzuheben, ebenso wie die „Verteidigungspolitischen
Richtlinien“ von 1992.
Die VVN-BdA: „Es gilt der Slogan: „Keine Stimme für den
Krieg“. Die VVN-BdA verlangte auf ihrer Landeskonferenz
außerdem, der nordrhein-westfälische Landtag soll endlich die
bundesweit einmaligen Polizeiskandale – manifestiert in
Polizeikesseln von Dortmund und Düsseldorf gegen Antifaschisten
– aufklären. Der Landesinnenminister soll endlich vom
Landesparlament aufgefordert werden zu erklären, „was er für
die nachhaltige Durchsetzung der Organisationsverbote der
Neonazivereinigungen wie ANS, FAP, NO usw. aus den 90er Jahren
unternehmen wird“, ferner „was seine Antwort auf die
fortwährenden Verharmlosungen der Naziaufmärsche durch drei
Richter des Bundesverfassungsgerichtes ist.“ Außerdem soll die
Landesregierung mitteilen, „was sie zum Schutz der Bürger
unternehmen will, die vom Anti-Antifa-Terror bedroht sind“ und
„wie sie das Demonstrationsrecht der Antifaschisten durchsetzen
und künftige Polizeikessel verhindern will.
Der Konferenz lag ein Antrag zur engsten Zusammenarbeit mit dem
Förderverein der Emslandlagergemeinschaft, den früheren
Moorsoldaten, vor, der einstimmig beschlossen wurde. Er sieht
gewissermaßen eine Patenschaft mit dieser Vereinigung der Opfer
des Faschismus vor, von denen viele aus dem Gebiet des heutigen
NRW kamen. Außerdem behandelte die Konferenz Konzepte, wie die
Erinnerungsarbeit in Nordrhein-Westfalen durch Benennung von
Straßen nach den Widerstandskämpferinnen und –kämpfern wie
Hanna Melzer, Kaplan Dr. Rossaint und Günther Weisenborn
verbessert werden kann. Die Konferenz nahm Stellung zum
Nahostkonflikt, indem mit deutlicher Mehrheit, die Position der
Bundesorganisation der VVN-BdA gegen Terror und Staatsterror in
Nahost und für die Durchführung der Nahost-UNO-Resolutionen
unterstützt wurde.
Auf der Landeskonferenz vertraten 77 Delegierte, darunter
sieben, die noch am Widerstand gegen das NS-Regime teilgenommen
haben, die rund 1.250 Mitglieder der größten und sehr
traditionsreichen Vereinigung der Naziopfer und ihrer
Hinterbliebenen sowie jüngerer Mitkämpferinnen und Mitkämpfer,
die in rund 20 Kreisvereinigungen arbeiten. Es war die letzte
VVN-Landeskonferenz im Bundesmaßstab vor dem Vereinigungskongress
aller Landesverbände und anderer antifaschistischer Gruppen aus
Ost und West Anfang Oktober in Berlin. Sie tagte unter der Losung
des Schwurs von Buchenwald. Dieses Gründungsdokument der
antifaschistischen Bewegung von 1945, das von den Häftlingen
vieler europäischer Länder verabschiedet worden war, wurde auch
als Richtschnur für ein angestrebtes antifaschistischer Europa
ausgewählt. „Europa – bitte antifaschistisch“ lautete das
Thema einer Arbeitsgruppe, in der die Diskussion über
europapolitische und antifaschistische Perspektiven unter
besonderer Berücksichtigung der Zuwanderungsdiskussionen und der
Rechtspopulistischen Entwicklung in vielen Ländern fortgesetzt
wurde, die mit einem Antrag an den Bundeskongress der VVN-BdA und
mit einem Dokument zur europäischen Verfassungsdiskussion begann.
Gegen rechte kulturelle Hegemonie ging es in der Arbeitsgruppe
„Kultur des Antifaschismus“. Junge Rapper, Künstler aus Polen
und Kulturarbeiter mehrerer Städte nahmen teil. „Her mit dem
Geld für die Sklaven des NS-Regimes“, darum ging es in einer
weiteren Arbeitsgruppe, die den Erfahrungsaustausch über die
Fortsetzung der Arbeit zu Gunsten der Zwangsarbeiterinnen und
Zwangsarbeiter führte.
Es wurde ein neuer Geschäftsführender Landesausschuss
gewählt, dem Jupp Angenfort (Düsseldorf), Ulrich Sander
(Dortmund) und Jochen Vogler (Wuppertal) als Landessprecher
vorstehen. Maria Wachter (92 Jahre), Teilnehmerin am
antifaschistischen Widerstand und Verfolgte des NS-Regimes,
kandidierte nicht erneut als stellvertretende Landesvorsitzende.
Die Düsseldorferin wurde unter langem Beifall zur
Ehrenvorsitzenden gewählt. Hans-Dieter Warda vom
Verdi-Landesvorstand, hatte die Konferenz zu Beginn mit einem
herzlichen Grußwort begrüßt und die Tatsache eines
Neonaziaufmarsches zu gleicher Stunde in Wuppertal verurteilt, an
dem sich Nazis führend beteiligten, die VVN-Mitglieder
terrorisiert haben. Er gedachte der Opfer des 11. September 2001
in New York, aber auch der des 11. September 1979 in Santiago de
Chile, die Opfer von Terror und Staatsterror wurden.
Anhang
Mehr Antifaschismus ins
Grundgesetz!
Antrag des Landesausschusses an
den VVN-BdA-Bundeskongress und den Bundeskongress der vereinigten
VVN-BdA:
Die VVN-BdA unterstützt die im Deutschen Bundestag
gegenwärtig erörterte Forderung nach Aufnahme zusätzlicher
antifaschistischer Grundsätze ins Grundgesetz. Die VVN-BdA
erwartet, dass nicht nur die PDS-Fraktion eine solche Initiative
unterstützt.
Der Vorschlag, in Artikel 26 neue zusätzliche
antifaschistische Prinzipien zu verankern, wird von der VVN-BdA
unterstützt. Es geht dabei darum, zusätzlich zum Artikel 139
Grundgesetz (Fortgeltung der Entnazifizierungsvorschriften) im
Artikel 26, dort, wo vom Verbot der Vorbereitung eines
Angriffskrieges die Rede ist, auch das Verbot des
Nationalsozialismus zu verankern.
In unserem Bestreben nach einer derartigen Ergänzung des
Grundgesetzes sollten wir auch zwei wichtige Debatten im Blick
haben:
- Die Debatte um eine mögliche EU-Verfassung. In diese sollten
die vorhandenen und die angestrebten antifaschistischen Positionen
Eingang finden. In diesem Sinne wird der Bundesausschuss der
vereinigten VVN-BdA beauftragt, mit den Mitgliedern des
EU-Konvents zu sprechen und die Vorschläge der deutschen
Antifaschistinnen und Antifaschisten einzubringen. Auch die FIR
sollte zu einer Stellungnahme ermuntert werden.
- Die Debatte unter den Verwaltungs- und Verfassungsjuristen
über den juristischen Umgang mit neonazistischen Ideologien und
Aktivitäten. Wir verurteilen die Haltung des
Bundesverfassungsgerichtes und unterstützen die des
nordrhein-westfälischen obersten Verwaltungsgerichtes in
Münster, das entgegen Karlsruhe entschieden hatte, dass sich eine
rechtsextremistische Ideologie auch nicht mit Mitteln des
Demonstrationsrechts legitimieren lässt. Die Behauptung einer
Kammer des BVG, Neonazis dürften auf den Straßen und Plätzen
demonstrieren, da sie allenfalls eine „missliebige“ Meinung
verträten, wird von den Münsteraner Richtern – und höchste
Verwaltungsrichter stimmen ihnen zu – zurückgewiesen: Das
Grundgesetz verbiete von vornherein jeden Rechtsextremismus.
Was den Artikel 139 GG anbelangt, mit dem bereits jetzt die zur
Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und
Militarismus erlassenen Rechtsvorschriften als gültig geregelt
sind, so bekräftigt die VVN-BdA ihr Unverständnis über die
Haltung der meisten Parlamentarier, diesen Artikel als obsolet
anzusehen. Vielmehr gilt es, diesen Artikel anzuwenden, dessen
Titel „Fortgeltung der Entnazifizierungsvorschriften“ bereits
die Gültigkeit zum Ausdruck bringt.
Die VVN-BdA stellt fest: Die VVN-BdA sieht in besonderem Maße
in den Grundrechten nach Artikel 1 bis 17 des Grundgesetzes
antifaschistische Aussagen; von großer Bedeutung sind ferner die
Aussagen des Grundgesetzes zur Verwirkung von Grundrechten im
Falle der Verletzung von Grundrechten (Artikel 18, 19 und 21), zum
Widerstandsrecht (Artikel 20), zum Vorrang des Völkerrechts und
zum Verbot von Angriffskriegen (Artikel 25 und 26) sowie zum
Verbot von Militarismus und Nationalsozialismus (Artikel 139).
Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes bestimmt die
Verfassungswidrigkeit und Strafbarkeit von Störungen des
friedlichen Zusammenlebens der Völker, insbesondere der
Vorbereitung eines Angriffskrieges. Es wird vorgeschlagen, diesen
oder einen anderen Artikel dahingehend zu ergänzen, dass auch
Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen
werden, nationalsozialistisches Gedankengut wieder zu beleben,
verfassungswidrig sind. Angesichts des gehäuften Auftretens
neonazistischer, rassistischer und antisemitischer Tendenzen sowie
fremdenfeindlicher Aktionen wäre dies ein zeitgerechtes Signal
mit verfassungsrechtlicher Autorität.
PS
Notiz
Zwei Vorgänge trübten den
Gesamteindruck der Landeskonferenz:
1. Der bisherige Landeskassierer legte seinen
Rechenschaftsbericht so spät vor, daß er nicht mehr von der
Revisionskommission geprüft werden konnte. Somit wurde dem
bisherigen Kassierer keine Entlastung erteilt. Die Prüfung seines
Berichtes soll nun von der Revisionskommission und dem
Landesausschuss gemeinsam vorgenommen werden.
2.Ein Antrag zu Fragen des Nahostkonfliktes und der
Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus wurde von der
Kreisorganisation Münster ausdrücklich als Diskussionsbeitrag
eingebracht und gewertet, weshalb die knappe Mehrheit der
Delegierten befand, er solle als Antrag nicht befasst werden. Der
Antrag, bzw. der Diskussionsbeitrag soll nun auf den
Internetseiten der VVN-BdA NRW und VVN-BdA Münster zur Diskussion
stehen.
Der Text lautet:
Antragsteller: Kreisvereinigung Münster
Antrag Nr. 5
Antrag an die Landesdelegiertenkonferenz
„Damit Gestern nicht zu
Morgen wird“ - Gegen Antisemitismus, Rassismus und Nationalismus
- für eine solidarische Unterstützung israelischer und
palästinensischer Friedenskräfte!
Es wird beantragt, der folgenden Erklärung zuzustimmen:
Die aktuelle kriegerische Auseinandersetzung in
Israel/Palästina führt in der bundesrepublikanischen
Öffentlichkeit und ihrem Subsystem der politischen Linken zu
immer heftigeren Kontroversen. Angesichts alltäglicher Terrorakte
radikal-nationalistischer und islamistischer Organisationen wie
der Hamas auf der einen und einer israelischen Regierung auf der
anderen Seite, die aktuell scheinbar nur noch der Logik des
Militärischen folgt, wird eine eigene Standortbestimmung immer
schwieriger. Trotzdem dürfen wir angesichts der unzähligen Opfer
auf israelischer und palästinensischer Seite, der alltäglichen
Angst vor Terroranschlägen und Militärinterventionen nicht
schweigen. Eine Parteinahme ist in diesem Zusammenhang nur für
all die Menschen möglich, die sich in diesem Konflikt um
friedliche Lösungen bemühen.
Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes / Bund der
Antifaschistinnen und Antifaschisten wurde von Überlebenden des
Holocaust und von Widerstandskämpfern gegen den Hitlerfaschismus
gegründet, aus dieser Perspektive heraus wollen wir einige
grundsätzliche Standpunkte und Thesen in dieser Diskussion
formulieren. Unsere Standpunkte sind als Diskussionsbeitrag zu
werten, beinhalten aber gleichzeitig eine deutliche Abgrenzung zu
nationalistischen, rassistischen und antisemitischen Positionen
auch innerhalb der Linken.
Wir Antifaschistinnen und Antifaschisten in der VVN/BdA NRW
erklären deutlich: Eine Zusammenarbeit mit Initiativen,
Bündnissen und Parteien, in denen antisemitische und
nationalistische Töne zu vernehmen sind, schließen wir aus.
Hamas, islamischer Djihad und
Fatah: Keine emanzipatorische Bewegung, sondern
völkisch-nationalistischer Befreiungskampf
Fast täglich erreichen uns Nachrichten, die von immer neuen
Anschlägen und Selbstmordattentaten gegen die jüdische
Bevölkerung Israels berichten. Der bewaffnete Kampf gegen Israel
und die Juden von Seiten der Fatah und weiteren palästinensischen
Organisationen kann mittlerweile als Kern der palästinensischen
Nationalmythologie und der nationalen Identität bezeichnet
werden. Dieser Kampf wird zudem religiös und antisemitisch
aufgeheizt. In einer vom palästinensischen Fernsehen
übertragenen Predigt aus eine Moschee im Gaza-Streifen hieß es
im Jahr 2000 u.a.: Habt kein Mitleid mit den Juden, egal, wo ihr
seid, in welchem Land auch immer. Bekämpft sie, wo immer ihr
seid. Wo immer ihr sie trefft, tötet sie. Auf
pro-palästinensischen Demonstrationen sind in den letzten Wochen
Parolen wie: Tod allen Juden; Israel raus oder Juden und Christen
– raus aus Palästina zu vernehmen. Untermalt werden diese
Parolen mit Karikaturen, auf denen die typischen antisemitischen
Stereotypen abgebildet werden. Diese Karikaturen sind teilweise
identisch mit Abbildungen, die die deutschen Faschisten im
Nationalsozialismus als Anleitung zum Erkennen von Untermenschen
gebrauchten.
Die dominierenden palästinensischen Kräfte stellen schon
lange keine linke, emanzipatorische Bewegung mehr dar.
Islamistische Organisationen wie die Hamas und der Hisbollah
gewinnen an Einfluß, Kinder werden zu lebenden Bomben
instrumentalisiert. Der Kampf maßgeblicher palästinensischer
Kräfte richtet sich längst nicht nur noch für einen Abzug
israelischer Militärs aus den Autonomiegebieten, sondern gegen
Israel selbst und gar gegen alle Juden. Die Selbstmordattentate
auf Zivilisten lassen keinen anderen Schluß zu.
Dieser Kampf wird jedoch von Teilen der Linken als berechtigt
eingeordnet und als eine Ermutigung für die deutsche
Solidaritätsbewegung dargestellt. In diesem Zusammenhang werden
palästinensische Terroristen zu Symbolen des ungebrochenen
Widerstandswillens der Menschen Palästinas erklärt. Die
Selbstmordattentate werden zu Verzweiflungstaten definiert und
somit nicht nur beschönigt, sondern gerechtfertigt. Eine
Distanzierung von der Hamas und anderen terroristischen
Organisationen bleibt in Teilen der Linken unzureichend; Gewalt
und Aggression werden allerdings akzeptiert, so daß die
Abgrenzung zu nationalistischen und gewalttätigen Gruppen völlig
unzureichend bleibt.
Die völkische, antisemitische und nationalistische Ausrichtung
des palästinensischen Kampfes wird von vielen (linken) Kräften
nicht verleugnet, sondern im Gegenteil noch unterstützt. So kam
es in vielen bundesdeutschen Städten (Düsseldorf, Frankfurt,
Berlin, Münster) zu pro-palästinensischen Demonstrationen unter
Beteiligung linker Gruppen und Parteien.
In diesem Jahr ist es besonders in den neuen Bundesländern zu
Bündnisaktionen von palästinensischen Gruppen und der NPD
gekommen, in Greifswald marschierten beide Gruppen am 19. April
unter dem Motto „Solidarität mit Palästina“.
Vielen pro-palästinensischen DemonstrantInnen (von links und
rechts) geht es nur noch um das Unrecht der Vertreibung, um
Selbstbestimmung des Volkes oder um das Recht auf Heimat. Die
VVN/BdA demonstriert seit vielen Jahren gegen völkische Parolen
der Vertriebenenverbände; an dieser Stelle sagen wir deshalb
deutlich:
Nein zu jegliche Formen von völkischer und nationalistischer
Politik!
Mit Sharon ist kein Frieden zu
machen
Mit der Wahl von Ariel Sharon am 06. Februar 2001 zum neuen
israelischen Ministerpräsidenten wurde ein Prozeß eingeschlagen,
der sich zweifelsohne nicht in Richtung Frieden bewegt. Mit einem
Vorsprung von über 25 Prozent gegenüber Ehud Barak (bei einer
Wahlenthaltung von über 40 Prozent) wurden diejenigen Kräfte in
Israel gestärkt, die sich von Sharon mehr Sicherheit und Ruhe
erhofften. Letztlich wurden auch in Israel nationalistische,
fundamental-religiöse und rechtsextreme Kräfte gestärkt. Der
ehemalige General Ariel Sharon folgt in seiner Politik vor allem
der Logik des Militärischen. Mit bedingungslosem militärischen
Eingreifen wird jede palästinensische Gewalttat beantwortet.
Auch in diesem Konflikt gilt die These, daß Gewalt nie mit
Gewalt gelöst werden kann und das Gewalt immer neue Gewalt
hervorruft. Die Positionen sowohl von Sharon als auch von Arafat
scheinen nicht mehr miteinander in Einklang zu bringen sein. Ein
Dialog zwischen diesen Politikern scheint aussichtslos. Trotzdem
bleibt der einzig gangbare Weg zu Frieden und respektvollem Umgang
miteinander der Weg des Dialoges, unterstützt von neutralen
Moderatoren. Eine bedingungslose Anerkennung des Staates Israel
durch die arabischen Staaten und durch die palästinensische
Autonomiebehörde könnte einen entscheidenden Impuls geben.
Gleichzeitig ist von der israelischen Regierung eine Akzeptanz der
Palästinenser als gleichberechtigte Gesprächspartner zu fordern.
Leider wird aktuell aber jedes kleine Pflänzchen des Dialoges
durch Hamas-Bomben auf der einen und durch israelische
Militärinterventionen auf der anderen Seite zertreten. Sowohl
Israel als auch die palästinensische Autonomiebehörde müssen zu
einem Dialog zurückfinden.
Antisemitismus nicht nur in der
FDP
In der jüngsten Debatte über den Konflikt im Nahen Osten
waren und sind immer wieder antisemitische Standpunkte zu
vernehmen. Nicht nur in der FDP, sondern auch in Teilen der
bundesrepublikanischen Linken. Antisemitismus ist neben
religiösen und völkisch- nationalistischen Sichtweisen als ein
einigendes Moment in der ideologischen Untermauerung der
Al-Aksa-Intifada zu bezeichnen. Hier wird von jüdischer „Weltverschwörung“
gesprochen sowie von religiös und rassisch hergeleiteten „Beweisen“,
warum die Juden das Prinzip des „Bösen“ verkörpern. Aber
auch vor der Leugnung des Holocaust und geradezu zwanghaften
Vergleichen zwischen der Politik Israels und den Verbrechen der
Nazis wird nicht Halt gemacht. Im Gegenteil, von
palästinensischen Politikern ist zu hören: Der Holocaust wurde
übertrieben, um die Juden als Opfer eines großen Verbrechens
darzustellen, ihren Anspruch auf eine Heimat in Palästina zu
rechtfertigen. In offiziellen Schulbüchern ist zu lesen: der
jüdische Anspruch auf Palästina ist die größte Lüge, die die
Menschheit kennt. Und weiter heißt es: Vielleicht hat Allah die
Juden in unser Land gebracht, um sie auszulöschen.
Wenn in der Bundesrepublik der FDP-Politiker Möllemann den
ehemaligen Grünen Jamal Karsli zwischenzeitlich in seine
Landtagsfraktion aufnimmt, so unterstützt Möllemann im Prinzip
ebenfalls eine Gleichsetzung von Nationalsozialismus und
Israelischer Politik, hat doch Karsli u.a. von Nazi-Methoden bei
der israelischen Armee, und von Konzentration tausender gefangener
Palästinenser in großen Lagern gesprochen. Möllemann möchte
endlich einmal feststellen dürfen, daß Israel Täter und nicht
immer Opfer sei. Dies ist eine gewollte Entlastung von deutscher
Geschichte unter dem Deckmantel von Kritik an Israel. Mit seinem
Vorwurf, der jüdische Repräsentant Michel Friedman und die
Politik Sharons seinen selbst für den Antisemitismus
verantwortlich, hat sich Möllemann deutlich in einen
ideologischen Zusammenhang mit Antisemiten in der ganzen Welt
gestellt.
Antisemitismus läßt sich in der Bundesrepublik aber nicht auf
Teile der FDP reduzieren, auch die neofaschistischen Parteien
fühlen sich geradezu gestärkt durch die Aussagen von Möllemann,
endlich spricht einer mal aus, was wir schon lange denken.
Die Geschichte Israels ist ohne die Geschichte des
Antisemitismus und der Shoah nicht zu verstehen. Mit deutschen
Händen wurden Millionen Jüdinnen und Juden systematisch
umgebracht. Antisemitismus ist hier und heute bittere Realität.
Es ist unerträglich wie selbstverständlich deutsche Politiker
und Teile der Anti-Israel-DemonstrantInnen die israelische Politik
mit dem Hitlerfaschismus gleichsetzen.
Wir Antifaschistinnen und Antifaschisten wenden uns genauso
gegen einen in jüngster Zeit diskutierten deutschen
Militäreinsatz in Israel. Was es heißt, wenn deutsche
Herrenmenschen in Uniform in Jerusalem auf Juden und
Palästinenser schießen, mag sich jeder selbst ausmalen.
Mit der Gleichsetzung des deutschen Faschismus und der
aktuellen israelischen Politik führen sogar Teile der
außerparlamentarischen Linken das Verhindern eines neuen
Auschwitz im Munde um ihr Eintreten für Palästina zu untermauern
und folgen somit der Kriegslogik der Herren Schröder und Fischer,
die mit selbigem Argument schon die deutsche Militärintervention
in Jugoslawien begründeten.
Wer die israelisch-palästinensische Tragödie für eine
Entsorgung deutscher Geschichte mißbraucht, dem geht es nicht um
einen Beitrag zur Lösung des Konfliktes, sondern um Eskalation
und die Entlastung Deutschlands.
Was tun?
Es gilt zu aller erst noch Schlimmeres zu verhindern.
Antisemitische, völkische und nationalistische Tendenzen sind als
Schlimmeres zu bezeichnen und müssen entschieden zurückgedrängt
werden. Keine Zusammenarbeit mit Kräften, die hier keine
deutliche Trennung ziehen.
In Palästina und Israel müssen diejenigen Kräfte
unterstützt werden, die eine Lösung des Konfliktes ohne Gewalt,
Nationalismus und Antisemitismus anstreben.
Die Selbstmordattentate müssen
sofort ein Ende finden!
Schluß mit den militärischen
Interventionen der israelischen Armee!
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